Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 22.12.2000
Aktenzeichen: 10 U 508/00
Rechtsgebiete: ZPO, AKB, VVG, StGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 170 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
AKB § 7 I Nr. 2 S. 3 u. V Nr. 4
AKB § 7 I Abs. 2 Satz 3
VVG § 61
VVG § 6 III 1
StGB § 142
Ein Handelsvertreter ist Repräsentant, wenn aufgrund einer zwischen ihm und der Versicherungsnehmerin (Unternehmen) getroffenen Vereinbarung, er das von der Versicherungsnehmerin geleaste und vorfinanzierte Kfz zu eigenen Zwecken nutzen durfte, der PKW nicht im Geschäftsbetrieb der VN eingegliedert war, insbesondere eine Vereinbarung bestand, dass der Handelsvertreter nach Ablauf der Leasingzeit das Fahrzeug auszulösen bzw. bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Unternehmen zu übernehmen hatte.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES Urteil (abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)

Verkündet am: 22. Dezember 2000

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Versicherungsnehmerin auf Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung in Anspruch.

Der für die Klägerin tätige Handelsvertreter W A verursachte mit einem von der Klägerin bei der Firma Leasinggesellschaft F Bank AG geleasten PKW Ford am 15. Februar 1998 gegen 22.52 Uhr in M einen Verkehrsunfall. Infolge überhöhter Geschwindigkeit geriet er in einer Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab und kollidierte dabei mit einer Straßenlaterne. Herumfliegende Fahrzeugteile beschädigten einen in der Nähe geparkten PKW. Nachdem der beschädigte PKW zum Stehen gekommen war, verließ der Fahrer fluchtartig die Unfallstelle und meldete sich erst am nächsten Tag gegen Mittag bei der Polizei.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 1. Oktober 1998 im Hinblick auf die Repräsentantenstellung des Handelsvertreters Ansprüche aus der Fahrzeugvollversicherung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Unfalls und Verletzung der Aufklärungspflicht ab. Die Leasinggesellschaft kündigte mit Schreiben vom 2. Oktober 1998 gegenüber der Klägerin den am 17. April 1997 abgeschlossenen Leasingvertrag und verlangte Zahlung von 44.133,86 DM. Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, dass der Fahrer des verunfallten Pkws weder ihr Repräsentant sei noch grob fahrlässig den Verkehrsunfall verursacht habe. Auch liege keine Aufklärungspflichtverletzung wegen Entfernens vom Unfallort vor.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie begehrt unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes Zahlung eines Betrages von 32.219,56 DM nebst Zinsen an die Leasinggesellschaft.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

1) Die Beklagte ist wegen Obliegenheitsverletzung des Repräsentanten der Klägerin leistungsfrei geworden ist (§ 7 I Nr. 2 S. 3 und V Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 III S. 1 VVG). Leistungsfreiheit des Versicherers besteht, wenn der Versicherungsnehmer bzw. dessen Repräsentant seine Obliegenheit verletzt hat, nach Eintritt des Versicherungsfalls alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann, es sei denn, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht (vgl. u.a. Senatsurteile vom 12.3.1999 - 10 U 419/98 - NVersZ 1999, 273, 274; vom 15. Oktober 1999 10 U 102/99 - und vom 26. Mai 200 - 10 U 1627/97). Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Handelsvertreter der Klägerin, W A, Repräsentant der Klägerin war und nach Eintritt des Versicherungsfalles durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort die Aufklärung des Tatbestandes erschwert hat.

a) Die Berufung wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme der Repräsentantenstellung des Handelsvertreters der Klägerin. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Obergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (BGHZ 122, 250 [252 ff.] = VersR 1993, 828 [829]; BGH Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229,1230 = NJW 1996, 2935,2936; Senatsurteil vom 20. November 1998 - 10 U 1428/97 - NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231). Aufgrund der zwischen dem Handelsvertreter und der Klägerin unter dem 14.7.1997 getroffenen Vereinbarung (GA 61) steht fest, dass der Handelsvertreter W A befugt war, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für die Klägerin als Versicherungsnehmerin zu handeln. Er hatte die Riskoverwaltung für das geleaste Kfz der Klägerin. Zwar ist der PKW über die Klägerin als Leasing- und Versicherungsnehmerin vorfinanziert worden. Die Vereinbarung vom 14.4.1997 bestimmte indes, dass die Klägerin diese Kosten ihrem Handelsvertreter W A, in vollem Umfange in Rechnung stellen durfte. Desweiteren hatte der Handelsvertreter nach Ende der Leasingzeit das Fahrzeug auszulösen. Die Vereinbarung bestimmte ferner, dass der PKW in den Besitz des Handelsvertreters überging und bei vorzeitigem Ausscheiden des Handelsvertreters dieser das Fahrzeug aus dem Leasingvertrag zu übernehmen hatte. Danach ist davon auszugehen, dass der PKW zu keinem Zeitpunkt in den Geschäftsbetrieb der Klägerin eingegliedert war. Die Vereinbarung zielte darauf ab, die selbständige Tätigkeit des Handelsvertreters zu unterstützen, alle Kosten jedoch, insbesondere die Reparaturkosten und Inspektionskosten, vom Handelsvertreter zu tragen waren. Er konnte frei darüber bestimmen, ob und welche Reparaturen und Inspektionen er an dem PKW vornehmen wollte. Der PKW stand ausschließlich dem Handelsvertreter zur eigenen Nutzung zur Verfügung. Dieser war berechtigt, den PKW auch privat zu benutzen. Der selbständige Handelsvertreter W A, der nach § 10 des zwischen der Klägerin und ihm geschlossenen Handelsvertretervertrages vom 1.1.1997 ausschließlich für die Klägerin tätig sein durfte, hatte danach eigenverantwortlich die Riskoverwaltung über den versicherten PKW übernommen (vgl. auch OLG Hamm, VersR 1988, 509; OLG Köln VersR 1996, 839; OLG Frankfurt/M. VersR 1996, 838; Knappmann, VersR 1997, 261, 262-264).

b) Der Fahrer eines Kfz, der dieses als Repräsentant des Versicherungsnehmers benutzt, ist auch bei der Fahrt für die Verwaltung der versicherten Gefahr im Sinne von § 12 1. II e AKB) verantwortlich. Er bewegt sich auch insoweit ausschließlich im Bereich der ihm übertragenen Risikoverwaltung. Führt der Repräsentant bei der Fahrt den Versicherungsfall grob fahrlässig oder vorsätzlich herbei, hat der Versicherungsnehmer deshalb für dieses Verhalten wie für eigenes einzustehen (BGH VersR 1996, 1230). Aufgrund der hier vorliegenden Erkenntnisse kann nicht gesichert davon ausgegangen werden, dass der Handelsvertreter grob fahrlässig den Verkehrsunfall verursacht hat. Das Hineinfahren in eine Linkskurve mit überhöhter Geschwindigkeit genügt hierfür alleine nicht. Ob der Repräsentant möglicherweise zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholisiert war, konnte nicht festgestellt werden. Eine Leistungsbefreiung der Beklagten nach § 61 VVG ist nicht eingetreten.

c) Die Klägerin hat jedoch für das Verhalten ihres Repräsentanten aber auch dann einzustehen, wenn dieser eine Obliegenheit verletzt hat, die mit dem Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen war. Indem der Handelsvertreter A sich nach dem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernte und sich erst am Folgetag bei der Polizei meldete, erfüllte er zumindest objektiv den Tatbestand einer Unfallflucht im Sinne von § 142 StGB und verstieß gleichermaßen gegen die in § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB enthaltene Obliegenheit, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens beitragen kann. Steht danach eine objektive Obliegenheitsverletzung fest, wird nach § 6 III 1 VVG vermutet, dass der Versicherungsnehmer bzw. hier der Repräsentant vorsätzlich seine Aufklärungspflicht verletzt hat (BGH VersR 1976, 849, 850; Senatsurteil vom 15.1.1999, NVersZ 1999, 272 = VersR 1999, 1536). An den Gegenbeweis sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Prölss/Martin, VVG Kommentar, 26. Aufl. 1998, § 6 Rn. 105). Die Klägerin kann hier nicht den Gegenbeweis dafür führen, dass ihr Repräsentant infolge eines durch das Unfallereignis erlittenen Schockzustandes den Unfallort verlassen und sich erst am Folgetag bei der Polizei gemeldet hat. Der Senat hatte keine Veranlassung, den Handelsvertreter A, wie von der Berufung beantragt, dazu zu vernehmen, ob er nach dem Unfallereignis unter Schock gestanden habe. Denn dieser hatte im Ermittlungsverfahren sich dahingehend eingelassen, an das Unfallgeschehen keine Erinnerung zu haben und sich nicht erklären zu können, warum er den Unfallort verlassen habe. Ob es überhaupt medizinisch möglich ist, einen Unfallschock über einen Zeitraum von 13 Stunden zu haben, was von der Berufungserwiderung unter Beweisantritt bestritten wird, mag offen bleiben. Die Tatsache, dass das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO gegen den Handelsvertreter der Klägerin eingestellt worden ist, genügt nicht, um die Vermutung der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung zu widerlegen, da die Beweisanforderungen im Strafverfahren andere sind als im Zivilverfahren. Im übrigen schließt sich der Senat der Beweiswürdigung des Landgerichts auf Seite 8 bis 10 des angefochtenen Urteils in vollem Umfange an.

Die Berufung des Klägers hatte aus den dargelegten Gründen keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 32.219,56 DM. Er entspricht der Beschwer der Klägerin.

Ende der Entscheidung

Zurück