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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.04.2003
Aktenzeichen: 10 U 400/97
Rechtsgebiete: BB-BUZ


Vorschriften:

BB-BUZ § 1 (1)
BB-BUZ § 2 (1)
BB-BUZ § 2 (2)
1. Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist, dass der Versicherungsnehmer mit der wissentlich falschen Angabe von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeigen- und Offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag - hier Berufsunfähigkeitszusatzversicherung - anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss einzuwirken. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann in der Praxis der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Dies bedeutet, dass in der Regel, wenn schwere Erkrankungen oder erkennbar chronische Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte verschwiegen worden sind, ein solches Bewusstsein anzunehmen ist, dagegen beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, der Beweis als nicht geführt angesehen werden muss (in Anknüpfung an BGH VersR 1985, 156, 157, VersR 1987, 91, OLG Koblenz NVersZ 2001, 74, NVersZ 1999, 72 f., NVersZ 1999, 472 f., Urteil NVersZ 2001, 503 = VersR 2002, 222).

2. Bei der Berücksichtigung von Indiztatsachen für die Annahme eines arglistigen Verhaltens ist von besonderer und letztlich ausschlaggebender Bedeutung der nachweisbare Informationsstand des Versicherungsnehmers in Verbindung mit dem nach der Lebenserfahrung anzunehmenden Grad an Deutlichkeit eines Informationsbedürfnisses des Versicherers (vgl. hierzu Senat VersR 1995, 689, Urteile vom 14.11.1997 - 10 U 1100/96 - und vom 9.10.1998 - 10 U 1133/97).

3. Nach Eintritt der Berufsunfähigkeit besteht kein Anspruch auf Dynamisierung der Rente (Senatsurteile vom 31. August 2001 -10 U 1540/00 - rechtskräftig durch Nichtannahme der Revision Beschluss vom 12.6.2002 BGH IV ZR 236/01 NVersZ 2002, 116 = OLGR 2002, 111 = VersR 2002, 1269 LS; vom 16.4.1999 - 10 U 791/98 - VersR 1999, 876).


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 400/97

Verkündet am 11. April 2003

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 21. Februar 1997 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.133,89 € nebst 4 % Zinsen aus 5.808,40 € seit 27.8.1996, aus weiteren 2.060,35 € seit 7.11.1996 sowie aus weiteren 14.265,14 € seit 23.1.1997 zu zahlen.

2) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 1.2.1997 bis 30.6.2011, eine Jahresrente von 12.802,75 € (25.040 DM), zahlbar in kalendervierteljährlichen Teilbeträgen im voraus bei gleichzeitiger Beitragsbefreiung zu zahlen.

3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten beider Rechtszüge haben der Kläger 1/10, der Beklagte 9/10 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des gegen sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch.

Der Kläger unterhält seit dem 01.01.1991 bei dem Beklagten eine Rentenversicherung mit einer Jahresrente in Höhe von 12.393,-- DM.

Mit Antrag vom 25. 06. 1991 beantragte neben einer Erhöhung dieser Jahresrente den Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Danach sollte im Falle der Berufsunfähigkeit eine Beitragsbefreiung eintreten und eine jährliche Rente in Höhe von 200 % der versicherten Jahresrente zu zahlen sein. Im Antragsformular (GA 42) beantwortete der Kläger sämtliche Gesundheitsfragen mit "nein". Das Antragsformular wurde vom Versicherungsagenten des Beklagten, dem Zeugen, nach den Angaben des Klägers ausgefüllt und vom Kläger unterschrieben.

Der Kläger wurde in der Zeit vom 30.04. bis 13.06.1991 wegen eines HWS/LWS-Syndroms in der Praxis seines Hausarztes Dr. ärztlich behandelt. Im September 1991 wurde beim Kläger eine Wirbelsäulenerkrankung im Form zweier Bandscheibenvorfälle festgestellt. Mit Schreiben vom 16.10.1995 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente. Er berief sich hierbei auf ein ärztliches Attest seines Hausarztes Dr., welches dem Schreiben beilag. Darin wird dem Kläger bescheinigt, dass er sich schon seit längerer Zeit unter anderem wegen einer Steilstellung der HWS mit Blockierung sowie zweier Bandscheibenvorfälle in Behandlung befand.

Mit Schreiben vom 13.02.1996 erklärte der Beklagte daraufhin die Anfechtung der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wegen arglistiger Täuschung und verweigerte die Zahlung der Berufsunfähigkeitszusatzrente. Als Grund führte er eine falsche Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antrag vom 25.06.1991 durch den Kläger an.

Hiergegen richtet sich die am 18.07.1996 bei Gericht eingegangene Klage.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei seit dem 12.04.1995 nicht mehr in der Lage, in seinem Beruf als Masseur vollschichtig tätig zu sein. Er sei aufgrund seiner Erkrankung mindestens zu 55 % arbeitsunfähig und nur noch stundenweise in der Lage, seine Praxis zu beaufsichtigen. Die Behandlungen durch Herrn Dr. in der Zeit vom 30.04.-13.06.1991 seien nicht wegen einer Wirbelsäulenerkranküng durchgeführt worden. Es habe sich lediglich um Muskelverspannungen gehandelt, wie sie etwa durch stundenlanges Sitzen am Schreibtisch hervorgerufen werden. Mit etwaigen Schäden an der Wirbelsäule hätten diese jedenfalls nicht zu tun gehabt. Im übrigen könne eine arglistige Täuschung schon deshalb nicht vorliegen, weil er zum Zeitpunkt der Antragstellung über sich selbst nichts gewusst habe, was seinen Krankheitswert ausgemacht haben könnte. Dies zeige sich schon darin, dass die Untersuchungen bei denen der Wirbelsäulenschaden festgestellt worden sei, zeitlich nach der Antragstellung lägen.

Die Behandlung wegen Verspannungsschmerzen habe er wahrheitsgemäß dem Zeugen bei Antragstellung mitgeteilt. Daraufhin seien sich beide darüber im Klaren gewesen, dass es sich hierbei lediglich um eine Zivilisationskrankheit gehandelt habe, die keine echte Erkrankung im medizinischen Sinne sei und deshalb auch nicht angegeben zu werden brauche.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 58.891,73 DM nebst 9,35 % Zinsen aus 24.786,- DM ab dem 27.08.1996 sowie weitere 9,35 % Zinsen aus 9.000,- DM ab dem 07.11.1996 sowie weitere 9,35 % Zinsen aus 24.396,66 DM ab dem 23.01.1997 zu zahlen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Versicherungsvertragsnummer 1695375/1391 fortbestehe.

2. festzustellen, dass der Besagte verpflichtet sei, ihm, dem Kläger, künftig, und zwar während eines Gesamtzeitraumes von 20 Jahren, eine Jahresrente in Höhe von 25.040,-- DM, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen, zuzüglich der im Versicherungsvertrag festgelegten Erhöhung bei gleichzeitiger Beitragsbefreiung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen,

der Kläger habe ihn durch arglistige Täuschung zum Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages veranlasst. Er habe bewusst die bei Herrn Dr. durchgeführten Behandlungen wegen eine HWS/LWS-Syndroms verschwiegen um sie zum Abschluss des in Rede stehenden Vertrages zu bewegen. Bei Kenntnis dieser Umstände hätte er den Antrag des Klägers nicht angenommen. Der Kläger habe seine Beschwerden nicht in vollem Umfang gegenüber dem Zeugen erwähnt. Dieser habe die Gesundheitsfragen ordnungsgemäß gestellt, der Kläger aber habe seine Beschwerden als Bagatelle hingestellt, die mit ein paar Spritzen erledigt gewesen sei.

Der Kläger könne außerdem aufgrund eigener Sachkenntnisse als Masseur Verspannungen gut von Wirbelsäulenschäden unterscheiden. Zudem habe er keine Schreibtischtätigkeit ausgeübt, sondern als Masseur gearbeitet, woraus sich ergebe, dass eine Bewegungsarmut als Ursache der Beschwerden schon damals ausgeschieden sei. Die etwaige Berufsunfähigkeit des Klägers habe jedoch nicht einen Grad von 50 % bei der Tätigkeit als Masseur oder einem Vergleichsberuf erreicht. Die Mitteilung des Herrn Dr. vom 02.11.1995 sei als Nachweis insoweit nicht ausreichend. Der geltend gemachte Zinsanspruch werde bestritten.

In der Klageschrift vom 17.07.1996 hat der Kläger ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.786,- DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zählen, hilfsweise festzustellen, dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung fortbesteht. Den Hauptantrag hat er mit Schreiben vom 28.10.1996 auf 33.786,-- DM erweitert. Mit Schriftsatz vom 22.01,1997 hat er den streitgegenständlichen Klageantrag gestellt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (GA 68 ff.) und zur Begründung ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente zu, denn es bestehe kein Vertrag hinsichtlich einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der am 18.7.1991 geschlossene Vertrag hinsichtlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sei durch den Beklagten mit Schreiben vom 13.2.1996 wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden. Der Kläger habe die im Antragsformular gestellten Fragen nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden sowie Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung bewusst wahrheitswidrig verneint. Dadurch habe er den Beklagten arglistig getäuscht. Er sei in der Zeit von April bis Juni 1991 wegen eines HWS/LWS-Syndroms behandelt worden. Außerdem sei bereits im April 1989 ein HWS/LWS-Syndrom diagnostiziert worden und im Februar 1990 eine Behandlung wegen einer akuten Ischialgie erfolgt. Dem Kläger sei aufgrund seines Berufs als selbständiger Masseur und Bademeister auch bewusst gewesen, dass er an Gesundheitsstörungen oder Beschwerden bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung gelitten habe. Der Beklagte hätte bei Kenntnis aller Umstände den Vertrag nicht angenommen. Der Kläger habe den Versicherungsagenten des Beklagten, auch nicht ausführlich über die Behandlungen informiert. Die Klage sei sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch hinsichtlich des Hilfsantrages unbegründet.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor: Das Landgericht habe zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe den Beklagten nicht arglistig getäuscht. Er sei in der Zeit von 30.4. bis 13.6.1991 bei Dr. möglicherweise wegen berufsbedingter Muskelverspannungen im Nacken-Schulter-Bereich, nicht aber eines HWS/LWS-Syndroms im Sinne einer Erkrankung oder Dauererkrankung behandelt worden. Vorrangig habe er sich wegen einer Entzündung im MUND-Zahnbereich in ärztliche Behandlung begeben. Auch 1989 habe er Dr. lediglich wegen Muskelverspannungen aufgesucht, die seine Tätigkeit als Masseur mit sich bringe. Er habe sich deswegen weder einer Röntgenkontrolle noch einer fachärztlichen Untersuchung unterziehen müssen. Dies sei erst im Herbst 1991 erfolgt, als sein Bein "eingeschlafen" sei, wobei sich dann aber eine Nerven-Kompression hinter dem Fibula-Köpfchen als Ursache herausgestellt habe. Gegenüber den Versicherungsagenten, habe er keine falschen Angaben gemacht. Im Übrigen müsse sich der Beklagte das Wissen des Versicherungsagenten zurechnen lassen. Dem Beklagten sei die von ihm als Wirbelsäulenerkrankung eingestufte Behandlung bei Dr. wegen Verspannungen mit Massagen und Spritzen bekannt gewesen. Der Kläger habe bei Antragstellung jedenfalls nicht das Bewusstsein gehabt, dass er Krankheitsbeschwerden verschweige, die für die Annahmeentscheidung des Beklagten von Bedeutung sei.

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Klageanträgen erster Instanz gegen den Beklagten zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,

das Landgericht habe zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe ihn bei Antragstellung über vorhandene Krankheiten, Gesundheitsstörungen und Beschwerden arglistig getäuscht. Der Kläger seit in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung mehrmals wegen Beschwerden im Wirbelsäulen-/Rückenbereich (HWS/LWS-Syndrom, Ischialgie) behandelt worden. Es sei angesichts der Behandlungen bei Dr. falsch gewesen, die Beschwerden als bloße Verspannungen im Schulter-/Nackenbereich und seine Rückenbeschwerden als Bagatelle zu bezeichnen. Bereits die röntgenologische Untersuchung im September 1991 habe einen Bandscheibenvorfall bestätigt. Der Kläger sei auch nicht zumindest 50 % berufsunfähig und könne seinen Beruf als Masseur und Bademeister weiter auszuüben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil mitsamt den dort in Bezug genommenen Unterlagen, Gutachten, Arztberichten Bezug genommen, ferner auf die in beiden Rechtszügen zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

1) Der Senat ist entgegen der Auffassung des Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Vertrag nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung nach § 22 VVG angefochten worden ist.

a) Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist, dass der Versicherungsnehmer mit der wissentlich falschen Angabe von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeigen- und Offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag - hier Berufsunfähigkeitszusatzversicherung -anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss einzuwirken. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde; seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann in der Praxis der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Dies bedeutet, dass in der Regel, wenn schwere Erkrankungen oder erkennbar chronische Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte verschwiegen worden sind, ein solches Bewusstsein anzunehmen ist, dagegen beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, der Beweis als nicht geführt angesehen werden muss (in Anknüpfung an BGH VersR 1985, 156,157; VersR 1987, 91; OLG Koblenz NVersZ 2001, 74; NVersZ 1999, 72 f.; NVersZ 1999,472 f. Urteil vom 20. April. 2001 NVersZ 2001, 503).

b) Der Senat hat mit Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 9.10.1998 (GA 144) in seiner damals - vorläufig - abschließenden Zwischenbewertung darauf hingewiesen, dass aufgrund der schriftlichen Aussage des den Kläger behandelnden Hausarztes Dr. (GA 136) und der Bekundungen des Zeugen sowie der Anhörung des Klägers (vgl. Sitzungsprotokoll GA 138 ff.) eine erfolgreiche Arglistanfechtung nicht nachzuweisen sein dürfte. Der Senat hat hierbei insbesondere die Maßstäbe angelegt, die er in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Indiztatsachen für die Annahme arglistigen Verhaltens entwickelt hat (vgl. Senat, VersR 1995, S. 689; Urteile vom 14. November 1997 - 10 U 1100/96 - und vom 9. Oktober 1998 - 10 U 1133/97 -). Hiernach ist von besonderer und meist letztlich ausschlaggebender Bedeutung der nachweisbare Informationsstand des Versicherungsnehmers in Verbindung mit dem nach der Lebenserfahrung anzunehmenden Grad an Deutlichkeit eines Informationsbedürfnisses des Versicherers. Was ein nachgewiesenes Informations-(fehl-)verhalten des Klägers angeht, sieht sich der Senat im Anschluss an die neuerliche Vernehmung des Zeugen letztlich außer Stande, eine wirkliche Diskrepanz zwischen der Beantwortung der Antragsfragen durch den Kläger und seinem eigenen tatsächlichen Informationsstand anzunehmen. Die Aussage begründet im Ergebnis den Gesamteindruck, dass der Zeuge sehr wohl dem Kläger deutlich gemacht hatte, es komme nur auf die Angabe von Gesundheitsbeeinträchtigungen erheblichen Gewichts an, und er damit - in gewissem Umfang abweichend von der objektiven Rechtslage, aber insoweit für den Versicherer bindend - dem Kläger eine gewisse eigene Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Erheblichkeitsfrage eingeräumt hatte. Vor dem Hintergrund des von dem Zeugen Dr. geschilderten Informationsstands des Klägers ("keine ernsthafte Erkrankung, Beschwerden nur auf berufliche Belastungen zurückzuführen und als bloße Verspannungen zu betrachten") kann dann aber dem Kläger schwerlich der Vorwurf gemacht werden, den Beklagten abweichend von seinem eigenen Wissensstand falsch, unterrichtet zu haben. Der Senat erachtet die schriftliche Aussage des Zeugen Dr. insoweit als ausreichende Beurteilungsgrundlage; er sieht nicht das Erfordernis einer persönlichen Vernehmung des Zeugen zu diesem Beweisthema.

Der Senat hält auch in seiner jetzigen Besetzung an dieser Bewertung in nochmaliger Überprüfung der schriftlichen Aussage des Zeugen Dr. und der protokollierten Aussage des Zeugen fest. Dabei gibt der Senat zu bedenken, dass die Leistungsablehnung des Beklagten möglicherweise durch eine Datumsverwechselung mitverursacht wurde, bedingt durch ein Missverständnis hinsichtlich des Änderungsantrags vom 16. Juni 1994 entsprechend dem zeitweiligen Parteivortrag im ersten Rechtszug; vgl. auch Kopie des Arztbriefes in der Anlage zum Leistungsantrag, GA 25 mit handschriftlicher Randnotiz.

Einen Rücktritt vom Vertrag hat der Beklagte weder in seinem Ablehnungsschreiben vom 13.2.1996 noch im Laufe des Verfahrens erklärt. Ob die Voraussetzungen für einen Rücktritt gegeben und insbesondere die Rücktrittsfrist gewahrt ist, mag dahinstehen.

2) Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats auch berufsunfähig im Sinne der Besonderen Bedingungen zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ, vgl. Bl. 66 d.A.).

a) Vollständige bzw. teilweise (mindestens 50 prozentige) Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 1 Nr. 1 der zum Vertragsgegenstand gemachten "Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ)" liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Im Rahmen der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend ist, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h., solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 22.9.1993 - IV ZR 203/92 - VersR 1993, 1470, 1471; Senatsurteil vom 10. November 2000 - 10 U 278/00 - NVersZ 2001, 212). Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass der Verlust der Fähigkeit, den Beruf bzw. eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben, erst während der Vertragsdauer eingetreten sein darf (§1 (1) BB-BUZ). War der Versicherte bereits vor Vertragsabschluß nicht mehr fähig, in seinem konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein, kann die Feststellung nicht getroffen werden, dass der Versicherte die Fähigkeit zur Berufsausübung erst während der Vertragsdauer verloren hat (BGH Urteil vom 27.1.1993 - IV ZR 309/91 - VersR 1993,469,470 Senatsurteil vom 18. Juni 1999 - 10 U 125/98).

b) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28.1.1999 (GA 163) sein Tätigkeitsfeld beschrieben, auf Hinweis des Senats gemäß Beweisbeschluss vom 30.4.1999 (GA 169) unter Bezug auf die Senatsrechtsprechung (OLGR 1999, 56) mit Schriftsatz vom 5.10.1999 (GA 181) und schließlich mit Schriftsatz vom 17.11.1999 (GA 197) detaillierter vorgetragen, letztere Schilderung in der Sitzung vom 17.12.1999 (GA 201/202) im Rahmen einer Anhörung nach § 141 ZPO nochmals bestätigt.

Danach war für den gerichtlichen Sachverständigen von folgendem Tätigkeitsbild auszugehen:

Bis zu der Erkrankung des Klägers war die Praxis von Montags - Freitags von 8.0p -12.00 Uhr und von 14.00 bis 18.00 Uhr sowie Samstags von 8.00-14.00 Uhr geöffnet. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 46 Stunden. Die Behandlung der Patienten, verteilte sich im durchschnitt auf täglich ca.

a) Vollmassagen = 2

b) Rückenmassagen = 4

c) Teilmassagen: Halswirbel, Lendenwirbel = 6

d) Unterwassermassagen = 1

e) Stangerbad = 1

Stunden.

Der Zeitaufwand betrug je Behandlung zur Pos.

a) = ca. 40-45 Minuten

b-e) = ca. 25 Minuten

Hierbei handelte es sich um Durchschnittswerte, die sich von Tag zu Tag verschoben und veränderten.

Nach der Erkrankung veränderte sich das Tätigkeitsbild wie folgt.

a) Die Praxis blieb am Samstag geschlossen,

b) die Ganzmassagen wurden völlig eingestellt,

c) Rücken- und Teilmassagen wurden von bisher 10 auf ca. 6 pro Tag verringert. Unterwassermassagen sowie Behandlung durch Stangerbad dagegen von bisher ca. 2 auf ca. 3 - 4 aufgestockt.

Zur Begründung hat der Kläger hierzu näher ausgeführt (GA 199):

"Die Rückenmassage erfordert höchste Beanspruchung der Finger, der Hand - Ellenbogen bis zum Schultergelenk. Der hierfür erforderliche Kraftaufwand, verbunden mit der gebückten Haltung des Oberkörpers, verursacht nach etwa 10-15 Minuten intensiver Massage Luftbeklemmung, die eine kurze Atempause durch Aufrichten des Oberkörpers erforderlich macht. Hierdurch verlängert sich die Dauer der Massage jeweils.

Die Teilmassage der HWS und LWS erfordert, neben der Kraftanstrengung für Hände und Arme bis hin zum Schultergelenk, das Vorbeugen und Einknicken des Oberkörpers. Auch hier treten dann neben den Bandscheibenbeschwerden die bereits geschilderten Luftbeklemmungen auf. Das gleiche gilt für die Behandlung durch Unterwassermassage. Auch hier kommt es durch die gebückte Haltung des Körpers zu Atembeschwerden, die durch die aufsteigende heiße Luftfeuchtigkeit noch ganz erheblich verstärkt werden. Durch die erhebliche Beeinträchtigung des Leistungsvermögens müssen die Abstände zwischen den einzelnen Behandlungen ständig verlängert werden. Der Zeitaufwand für die einzelnen Behandlungen wird jeweils länger und die Intensität der Behandlung leidet ebenso darunter. Da die Praxis in einem Baukomplex mit Altenheim untergebracht ist, in dem ältere und kranke Menschen wohnen, kann ich mich der Behandlung einzelner Rollstuhlfahrer nicht verschließen. Die Behandlung dieser Menschen ist besonders zeit- und kraftaufwändig."

In der Sitzung vom17.12.1999 hat der Kläger weiter erklärt, dass eigentliche Verwaltungsarbeit nicht anfalle, er Termine nach Absprache mit den Patienten mache, die Abrechnung über die Abrechnungsstelle erfolge. Die Buchhaltung werde vom Steuerberater gemacht, Materialien von den "Vertretern" gebracht. Früher, d.h. vor seiner Erkrankung, habe er seinen Beruf als Masseur immer ohne Hilfskräfte gemacht, nach seiner Erkrankung zeitweise eine Hilfskraft gehabt. Dies sei aber aus finanziellen Gegebenheiten jetzt nicht mehr möglich.

c) Der Senat hat zunächst ein fachorthopädisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 5.7.2000 ausgeführt, der Kläger leide seit ca. Mitte der 80-er Jahre über rezidivierend auftretende Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. 1991 sei nach Auftreten einer peripheren Peroneusläsion eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule durchgeführt worden, die vorgelegten Aufnahmen zeigten keinen frischen oder älteren Bandscheibenprolaps bei vorbestehenden Vorwölbungen der Bandscheibe ohne Bedrängung von neuronalen Strukturen. Die seinerzeit ausgebildete periphere Peroneusläsion zeigte sich bei der vom Gutachter durchgeführten Untersuchung nicht mehr. Der Proband klage seit 1991 überzunehmende Beschwerden des Lendenwirbelsäulenbereichs, teilweise ausstrahlend in die Gesäßhälften mit Bewegungseinschränkung sowie ziehende Schmerzen im Nackenbereich, ausstrahlend in den Hinterkopf. Ferner klage er über Atemwegsbeschwerden aufgrund vorbestehender Lungenerkrankungen. Wegen der Beschwerdesymptomatik sei er seinen Angaben zufolge nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Masseur auszuüben. Aufgrund der vom Gutachter durchgeführten klinischen und radiologischen Untersuchung habe man bei dem Probanden die o.g. Diagnosen auf orthopädischem Gebiet sichern können. Hinweise auf fortgeschrittene degenerative Veränderungen oder stattgehabte Frakturen des Skelettsystems hätten sich nicht gefunden. Die von dem Probanden geklagten Beschwerden seien in erster Linie auf orthopädischem Gebiet auf Muskelverspannungen zurückzuführen, denen eine Fehlstatik zugrunde liege. Nach dem Vortrag des Probanden sei die Ausübung seiner Berufstätigkeit vor allen Dingen durch die Atemwegserkrankungen und die hieraus resultierende Luftnot erschwert. Der Gutachter empfahl daher, zur weiteren abschließenden Beurteilung der Berufsunfähigkeit ein zusätzliches lungenfachärztliches Gutachten einzuholen.

Von Seiten des orthopädischen Krankheitsbildes sei der Kläger aufgrund der geäußerten Beschwerden und erhobenen Befunde weiterhin in der Lage, seine Berufstätigkeit als Masseur und medizinischer Bademeister vollschichtig, ganztägig 5 Tage in der Woche auszuüben. Es hätten sich keine Hinweise auf Bewegungseinschränkungen oder fortgeschrittene degenerative Veränderungen gefunden, die eine Berufsunfähigkeit rechtfertigen würden. Es liege bei dem Kläger eine Einschränkung der Berufsfähigkeit auf orthopädischem Gebiet von 10% vor.

d) Der Senat hat in Anknüpfung an das fachorthopädische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ein fachinternistisches und fachpneumologisches Gutachten eingeholt. Mit der Erstellung des Gutachtens wurde der Sachverständige Prof. Dr. Universität beauftragt. Der Sachverständige bestätigt, dass der Kläger an einer chronischen Bronchitis und an einem Lungenemphysem leide. Lungenfunktionsanalytisch bestehe eine geringgradige Bronchialobstruktion. Limitierend bei der berufsspezifischen Belastung sei hauptsächlich das vorliegende Lungenemphysem. Der Kläger sei nur eingeschränkt in der Lage, seinen Beruf als Bademeister und Masseur auszuüben. Bei dem Kläger liege aufgrund der Anamnese, des klinischen Befundes und der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen eine Einschränkung der Berufsunfähigkeit auf pneumologischem Gebiet von 30 % vor.

e) Der Senat hat schließlich gemäß Beweisbeschluss vom 6.8.2001 (GA 315) ein Zusammenhangsgutachten eines Arbeitsmediziners veranlasst. Mit der Erstellung des Gutachtens ist der Sachverständige Prof. Dr. Universität beauftragt worden. Der Sachverständige hat hierzu in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.5.2002 ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Tätigkeitsprofils im ausgeübten Beruf als Masseur und medizinischer Bademeister mit Schwerpunkt klassischer Massage, die überwiegend als mittelschwere körperliche Arbeit eingestuft werde, die Minderung der Berufsfähigkeit durch die Atemwegs- und Lungenkrankheit auf 40 % eingeschätzt werde. Die Minderung der Berufsfähigkeit durch die Erkrankungen des Bewegungsapparates schätze er gemäß den Anhaltspunkten und Empfehlungen auf 10-20 Prozent ein. Bei der integrativen Beurteilung der Minderung der Berufsfähigkeit sei zu berücksichtigen, dass die Funktionseinschränkungen des broncho-pulmonalen Systems nicht gänzlich unabhängig von den Funktionseinschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates bestünden, sondern dass die broncho-pulmonalen Ausfallserscheinungen (verminderte Atemreserve etc.) bei körperlicher Belastung im Rahmen der berufstypischen Anforderungen zu einer schnelleren Ermüdung des muskulären Systems und damit zu einer schnelleren Erschöpfung führen. Bei bereits bestehenden Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparates führe dies zu einer weitergehenden, wenn auch nicht rein 'additiven' Verminderung der Leistungsfähigkeit.

Abschließend werde die Minderung der Berufsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf auf insgesamt 50 Prozent eingeschätzt.

Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. in der Sitzung vom 7.3.2003 (GA 386) zur Erläuterung seines Gutachtens angehört. Der Sachverständige hat dargelegt, dass er gestützt auf die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. und Prof. Dr. E zu einer selbständigen Schlussbewertung der anzunehmenden Berufsunfähigkeit komme. Der Sachverständige verwies darauf, dass der Arbeitsmediziner im Unterschied zu den kurativ tätigen Kollegen Besonderheiten vom Sachverhalt her zu berücksichtigen habe und hierauf auch spezialisiert sei, die für die Aufmerksamkeit der kurativen Kollegen eher am Rande lägen. Das bedeute für den vorliegenden Fall z.B., dass die spezifische Haltung des Masseurs bei Massagen an liegenden Personen durch statische Schwierigkeiten gekennzeichnet sei, die beispielsweise dem die bloße Bewegungsmöglichkeit einschätzenden Orthopäden so nicht im Vordergrund bewusst seien. Entsprechend habe er auch zu den Zwischenergebnissen in Gestalt von Vomhundertsätzen zum orthopädischen und pneumologischen Bereich seine eigene Bewertung unabhängig von den entsprechenden Prozentangaben der beiden anderen Kollegen selbst getroffen. Dies allerdings natürlich unter Zugrundelegung der von diesen dokumentierten Befunde. Was Befunde angehe, habe er im Übrigen auch die Dokumentationen der Ärzte und wie von dem Beklagten hervorgehoben, in der Tat berücksichtigt, allerdings nur die dokumentierten Befunde, nicht die Schlussfolgerungen dieser Kollegen.

Wenn er dann zu einem anschließenden Wert von 50 % Berufsunfähigkeit gekommen sei, beruhe auch dies wiederum auf einer die Besonderheiten der arbeitsmedizinischen Aspekte voll mitberücksichtigenden Gesamtbewertung, die nicht als bloßes Rechen- oder Additionsverfahren bezeichnet werden könne. Dabei sei er sich sehr wohl der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und ihrer Konsequenzen in den Begriffen "MDE", "GDB" oder Berufsunfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit usw. bewusst. Im vorliegenden Fall habe er die individuelle Fähigkeit des Klägers als Individualperson für den von ihm individuell auch geschilderten Beruf in seinen Einzelheiten der konkreten Ausübung zugrunde gelegt. Er, der Gutachter, habe sich nicht an abstrakten Wertvorgaben wie etwa bei den sozialversicherungsrechtlichen oder versorgungsrechtlichen MDE oder GDB orientiert.

Die Aussagen der beiden Atteste Dr. und Dr. habe er lediglich der Vollständigkeit halber in seinem Gutachten aufgeführt. Das Gutachten stütze sich auf die bereits in den Gutachten und Erdmann festgehaltenen und in Ausführlichkeit dokumentierten Befunde und auf eigene Untersuchungen. Die Aussagen und hätten letztlich bestätigenden Inhalt, brächten aber nichts Zusätzliches oder Neues in den für die Begutachtung entscheidenden Fragen. Der Vortrag des Klägers weise auch in Details seiner Beschreibung keine Widersprüchlichkeiten auf.

Der Senat hatte keinen Anlass, an den von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. zu zweifeln. Der Sachverständige hat für den Senat unter Einbeziehung der Vorgutachten überzeugend dargelegt, dass der Kläger in seinem Beruf als selbständiger Masseur, so wie er ihn zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt hat, zumindest zu 50 % berufsunfähig ist.

Da der Kläger selbständig war, vor seiner Erkrankung über keine Mitarbeiter bzw. Hilfskräfte verfügte, kommt auch unter dem Gesichtspunkt "mitarbeitender Betriebsinhaber" keine Umorganisation des Massagebetriebs in Betracht (vgl. hierzu Senatsurteile vom 10. November 2000 - 10 U 278/00 - NVersZ 2001, 212; vom 11.01.2002 - 10 U 786/01 - OLGR 2002, 168; vom 29.11.2002 - 10 U 211/02). Ein Verweis auf eine andere Tätigkeit, die der Kläger aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben könnte und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, entsprechende Verweistätigkeiten zu benennen.

3) Der Kläger hat danach einen Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente und Rückerstattung geleisteter Beiträge.

a) Der Kläger macht mit seinem Zahlungsbegehren eine Berufsunfähigkeitsrente ab dem Zeitpunkt seiner Berufsunfähigkeit ab 12.4.1995 bis einschließlich Januar 1997 geltend. Der Anspruch wurde indes erst mit Schreiben vom 16.10.1995 angemeldet. Nach § 1 Abs. 3 S. 1 BB-BUZ besteht der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente zwar grundsätzlich mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. § 1 Abs. 3 S. 2 BB-BUZ bestimmt indes ergänzend, dass der Anspruch auf Versicherungsleistungen erst mit Beginn des Monats der Mitteilung entsteht, wenn die Berufsunfähigkeit später als drei Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt wird. Der Kläger kann Rente und Beitragsbefreiung daher erst ab 1.10.1995 geltend machen. Daraus ergibt sich eine Rentenzahlung von (25.040,-- DM jährlich: 12) 2.086,67 DM mtl. x 16 Monate = 33.386,72 DM.

b) Hinsichtlich der Beiträge verhält es sich zunächst vom Tatsächlichen (vgl. GA 53) so, dass die Versicherungsprämie zuletzt 750,-- DM betrug, ab 1.3.1996 vom Konto des Klägers nur noch der reduzierte Betrag in Höhe von 559,40 DM eingezogen wurde.

Der Kläger kann danach ab 1. Oktober 1995, nicht ab 12.4.1995, wie im Schriftsatz vom 22.1.97 ausgeführt (GA 53), bis 28.2.1996, mithin 5 Monate x 750,-- DM (3.750,-- DM) beanspruchen, ab 1.3.1996 bis Ende Januar 1997, d.h. 11 Monate x 559,40 DM (6.153,40 DM), mithin insgesamt 9.903,40 DM für verauslagte Beiträge.

Danach errechnet sich ein Zahlungsbetrag von 33.386,72 DM Rente sowie 9.903,40 DM Beitragsrückzahlung, mithin 43.290,12 DM (22.133,89 €), statt geltend gemachter 58.891,73 DM.

Dabei geht der Senat davon aus, dass in dem von dem Beklagten als Jahresleistung angegeben Betrag für die Rente von 25.040,-- DM nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Dynamisierung erfolgt ist, für die ein Anspruch nicht mehr besteht (Senatsurteile vom 31. August 2001 -10 U 1540/00 - rechtskräftig durch Nichtannahme der Revision Beschluss vom 12.6.2002 BGH IV ZR 236/01 NVersZ 2002, 116 = OLGR 2002, 111 =VersR 2002,1269 LS; vom 16.4.1999 - 10 U 791/98 - VersR 1999, 876).

c) Der Feststellungsantrag auf künftige Leistungen hinsichtlich Rente und Beitragsfreistellung für einen Zeitraum bis Vertragsablauf ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Nicht begründet ist der Anspruch, soweit der Kläger die im Versicherungsvertrag enthaltenen Erhöhungen, sprich Dynamisierungen, begehrt. Außerdem ist die Jahresrente in vierteljährlichen und nicht in monatlichen Teilbeträgen zu leisten. Die teilweise Klageabweisung hinsichtlich des Feststellungsausspruchs wirkt sich kostenmäßig nicht aus.

Der Senat hält klarstellend die Quartalsvorauszahlung gemäß § 1 Nr. 1 lit. b Satz 2 AVB (Bl. 66 d.A.) im Tenor sowie im Übrigen an dieser Stelle fest, dass nach seinem Verständnis eine etwaige weitere Überschussbeteiligung gemäß § 9 Nr. 9 AVB insgesamt nicht Streitgegenstand ist.

Auf die Berufung des Klägers war das Urteil, wie tenoriert, teilweise abzuändern und im Übrigen die Berufung zurückzuweisen.

Zinsen waren nur in Höhe von 4 % zuzusprechen, da über den gesetzlichen Zinssatz hinausgehende Zinsen von dem Beklagten bestritten (Schriftsatz vom 31.1.1997, GA 65) und nicht nachgewiesen wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO n.F.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt: 145.114,45 DM (74.195,84 €) (geltend gemachte Rückstände Rente und Beiträge 58.891,73 DM

Feststellung Rente 25.040,00 DM x 3,5 x 80 % = 70.112 DM

Feststellung Beiträge 559,40 x 36 Monate x 80 % = 16.110,72 DM).

Ende der Entscheidung

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