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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 10.05.2002
Aktenzeichen: 10 U 586/01
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 2 II (2)
AUB 88 § 7 I (2) a
AUB 88 § 8
Erleidet die Versicherte infolge eines Stolperns beim häuslichen Staubsaugen eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des rechten Beines und treten anschließend weitere körperliche Beeinträchtigungen auf Grund einer Sudeckschen Distrophie - schmerzhafte Erkrankung einer Extremitität als Folge von Weichteilverletzungen, die mit Durchblutungsstörungen verbunden sind - als Folge wiederholt durchgeführter Arthroskopien ein, so ist die Versicherte beweispflichtig dafür, dass die Beinwert-Beeinträchtigung auf Grund des Unfallereignis zu mehr als 1/3 auf das Unfallereignis zurückzuführen ist, wenn der Sachverständige zwar insgesamt eine 4/7 Beinwert-Beeinträchtigung feststellt, diese aber nur zu 1/3 dem Unfallereignis zuordnet. Dies ist nicht erst eine Frage eines vom Versicherer zu beweisenden, überwiegenden, unfallunabhängigen Mitwirkungsanteils nach § 8 AUB 88 oder eines Leistungsausschlusses nach § 2 II (2) AUB 88.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 586/01

Verkündet am 10. Mai 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Dr. Koch auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 1. März 2001 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 8.000,-- € abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Mitversicherte aus einem Unfallversicherungsvertrag (AUB 88) Ansprüche gegen die Beklagte geltend. Ihr Ehemann schloss mit der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag mit einer Invaliditätssumme von 160.000,-- DM. Die Klägerin nimmt die, Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns in Anspruch.

Am 01.06.1993 stolperte die Klägerin beim häuslichen Staubsaugen und stürzte auf ihr rechtes Knie. Das Knie schwoll an und es erfolgte eine Primärversorgung, Diagnostik und eine 14-tägige ambulante Behandlung durch einen Orthopäden, ohne dass sich die Beschwerden verbesserten. Im Juni und Dezember 1993 und im Februar und April/Mai 1994 wurden mehrere Kniegelenksspiegelungen in verschiedenen Einrichtungen durchgeführt. Während die Kniegelenksspiegelung im Juni 1993 einen Normalbefund ergab, erfolgte im Dezember 1993 anlässlich der zweiten Spiegelung eine Teilentfernung des rechten Innenmeniskushinterhorns, wegen eines diagnostizierten Innenmeniskusrisses rechts.

Der von der Beklagten beauftragte Gutachter, Prof. Dr. W stellte in seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 22.01.1996 eine Einschränkung bzw. Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des rechten Beines von 4/7 fest, wobei er die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit nur zu 1/3 auf das Unfallereignis vom 1.06.1993 zurückführte. In dem Gutachten wurde ferner der Verdacht einer psychischen Fehlverarbeitung des Unfallereignisses geäußert und daraus resultierend das Nichtgebrauchen des rechten Beines gefolgert.

Der Zustand der Klägerin stellt sich gegenwärtig so dar, dass sie sich nur mit einer Kniegelenksorthese und zwei Unterarmgehstützen fortbewegt und die gesamte Knieregion berührungs- und schmerzempfindlich ist, wodurch sie auf starke Schmerzmittel angewiesen ist. Es liegt ein Streckdefizit von 30 % im rechten Kniegelenk und eine Einschränkung der Beugefähigkeit von 80 % vor. Bedingt durch den Verlust an Streckfähigkeit im rechten Knie, was zu einer funktionellen Beinverkürzung rechts führt, entwickelte sich eine messrechnisch fassbare Funktionseinschränkung im rechten Hüftgelenk, funktionell, dass heißt passiv ausgleichbar, auch im rechten Sprunggelenk.

Unter Berücksichtigung der Gliedertaxe gemäß § 7 I (2) a AUB 88, die bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Beines einen Invaliditätsgrad von 70 % vorsieht, und der Beinwert-Beeinträchtigung von 4/7 ergab sich ausgehend von der Invaliditätssumme von 160.000,-- DM, ein Betrag von 64.000,-- DM, worauf die Beklagte 1/3, mithin 21.334,-- DM zahlte. Mit Schreiben vom 29.11.1996 lehnte die Beklagte weitere Zahlungen entgültig ab. Mit der Klage macht die Klägerin den Differenzbetrag von 42.666,-- DM geltend.

Die Klägerin hat vorgetragen,

die bestehende Funktionsbeeinträchtigung ihres Beines sei ausschließlich auf den Unfall vom 1.06.1993 zurückzuführen. Es seien keinerlei Vorschäden, insbesondere keine Schäden des Meniskus vorhanden gewesen, welche die Mitursache für den bei ihr eingetretenen Krankheitsverlauf darstellen könnten. Ihr Zustand beruhe auch nicht auf dem Umstand einer psychischen Fehlverarbeitung verbunden mit einer Nichtbelastung des Beines. Aus diesem Grunde sei die Beklagte verpflichtet, auf der Basis einer 4/7 Beinwert-Beeinträchtigung Zahlungen zu leisten. Dieser Betrag sei mit 6,5 % zu verzinsen, da sie zu diesem Zinssatz den Betrag hätte anlegen können.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.666,-- DM nebst 6,5 % Zinsen darauf seit dem 29.11.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin unter Berufung auf den Umstand, dass lediglich der Ehemann der Klägerin Anspruchsinhaber sei. Abgesehen davon sei sie mit der bereits geleisteten Zahlung ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag nachgekommen. Bei der durch das Unfallereignis vom 01.06.1993 hervorgerufenen Gesundheitsbeschädigung der Klägerin oder deren Folgen am rechten Bein habe eine unfallunabhängige, vorbestehende Degeneration des Meniskusgewebes in der Ausprägung einer chronischen Meniskopathie im Sinne einer Krankheit oder eines Gebrechens mitgewirkt. Der rein unfallbedingte Mitwirkungsfaktor an der Gesamtbeeinträchtigung von 4/7 Beinwert betrage dementsprechend lediglich 1/3, der ausschließlich unfallbedingte Invaliditätsgrad demzufolge lediglich 13 1/3 %.

Das Landgericht hat nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen (Dr. G GA 125 ff.) und fachorthopädischen Gutachtens (Dr. E GA 169 ff.) und mündlicher Anhörung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt: Die Klägerin sei zwar aufgrund abgetretenen Rechts aktivlegitimiert. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei zunächst nicht davon auszugehen, dass die schwere Funktionsstörung des rechten Beines auf einer psychischen Fehlverarbeitung beruhe. Das fachorthopädische Gutachten erlaube jedoch nicht die Feststellung, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung des Beines zu mehr als einem Drittel auf den Folgen des Unfalls beruhe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor: Das Landgericht habe zu Unrecht eine Entschädigung auf der Grundlage einer 4/7 Beinwertbeeinträchtigung versagt. Unstreitig habe der Unfall vom 1.6.1993, ggf. zusammen mit der ersten Arthroskopie vom 15.6.1993, die Algodystrophie (Sudeck-Syndrom) mindestens mit verursacht. Vor dem Unfall habe sie keinerlei Beschwerden im rechten Knie gehabt. Die später festgestellte degenerative Vorschädigung der Menisken und der dadurch begünstigte Meniskusschaden seien in dem Gesamtbild zu vernachlässigen. Bis zum Unfall vom 1.6.1993 habe ein Meniskusschaden nicht vorgelegen. Demgegenüber stehe nicht fest, dass die Algodystrophie durch die, möglicherweise nicht direkt oder indirekt durch den Unfall veranlasste, zweite bis vierte Arthroskopie mit verursacht worden sei und ohne diese Eingriffe minder schwer verlaufen wäre oder sich nicht eingestellt hätte. Es sei unwahrscheinlich, dass nicht bereits die ersten beiden Einwirkungen auf das Knie der Klägerin zur Manifestation der Krankheit geführt hätten, sondern erst die zweite und dritte Arthroskopie. Das Landgericht habe im Hinblick auf die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 2 II 2 AUB 88 die Beweislast verkannt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 42.666,-- DM nebst 6,5 % Zinsen p.a. hieraus seit 29.11.1996 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

das Landgericht habe auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. E und dessen Anhörung zu Recht festgestellt, dass der Klägerin über den bereits gezahlten Betrag hinaus keine Ansprüche mehr zustehen. Die Beschwerden der Klägerin beruhten nur zu einem Drittel auf dem Unfall vom 1.6.1993. Denn die körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien auf die Sudecksche Distrophie zurückzuführen, deren Ursache in den wiederholt durchgeführten Arthroskopien zu sehen seien. Für diese sei der Unfall nicht Ursache, sondern allenfalls äußerer Anlass, weil die Beschwerden, denen in der Folge nachgegangen worden sei, auf einer bis dahin klinisch stumm verlaufenden Meniskusläsion beruhten. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Meniskusläsion und dem Unfallereignis bestehe nicht. Die Läsion sei ausschließlich durch degenerative Veränderungen bedingt. Das Berufungsvorbringen, wonach ein Meniskusschaden und eine Beschwerdefreiheit bis zum Unfall nicht vorgelegen habe, sei zu bestreiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

1) Der Klägerin steht kein weiterer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Klägerin ist beweispflichtig dafür, dass die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beines zu 4/7 auf das Unfallereignis vom 1.06.1993 zurückzuführen ist und sie gemäß § 7 I (2) a AUB 88 Entschädigung auf dieser Grundlage beanspruchen kann. Auf Grund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats fest (§ 286 ZPO), dass das Unfallereignis nur zu 1/3 an der vorhandenen Teilinvalidität von 4/7 Beinwert-Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Außer Streit steht, dass die Beschwerden der Klägerin nicht auf einer psychischen Fehlverarbeitung des Unfallereignisses beruhen und es deshalb zu einem Nichtgebrauchen der rechten unteren Extremität gekommen ist.

Der Sachverständige Dr. E hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 25.01.2000 (GA 169 ff.) und im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen vor der Kammer (GA 223 ff.) ausgeführt, dass die körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin Folge einer sog. Sudeckschen Distrophie seien, deren Ursache im Wesentlichen in den wiederholt durchgeführten Arthroskopien zu sehen sei. Es handelt sich dabei um eine schmerzhafte Erkrankung einer Extremität, meist als Folge von leichten Weichteilverletzungen, etwa nach operativen Eingriffen oder bei Erkrankungen des peripheren oder zentralen Nervensystems, die mit einer Störung der Durchblutung der entsprechenden Knochen und Weichgewebe verbunden ist.

Das Unfallereignis selbst sei nur geeignet gewesen, eine Knieprellung hervorzurufen. Die 6 Monate nach dem Unfallereignis festgestellte Schädigung des Innenmeniskushinterhorns sei Ausdruck eines degenerativen Vorgangs. Üblicherweise seien Folgen einer Knieprellung spätestens nach 2 bis 3 Wochen abgeklungen. Die erste Arthroskopie sei zwei Wochen nach dem Unfallereignis (Juni 1993) durchgeführt worden wegen einer Unklarheit, die sich aus dem Unfallereignis ergeben habe. Bei der zweiten, 6 Monate später durchgeführten Arthroskopie (Dezember 1993) sei, so der Sachverständige, schließlich eine Meniskusläsion diagnostiziert worden, die bis dahin klinisch stumm gewesen sei. Es könne jedoch kein Zusammenhang zwischen dieser Meniskusläsion und dem Unfallereignis gesehen werden. Diese Meniskusläsion müsse also mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Boden einer degenerativen Vorschädigung entstanden sein, die sich bis zum Unfallereignis offensichtlich im Hinterhornbereich klinisch stumm verhalten habe. An dieser Stelle entstünden Läsionen regelmäßig nur durch degenerative Vorgänge, der Spalt werde mit der Zeit immer größer Wegen dieses Meniskusschadens seien dann die der ersten Kniespiegelung folgenden Arthroskopien als Heileingriffe bezogen auf den Meniskusschaden notwendig gewesen, parallel hierzu habe sich dabei die Sudecksche Dystrophie entwickelt. Es sei zwar weder auszuschließen, dass der Sturz Auslöser der Sudeckschen Dystrophie gewesen und die erste Arthroskopie additiv hinzugetreten sei, noch, dass die erste Arthroskopie die Sudecksche Dystrophie ausgelöst habe und die weiteren Arthroskopien diesen Zustand verschlimmert hätten. Jedoch sei zusammenfassend festzustellen, dass die Klägerin einen klinisch stummen Vorschaden gehabt habe. Der Meniskusschaden als solcher, der Anlass zu der zweiten und der dritten Arthroskopie gewesen sei, sei unfallunabhängig gewesen. Die dritte und vierte Arthroskopie (Februar und Mai 1994) seien Heileingriffe mit einer bestimmten Zielsetzung gewesen, nämlich den Meniskusschaden zu beheben. Aus medizinischer Sicht sei lediglich von einem unfallbedingten Mitwirkungsfaktor von 1/3 Beinwert auszugehen.

2) Auf Grund der von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass nur die erste Arthroskopie in einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu bringen ist, weil wegen der fortdauernden Beschwerden eine Abklärung notwendig erschien. Demgegenüber stehen die zweite, dritte und vierte Arthroskopie im Zusammenhang mit dem nicht unfallbedingten Meniskusschaden. Die Berufung greift die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ohne Erfolg an. Entgegen der Auffassung der Berufung kann aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. E und seiner mündlichen Erläuterungen vor der Kammer nicht davon ausgegangen werden, dass die Meniskusverletzung durch das Unfallereignis vom 1.06.1993 ursächlich ausgelöst wurde. Dass die Klägerin angeblich vor dem Unfallereignis keine Beschwerden hatte (strittig), beruht ggf. darauf, dass sich die auf degenerativer Vorschädigung beruhende Beeinträchtigung im Hinterhornbereich klinisch stumm verhalten hat. Eine Vernehmung des die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. S als sachverständigen Zeugen ist nicht angezeigt, da nicht ersichtlich ist, dass dieser aufgrund einer zeitnahen Untersuchung bessere Erkenntnismöglichkeiten hätte als der gerichtliche Sachverständige, dem alle Untersuchungsbefunde zur Verfügung standen. Aus der ärztlichen Bescheinigung Dr. W vom 2.3.1994 (GA 68/69) sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Meniskusschaden durch das Unfallereignis vom 1.06.1993 hervorgerufen wurde. Die Bescheinigung beruht im Übrigen auf einer Untersuchung, die ca. ein halbes Jahr nach dem Unfallereignis erstellt wurde. Eine Parteivernehmung der Klägerin oder deren Anhörung, dass sie vor dem Unfallereignis keine Schmerzen gehabt habe und erst nach dem Unfall, d.h. unmittelbar nach dem Sturz, beim Aufsteigen aus der Hocke akut Schmerzen im Bereich der Innenseite des rechten Kniegelenks gehabt habe, bedeutet nicht, dass der Meniskusschaden durch das Unfallereignis hervorgerufen worden sein muss. Soweit die Berufung argumentiert, der Einriss sei bei der am 15.6.1993 durchgeführten Arthroskopie deshalb nicht festgestellt worden, da er noch sehr klein gewesen sei und sich erst im Laufe der folgenden Monate allmählich vergrößert habe, handelt es sich um reine Spekulation. Der sachverständige Dr. E führte hierzu aus, dass es spekulativ sei zu ergründen, warum die Hinterhornläsion des Meniskus bei der ersten Arthroskopie nicht festgestellt worden sei. Es sei jedenfalls nicht wahrscheinlich, dass das Unfallereignis geeignet gewesen sei, einen Mensikushinterhornschaden hervorzurufen.

Die Berufung wendet sich schließlich ohne Erfolg gegen die Gesamtbewertung des Sachverständigen Dr. E, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass das Unfallereignis vom 1.6.1993 den Meniskusschaden ausgelöst habe, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit die Meniskusläsion auf dem Boden einer degenerativen Vorschädigung entstanden sei. Der Sachverständige verwies darauf, dass er seit 25 Jahren in der Orthopädie tätig und über 20 Jahre Oberarzt sei. Diese Berufserfahrung erlaube ihm diese Einschätzung. Maßstab für die Überzeugungsbildung des Senats nach § 286 ZPO ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der letzten Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. BGHZ 53, 245 (255) = NJW 1970, 946; BGHZ 100, 214 = NJW 1987, 1944; BGH NJW 1982, 2874 (2875); NJW 1993, 935 = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweismaß Grenzen der Beweisanforderungen; Senatsurteil vom 11.8.2000 - 10 U 1393/98 - NVersZ 2002, 185). Auf Grund der Bekundungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, besteht nicht die Überzeugung, dass der Meniskusschaden der Klägerin auf das Unfallereignis zurückzuführen ist und die Sudecksche Distrophie zu mehr als 1/3 unfallbedingt ist.

Der Senat stimmt auch nicht mit der Berufung darin überein, dass nicht die Klägerin beweisbelastet sei, sondern die Beklagte einen Leistungsausschluss nach § 2 II (2) AUB 88 bzw. einen überwiegenden, unfallunabhängigen Mitwirkungsanteil nach § 8 AUB 88 zu beweisen habe. Der Nachweis der Unfallursächlichkeit im Sinne von § 1 I, III i.V.m. 7 I (2) AUB 88 liegt hier bei der Klägerin. Hinsichtlich der zweiten, dritten und vierten Arthroskopie stand die Heilmaßnahme im Übrigen nicht in Zusammenhang mit dem Unfallereignis, so dass sich bezüglich weitergehender Ansprüche ein Ausschlussrecht der Beklagten ergäbe. Selbst wenn man mit der Berufung davon ausginge, dass im Hinblick auf das Unfallereignis vom 1.6.1993 die Beweislast für eine überwiegende unfallunabhängige (Vor-)schädigung der Beklagten obläge, wäre eine Leistungskürzung im Sinne der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung sachlich berechtigt, da die festgestellte Sudecksche Distrophie zu mehr als 25 %, nämlich zu 2/3 auf einen bis dahin klinisch stummen Meniskusvorschaden zurückzuführen wäre.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 42.666,-- DM (21.814,78 €) festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 543 n.F. ZPO.

Ende der Entscheidung

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