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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 23.07.2004
Aktenzeichen: 10 U 518/03
Rechtsgebiete: VVG, BB-BUZ 95


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
BB-BUZ 95 § 1 Nr. 1
BB-BUZ 95 § 2 Nr. 1
BB-BUZ 95 § 2 Nr. 2
1. Die Frist des § 12 Abs. 3 VVG beginnt erst, nachdem der Versicherer dem VN gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Der Empfänger der Leistungsablehnung muss in klarer und unmissverständlicher Weise darauf hingewiesen werden, dass der Versicherer durch bloßen Zeitablauf von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch nicht vorher gerichtlich geltend gemacht wird, ansonsten bleibt die Ablehnung und Fristsetzung ohne Wirkung. Der bloße Hinweis auf die Klagefrist von 6 Monaten nach Zugang des Ablehnungsschreibens genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung, da eine gerichtliche Geltendmachung auch durch Einleitung eines Mahnverfahrens erfolgen kann. Auf die Verwirkungsfolgen muss deutlich hingewiesen werden, die Belehrung muss drucktechnisch hervorgehoben sein.

Dem VN kann nicht entgegenhalten werden, es sei treuwidrig, sich auf die fehlerhafte Belehrung zu berufen, weil diese für die verspätete Einreichung der Klageschrift nicht ursächlich gewesen sei. Eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 3 VVG kommt nicht in Betracht.

2. Für die Frage der Berufsunfähigkeit ist die gegenwärtige Situation maßgebend. Es kommt weder auf besondere Kompensationsmöglichkeiten noch zukünftig zu erwartende Verschlechterungen an. Eine andere Beurteilung ist nur dann erlaubt, wenn mit der konkreten Ausübung der Berufstätigkeit eine unmittelbare akute Gesundheitsgefahr verbunden wäre. Die ungünstige Langzeitprognose bedeutet nicht schon aktuelle Berufsunfähigkeit.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 518/03

Verkündet am 23. Juli 2004

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger auf die mündliche Verhandlung vom

25. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts T. vom 15. April 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch.

Der Kläger, der von Beruf Maurer ist, unterhält bei der Beklagten eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Versicherungsschein datiert vom 19.09.1995 mit Beginn der Versicherung der 01.09.1995 (GA 5 und 12).

In der Zeit vom 01.08.1995 bis zum 31.07.1998 absolvierte der Kläger eine Ausbildung als Maurer. Nach seiner Ausbildung übte er diese Tätigkeit bis zum 17.09.1999 aus. Seit Beginn des Jahres 1999 traten bei dem Kläger bei der Ausübung dieser Tätigkeit erhebliche Rückenschmerzen auf, so dass er seinen Beruf am 17.09.1999 aufgab.

Am 03.11.1999 stellte der Kläger bei der Beklagten nach erfolgter arbeitsmedizinischer Untersuchung einen Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeits­Zusatzversicherung. Nach Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens wies die Beklagte mit Schreiben vom 12.12.2000, dem Kläger zugestellt am 16.12.2000, die geltend gemachten Ansprüche mit näherer Begründung zurück und verwies zugleich auf die in den Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung vorgesehene Klagefrist von sechs Monaten nach Zugang ihrer (ablehnenden) Entscheidung (GA 48 f.)

Mit beim Landgericht T. am 07.06.2001 eingegangenem, von den Prozessbevollmächtigten des Klägers unterschriebenem Schriftsatz wurde beantragt, dem Antragsteller für die erste Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen unter Hinweis auf den "anliegenden Klageentwurf" vom 06.06.2001, der nicht unterzeichnet war. Durch Beschluss vom 26.07.2001 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ausweislich Postzustellungsurkunde (GA 83) wurden der Beklagten unter Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens der Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss sowie sämtliche klägerischen Schriftsätze am 03.08.2001 zugestellt.

Im ersten mündlichen Verhandlungstermin am 05.02.2002 rügte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die nicht ordnungsgemäße Zustellung einer Klageschrift und berief sich ausdrücklich auf den Ablauf der Ausschlussfrist für die Geltendmachung der begehrten Rentenansprüche.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte hilfsweise Wiedereinssetzung in den vorigen Stand und verlas die Anträge aus dem Klageentwurfsschrift vom 06.06.2001 (GA 109-111).

Mit Schriftsatz vom 12.02.2002 reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine auf den 06.06.2001 datierte unterzeichnete Klage ein, die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten formlos zeitnah erhalten hat.

Auch im ersten daraufhin eingereichten Schriftsatz des Beklagtenvertreters wies dieser nochmals ausführlich auf den Ablauf der Ausschlussfrist hin (GA 139-141).

Der Kläger hat vorgetragen, durch Zustellung des Klageentwurfs mit PKH-Bewilligungsbeschluss sei die Klage wirksam und insbesondere innerhalb einer etwaigen sechsmonatigen Ausschlussfrist erhoben worden. Aus praktischen Erwägungen heraus sei auch die Zustellung eines nicht unterschriebenen Klageentwurfs zuzulassen, da der PKH-Antragsschriftsatz unterzeichnet worden sei. Durch Verlesung des Antrags in der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2002, spätestens jedoch durch Einreichung einer unterzeichneten Klageschrift mit Schriftsatz vom 12.02.2002 sei Heilung eingetreten. Zudem sei die sechsmonatige Ausschlussfrist nicht wirksam in Gang gesetzt worden, da die Formulierung im Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 12.12.2000 nicht den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 VVG Genüge getan habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.11.1999 bis zum 01.09.2033 vierteljährlich im Voraus, erstmals zum 01.01.2000 aus der mit Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfallvertrag Nr. eingeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung eine Rente in Höhe von 2.100,- DM zu zahlen, soweit nicht zwischenzeitlich die Berufsfähigkeit vollständig oder um mehr als 50 % wiederhergestellt sei und

2. festzustellen, dass bis zum 01.09.2033 die Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfallvertrag Nr. mit eingeschlossener Berufsunfahigkeits­Zusatzversicherung ab Antragstellung vom 01.11.1999 beitragsfrei bestehe, soweit nicht zwischenzeitlich die Berufsfähigkeit teilweise oder vollständig wiederhergestellt sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung (GA 125 - 129) und Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens (Bl.162 - 179 d. A.) nach sich anschließendem Richterwechsel die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger habe nicht fristgerecht Klage erhoben. Es sei treuwidrig, wenn der Kläger sich auf die fehlerhafte Belehrung im Leistungsablehnungsschreiben berufe. Im Übrigen ergebe sich aus dem fachorthopädischen Gutachten, dass der Kläger lediglich zu 30 % berufsunfähig sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags und Beweiserbietens vor, das Landgericht habe nach Richterwechsel zu Unrecht die Klage wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG abgewiesen. Das Schreiben der Beklagten vom 12.12.2000 enthalte keine ordnungsgemäße Belehrung über den Ausschluss der Klagemöglichkeit nach Ablauf von 6 Monaten. Die Beklagte habe auf die Verwirkungsfolgen nicht ausdrücklich hingewiesen. Es sei entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht treuwidrig, sich auf die fehlerhafte Belehrung zu berufen. Er sei zumindest zu 50 % berufsunfähig. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich, dass er aufgrund seiner Wirbelsäulenveränderungen den Beruf des Maurers auf Dauer nicht ausüben könne. Im Hinblick darauf habe er im April 2001 eine Umschulungsmaßnahme zum Industriekaufmann eingeleitet.

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den ihn ab 1.11.1999 bis zum 1.9.2033 vierteljährlich im voraus, erstmals zum 1.1.2000 aus der mit der Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall, Vertragsnummer , abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung eine Rente in Höhe von 2.100,--DM = 1.073,71 € zu zahlen, soweit nicht zwischenzeitlich die Berufsunfähigkeit vollständig oder um mehr als 50 % wieder hergestellt sei,

2. festzustellen, dass bis zum 1.9.2033 die Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall Nr.: mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung ab Antragstellung vom 1.9.1999 beitragsfrei bestehe, soweit nicht zwischenzeitlich die Berufsunfähigkeit teilweise oder vollständig wieder hergestellt sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

das Landgericht habe zu Recht die Klage wegen Verfristung abgewiesen. Denn im konkreten Fall sei der Kläger durch den unterlassenen Hinweis nicht von einer früheren Klageerhebung abgehalten worden. Ungeachtet dessen sei der Kläger nicht im Sinne der Vertragsbedingungen zumindest zu 50 % berufsunfähig. Es liege nur eine 30 % -ige Berufsunfähigkeit vor. Der Senat nimmt im Übrigen auf die tatsächlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug (§ 540 ZPO).

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

1) Die Berufung rügt allerdings zu Recht, dass das Landgericht die Klage nicht wegen Versäumung der Ausschlussfrist nach § 12 Abs. 3 VVG hätte abweisen dürfen. § 12 Abs. 3 VVG bestimmt, dass der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, wenn der Anspruch nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Der Empfänger der Leistungsablehnung muss in klarer und unmissverständlicher Weise darauf hingewiesen werden, dass der Versicherer durch bloßen Zeitablauf von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch nicht vorher gerichtlich geltend gemacht wird, ansonsten bleibt die Ablehnung und Fristsetzung ohne Wirkung (Prölss/Martin, VVG Kommentar, 27. Aufl. 2004 § 12 Rn. 36 ). Vorliegend genügte der im Ablehnungsschreiben vom 12.12.2000 (GA 48) enthaltene Hinweis auf die Klagefrist von 6 Monaten nach Zugang des Schreibens nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung, da eine gerichtliche Geltendmachung auch durch Einleitung eines Mahnverfahrens erfolgen kann (Prölss/Martin, aaO, § 12 Rn. 36, 40; OLG Hamm VersR 1971, 458; 90, 1230). Auch wird aus dem Schreiben nicht deutlich, dass bei Fristablauf die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen ist. Auf die Verwirkungsfolgen muss indes deutlich hingewiesen werden. Zudem ist die Belehrung drucktechnisch nicht hervorgehoben. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verstößt es nicht deshalb gegen Treu und Glauben, dass der Kläger sich auf die fehlerhafte Belehrung beruft, weil diese in concreto nicht ursächlich dafür gewesen sei, dass nicht zeitnah eine unbedingte Klageschrift eingereicht worden sei. Die ordnungsgemäße Belehrung ist zwingende Voraussetzung für den Lauf der Ausschlussfrist. Eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 3 VVG kommt nicht in Betracht. Der Kläger beruft sich allein auf die objektive Rechtslage.

2) Vollständige bzw. teilweise (mindestens 50 % -ige) Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 1 Nr. 1 der zum Vertragsgegenstand gemachten "Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung "(BB-BUZ 95, Anlage B 1, GA 61) liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Im Rahmen der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend ist, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h., solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 22.9.1993 - IV ZR 203/92 - VersR 1993, 1470, 1471). Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass der Verlust der Fähigkeit, den Beruf bzw. eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben, erst während der Vertragsdauer eingetreten sein darf (§ 1 (1) BB-BUZ). War der Versicherte bereits vor Vertragsabschluß nicht mehr fähig, in seinem konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein, kann die Feststellung nicht getroffen werden, dass der Versicherte die Fähigkeit zur Berufsausübung erst während der Vertragsdauer verloren hat (BGH Urteil vom 27.1.1993 - IV ZR 309/91 - VersR 1993, 469, 470). a) Der Sachverständige Dr. med. K., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie, B.-Krankenhaus K-, hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass sich bei dem Kläger anlässlich der Untersuchung ein im Wesentlichen teilfixierter Hohlrundrücken gezeigt habe, der auch beim sog. Klapp'schen Kriechen nicht ausgleichbar gewesen sei. Dem Kläger sei ein Aufrichten aus der Bauchlage zum Langbeinsitz sowie das Aufrichten bei angewinkelten Beinen möglich gewesen. Radikuläre Zeichen seien nicht vorhanden, ebenso keine neurologische Ausfallerscheinungen. Es seien Residuen eines Morbus Scheuermann und eine lumbosacrale Übergangsstörung als anlagebedingte Formveränderung der Wirbelsäule im Lumbosacralbereich vorhanden. Klinisch habe sich eine Beinverkürzung von 1 cm rechts gezeigt. Der Kläger habe deshalb einen Ausgleich von 0,7 cm rechts getragen. Aufgrund der anlagebedingten Formveränderung der Wirbelsäule mit geringer Torsionskoliose nach links, Sacralisation des 5. LWK und Residuen eines abgelaufenen Morbus Scheuermann bestehe eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule. Der Sachverständige Dr. med. K. führt anschließend aus, dass aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung der Kläger nicht geeignet sei, auf Dauer den Beruf des Maurers auszuüben. Leider seien die entsprechenden Veränderungen der Wirbelsäule zum Zeitpunkt der Berufswahl nicht festgestellt worden. Aufgrund der strukturellen Wirbelsäulenveränderungen sei der Proband auf Dauer sicherlich nicht für den Beruf des Maurers geeignet. Es sei aufgrund der Wirbelsäulenveränderungen auf Dauer mit einer Zunahme der Beschwerden und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule zu rechnen. Gerade im Beruf des Maurers sei der Proband häufigen Kälte-, Nässeexpositionen, schwerem Heben und Tragen, Zwangshaltungen und Tätigkeiten in vornübergebückter Haltung ausgesetzt. Aus Sicht des Sachverständigen sei eine berufliche Umorientierung notwendig, die bereits im April 2001 eingeleitet worden sei. Sinnvoll sei eine Tätigkeit mit einem häufigen Wechsel von Gehen, Stehen, Sitzen und Meiden von Kälte- und Nässeexpositionen sowie Meiden von Tätigkeiten in Zwangshaltungen und gebückter Haltung. Neben den strukturellen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule leide der Kläger an schmerzhaften paravertebralen Muskelverspannungen, die jedoch für sich genommen keine Berufsunfähigkeit nach den Versicherungsbedingungen nach sich zögen. Durch entsprechende physikalische Therapiemaßnahmen als auch durch eine muskuläre Stabilisierung durch Krankengymnastik, auch mit dem Erlernen der Rückenschulregeln und des rückengerechten Verhaltens sei eine adäquate Behandlung gegeben. Es sei von einer teilweisen Berufsunfähigkeit auszugehen, die derzeit auf 30 % geschätzt werde. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere und gelegentlich auch schwere körperliche Tätigkeiten vollständig auszuüben.

b) Im Hinblick darauf, dass der Sachverständige Dr. med. K. in seinem schriftlichen Gutachten einerseits ausführte, der Kläger sei aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung nicht geeignet, auf Dauer den Beruf des Maurers auszuüben, andererseits den Grad der Beeinträchtigung nur auf 30 % festlegte, sah sich der Senat veranlasst den Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO anzuhören. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2004 diesen scheinbaren Widerspruch aufgeklärt und erklärt, dass derzeit bei dem Kläger nur von einer Beeinträchtigung von 30 % ausgegangen werden könne. Der Kläger könne zur Zeit die im schriftlichen Gutachten beschriebenen Arbeiten verrichten. Auch sei er kurzfristig in der Lage, einen 40-kg-Sack entgegenzunehmen und an eine andere Person weiterzureichen bzw. abzulegen. Der Sachverständige machte allerdings deutlich, dass langfristig mit dem Älterwerden des Patienten mit degenerativen Veränderungen zu rechnen sei, die bei zunehmenden Belastungen möglicherweise irgendwann zu einer 50 % -igen Berufsunfähigkeit oder einer höheren führen könne. Der Sachverständige äußerte sich dahingehend, wenn der Kläger ihm vor Aufnahme der Lehre zur Untersuchung vorgestellt worden wäre, hätte er ihm von der Ausübung des Berufs Maurer abgeraten. Nach seiner Einschätzung sei der Kläger nicht in der Lage, mit vollen Belastungen den Beruf des Maurers bis zum Rentenalter durchzuhalten. In den nächsten 5 Jahren sei zwar nicht mit einer erheblichen Verschlechterung zu rechnen, aber auf lange Sicht, wenn der Kläger ein Lebensalter zwischen 40 und 50 Jahre erreicht habe, müsse bei fortbestehender Belastung im Beruf des Maurers mit einer Beeinträchtigung der Berufsfähigkeit gerechnet werden. Der Sachverständige machte indes aber auch deutlich, dass der festgestellte Schädigungsbefund durch entsprechende körperliche Trainingsmaßnahmen praktisch voll kompensierbar sei. Der Sachverständige verwies auf Spitzensportler, die bei ähnlichen Bedingungen und entsprechendem Training es durchaus zu Spitzenleistungen brächten.

Aufgrund der von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger derzeit nicht im Sinne der Vertragsbedingungen zu mindestens zu 50 % berufsunfähig ist, sondern allenfalls eine 30 % -ige Berufsunfähigkeit vorliegt. Hierbei ist die gegenwärtig tatsächlich gegebene Situation entscheidend, denn versichert ist allein tatsächlich bestehende Berufsunfähigkeit. Weder auf besondere Kompensationsanstrengungen noch andererseits zu erwartende zukünftige Verschlechterungen kommt es an. Letzteres könnte allenfalls dann anders beurteilt werden, wenn eine Fortsetzung der Berufstätigkeit mit unmittelbaren, akuten Gesundheitsgefahren verbunden wäre - was dann auch unmittelbar im Prozentsatz der Beeinträchtigung zum Ausdruck käme -. Lediglich die ungünstige Langfristprognose bedeutet nicht schon aktuelle Berufsunfähigkeit. Auch wenn letzten Endes insoweit eine Abgrenzung wohl nur in quantitativer Hinsicht möglich sein dürfte, erscheint nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. im vorliegenden Fall die Schwelle von der Annahme mangelnder Berufseignung in langfristiger Hinsicht zur Bejahung aktueller Berufsunfähigkeit wegen akuter Gesundheitsgefährdung eindeutig nicht überschritten. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente bzw. Feststellung der Beitragsfreiheit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.597,55 € festgesetzt.

1) Klageantrag zu 1)

Rückstand Rente ab 1.11.1999 14.000,--DM, zukünftige Rente 3,5 facher Wert, § 9 ZPO (3,5 x 8.400,--DM) = 29.400,--DM.

2) Klageantrag zu 2)

rückständiger Monatsbeitrag (20 Monate zu je 55,50 DM) x 80 % (Feststellungsantrag)= 888,--DM, zukünftiger Monatsbeitrag 3,5 x 666,--DM x 80 % (Feststellung) = 1.864,80 DM,

insgesamt = 46.152,80 DM (23.597,55 €)

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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