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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 02.04.2004
Aktenzeichen: 10 U 377/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Es besteht kein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung, wenn die im Messprotokoll bezüglich Schräglenker und Achsenträger eines PKWs festgehaltenen Angaben einer Fahrwerksmessung teilweise fehlerhaft waren, der Kunde allein hierauf gestützt, eine letztlich erfolglose Wandlungs-/Schadensersatzklage gegen den Verkäufer erhoben hat und der Kunde sich entgegen der Empfehlung des Mitarbeiters der Fachwerkstatt zur Überprüfung eines etwaig verschwiegenen Unfallschadens sich nicht zuvor eines Kfz-Sachverständigen bedient hat.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 377/03

Verkündet am 2. April 2004

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Prof. Dr. Reiff auf die mündliche Verhandlung

vom 13. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 28. Februar 2003 wird mit der Maßgabe einer Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung von Amts wegen zurückgewiesen.

Die Kläger tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Im Übrigen tragen die Kosten des ersten Rechtszuges der Kläger zu 1) zu 44/100, die Klägerin zu 2) zu 56/100, die Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger zu 1) zu 34/100, die Klägerin zu 2) zu 66/100.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Kläger zu 1) nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Fahrwerkvermessung in Anspruch. Der Kläger zu 1) hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit einer Fahrwerksmessung seines zuvor erworbenen PKW's beauftragt. Die Klägerin zu 2) ist der Rechtsschutzversicherer des Klägers zu 1) und begehrt Erstattung der für den Kläger zu 1) verauslagten Kosten, welche dieser aufgrund eines erfolglosen Wandlungs-/Schadensersatzprozesses gegen die Verkäuferin des PKW's zu tragen hatte.

Unter dem 22.10.1998 erwarb der Kläger zu 1) für 12.300,-- DM einen gebrauchten PKW Mercedes mit einer Laufleistung von ca. 133.200 km (Stand 2.11.1998), der nach seinem Eindruck ein auffälliges Lenkverhalten zeigte. Nach dem schriftlichen Kaufvertrag vom 22.10.1998 wurde das Fahrzeug unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft (vgl. Bl. 6 d.A. 1 O 515/98 LG Koblenz). Am 2.11.1998 beauftragte der Kläger zu 1) die M Niederlassung der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Vermessung des Fahrwerks dieses Kraftfahrzeugs, nach deren Ergebnis einige Werte außerhalb der Toleranz lagen. Außerdem vermerkte der mit der Vermessung befasste Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf dem Prüfprotokoll, dass beide Schräglenker und Achsträger verbogen seien (vgl. Messblatt für Fahrwerkvermessung vom 2.11.1998, Anlage K 2, GA 10). Der Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten empfahl dem Kläger zu 1), vor Einleitung eines Gewährleistungsprozesses gegen die Verkäuferin des Fahrzeugs ein Sachverständigengutachten hinsichtlich möglicher Vorschäden einzuholen (GA 68, 85).

Der Kläger zu 1) kam dieser Empfehlung jedoch nicht nach, sondern verklagte die Verkäuferin des PKW's, ausschließlich gestützt auf die Angaben im Messprotokoll, auf Schadensersatz. Er berief sich in dem Verfahren 1 O 515/98 - LG Koblenz darauf, dass ihm bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich zugesichert worden sei, dass die Lenkung einwandfrei sei. Ursache für den Umstand, dass beide Schräglenker und Achsträger verbogen seien, könne nur ein Unfall oder sehr harter Aufprall gewesen sein. Die Verkäuferseite habe einen Offenbarungspflichtigen Mangel arglistig verschwiegen.

Im Rahmen dieses Rechtsstreits erstattete der Sachverständige B unter dem 5.1.2001 ein schriftliches Gutachten, das er in der Sitzung der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 12.6.2001 näher erläuterte (GA 24 ff.). Nach den Ausführungen des Sachverständigen wies das Fahrwerk keine Mängel auf. Entgegen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten durchgeführten Fahrwerkvermessung hätten lediglich bei der Vorderachse äußerst geringe Abweichungen vom Sollbereich festgestellt werden können, die sich jedoch nicht auf das als einwandfrei anzusehende Fahrverhalten des Fahrzeugs auswirkten.

Mit Urteil vom 24.7.2001 (Bl. 11 ff. d.A.) wies das LG Koblenz die Klage gegen die Verkäuferin des PKW's mit der Begründung ab, dass nach der Beweisaufnahme eine Zusicherung hinsichtlich des Lenkverhaltens nicht bewiesen sei und darüber hinaus keine Mängel des Fahrwerks bzw. der Lenkung vorlägen. Selbst wenn man in der geringfügigen Abweichung der bei der Fahrwerkvermessung festgestellten Soll- von den Istwerten einen Mangel sähe, sei kein arglistiges Verhalten ersichtlich, da keine Anhaltspunkte für einen Fehler erkennbar gewesen seien.

Bei der Weiterveräußerung des Fahrzeugs erzielte der Kläger zu 1) einen Kaufpreis von 6.000,-- DM. Mit Schreiben vom 9.11.2001 forderten die Kläger die Beklagte zur Zahlung bis zum 24.11.2001 auf.

Die Kläger haben vorgetragen,

der Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten habe bei der Fahrwerkvermessung vom 2.11.1998 gesagt, das Fahrzeug sei "krumm ... und verbogen wie eine Banane", es habe "gewiss einen Unfall gehabt". Durch die fehlerhafte Fahrwerkvermessung sei dem Kläger zu 1) ein Schaden in Höhe von insgesamt 4.690,07 Euro entstanden (Differenz des Kaufpreises zum späteren Wiederverkaufspreis des Pkws: 3.221,13 Euro, Verdienstausfall und Fahrtkosten für das persönliche Erscheinen bei mehreren Terminen im Rahmen des Prozesses vor dem LG Koblenz sowie bei der Abmeldung des Fahrzeugs: 1.085,50 Euro, Kosten für die wertlose Fahrwerkvermessung vom 2.11.1998: 53,21 Euro, Versicherungskosten und Steuern in Höhe von 292,72 Euro bzw. 37,51 Euro für das nicht mehr benutzte, aber zunächst weiter angemeldete, unter dem 22.10.1998 erworbene Fahrzeug). Die Klägerin zu 2) habe ausweislich der als Anlage K 15 zum Schriftsatz vom 11.10.2002 vorgelegten Belege (GA 99 ff.) Zahlungen auf die Prozesskosten in Höhe von insgesamt 5.849,75 Euro geleistet.

Die Kläger haben beantragt,

1. an den Kläger zu 1) 4.690,07 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus 3.221,13 Euro ab dem 25.11.2001 und aus weiteren 1.468,94 Euro seit dem 27.6.2002,

2. an die Klägerin zu 2) 5.849,75 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seitdem 27.6.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

der von den Klägern geltend gemachte Fehler bei der Fahrwerkvermessung sei nicht kausal dafür geworden, dass der Prozess vor dem LG Koblenz verloren worden sei. Denn die Klage sei deshalb abgewiesen worden, weil der Kläger zu 1) eine Zusicherung hinsichtlich des Lenkverhaltens nicht habe beweisen können und auch ein arglistiges Verschweigen etwaiger Mängel nicht vorgelegen habe. Verschiedene Schadenspositionen wären auch im Falle einer korrekten Fahrwerkvermessung entstanden, schließlich seien etwaige Ansprüche der Kläger verjährt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass zwar die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Fahrwerksmessung fehlerhaft ausgeführt habe, indem sie dem Kläger zu 1) ein unrichtiges Vermessungsergebnis mitgeteilt habe, mit dem Hinweis, beide Schräglenker und Achsträger seien verbogen. Indem die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger zu 1) zugleich jedoch den Rat erteilt habe, hinsichtlich etwaiger Vorschäden und vor Einleitung einer Wandlungsklage bzw. eines Schadensersatzprozesses gegen die Verkäuferin ein Sachverständigengutachten einzuholen, habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie keine verbindliche Auskunft erteilten wolle. Der Kläger zu 1) habe mit seiner vorschnellen Klage ohne ausreichende Grundlage eines zuvor erstellten Sachverständigengutachtens hinsichtlich etwaiger Vor- bzw. möglicherweise verschwiegener Unfallschäden auf eigenes Risiko gehandelt. Ihn treffe daher ein überwiegendes Mitverschulden für erfolglosen Ausgang des Vorprozesses.

Hiergegen wenden sich die Kläger zu 1) und 2) mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Die Kläger beantragen nunmehr, die Beklagten zu verurteilen,

1. an den Kläger zu 1) 3.025,82 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2001 zu zahlen,

2. an die Klägerin zu 2) 5.849,75 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.6.2002 zu zahlen.

Sie wiederholen im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung bzw. einen Minderungsanspruch verneint. Mit dem Landgericht ist zunächst davon auszugehen, dass das von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstellte Messprotokoll vom 21.1.1998 und die Angaben im Messblatt bezüglich der Schräglenker und Achsenträger zumindest teilweise fehlerhaft waren. Aufgrund der vom Sachverständigen Dipl. Ing. B vorgenommenen Begutachtung des Fahrzeuges im Vorprozess ist davon auszugehen, dass die Fahrwerksgeometrie der Hinterachse in Ordnung war. Die Messwerte bewegten sich im Bereich der Hinterachse noch im Toleranzbereich. Der Sachverständige mutmaßte, dass die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten durchgeführten Messungen zu ungenau gewesen seien, jedenfalls ließen die gemessenen Abweichungen keinen Schluss darauf zu, dass Achsträger und Schräglenker verbogen seien (GA 44). Für den Bereich der Vorderachse bestätigte der Sachverständige indes, dass geringe Abweichungen von den vom Hersteller angegebenen Sollwerten vorhanden gewesen seien, die ihre Ursache auch darin haben könnten, dass mit dem PKW über einen Bordstein gefahren worden sei. Diese Abweichungen könnten mit geringfügigen Einstellarbeiten beseitigt werden, die Abweichungen stellten nach der Definition des Herstellers jedoch einen Mangel dar, der eine Einstellung oder Reparatur erfordere.

Der dem Kläger zu 1) und mittelbar der Klägerin zu 2) entstandene Schaden ist jedoch nicht in zurechenbarer Weise durch das teilweise bzw. ungenaue fehlerhafte Messprotokoll und die unrichtige Feststellung "Schräglenker und Achsträger verbogen" verursacht worden. Dies ist nicht erst eine Frage des Mitverschuldens, sondern betrifft die Haftung dem Grunde nach. Im Hinblick auf den Gewährleistungsausschluss, den der Kläger zu 1) mit der Verkäuferin beim Kauf des PKW's vereinbart hatte, konnte seine Wandlungs-/Schadensersatzklage nur Erfolg haben, wenn er entgegen dem Wortlaut der Urkunde eine Zusicherung hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Lenkverhaltens des PKW's oder ein arglistiges Verschweigen Offenbarungspflichtiger, aber verschwiegener Unfallschäden hätten nachweisen können. Seine Klage gegen die Verkäuferin war aufgrund dieser Ausgangssituation und der ihm obliegenden Beweislast bereits mit einem sehr hohen Risiko behaftet. Das Vorhandensein von Abweichungen der Istwerte von vom Hersteller angegebenen Sollwerten im Bereich der Vorder- und Hinterachse musste nicht zwingend den Schluss zulassen, dass es sich bei den PKW um ein Unfallfahrzeug handelte. Es hätte sich auch um einen Mangel handeln können, der auf Verschleiß, Alter und nicht unfallbedingte Gründe beruhen konnte und vom Gewährleistungsausschluss erfasst war.

Hinzu kommt, dass nach dem unstreitigen Sachverhalt (GA 68,85) der Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger den Rat erteilt hat, hinsichtlich der Ermittlung etwaiger Vorschäden ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Parteien streiten lediglich darüber, mit welchem Nachdruck der Mitarbeiter der Beklagten den Kläger hierzu angehalten hat. Das bedeutet, wie das Landgericht zutreffend ausführt, dass der Mitarbeiter der Beklagten gerade keine verbindliche Auskunft hinsichtlich etwaiger Vor- bzw. Unfallschäden machen wollte. Wenn der Kläger gleichwohl entgegen diesem Rat sich nicht der Hilfe eines Sachverständigen bediente und ausschließlich gestützt auf das Messprotokoll eine im Ansatz bereits - aufgrund des vereinbarten Gewährleistungsausschluss - wenig erfolgversprechende Klage erhob, handelte er auf eigenes Risiko. Dieses Verhalten ist der Beklagten nicht zurechenbar.

Die Berufung ist aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Berichtigung der Kostenentscheidung der ersten Instanz erfolgte, ausgehend von einem Streitwert von 10.539,82 €, von Amts wegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 8.875,57 €.

Ende der Entscheidung

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