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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.01.2000
Aktenzeichen: 10 U 719/98
Rechtsgebiete: LBZ, SGIN 79 a


Vorschriften:

LBZ § 1
LBZ § 2
LBZ § 3
SGIN 79 a § 2 Nr. 2
1) § 3 der Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung landwirtschaftlicher Gebäude (LBZ), der bestimmt, daß der nach § 2 (3) LBZ errechnete "erhöhte Zeitwertschaden" nur ersetzt wird, wenn das Gebäude an der bisherigen Stelle wiederhergestellt wird oder die Verwendung der Entschädigung zu diesem Zweck sichergestellt ist, wird nicht durch § 2 der Sonderbedingungen für die Gleitende Neuwertversicherung von Wohn-, Geschäfts- und landwirtschaftlichen Gebäuden (SGIN 79 a) ausgeschlossen. § 2 Nr. 2 SGIN 79 a verdrängt lediglich § 2 (2) LBZ, d.h. Neuwertentschädigung statt erhöhter Zeitwertentschädigung nach Staffel, läßt aber die Wiederherstellungsklausel in § 3 (1) LBZ unberührt (in Anknüpfung an LG Flensburg VersR 1991, 1050; OLG Oldenburg VersR 1992, 956; OLG Hamm VersR 1986, 670).

2) Dem Versicherten steht aus der Verletzung von Beratungs- und Hinweispflichten ein mit der Versicherungsleistung zu verrechnender Schadensersatzanspruch zu, wenn die Versicherung den Versicherungswert für ein landwirtschaftlich genutztes Gebäude ohne Hinzuziehung eines Fachmanns oder Sachverständigen zur Festsetzung des richtigen Versicherungswertes zu niedrig bemessen hat und dadurch eine Unterversicherung eingetreten ist (in Anknüpfung an BGH NJW-RR 1989, 410).

3) Darf sich der Versicherer auf eine Unterversicherung nicht berufen, so muß sich der Versicherte den Prämienvorteil im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 719/98

Verkündet am 14. Januar 2000

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Dr. Reinert

auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 26. März 1998 teilweise abgeändert und neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 97.974,71 DM nebst 4 % Zinsen seit 1.4.1995 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 160.000,-- DM abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft eines als Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts ( § 244 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Feuerversicherung in Anspruch.

Am 18./19.03.1994 kam es auf dem Anwesen des Klägers in M, zu einem Brand, bei dem eine Scheune mit Stall sowie ein vormaliges Wohnhaus fast vollständig niederbrannten. Im Jahre 1979 hatte der Kläger mit seiner Familie in der Nähe dieser Gebäude ein neu errichtetes Wohnhaus bezogen. Das bisherige Wohnhaus wurde ab diesem Zeitpunkt noch teilweise für landwirtschaftliche Zwecke genutzt.

Der Kläger hatte im Jahre 1963 bei der Beklagten für die abgebrannten Gebäude eine Feuerversicherung zum gleitenden Neuwert für Wirtschaftsgebäude abgeschlossen. Im Jahre 1971 wurden die Versicherungswerte unter Einbeziehung von Inventar und Ernte neu festgesetzt. Im Versicherungsschein vom 27.08.1971 (GA 7) wurde hinsichtlich des Wohnhauses ein Versicherungswert (1914) von 8.000,-- Mark und hinsichtlich Stall/Gebäude ein Versicherungswert von 5.000,-- Mark festgesetzt. Dem Versicherungsvertrag lagen die Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung landwirtschaftlicher Gebäude (LBZ) und die Sonderbedingungen für gleitende Neuwertversicherung von Wohn- Geschäfts- und landwirtschaftlichen Gebäuden (SGIN 79 a) zugrunde.

Die Beklagte hat nach dem Brandschaden auf der Grundlage der "Abschätzungen" des Sachverständigen L vom 08.06.1994 die Entschädigungsleistungen abgerechnet. Dabei ging sie in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen davon aus, daß aufgrund nachlässiger Unterhaltung der leerstehenden Gebäude eine Wertminderung von 60 % angemessen sei. Die von der Beklagten für die Gebäudeschäden insgesamt geleistete Entschädigung beläuft sich auf 124.800,-- DM. Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage unter Berücksichtigung eines Abschlages von 10 % eine Entschädigung nach dem Neuwert der abgebrannten Gebäude.

Der Kläger hat geltend gemacht,

das bei dem Brand im Jahre 1994 zerstörte Anwesen sei im Jahre 1972 mit einem kompletten neuen Dach auf dem Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie auf den angrenzenden Stallungen versehen worden. Nach dem Umzug im Jahre 1979 sei die Stallung des Anwesens M, wie zuvor, weiter benutzt worden. Auch das Wohngebäude sei weiterhin nutzbar geblieben und hätte jederzeit zu Wohnzwecken vermietet werden können. Im Jahre 1989 sei außerdem die gesamte Außenfassade des Wirtschaftsgebäudes neu gestaltet worden. Bis zum Brand im Jahre 1994 seien die durch den Brand zerstörten Gebäude regelmäßig gepflegt und instandgesetzt worden. Es sei beabsichtigt, die abgebrannten Gebäude wieder aufzubauen. Es fehlten hierzu jedoch bislang die erforderlichen finanziellen Mittel. Die von der Beklagten erfolgten Zahlungen reichten für einen Wiederaufbau nicht aus. Falls - wie die Beklagte geltend mache - eine Unterversicherung gegeben sei, so müsse das zu Lasten der Beklagten gehen. Die im Versicherungsvertrag von 1971 angeführten Versicherungssummen seien von ihm - dem Kläger - weder angegeben noch in irgendeiner Form ermittelt worden. Der damalige Versicherungsvertreter der Beklagten, der den Versicherungsantrag entgegengenommen habe, habe diese Versicherungssummen eingetragen und erklärt, die versicherten Werte seien jedenfalls als ausreichend zu erachten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 156.000,-- DM nebst 4 % seit 01.04.1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen L geltend gemacht, dem Kläger stehe keine über den Zeitwertschaden hinausgehende Versicherungsleistung aus dem Brandschaden zu. Der Kläger habe die nach § 3 Abs. 1 LBZ erforderlichen Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der Gebäude nicht erfüllt, da er eine Wiederherstellungsabsicht weder angezeigt noch entsprechende Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gebäude in die Wege geleitet habe. Die durch den Brand zerstörten Gebäude seien außerdem unterversichert gewesen, wobei zugunsten des Klägers zu berücksichtigen sei, daß die Versicherungssummen von 8.000,-- Mark bzw. 5.000,-- Mark jeweils um eine 3 %ige Vorsorge gemäß § 2 Abs. 4 SGIN (79 a) zu erhöhen seien.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 16.01.1996 (GA 85) durch Vernehmung von Zeugen sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist auf die Sitzungsniederschrift vom 13.06.1996 (GA 105) sowie das Gutachten des Sachverständigen M vom 11.03.1997 (GA 139) nebst Ergänzung vom 19.01.1998 (GA 231) verwiesen worden.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 99.452,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 01.04.1995 zu zahlen. Im übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Das Landgericht ist dem Gutachten des Sachverständigen M gefolgt. Dieser habe die Neubauwerte als auch die durch den Brand verursachten Gebäudeschäden in seinem Gutachten vom 11.3.1997 richtig ermittelt. Soweit die Beklagte sich auf das Gutachten des Sachverständigen L stütze, gebe dieses keine Veranlassung ein Obergutachten einzuholen. Der Sachverständige L habe wegen des Erhaltungszustandes der Gebäude einen Minderwert von 60 % angenommen, ohne den Zustand der Gebäude nach dem Brand näher zu beschreiben. Den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen L komme im Verhältnis zum Gerichtsgutachten zudem schon deshalb ein geringerer Beweiswert zu, weil dem Sachverständigen L bei Abfassung seiner Abschätzung der Gebäudezustand vor dem Brand nicht bekannt gewesen sei, während der Sachverständige M auf der Grundlage der Zeugenaussagen sich ein genaues Bild über den Gebäudewert vor dem Brand habe machen könne. Der Kläger könne keine Erstattung des Neubauwerts, sondern nur des Zeitwerts verlangen, weil das Gebäude nicht wiederhergestellt worden sei. Der Zeitwert für Wohnhaus und Stall/Scheune habe sich auf 224.252 DM (LG Urteil S. 7 versehentlich 242.252,-- DM ausgeführt, Zahlendreher) belaufen. Nach Abzug der Zahlungen von insgesamt 124.800,-- DM ergebe sich ein weiterer Entschädigungsbetrag von 99.452,-- DM. Soweit bezüglich des Stalls/Scheune eine Unterversicherung bestehe, sei die Beklagte nicht berechtigt, sich auf diese zu beziehen. Denn dem Kläger stehe insoweit ein zu verrechnender Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Beratungs- und Hinweispflichten zu.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung erstrebt die Beklagte eine Abänderung des angefochtenen Urteils dahingehend, daß die Klage abzuweisen sei. Sie macht geltend, das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, daß Wohnhaus und Scheune irreparabel zerstört seien. Tatsächlich liege nur eine erhebliche Beschädigung vor. Es seien deshalb nur die Reparaturkosten abzüglich einer durch die Reparatur eintretenden Wertsteigerung in Ansatz zu bringen. Diese betrage 60 % der Reparaturkosten. Das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Privatsachverständige L die Gebäude unmittelbar nach dem Brand gesehen habe, der gerichtliche Sachverständige nicht. Ausgehend von dem festgestellten Zeitwert der Gebäudeteile müsse unter Berücksichtigung des Abzugs von 60 % der Zeitwertschaden ermittelt werden. Das Landgericht habe bezüglich der Scheune nicht beachtet, daß Zeitwertschaden (gemeint wohl 117.252 DM) den Zeitwert von 84.200 DM nicht übersteigen könne. Auf keinen Fall könne eine Neuwertentschädigung in Betracht kommen. Bezüglich der Scheune bestehe der Einwand der eine Unterversicherung zu Recht. Jedenfalls sei ein Vorteilsausgleich vorzunehmen, weil der Kläger im Falle der Unterversicherung zu geringe Prämien gezahlt habe.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor,

das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, daß die Gebäude bei den Brand nicht nur beschädigt, sondern zerstört worden seien. Nennenswerte Reste bestünden nicht mehr. Es seien die Neubauwerte und nicht die Zeitwerte in Ansatz zu bringen, da die Parteien in den Sonderbedingungen für gleitende Neuwertversicherung von Wohn- Geschäfts- und landwirtschaftlichen Gebäuden (SGIN 79 a) eine von den Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung landwirtschaftlicher Gebäude (LBZ) abweichende Vereinbarung getroffen hätten. Es sei unerheblich, daß Wohnhaus und Scheune nicht wiederhergestellt worden seien. Hinsichtlich des Vorteilsausgleichs habe die Beklagte nicht ausreichend vorgetragen. Die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger die volle Neuwertentschädigung in Höhe von 293.339,23 DM (Wohnhaus) bzw. 126.259,26 DM (Scheune) zu gewähren. Unter Anrechnung der von dem Sachverständigen M festgestellten Restwerte von 19.300 DM sowie gezahlter 124.800 DM ergebe sich eine Restforderung von 275.498,49 zugunsten des Klägers. Insoweit sei eine Teilbetragserklärung abzugeben. Eine Wertminderung der Gebäude von 60 % liege nicht vor.

Der Senat hat eine Beweisaufnahme durchgeführt. Auf den Hinweis- und Beweisbeschluß vom 3.9.1999 wird Bezug genommen (GA 311). Es ist die Vernehmung des gerichtlichen Sachverständigen Architekt A M und des sachverständigen Zeugen (Privatgutachter der Beklagten) Dipl. Ing. FH L angeordnet worden. Hinsichtlich der Vernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3.12.1999 (GA 328) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil mitsamt den dort in Bezug genommenen Unterlagen und Gutachten Bezug genommen, ferner auf die in beiden Rechtszügen zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet.

Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im wesentlichen zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung mit Ausnahme des vorzunehmenden Vorteilsausgleichs keine Veranlassung.

I.

1) Dem Kläger steht ein weiterer Entschädigungsbetrag in Höhe von 97.974,71 DM zu. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den gerichtlichen Sachverständigen M und den von der Beklagten beauftragten Privatsachverständigen L, zur Erläuterung ihrer Gutachten vernommen. Dabei konnte festgestellt werden, daß die Sachverständigen mit ihren Angaben nicht so stark differieren, wie es aufgrund der Aktenlage zunächst den Anschein hatte. Hinsichtlich des Wohnhauses hat der sachverständige Zeuge L (GA 30) einen Neuwert von 278.500 DM, einen Zeitwert von 111.400 DM und einen Zeitwertschaden von 69.600 DM ermittelt. Der gerichtliche Sachverständige M hat demgegenüber den Neuwert etwas höher auf 293.339,23 DM und den Zeitwert auf 106.904,55 DM geschätzt. Dabei ist der Privatgutachter L zur Bestimmung des Zeitwerts von einer Wertminderung des Objekts von 60 % ausgegangen, während der Sachverständige M bezüglich des Wohnhauses eine Wertminderung von 63,556 % zugrunde gelegt hat (S. 15 des Gutachtens vom 11.3.1997).

a) Der von L geschätzte Zeitwert von 111.400 DM deckt sich im wesentlichen mit dem vom Sachverständigen M ermittelten Zeitwert von 106.904,55 DM, rund 107.000 DM. Der wesentliche Unterschied ergibt sich nur daraus, daß der Privatsachverständigeen L davon ausgeht, daß die vorhandene Gebäudesubstanz noch verwertbar ist, während der Sachverständige M im Hinblick auf die mit dem Abbruch vorhandenen Kosten den Restwert nicht mehr gewichtig in Ansatz bringt. Der sachverständige Zeuge L sieht deshalb eine Differenz zwischen Zeitwert (111.400 DM) und Zeitwertschaden (69.600 DM), während für den gerichtlichen Sachverständigen M der Betrag des Zeitwerts von 106.904,55 DM dem des Zeitwertschadens entspricht.

b) Hinsichtlich der Schäden an der Scheune sind die Unterschiede in den Ansätzen beim Neuwert höher. Der Privatsachverständige L setzt den Betrag auf 207.500 DM (GA 21), der Sachverständige M auf 126.259,26 DM fest. Der Unterschied beruht zum einen darauf, daß die Gebäude teilweise ineinander übergehen und der Gutachter L Teilgebäudekomplexe des ursprünglichen Wohnhauses noch in den Scheunen-/Stallbereich einbezogen hat, während der Sachverständige M diesen Teilkomplex dem Wohnhaus zugeschlagen hat und deshalb konsequent im Vergleich zu L dort einen höheren Neuwert ermittelt hat (L 278.500 DM, M 293.339,23 DM). Zum anderen beruht der Unterschied auf einer unterschiedlichen Berechnungsmethode. L nahm eine Einzelerfassung der einzelnen Werte der Gebäudeteile vor und ging von versicherungswirtschaftlichen Wertermittlungskriterien aus, während M sich nach den Maßstäben der Wertermittlungsverordnung richtete. Beide Gutachter stimmen aber darin überein, daß im wesentlichen wie beim Wohnhaus der Zeitwert des Scheunenkomplexes nahezu identisch ermittelt wurde. Während der Privatgutachter L von einem Zeitwert von 83.000 DM ausgeht, schätzt der Sachverständige M den Zeitwert auf 84.193,50 DM. Unterschiede ergeben sich wiederum dadurch, daß M Zeitwert und Zeitwertschaden gleichsetzt, während L nur einen Zeitwertschaden von 55.200 DM zugrunde legt. Dies beruht auch hier darauf, daß Dipl. Ing. L von einer noch vorhandenen Wertsubstanz des abgebrannten Gebäudes ausgeht, während dies nach Auffasung des Architekten M nicht der Fall ist.

c) Der Senat schließt sich ebenso wie das Landgericht der Berechnungsmethode des Sachverständigen M an, der sich in seinem Gutachten eingehend mit der Bausubstanz und den örtlichen Verhältnissen des Klägers befaßt hat. Der Sachverständige M hat sich mit dem Erhaltungszustand der Gebäude befaßt, die das Ergebnis der Zeugenvernehmungen einbezogen hat. Demgegenüber hat, wie das Landgericht zutreffend ausführt, der Sachverständige L von einer Beschreibung der Gebäude nach dem Brand abgesehen und den Erhaltungszustand des Gebäudes vor dem Brand, der durch die Bekundungen der vernommenen Zeugen näher bestimmt werden konnte, nicht berücksichtigt. Nach Anhörung der beiden Gutachter im Termin vor dem Senat und der ausführlichen Erörterung hatte der Senat keinen Anlaß ein weiteres Gutachten einzuholen.

2) Der Senat teilt in Abweichung zu den Ausführungen der Berufung (BB 3, GA 279) die Auffassung des Landgerichts, daß Wohngebäude und Scheune zerstört und nicht nur erheblich beschädigt worden sind. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den hierzu gemachten Erläuterungen des Sachverständigen M steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die Außenwände infolge Löschwasser- und Witterungseinflüssen einsturzgefährdet waren und keinen Restwert mehr darstellten. Der Wert der noch nutzungsfähigen Teilunterkellerungen wird dem Wert der Abbruchkosten entsprechen, so daß in Übereinstimmung mit dem Gutachten M. Zeitwert und Zeitwertschaden sich decken und nicht wie vom Privatsachverständigen der Beklagten angenommen, Zeitwert und Zeitwertschaden differieren.

3) Wie bereits mit Hinweis- und Beweisbeschluß vom 3.9.1999 ausgeführt, geht der Senat mit dem Landgericht davon aus, daß die Entschädigung nach dem Zeitwert und nicht nach dem Neuwert zu berechnen ist, weil unstreitig eine Wiederherstellung der Gebäude innerhalb der Frist von 3 Jahren nach dem Versicherungsfall nicht erfolgt ist.

a) Gemäß § 1 (1) der Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung landwirtschaftlicher Gebäude (LBZ) ist der Versicherungswert eines Gebäudes der ortsübliche Neubauwert. Ist der Zeitwert eines Gebäudes niedriger als 50 v.H. des Neubauwertes, so ist der Versicherungswert der Zeitwert (§ 1 (2), 3 (2) LBZ). § 2 (2) LBZ beinhaltet einen Staffelabzug, wenn der Zeitwert geringer als 80 v.H. ist, aber noch mindestens 50 v.H. des Neubauwertes beträgt. Der Schaden der zerstörten Sachen und Reparaturkosten werden nach den dort näher aufgeführten Staffelbeträgen ersetzt. § 2 (3) a) sieht eine Erhöhung des Zeitwertschadens vor, die davon abhängt, ob und in welcher Höhe eine Unterversicherung besteht. § 3 (1) LBZ bestimmt, daß der nach § 2 (3) errechnete "erhöhte Zeitwertschaden" nur ersetzt wird, wenn das Gebäude an der bisherigen Stelle wiederhergestellt wird oder die Verwendung der Entschädigung zu diesem Zweck sichergestellt ist. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei dem Anspruch auf den Teil der Entschädigung, der dem Zeitwertschaden entspricht.

b) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung (Ber.Erw. 4, GA 295 ff.) wird § 3 LBZ nicht durch § 2 der Sonderbedingungen für die Gleitende Neuwertversicherung von Wohn-, Geschäfts- und landwirtschaftlichen Gebäuden (SGIN 79 a) ausgeschlossen. § 2 Nr. 2 SGIN 79 a bestimmt, daß die errechnete Neuwertentschädigung voll geleistet wird, wenn die Versicherungssumme 1914 mindestens dem Versicherungswert 1914 entspricht. Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert 1914 zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles (Unterversicherung), so wird nur derjenige Teil des Schadens ersetzt, der sich zu dem ganzen Schaden verhält wie die Versicherungssumme 1914 zu dem Versicherungswert 1914. Selbst wenn man im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Vorspruchs zu den SGIN, in dem es heißt, daß "folgende Abweichungen von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und den etwa vereinbarten Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung" gelten, davon ausgeht, daß § 2 Nr. 2 SGIN 79 a die Regelung des § 2 (2) LBZ verdrängt, d.h. Neuwertentschädigung anstatt erhöhter Zeitwertentschädigung nach Staffel (so LG Flensburg, VersR 1991, 1050; OLG Oldenburg, VersR 1992, 956; OLG Hamm, VersR 1986, 670), wird § 3 LBZ nicht gegenstandslos. Aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 2 SGIN 79 a ergibt sich nicht, daß auch die Wiederherstellungsklausel in § 3 (1) LBZ verdrängt werden soll. Auch aus Sinn und Zweck der Bestimmungen läßt sich dies nicht schließen. Wenn schon nach § 3 (1) LBZ eine erhöhte Zeitwertentschädigung nach § 2 (3) a) nicht in Betracht kommt, wenn es nicht zu einer Wiederherstellung des Gebäudes kommt, ist nicht plausibel, warum über § 2 Nr. 2 SGIN 79 a in diesem Falle, also bei Nichtwiederherstellung des Gebäudes, eine für den Geschädigten günstigere Neuwertentschädigung erfolgen soll. Denn § 2 Nr. 2 SGIN 79 a will nur die erhöhte Zeitwertentschädigung nach Staffel durch eine Neuwertentschädigung ersetzen, nicht aber auf die Wiederherstellungsklausel verzichten.

aa) Ausgehend von dem Gutachten M beträgt der Zeitwert für das Wohnhaus gerundet 107.000 DM. Da der Zeitwert niedriger als 50 % des Neubauwertes (293.339 DM) ist, ist gemäß § 1 (2) LBZ der Versicherungswert der Zeitwert, nicht der Neuwert. Ein erhöhter Zeitwert nach § 2 (2) LBZ kommt nicht in Betracht, weil der Zeitwert des Gebäudes niedriger als 50 % des Neubauwertes ist.

bb) Hinsichtlich des Stalls/Scheune beträgt nach dem Gutachten des Sachverständigen M der Zeitwert des Gebäudes 84.200 DM. Da dieser Wert 66 % des Neubauwertes von 126.759,26 DM ausmacht, hat eine Erhöhung des Zeitwertes gemäß § 2 (1) LBZ auf 117.252 DM zu erfolgen. Es sind 92,5 % des Neubauwertes, mithin 117.252 DM in Ansatz zu bringen.

Für die Gebäudeschäden stehen dem Kläger Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 224.252 (LG Urteil S. 7 Zahlendreher dort 242.252 DM) zu. Nach Abzug der geleisteten Zahlungen von insgesamt 124.800 DM, verbleibt zugunsten des Klägers zunächst ein weiterer Entschädigungsbetrag von 99.452 DM.

4) a) Bezüglich des Wohnhauses liegt eine Unterversicherung nicht vor. Da der Zeitwert von 107.000,-- DM niedriger als 50 % des Neubauwertes (293.339,23 DM) ist, richtet sich der Versicherungswert nach dem Zeitwert. Wie sich aus § 2 (3) LBZ sowie aus § 2 SGIN (79 a) ergibt, ist zur Feststellung der Unterversicherung ein Vergleich zwischen Versicherungswert und Versicherungssumme anzustellen. Die Versicherungssumme beträgt unter Berücksichtigung des 3 %igen Zuschlages 8.240 Mark. Der Versicherungswert des Wohnhauses beläuft sich - berechnet auf das Jahr 1914 - bei einem Neuwertfaktor von unstreitig 19,45 auf gerundet 107.000 DM./. 19,45 = 5.500 Mark. Hinsichtlich des Wohnhauses liegt mithin eine Unterversicherung, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, nicht vor.

b) Anders verhält es sich bei dem Gebäudekomplex Scheune/Stall. Da der Zeitwert höher als die Hälfte des Neubauwertes von 126.759,26 DM ist, bestimmt sich der Versicherungswert nach dem ortsüblichen Neubauwert (§ 1 (1) LBZ). Der Neubauwert von 126.759,26 DM ergibt bei einem Neuwertfaktor von 19,45 bezogen auf das Jahr 1914 einen Versicherungswert von 126.759,-- DM ./. 19,45 = 6.517 Mark. Da die Versicherungssumme einschließlich der 3 %igen Vorsorge für Stall/Scheune sich auf 5.150 Mark beläuft, liegt mithin insoweit eine Unterversicherung vor.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß trotz dieser Unterversicherung die berechnete Versicherungsleistung für Stall/Scheune nicht im Verhältnis von 5.150 zu 6.517 zu kürzen ist. Denn dem Kläger steht aus der Verletzung von Beratungs- und Hinweispflichten seitens der Beklagten insoweit ein zu verrechnender Schadensersatzanspruch zu. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 7.12.1988 - IV a ZR 193/87 NJW-RR 1989, 410) hat zu den Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung von landwirtschaftlichen Gebäuden (SGIN 79 a), die auch dem vorliegendem Versicherungsvertrag zugrunde liegen, ausgeführt, in der Praxis habe sich herausgestellt, daß die richtige Bestimmung des Versicherungswertes 1914 nach diesen Bestimmungen ungewöhnlich schwierig sei. Zu der für einen bautechnischen Laien schon schwierigen Bewertung von Bauleistungen komme hinzu, daß örtliche, heute kaum mehr feststellbare Preisunterschiede aus einer lange zurückliegenden Zeit zu berücksichtigen seien und die Bautechnik zunehmend zu Baumethoden und Baustoffen geführt habe, die mit den aus dem Jahre 1914 schwer zu vergleichen seien. Die richtige Bestimmung des Versicherungswertes gelte daher selbst für Bausachverständige als äußerst schwierig. Verwende aber ein Versicherer - wie der Bundesgerichtshof weiter ausführt - Versicherungsbedingungen, nach denen die Bestimmungen des richtigen Versicherungswertes selbst ein Fachmann nur mit Mühe treffen kann, so ergebe sich daraus eine gesteigerte Hinweis- und Beratungspflicht des Versicherers bei Abschluß des Vertrages. Der Versicherer müsse den Versicherungsnehmer in geeigneter Form sowohl auf die Schwierigkeit in der richtigen Festsetzung des Versicherungswertes wie auf die Gefahren einer falschen Festsetzung aufmerksam zu machen, so daß in aller Regel zu empfehlen sei, einen Sachverständigen hinzuzuziehen wie dies im Bereich der öffentlichen Brandkassen stets geschehe. Allerdings könne der Versicherer seiner Hinweispflicht auch dadurch genügen, daß er dem Versicherungsnehmer eine eigene fachkundige Beratung anbiete. Die Beklagte hat trotz bereits erfolgten Hinweises des Landgerichts nicht dargelegt aufgrund welcher fachlicher Erwägungen im Versicherungsschein vom 1971 die Versicherungssummen von 8.000,-- DM bzw. 5.000,-- DM festgelegt worden sind. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Versicherungssummen selbst festgelegt, ist vom Landgericht in dieser allgemeinen Form zu Recht als nicht substantiiert und ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt angesehen worden. Das Landgericht ist zutreffend davon auszugehen, daß die Beklagte die ihr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im vorliegenden Falle obliegenden Hinweis- und Beratungspflichten nicht oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Das Berufungsvorbringen hat hierzu ebenfalls nichts Neues ergeben.

II.

Die Berufung hat jedoch im geringen Umfange Erfolg, als sich der Kläger im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muß, daß er eine höhere Prämie hätte entrichten müssen.

Der Kläger hat bei einer Versicherungssumme von 5.150 Mark für Stall/Scheune jährlich eine Prämie von 242 DM (Berufungsbegründung S. 8, GA 284) gezahlt. Bei einer dem Versicherungswert dieses Gebäudekomplexes richtigen Versicherungssumme von 6.517,-- Mark hätte er 306,23 DM (242 DM ./. 5.150 Mark x 6.517 Mark), mithin eine jährliche Differenz von 64,23 DM für die Dauer von 23 Jahren (1991 bis 1994), bezahlen müssen. Insgesamt ergibt sich ein Betrag von 1.477,29 DM, der im Rahmen des Vorteilsausgleichs in Abzug zu bringen ist. Dieser Betrag beruht letztlich auf einer Schätzung nach § 287 ZPO, da für den Senat nicht ersichtlich ist, inwieweit eine Versicherungssteuer noch erhöhend zu berücksichtigen ist. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, daß der Differenzbetrag um eine Versicherungssteuer von 10 % zu erhöhen sei. Dies ist für den Senat ohne weitere Darlegung der Beklagten im einzelnen nicht nachvollziehbar, da unklar ist, ob nicht bereits in der geleisteten Prämie von 242 DM Versicherungssteuer in nicht bekannter Höhe enthalten ist. Da weitere Vergleichsgrößen fehlen, kann der Vorteilsausgleich nur im Wege der richterlichen Freischätzung nach § 287 ZPO erfolgen. Aufgrund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hat der Senat hinsichtlich des Vorteilsausgleichs von der Durchführung einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen.

Der dem Kläger noch ausstehende Betrag von 99.452 DM ist um 1.477,29 DM zu reduzieren, so daß dem Kläger insgesamt noch eine Forderung von 97.974,71 DM zusteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 99.452 DM, Die Beschwer des Klägers beträgt 1.477,29 DM, die der Beklagten 97.974,71 DM.

Ende der Entscheidung

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