Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 10 U 53/03
Rechtsgebiete: AVB Warenkredit


Vorschriften:

AVB Warenkredit S-Europa Fassung 4/96 AVB § 1 Nr. 2
AVB Warenkredit S-Europa Fassung 4/96 AVB § 2 Nr. 2 e)
AVB Warenkredit S-Europa Fassung 4/96 AVB § 3 Nr. 1 e)
AVB Warenkredit S-Europa Fassung 4/96 AVB § 7 Nr. 1 a
1. Der in § 3 AVB definierte Versicherungsfall der Zahlungsunfähigkeit ist ebenso wie in § 9 AVB-Warenkredit 1984 abschließend (in Anknüpfung an BGH, NJW 1993, 590, 592; Senatsurteile vom 25.2.2000 - 10 U 511/99 - VersR 2001, 582 = ZfS 2000, 404 = NVersZ 2001, 397; vom 18.6.1999 - 10 U 653/98 - NVersZ 2000, 103 = r+s 2000, 41; NJW-RR 2000, 620; R+S 1997, 86; NVersZ 2001, 431 = VersR 2001, 1282; Urteil vom 22. Februar 2002 - 10 U 354/01 - r+s 2002, 351; Urteil vom 8. November 2002 10 U 1779/01 NJW-RR 2003, 681 = VersR 2003, 854).

2. Der nach dieser Klausel in Betracht kommende Fall des § 3 Nr. 1 e) AVB, wonach "infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände eine Bezahlung aussichtslos erscheint, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Insolvenzantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspricht", ist dabei so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des Bedingungswerkes verstehen muss (in Anknüpfung an BGHZ 123, 83,85).

3. Für den Nachweis der Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 e) AVB reicht es nicht aus, dass lediglich in einem Formularschreiben einer Inkassogesellschaft ohne weiteren Tatsachenvortrag die Variante "Unwirtschaftlichkeit" angekreuzt wird. Es müssen zumindest Einkommens- und Vermögensverhältnisse des spanischen Kunden dargelegt werden, aus denen sich erschließen lässt, dass eine Bezahlung aussichtslos erscheint. Im Übrigen ist der VN im Rahmen seiner vertraglichen Schadenminderungspflicht nach § 1 Nr. 2 und 7 Nr. 1 a AVB gehalten, für eine Beitreibung der Forderung auf seine Kosten zu sorgen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Hinweisbeschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 53/03

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger am 25. September 2003 einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 15. Dezember 2003.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus Warenkreditversicherung auf Leistungen wegen Forderungsausfalls bei einem in den Versicherungsschutz einbezogenen spanischen Kunden in Höhe von 19.744 US$ nebst Zinsen in Anspruch.

Die Parteien streiten darüber, ob ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall besteht. Dem Warenkreditversicherungsverhältnis liegen u.a. die AVB-Warenkredit S-Europa, Fassung 4/96 zugrunde (Anlagenheft). Der Eintritt eines Versicherungsfalles wird in § 3 AVB definiert. Die für den Streitfall maßgebende Klausel lautet:

"§ 3 Versicherungsfall

1. Versicherungsfall ist die Zahlungsunfähigkeit eines Kunden. Sie liegt vor, wenn ...

e) - sofern der Kunde seinen Sitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland hat - infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände eine Bezahlung aussichtslos erscheint, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspricht.

2. Als Zeitpunkt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gilt im Fall...

e) der Tag, an dem aufgrund entsprechenden Beweismaterials die Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den Schuldner angenommen werden muss."

Der Kläger, ein Diamanthändler, hatte gemäß Rechnung vom 5.6.2001 Diamanten im Wert von 19.744 US$ an den spanischen Kunden verkauft und in der Folgezeit keinen Kaufpreis erhalten. Nach Meldung des Forderungsausfalles verwies die Beklagte den Kläger am 15.8.2001 darauf, im Rahmen der Schadensminderungspflicht für eine Beitreibung der Forderung zu sorgen. Auf Empfehlung eines Bezirksdirektors der Beklagten schaltete der Kläger daraufhin die zum Unternehmensverbund der Beklagten gehörende Allgemeine Debitorengesellschaft als Inkassogesellschaft ein. Diese teilte im Endergebnis mit Formularschreiben vom 31.1.2002 mit, dass sie die Angelegenheit wegen "Unwirtschaftlichkeit" abgeschlossen habe (GA 32 bis 33).

Die Parteien streiten (wie bereits vorprozessual) darüber, ob mit dieser Bescheinigung der bedingungsgemäße Versicherungsfall im Sinne des § 3 Nr. 1 e) und Nr. 2 e AVB nachgewiesen ist. Die Beklagte bestreitet darüber hinaus im Prozess auch die Identität des belieferten spanischen Kunden mit dem in den Versicherungsschutz einbezogenen benannten Kunden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen hat, weil er einen bedingungsgemäßen Versicherungsfall im Sinne des § 3 Nr. 1 e und Nr. 2 e) AVB nicht dargelegt habe.

Der Senat hat sich schon verschiedentlich mit dem in den Vertragsbedingungen enthaltenen Begriff der Zahlungsunfähigkeit als einer Variante des Versicherungsfalls befasst. Der in § 3 AVB definierte Versicherungsfall der Zahlungsunfähigkeit ist ebenso wie in § 9 AVB-Warenkredit 1984/99 nach ständiger Rechtsprechung abschließend (BGH Urteil vom 2.12.1999 - IV ZR 135/91 - NJW 1993, 590, 592; Senatsurteile vom 25.2.2000 - 10 U 511/99 - VersR 2001, 582 = ZfS 2000, 404 = NVersZ 2001, 397; vom 18.6.1999 - 10 U 653/98 - NVersZ 2000, 103 = R+S 2000, 41; Urteil vom 18.6.1999 - 10 U 653/98 - NJW-RR 2000, 620; Urteil vom 22.12.1995 - 10 U 128/95 - R+S 1997, 86; Urteil vom 28.1.2000 - 10 U 1424/98 -NVersZ 2001, 431 = VersR 2001, 1282; Urteil vom 22. Februar 2002 - 10 U 354/01 - R+S 2002, 351; Urteil vom 8. November 2002 10 U 1779/01 NJW-RR 2003, 681= VersR 2003, 854). Der nach dieser Klausel allein in Betracht kommende Fall des § 3 Nr. 1 e) AVB, wonach "infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände eine Bezahlung aussichtslos erscheint, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Insolvenzantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspricht", ist dabei so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des Bedingungswerkes verstehen muss (BGHZ 123, 83, 85).

Mit Recht nimmt das Landgericht an, dass nach diesem Auslegungsmaßstab der Kläger weder mit der Bescheinigung der Inkassogesellschaft vom 31.1.2002 (GA 32 bis 33) noch mit seinem ergänzenden prozessualen Vorbringen den bedingungsgemäßen Versicherungsfall darlegen kann. Der Kläger hat hier entgegen den Voraussetzungen nach § 3 Nr. 2 e) i.V.m. § 3 Nr. 1 e) AVB Warenkredit S-Europa nicht ausreichend nachgewiesen, dass infolge ungünstiger Umstände ein Bezahlung aussichtslos erscheint. In dem betreffenden Formularschreiben wird lediglich die dritte von drei vorgegebenen Fallgruppen angekreuzt und - ohne weiteren Tatsachenvortrag - mitgeteilt, dass die Angelegenheit wegen "Unwirtschaftlichkeit" abgeschlossen werde. Es werden indes weder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des spanischen Kunden dargelegt noch Umstände vorgetragen, aus denen sich erschließen lässt, dass "eine Bezahlung aussichtslos erscheint". Der Kläger selbst legt eine Bescheinigung des spanischen Kunden vom 7.10.2002 vor, aus der sich ergibt, dass der betreffende Kunde weiterhin geschäftlich tätig ist und er seinen Geschäftsbetrieb sowohl in Madrid als auch in Malaga unterhält (GA 40).

Das Landgericht hat auch aus zutreffenden Gründen keine Beweisaufnahme zur Frage eingeholt, ob Zwangsmaßnahmen gegen den spanischen Kunden des Klägers unwirtschaftlich gewesen wären. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht lediglich darauf beschränkt, den Sachbearbeiter Engel der Schwestergesellschaft der Beklagten, der Fa. A mbH, dafür zu benennen, dass mit dem Ankreuzen des Kästchen "Unwirtschaftlichkeit" der Versicherungsfall im Sinne von § 3 Nr. 1 e AVB gemeint sei.

Soweit der Kläger nach rechtlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht den Aussteller des Formularschreibens vom 31.1.2002 zum Beweis dafür benannt hat, dass die von diesem Zeugen angekreuzte "Unwirtschaftlichkeit" den bedingungsgemäßen Versicherungsfall im Sinne des § 3 Nr. 1 e AVB darstelle, war dieser auf Ausforschung ausgerichtete Beweisantritt unerheblich. Der Kläger genügte damit seiner Darlegungslast nicht, um eine Beweisaufnahme herbeiführen zu können. Hierzu hätte es schon der Darlegung konkreter Tatsachen bedurft, dass angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des spanischen Kunden die Durchführung einer Zwangsvollstreckung aussichtslos gewesen wäre. Dies umso mehr, als die Beklagte schon vorprozessual das Formularschreiben vom 31.1.2002 als nicht ausreichenden Nachweis für den Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalles zurückgewiesen hat. Es hätte doch nahegelegen, dass sich der darlegungs- und beweisbelastete Kläger bereits vorprozessual bei der von ihm beauftragten Inkassogesellschaft nach den näheren Gründen für die angekreuzte "Unwirtschaftlichkeit" erkundigt und die betreffenden Tatsachen zu Beginn des Prozesses eingeführt hätte.

Der Kläger vermag sich auch nicht damit zu entlasten, dass er sich auf Empfehlung eines Bezirksdirektors der Beklagten, des von ihm benannten Zeugen B, an die zum Unternehmensverbund der Beklagten gehörende Inkassogesellschaft gewandt und der benannte Zeuge bestimmte Aussagen über den künftigen Nachweis eines Versicherungsfalles im Falle der Erfolglosigkeit von Bemühungen der Inkassogesellschaft abgegeben habe (GA 3). Die Beklagte muss sich eine unzureichende Auskunft der Fa. A mbH nicht zurechnen lassen. Der benannte Zeuge Rolf B konnte im Zeitpunkt seiner Empfehlung weder eine verbindliche Zusage über das künftige Ergebnis der Bemühungen der Inkassogesellschaft abgeben noch konnte der Kläger die Auskunft des Zeugen in diesem Sinne vernünftigerweise verstehen.

Der Kläger war im Übrigen im Rahmen seiner vertragsgemäßen Schadensminderungspflicht gehalten, für eine Beitreibung der Forderung auf seine Kosten zu sorgen (vgl. § 1 Nr. 2 und § 7 Nr. 1 a AVB). Die Beauftragung der Inkassogesellschaft auf Kosten des Klägers (GA 32) ist eine solche Maßnahme gewesen. Unverständlich erscheint, warum der Kläger nach Erhalt des Schreibens vom 31.1.2002 (Anlage K 3, GA 32) nicht weiter nachgehakt hat.

Soweit die Berufung argumentiert, die spanische Rechtsanwaltskanzlei T A in Madrid habe sich um ein Inkasso bemüht, aber auf Weisung der Schwesterfirma der Beklagten, der Fa. A (A) ihre Tätigkeit eingestellt, rechtfertigt dies keine andere Betrachtung. Im Gegenteil: Die spanischen Rechtsanwälte haben empfohlen, sowohl im Handelsregister die "voraussichtlich bestehende Existenz" der Gesellschaft S D, S.L. ausfindig zu machen, als auch im Grundbuch bezüglich des Herrn O A S H eine Nachforschung anzufordern, um die Kreditfähigkeit derselben ausfindig zu machen: Je nach dem Ergebnis der Ermittlungen - so die spanischen Anwälte - könne man dann den Kunden (Kläger) über die jeweils vorhandene oder nicht bestehende Möglichkeit, sein Geld zurückzubekommen, informieren. Die Kosten für die Nachforschung waren mit umgerechnet 72 € für die Einholung einer Handelsregisterauskunft und 54 € für eine Grundbuchauskunft vergleichbar gering. Angesichts des hohen Schadens von 19.744 US$ wären diese Nachforschungskosten auch für den Kläger vertretbar gewesen. Es bleibt dem Kläger im Übrigen unbenommen, seine Forderung gegenüber dem spanischen Kunden weiterzuverfolgen. Auch die Frage eines pflichtwidrigen Verhaltens der Fa. A ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Ende der Entscheidung

Zurück