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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 13.01.2006
Aktenzeichen: 10 U 59/05
Rechtsgebiete: BGB, ScheckG


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 255
BGB § 989
BGB § 990
ScheckG Art. 21
ScheckG § 21
Zur groben Fahrlässigkeit bei Hereinnahme eines Verrechnungsschecks zur Einziehung bei konkreten Verdachtsmomenten für eine Indossamentfälschung.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 59/05

Verkündet am 13. Januar 2006

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Amtsgericht Dr. Janßen auf die mündliche Verhandlung vom 2.12.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.159,05 €nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.8.2003 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Abtretung der sich für die Klägerin aus ihrer Beteiligung am Hinterlegungsverfahren beim Amtsgericht Mayen - 7 HL 25/03 - ergebenden Rechte.

Die Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen Einlösens eines von ihr ausgestellten Schecks für einen Nichtberechtigten.

Die Klägerin stellt Süßwaren her und steht in Geschäftsbeziehung mit einer Firma L... in T..., Italien. Im Mai 2002 versandte die Klägerin zur Bezahlung erhaltener Ware in einem einfachen Brief einen am 22. Mai 2002 von der Klägerin ausgestellten Verrechnungsscheck bezogen auf die ...bank B... eG in H..., mit der Anweisung, an die Firma L... s.r.l. 10.159,05 € zu zahlen. Der Scheck kam bei der Firma L... in T... nicht an. Er wurde am 4.6.2002 mit weiteren Schecks von F... di S..., einem Kunden der Beklagten, bei dieser zur Einziehung eingereicht. Die Beklagte legte den Verrechnungsscheck bei der ...bank B... zur Einziehung vor. Am 6.6.2002 buchte die ...bank B... eG den streitgegenständlichen Betrag vom Konto der Klägerin ab zugunsten der Beklagten. Diese schrieb in der Folgezeit den Betrag dem Girokonto des di S... Nr. ......031 gut. Am 13.6.2002 teilte die zuständige Polizeidienststelle der Beklagten mit, dass der Verdacht bestehe, mehrere der von di S... eingereichten Schecks seien gestohlen gewesen. Die Beklagte sperrte daraufhin das Girokonto des di S..., das zu diesem Zeitpunkt einen Guthabenbetrag von 13.367,89 € aufgewiesen hat. Sie hinterlegte diesen Betrag gemäß am 1.8.2003 ausgestellter Annahmeordnung des Amtsgerichts Mayen - 7 HL 25/03 - zugunsten der Klägerin, des di S... sowie der Firma W... Getränke-Industrie GmbH in F..., einer weiteren Scheckausstellerin, deren Scheck ebenfalls am 4.6.2002 von di S... bei der Beklagten eingereicht worden war.

Di S... war Anfang 2002 mit seinem damaligen Arbeitgeber S... übereingekommen, sich Schecks zu verschaffen, von welchen sie wussten, dass diese in Italien entwendet worden waren, und diese auf ihren Konten einzulösen, um sich auf diese Art und Weise Bargeld zu verschaffen. Konkret hatte di S... mit S... vereinbart, dass dieser ihm Schecks übergeben sollte, welche di S... sodann auf seine Konten bei der Beklagten sowie der ...bank R... eG einlösen sollte. Nach Gutschrift der Beträge sollte die S... 25% der Summe für sich behalten und den Rest an S... übergeben. Den hier in Rede stehenden Scheck erhielt di S... Anfang Juni 2002 in einem Kuvert mit weiteren Schecks auf dem Flughafen Frankfurt von einem ihm unbekannten italienischen Staatsbürger. Di S... ist aufgrund der Vorgänge um den vorliegend streitigen sowie die weiteren von ihm eingelösten Schecks mit Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Mayen vom 26.7.2005 (Az: 2080 Js 31501/03.3 Ls) wegen gemeinschaftlichen Betruges in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Im Zeitpunkt der Scheckeinlösungen war di S... erheblich verschuldet. Auch die bei der Beklagten geführten Konten waren erheblich belastet.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte den Scheck nicht ohne Prüfung der Legitimation des di S... hätte einlösen dürfen. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe bei Entgegennahme der Schecks nicht grob fahrlässig gehandelt. Formal seien die Schecks in Ordnung gewesen, so dass kein Anlass zur Rückfrage bestanden habe. Im Übrigen sei der Klägerin Mitverschulden vorzuwerfen, wenn sie Schecks gerade ins Ausland lediglich per einfachen Brief versende. Zudem sei die Klägerin gehalten, sich an die weiteren Anspruchsteller zu halten, da sie, die Beklagte, das Kontoguthaben unter Verzicht auf die Rücknahme hinterlegt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat darauf abgestellt, dass es nicht habe feststellen können, dass di S... den Scheck als Nichtberechtigter vorgelegt und die Beklagte damit den Scheck zu Unrecht eingelöst habe. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 989, 990 BGB i. V. m Art. 21 ScheckG zu.

Abweichend von den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils kann nicht davon ausgegangen werden, dass nicht erwiesen sei, dass di S... den Scheck als Nichtberechtigter vorgelegt habe. Nachdem di S... nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht aufgrund seines eigenen Geständnisses wegen Betruges auch betreffend den hier streitigen Scheck verurteilt wurde, kommt nicht mehr in Betracht, dass er gutgläubig Eigentum an dem von der Klägerin ausgestellten Scheck erworben haben und damit diesen als Berechtigter an die Beklagte weitergegeben haben könnte. Es steht vielmehr fest, dass di S... sich die Schecks in Kenntnis dessen, dass sie gestohlen waren, verschafft hat und mithin nicht gutgläubig Eigentum daran erwerben konnte.

Die Beklagte haftet der Klägerin auf Schadensersatz, weil sie bei Hereinnahme und Einziehung des Schecks die Berechtigung des di S... zur Scheckeinlösung nicht geprüft und insoweit angesichts der Gesamtumstände grob fahrlässig gehandelt hat. Sie wäre gemäß § 21 ScheckG zur Herausgabe des Schecks an die Klägerin verpflichtet gewesen. Da ihr dies nicht mehr möglich ist, ist sie verpflichtet, in Höhe des eingezogenen Betrages der Klägerin Schadensersatz zu leisten.

Die Beklagte handelte grob fahrlässig, als sie ohne Prüfung der Berechtigung den Scheck zur Einziehung entgegen nahm. Die Gesamtumstände der Scheckeinreichung waren so, dass die Beklagte in Bezug auf die Berechtigung des di S... hätte Verdacht schöpfen und dies durch Rückfrage beim Scheckaussteller hätte abklären müssen. Es kommt hier nicht darauf an, ob und in welchem Umfang im Geschäftsverkehr unter Kaufleuten die Weitergabe von Orderschecks erfolgt. Es ist jedenfalls absolut unüblich, dass ein Kaufmann einen von einem Kunden zahlungshalber erhaltenen Scheck zur Begleichung einer eigenen Verbindlichkeit an einen Privatmann weiter reicht oder dieser einen Scheck eines ihm Fremden anstelle von Bargeld als Zahlung akzeptiert. Noch mehr zu Bedenken musste Anlass geben, dass di S... an einem Tag gleich zwei von verschiedenen deutschen Firmen an unterschiedliche Firmen im Ausland gerichtete Schecks zur Einziehung bei der Beklagten eingereicht hat. Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, die Berechtigung des di S... in Bezug auf die von diesem eingereichten Schecks zu prüfen. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, es sei nicht ungewöhnlich, dass Einrichtungsgegenstände einer Pizzeria an verschiedene Personen verkauft würden, so ist doch der Hinweis angebracht, dass es als sehr ungewöhnlich erscheint, dass verschiedene Firmen in Italien gebrauchte Einrichtungsgegenstände einer seit Jahren nicht mehr betriebenen Pizzeria in M... kaufen und außerdem jeweils mit einem deutschen Orderscheck zahlen sollten. Auch die Darstellung des di S... für das Geschäft, aus dem er die Schecks erhalten haben will, hätte damit Anlass zur Vorsicht geboten. Die Inkassobank genügt ihren Sorgfaltspflichten nicht bereits dadurch, dass sie bei vorliegenden Verdachtsmomenten, die zu Zweifeln an der Berechtigung des Einreichers Anlass geben, lediglich die förmliche Berechtigung des Scheckeinreichers gemäß Art. 19 ScheckG, der die materielle Wirksamkeit der Indossamente nicht voraussetzt, prüft, da durchaus die Möglichkeit besteht, dass die Indossamente gefälscht sind, um einen Umlauf des Schecks im Geschäftsverkehr vorzutäuschen (BGH WM 2000, 812 ff). Auch aus Art. 35 ScheckG ergibt sich nichts anderes, da diese Bestimmung nur das Verhältnis des bezogenen Kreditinstituts zum Aussteller betrifft, nicht aber das der Inkassobank zum Scheckeinreicher.

Die Schadensersatzpflicht der Beklagten wird auch nicht durch ein Mitverschulden der Klägerin gemindert. Es ist nicht derart ungewöhnlich, einen Scheck im Postweg zu versenden, dass dies der Klägerin als Verschulden in eigenen Angelegenheiten im Sinne des § 254 BGB angelastet werden könnte.

Die Klägerin braucht sich auch nicht auf ihre Stellung im Hinterlegungsverfahren und auf einen Ersatzanspruch gegen di S... verweisen zu lassen.

Ein zweifellos gegebener Ersatzanspruch gegen di S... dürfte nicht zu realisieren sein. Da die Klägerin gegen die Beklagte einen von einer Inanspruchnahme des di S... unabhängigen Schadensersatzanspruch hat, kann sie nicht darauf verweisen werden, dass sie zunächst di S... in Anspruch nehmen müsste.

Auch auf ihre Beteiligung am Hinterlegungsverfahren kann die Klägerin nicht verwiesen werden. Der hinterlegte Betrag reicht nicht aus, um alle Anspruchsteller des Hinterlegungsverfahrens zu befriedigen, so dass die Klägerin auf diesem Weg nur einen Teilausgleich ihres Verlustes realisieren könnte. Zudem kann die Klägerin nicht damit rechnen, den auf sie entfallenden Betrag aus dem Hinterlegungsverfahren ohne Rechtsstreit mit den übrigen Beteiligten zu erhalten. Die Klägerin ist jedoch verpflichtet, der Beklagten in entsprechender Anwendung des § 255 BGB ihre Ansprüche in Bezug auf ihre Beteiligung am Hinterlegungsverfahren abzutreten, damit die Beklagte die Möglichkeit hat, den Betrag, der nicht der weiteren Scheckausstellerin zusteht, wieder an sich zu ziehen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.159,05 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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