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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.11.2008
Aktenzeichen: 10 U 592/07
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 142 Abs. 1
VVG § 12 Abs. 1
VVG § 12 Abs. 2
VVG § 178 i
Täuschung über Pflegebedürftigkeit Grund für fristlose Kündigung der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt.

Zum Nachweis der Leistungserschleichung - "Pseudodemenz" als Täuschungsverhalten in Abgrenzung zur subjektiven Krankheitsvorstellung.

Zur Verjährung von Leistungsansprüchen aus der privaten Krankenversicherung.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 592/07

Verkündet am 14. November 2008

in dem Rechtsstreit Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger und die Richterin am Landgericht Stauder auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2008 für Recht erkannt: Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. April 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Gründe: I. Die Parteien streiten um den Bestand einer Kranken- und Pflegeversicherung. Der Kläger schloss mit dem Beklagten 1975 einen privaten Krankenversicherungsvertrag und im Jahre 1995 einen privaten Pflegeversicherungsvertrag. Der am 6. September 1944 geborene Kläger erlitt am 23. Januar 1984 einen Dienstunfall, in dessen Folge er nach Begutachtung durch die Ärzte Prof. Dr. A., Dr. B. und Prof. Dr. C. vom 7. Juni 1995 (Bl. 17 - 33 d. A.), vom 4. März 1995 (Bl. 34 - 36 d. A.) und vom 20. März 1995 (Bl. 37 - 38 d. A.) im Jahre 1995 als dienst-, arbeits- und erwerbsunfähig wegen eines depressiven Syndroms und einer Pseudodemenz als Ausdruck einer chronisch verlaufenden abnormen Entwicklung eingestuft wurde. Aufgrund eines Antrags von April 1999 erbrachte der Beklagte für den Kläger zunächst Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I. Nachdem der Kläger am 3. November 1999 die Höherstufung in Pflegestufe II beantragt hatte, ließ der Beklagte den Kläger ärztlich untersuchen. Die von dem Beklagten beauftragte Gutachterin D. kam in ihrem Gutachten vom 9. März 2000 (Bl. 108 - 111 d. A.) zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine Pflegebedürftigkeit entsprechend der Pflegestufe III vorliege. Aufgrund Zweifeln an den Feststellungen dieser Gutachterin ließ der Beklagte den Kläger durch Dr. E. erneut begutachten. Dieser kam in seinem Gutachten vom 17. April 2000 (Bl. 112 - 116 d. A.) zu einer Pflegebedürftigkeit des Klägers nach Pflegestufe I. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers hiergegen erfolgte eine erneute Begutachtung im Auftrag des Beklagten durch Dr. F., der in seinem Gutachten vom 16. Juni 2000 (Bl. 120 - 129 d. A.) zu einer Einordnung des Klägers in die Pflegestufe II gelangte, wobei er darauf hinwies, dass der früher gutachterlich geäußerte Verdacht der erheblichen Aggravation zukünftig wohl kaum mehr klärbar sei. Daraufhin gruppierte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 3. Juli 2000 (Bl. 39 - 40 d. A.) in die Pflegestufe II ein und erbrachte entsprechende Versicherungsleistungen. Der Beklagte erhielt sodann im Sommer 2001 Mitteilungen von Mitarbeitern, dass der Kläger eine Pflegebedürftigkeit nur vortäusche. Daraufhin ließ der Beklagte den Kläger im September 2001 erneut durch Dr. F. begutachten, der nun zu dem Ergebnis gelangte, dass eine Pflegebedürftigkeit des Klägers bisher vorgetäuscht worden sei und ein Pflegebedarf nicht vorliege. Daraufhin erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 (Bl. 15 - 16 d. A.) die fristlose Kündigung sowohl des Krankenversicherungsvertrages als auch des Pflegeversicherungsvertrages wegen Vortäuschung der Pflegebedürftigkeit und erklärte zudem die Anfechtung der erteilten Leistungszusagen wegen arglistiger Täuschung. Der Kläger begehrt nunmehr die Feststellung des Fortbestehens beider Versicherungsverträge sowie Zahlung von Versicherungsleistungen (Pflegezuschuss in Höhe von monatlich 122,71 € für den Zeitraum November 2001 bis November 2004 sowie Arzneikosten und ambulante Behandlungskosten abzüglich der geschuldeten Versicherungsprämien, mit denen der Kläger aufgerechnet hat, vgl. im Einzelnen Bl. 7 - 9, 176 d. A.). Der Kläger hat vorgetragen,

er sei aufgrund des Unfalls vom 23. Januar 1984 dauerhaft erkrankt und pflegebedürftig. Seit November 2001 sei er mindestens in Pflegestufe II einzugruppieren, wie sich dies sowohl aus einer Begutachtung des Arztes Dr. G. vom 8. September 2002 (Bl. 41 - 50 d. A.) als auch einer Untersuchung vom Frühjahr 2003 (Bl. 51 d. A.) durch die ärztliche Dienststelle der Verwaltungsdirektion der sozialen Eingliederung in Belgien, dem Wohnsitz des Klägers, ergebe. Der Kläger hat beantragt, 1. festzustellen, dass die für den Kläger bei dem Beklagten bestehende Krankenversicherung, Service-Nr.: 1010720.2 und Pflegeversicherung, Service-Nr.: 1010720.2 weder durch die Kündigungserklärung des Beklagten mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 noch durch etwaige andere Erklärungen beendet sind, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehen, 2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.419,77 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2005 zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung,

die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt und erfasse auch das Krankenversicherungsvertragsverhältnis, da das Vertrauensverhältnis zum Kläger insgesamt so nachhaltig zerstört sei, dass dem Beklagten eine Fortführung des Versicherungsverhältnisses insgesamt unzumutbar sei. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Privatdozenten Dr. H. die Klage abgewiesen, da der Kläger den Beklagten über die Voraussetzungen des Vorliegens einer Pflegebedürftigkeit, gleich welchen Grades, getäuscht habe. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Privatdozent Dr. H. stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger nicht pflegebedürftig sei, er vielmehr eine Krankheitssituation vortäusche. Dieses Ergebnis werde gestützt durch die Ausführungen in dem Gutachten der Dres. I. und Prof. A. vom 7. Juni 1995, in dem eine Pseudodemenz diagnostiziert wurde und Anhaltspunkte für ein Vortäuschen der Einschränkungen des Klägers festgestellt wurden. Auch in dem Gutachten Dr. E. vom 9. April 1999 und vom 17. April 2000 seien die behaupteten Einschränkungen des Klägers als nicht plausibel bezeichnet und schließlich in dem Obergutachten von Dr. F. vom 16. Juni 2000 nochmals der Verdacht geäußert worden, dass seitens des Klägers erheblich aggraviert werde. Diese Einschätzungen würden gestützt durch die vom Kläger verfassten handschriftlichen Anträge bezüglich der Einordnung in eine höhere Pflegestufe vom 3. November 1999 (Bl. 102 d. A.). Aus dem Schriftbild und der Diktion ergäben sich keine Anhaltspunkte für Einschränkungen der Motorik oder der Denkabläufe. Zudem habe der Kläger die von dem Beklagten vorgetragenen Beobachtungen der Zeugen zu seinem Auftreten in der Öffentlichkeit nicht bestritten, weshalb davon ausgegangen werden müsse, dass der Kläger in der Lage sei, mit dem Auto zu fahren und dies auch tue. Eine abnorme Persönlichkeit als solche stelle noch keine pflegebedürftige Krankheit dar, entscheidend seien einzig die konkreten Alltagsauswirkungen, die jedoch durch die bewusste Aggravation des Klägers bedingt seien. Eine Kündigung aus wichtigem Grund sei möglich, wenn der Versicherungsnehmer aus Eigennutz die Interessen des Versicherers besonders schwerwiegend verletzt habe, was vorliegend durch die Vorspiegelung der Pflegebedürftigkeit der Fall sei. Dem Beklagten sei ein Festhalten an dem Vertragsverhältnis mit dem Kläger deshalb auch insgesamt nicht zuzumuten, weshalb die Kündigungserklärung sowohl die Pflegeversicherung als auch die Krankenversicherung umfasse. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortags geltend macht, der Sachverständige habe seine "Bemühungen um Ausstrahlung von Lebensfreude" zu Unrecht als einen Pflegebedarf nicht begründenden tatsächlichen Gesundheitszustand des Klägers gewertet. Das Schreiben vom 3. November 1999 sei nicht von ihm, vielmehr von seiner Ehefrau verfasst worden. Das Landgericht habe übersehen, dass er die Behauptung der Beklagten, er fahre selbst Auto, bestritten habe. Der Beklagte sei an die schriftlich erteilte Leistungszusage hinsichtlich der Einordnung des Klägers in die Pflegestufe II gebunden, da er diese nach seinem Vortrag in Kenntnis der Hinweise in den verschiedenen Gutachten auf eine Aggravation des Klägers erteilt habe. Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Koblenz aufzuheben und 1. festzustellen, dass die für den Kläger bei dem Beklagten bestehende Krankenversicherung, Service-Nr. 1010720.2 und Pflegeversicherung, Service-Nr. 1010720.2 weder durch die Kündigungserklärung des Beklagten mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 noch durch etwaige andere Erklärungen beendet sind, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehen; 2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.419,77 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2005 zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag, verteidigt das landgerichtliche Urteil und macht ergänzend geltend, Zahlungsansprüche des Klägers für das Jahr 2001 seien verjährt. Der Senat hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 9. Mai 2008 (Bl. 490 d. A.) durch Erläuterung des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen Dr. med. H.. Hinsichtlich der Anhörung des Sachverständigen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. Oktober 2008 (Bl. 506 - 511 d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 349 - 352 d. A.) verwiesen. II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger steht weder der geltend gemachte Feststellungsanspruch noch ein Anspruch auf Zahlung der begehrten Versicherungsleistungen zu. Der Beklagte hat zu Recht die Kündigung sowohl des Pflegeversicherungsvertrages als auch des Krankenversicherungsvertrages erklärt. Der Kläger hat den Beklagten über das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit getäuscht. Dadurch hat er seine vertraglichen Nebenpflichten in einem so erheblichen Maße verletzt, dass der Beklagte zur fristlosen Kündigung der Versicherungsverträge berechtigt war. In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger eine Pflegebedürftigkeit lediglich vortäuscht, tatsächlich also nicht pflegebedürftig ist. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, vollumfänglich an. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Senat erläutert, dass aufgrund seines persönlichen Eindrucks von dem Kläger anlässlich der Begutachtung er von einer Vorspiegelung einer Pflegebedürftigkeit ausgehe. Dies ergebe sich zum Beispiel daraus, dass der Kläger bei der Begutachtung in auffallend schneller Weise von der Darstellung einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung in einen offensichtlichen Normalzustand umgeschwenkt habe und umgekehrt. Er habe im Übrigen vor kurzem den Kläger zweimal selbst in J. im Straßenbild gesehen; dabei habe sich der Kläger völlig normal und ohne jede Beeinträchtigung im Straßenbild bewegt. Schon aus der Diagnose "Pseudodemenz" ergebe sich, dass Symptome bewusst vorgetäuscht würden. Dies sei nach den gutachterlichen Ausführungen aus dem Jahre 1995 bereits zum damaligen Zeitpunkt gegeben gewesen und auch andere Gutachter hätten in der Zeit zwischen dem Erstgutachten und seiner eigenen Begutachtung des Klägers mehrfach diese Diagnose gestellt und den Verdacht einer Aggravation geäußert. Er schließe deshalb aus den verschiedenen gutachterlichen Äußerungen, dass der von ihm bei seiner eigenen Begutachtung des Klägers vorgefundene Zustand bereits seit dem Jahre 1995 unverändert sei und damit der Kläger im gesamten Zeitraum nicht pflegebedürftig gewesen sei. Möglicherweise lägen bei dem Kläger verschiedene Krankheiten vor, jedoch führten diese nicht zu einem Pflegebedarf des Klägers. Der Senat schließt sich der Einschätzung des Sachverständigen vollumfänglich an. Der Sachverständige hat sowohl sein schriftliches Gutachten nebst Ergänzung als auch seine mündlichen Erläuterungen bei seiner Anhörung vor dem Senat sachlich, ruhig, gut nachvollziehbar, leicht verständlich und in sich schlüssig begründet. Der Sachverständige hat bereits etwa 500 Gutachten für Pflegeversicherungsfälle im Auftrag von Sozialgerichten erstattet, so dass der Senat keine Veranlassung hat, an seiner Sachkunde zu zweifeln. Soweit der Kläger nach der Anhörung des Sachverständigen bestritten hat, dass der von dem Sachverständigen als erheblich angegebene plötzliche Wechsel in der subjektiven Darstellungsfähigkeit des Klägers tatsächlich ein valider Anhaltspunkt für eine Vortäuschung der Symptome sei und das Gegenteil unter Beweis durch Sachverständigengutachten gestellt hat (Bl. 510 d. A.), sieht der Senat keine Veranlassung zu einer entsprechenden Beweiserhebung. Maßgeblich für die Einschätzung des Sachverständigen, der Kläger habe in der Vergangenheit ebenso wie in der Gegenwart eine Pflegebedürftigkeit nur vorgetäuscht, ist nicht allein der auffallend schnelle Wechsel in der subjektiven Darstellungsfähigkeit des Klägers. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass ihm besonders aufgefallen sei, dass der Kläger am Ende des Begutachtungsgesprächs bis ins kleinste Detail genaue Sachverhalte geschildert und offensiv in die Diskussion eingebracht habe. Auch den körperlichen Zustand habe er im Rahmen des Begutachtungsgesprächs als altersentsprechend empfunden. Hinzu kommt nunmehr die zweimalige Beobachtung des Klägers im Straßenbild von J., bei der er jeweils den Kläger sich völlig normal und ohne jede Beeinträchtigung im Straßenbild bewegend erlebt habe. Daraus ergibt sich, dass es für die Einschätzung des Sachverständigen nicht entscheidend auf den schnellen Wechsel in der subjektiven Darstellungsfähigkeit des Klägers ankam, vielmehr der Sachverständige eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Klägers vorgenommen hat in Verbindung mit der Auswertung der aufgrund der früheren ärztlichen Begutachtungen erfolgten Dokumentationen des damaligen Klägerverhaltens und in einer Gesamtschau, die gut nachvollziehbar, leicht verständlich und in sich schlüssig ist, zu dem Ergebnis einer Vorspiegelung von Pflegebedürftigkeit gelangt ist. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Kläger unter körperlichen oder geistigen Erkrankungen - gleich welcher Art - leidet, solange sich daraus keine Pflegebedürftigkeit ergibt. Unerheblich ist daher auch, ob der Kläger den schriftlichen Antrag vom 3. November 1999 (Bl. 102 d. A.) selbst verfasst hat. Ergänzend ist hierzu jedoch darauf hinzuweisen, dass der Kläger unstreitig das Schreiben vom 19. Mai 2000 (Bl. 117 - 118 d. A.) selbst verfasst hat und dieses dasselbe Schriftbild wie das Schreiben vom 3. November 1999 aufweist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger - wie der Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hat - noch selbst Auto fährt. Der Kläger hat jedenfalls nicht bestritten, sich in Cafés und ansonsten in der Öffentlichkeit in J. so aufgehalten zu haben, dass Einschränkungen seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nicht erkennbar waren. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dazu nur unter Einfluss stimulierender Medikamente in der Lage gewesen zu sein, was der Sachverständige Dr. H. im Rahmen seiner Anhörung jedoch aus medizinischer Sicht nicht für zutreffend erachtet hat. Gegen die Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. spricht auch nicht die Stellungnahme des Hausarztes des Klägers, Herrn Dr. G., vom 28. August 2006 (Bl. 321 - 324 d. A.). Herr Dr. G. führt darin aus, dass er früher das Symptomenbild des Klägers im Sinne einer absichtlichen, bewussten, arglistigen Vortäuschung von Krankheitssymptomen, um für krank gehalten zu werden, eingeschätzt habe. Dies schließe er nunmehr aus, da die Krankheitsdiagnose eine der schwierigsten sei und Patienten bei einer Simulation wesentlich geschickter und professioneller vorgingen als der Kläger. Die Frage der Simulation könne nur fachpsychiatrisch unter Würdigung der Zusammenhänge - insoweit seien problematische Kindheitserfahrungen zu berücksichtigen - diskutiert und aktualisiert begutachtet werden. Diese Ausführungen des Hausarztes sind nicht geeignet, die Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. zu erschüttern. Auch Herr Dr. G. teilte die Auffassung des Sachverständigen, der Kläger täusche die Krankheitssymptome lediglich vor. Allein aus dem Umstand, dass es sich bei der Krankheitsdiagnose der Persönlichkeitsstörung im Sinne einer dissoziativen Identitätsstörung um eine der schwierigsten in der Psychiatrie handele und der Kläger nicht "professionell" vorgehe, ergibt sich nach Auffassung des Senats kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger derart erkrankt ist, dass er pflegebedürftig wäre. Zur Frage der Pflegebedürftigkeit des Klägers verhält sich im Übrigen die Stellungnahme des Herrn Dr. G. vom 28. August 2006 nicht. Der Senat ist bei der Anhörung des Sachverständigen auch der Frage nachgegangen, ob dem Kläger sein Täuschungsverhalten als solches und sein Unrechtsgehalt tatsächlich bewusst ist oder er möglicherweise auch selbst gewissermaßen ein Opfer seines eigenen Vortäuschungsverhaltens ist und er tatsächlich an das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit glaubt. Der Sachverständige hat nach dem Verständnis des Senats klar und eindeutig bejaht, dass es sich bei dem Verhalten des Klägers um ein bewusstes Vortäuschen von Pflegebedürftigkeit handelt. Das bewusste Vortäuschen einer Pflegebedürftigkeit begründete ein Recht des Beklagten zur fristlosen Kündigung des Pflegeversicherungsvertrages. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Kündigung aus wichtigem Grunde in den Zweigen der Versicherungen, denen wegen ihrer sozialen Funktion eine Vertragsauflösung grundsätzlich fremd ist - wie dies bei der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung der Fall ist -, gleichwohl dann möglich ist, wenn der Versicherungsnehmer aus Eigennutz die Interessen des Versicherers besonders schwerwiegend verletzt hat, so zum Beispiel versucht hat, Versicherungsleistungen zu erschleichen (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 8 VVG, Rdnr. 27 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Kläger hat aufgrund der vorgetäuschten Pflegebedürftigkeit Versicherungsleistungen des Beklagten zunächst nach Pflegestufe I, später nach Pflegestufe II, erhalten. Damit hat er Versicherungsleistungen erschlichen. Hierin liegt ein besonders gravierender und von Eigennutz geleiteter Verstoß des Klägers gegen seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag, der Wahrheit entsprechende Angaben zu machen (vgl. BGH VersR 1985, 54). Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund muss auch gegenüber dem für die Pflegepflichtversicherung bestehenden Kontrahierungszwang durchgreifen können. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beklagte nicht an seine Leistungszusagen im Rahmen der Pflegeversicherung gebunden. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Kläger seine Pflegebedürftigkeit bewusst und damit arglistig im Sinne von § 123 BGB vorgetäuscht hat. Die von dem Beklagten mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 zugleich erklärte Anfechtung der Leistungszusage führt daher zu deren Nichtigkeit, § 142 Abs. 1 BGB. Die Anfechtung ist auch innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt, in welchem der Beklagte die Täuschung entdeckt hat, erfolgt (§ 124 BGB). Maßgeblich dafür ist nicht, wann erstmals Verdachtsmomente für ein Vortäuschen der Pflegebedürftigkeit für den Beklagten bestanden, sondern - wie auch für die Kündigung aus wichtigem Grund - der Zeitpunkt, ab dem der Beklagte sicher von dem Vortäuschen einer Pflegebedürftigkeit und damit dem Erschleichen von Versicherungsleistungen durch den Kläger ausgehen konnte. Die von den jeweiligen Gutachtern geäußerten Verdachtsmomente einer Aggravation oder die sich aus der schon 1995 gestellten Diagnose einer Pseudodemenz ergebende bewusste Vortäuschung von Krankheitssymptomen waren nicht ausreichend, um dem Beklagten eine hinreichend sichere Kenntnis von der erfolgten Täuschung zu vermitteln. Erst aufgrund der eindeutigen gutachterlichen Feststellungen des Dr. F. von September 2001 lagen für den Beklagten hinreichend sichere Anhaltspunkte für die Annahme vor, der Kläger täusche seine Pflegebedürftigkeit vor. Die sodann mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 erklärte Anfechtung war daher fristgerecht und führte dazu, dass der Beklagte nicht mehr an die erteilten Leistungszusagen gebunden ist. Selbst wenn jedoch nicht von einer arglistigen Täuschung durch den Kläger ausgegangen werden könnte und dementsprechend dem Beklagten kein Anfechtungsrecht zugestanden hätte, wäre der Beklagte aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht an die erteilten Leistungszusagen gebunden. Insoweit wäre es treuwidrig, den Beklagten an einer Leistungszusage festzuhalten, deren Grundlage durch eine bewusste Täuschung durch den Kläger geschaffen wurde. Dies gilt auch dann, wenn davon auszugehen wäre, dass der Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Leistungszusagen Zweifel an dem tatsächlichen Vorliegen von Pflegebedürftigkeit des Klägers gehabt haben sollte. Der Versicherer muss die Möglichkeit haben, auch in Zweifelsfällen seiner Erklärungspflicht nachzukommen, ohne daran für alle Zukunft auch dann gebunden zu sein, wenn sich der Umstand einer Täuschung und damit Erschleichung der Leistungszusage später nachweisen lässt. Die Kündigungserklärung des Beklagten umfasst mit Recht auch die Krankenversicherung des Klägers bei dem Beklagten. Dem Beklagten ist ein Festhalten an dem Vertragsverhältnis mit dem Kläger aufgrund der durch den Kläger verübten Täuschung insgesamt nicht zuzumuten. Gerade bei Krankenversicherungen ist der Versicherer in besonderem Maße auf die Angaben des Versicherungsnehmers angewiesen, es muss ein Vertrauensverhältnis bezüglich der Richtigkeit der Angaben bestehen. Wird jedoch das Vertrauensverhältnis - wie vorliegend - in einem Ausmaß enttäuscht, welches die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, so muss der Versicherer berechtigt sein, sich insgesamt vom Vertragsverhältnis mit diesem Versicherungsnehmer zu lösen (OLG Stuttgart, VersR 2006, 1485 ff; Senat, VersR 2008 S. 1482 = OLGR 2008 S. 837). Dementsprechend ist ein Recht des Versicherers zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund, an dessen Voraussetzungen hohe Anforderungen zu stellen sind, nach den allgemeinen Regeln gegeben (Prölss/Martin, a. a. O., § 178 i VVG, Rdnr. 1) und unterliegt nicht den in § 178 i VVG für die ordentliche Kündigung aufgestellten Beschränkungen. Der erhebliche Pflichtenverstoß des Klägers hat das Vertrauensverhältnis mit der Beklagten so nachhaltig erschüttert, dass der Senat vorliegend ein außerordentliches Kündigungsrecht des Beklagten sowohl für die Pflegeversicherung als auch für die Krankenversicherung als gegeben erachtet. Da der Beklagte die Kündigung auch in angemessener Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgeübt hat (Prölss/Martin, a. a. 0., § 8 VVG Rdnr. 28), sind die Pflegeversicherung und die Krankenversicherung des Klägers bei der Beklagten durch das Kündigungsschreiben vom 8. Oktober 2001 mit sofortiger Wirkung beendet worden. Die auf Feststellung des Bestehens beider Versicherungen gerichtete Klage ist daher unbegründet. Auch die von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche aus den beiden Versicherungsverträgen sind nicht begründet. Durch die wirksame Kündigung des Pflegeversicherungsvertrages steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld für die Zeit ab November 2001 zu. Sein darauf gestützter Zahlungsantrag ist daher unbegründet. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf anteilige Erstattung ihm entstandener Arzt- und Arzneimittelkosten zu. Für Kosten, die ihm nach Ausspruch der fristlosen Kündigung entstanden sind, fehlt bereits jegliche vertragliche Grundlage. Soweit der Kläger Kosten geltend macht, die ihm im Jahre 2001 noch vor Ausspruch der fristlosen Kündigung entstanden sind, ist ein derartiger Erstattungsanspruch jedenfalls verjährt. Gemäß § 12 Abs. 1 VVG verjähren Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in zwei Jahren, wobei die Verjährung mit dem Schluss des Jahres beginnt, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Damit wären Ansprüche aus dem Jahre 2001 Ende des Jahres 2003 verjährt. Gemäß § 12 Abs. 2 VVG ist die Verjährung eines bei dem Versicherer angemeldeten Anspruchs des Versicherungsnehmers bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt. Dabei kommt es auf eine endgültige, klare Entscheidung des Versicherers über den angemeldeten Anspruch an (Prölss/Martin, a. a. 0., § 12 VVG, Rdnr. 15 - 18). Aus dem Schreiben des Beklagten vom 30. Mai 2003 (Anlage K 49) ergibt sich, dass dieser eine Überprüfung der erklärten Kündigung vornehmen werde, wenn der Kläger eine Stellungnahme des Herrn Prof. Dr. H. übersende und eine weitere fachpsychiatrische Untersuchung im Auftrag des Beklagten vornehmen lasse. Dieses Schreiben enthält keine endgültige Ablehnung, vielmehr die Mitteilung einer Bereitschaft, die ergangene Entscheidung erneut zu überprüfen. Erst nachdem der Kläger die erbetene ärztliche Stellungnahme nicht übersandt hatte, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 30. Oktober 2003 (Bl. 157 d. A.) mit, dass es bei der ausgesprochenen Kündigung verbleibe. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung gehemmt, der Anspruch verjährte somit am 30. Oktober 2004. Die erst am 6. Dezember 2004 eingereichte Klage konnte die bereits eingetretene Verjährung des Zahlungsanspruchs nicht mehr tangieren. Zudem bewirkt die Kündigung aus wichtigem Grund auch das Erlöschen auch von aus der Zeit davor liegenden, noch nicht abgewickelten Regulierungsansprüchen, da deren Erfüllung dem Versicherer ebenfalls nicht mehr zumutbar ist. Die Klage ist daher insgesamt unbegründet, die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung somit zurückzuweisen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.385,89 € (Klageantrag 1: fünfjähriger Prämienbetrag von 292,27 DM monatlich = 17.536,20 DM = 8.966,12 €; Klageantrag 2.: 8.419,77 €) festgesetzt.

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