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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 10 U 73/08 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 27. Oktober 2008. Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg:

Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Die getroffenen Feststellungen sind vollständig und rechtfertigen keine andere Entscheidung: Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen und der Widerklage zutreffend stattgegeben. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die aus der Humanmedizin entwickelten Grundsätze zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern entgegen der Auffassung des Landgerichts auch im Rahmen der Tiermedizin anwendbar seien und es hier deshalb bei groben Behandlungsfehlern sehr wohl eine Beweislastumkehr gebe. Vorliegend seien der Beklagten zwei grobe Behandlungsfehler zur Last zu legen, nämlich zum einen die fehlerhafte Anwendung des Medikaments Oxytocin, sodann auch eine nicht mehr dem tierärztlichen Standard entsprechende Verabreichung der Narkosemittel Xylacin und Ketamin. Da die Katze A. in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesen Fehlern verstorben sei, könne eine Verantwortlichkeit der Beklagten für dieses Schadensereignis sowie auch für das nachfolgende Schadensereignis durch Versterben der Welpen nicht mit dem Hinweis "abgetan" werden, die eigentliche Todesursache sei nicht mehr feststellbar. Eines Kausalitätsnachweises im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit - was der Gutachter zugrunde gelegt habe - bedürfe es im (Tier-) Arzthaftungsrecht nicht. Eine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten sei auch deshalb geboten, weil diese ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation verletzt habe. Auch die Grundsätze der Rechtsprechung zur Bewertung fehlender oder unvollständiger (tier-)ärztlicher Behandlungsdokumentation habe das Landgericht nicht berücksichtigt. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zu, da nicht festgestellt werden kann, dass ein Behandlungsfehler der Beklagten für das Verenden der Katze A. sowie ihrer fünf Welpen ursächlich war. Auch bezüglich des überlebenden Welpen K. kann nicht festgestellt werden, dass dessen Viruserkrankung auf einen Fehler der Beklagten zurückzuführen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Landgericht aus dem Umstand, dass der Sachverständige zum Teil auch als grob qualifizierte Behandlungsfehler der Beklagten festgestellt hat, keine unzutreffenden rechtlichen Konsequenzen gezogen. Nach ständiger Rechtsprechung im Bereich der Humanmedizin kommen dann, wenn dem Arzt ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist, für den Patienten Beweiserleichterungen für den Kausalitätsnachweis bis zur Beweislastumkehr in Betracht. Dabei gilt es zu prüfen, ob bei der jeweiligen Sachlage das Gericht dem Patienten die regelmäßige Beweislastverteilung zumuten darf oder nicht (Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 110 Rdn. 3). Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über Beweiserleichterungen bei groben Behandlungsfehlern im Rahmen der Humanmedizin überhaupt und in welchem Umfang auch im Rahmen der Tiermedizin anwendbar sind. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt weist Besonderheiten auf, die es nicht rechtfertigen, die grundsätzlich der Klägerin obliegende Beweislast für die Ursächlichkeit etwaiger Fehler der Beklagten für das Verenden der Katze A. und ihrer Welpen im Wege der Beweislastumkehr der Beklagten aufzuerlegen. Die Klägerin, die dies allein in der Hand hatte, hat das Tier nicht sezieren lassen, so dass objektive Feststellungen über die Ursache des Verendens nicht getroffen werden konnten. Damit hat sie nicht nur sich selbst den Beweis, dass ein Fehler der Beklagten hierfür ursächlich war, unmöglich gemacht, sondern auch eine umgekehrte Beweisführung durch die Beklagte. Das Risiko, dass die genaue Ursache für das Verenden der Katze und ihrer Welpen nicht mehr festgestellt werden kann, hat die Klägerin zu tragen, da sie willentlich die Ursache dafür gesetzt hat, dass eine Aufklärung nicht mehr möglich ist. Weiterhin hatte die Klägerin sich nach den Aussagen der bei der Beklagten beschäftigten Zeuginnen in bestimmender Weise in die Behandlung ihres Tieres eingeschaltet und von der Beklagten Maßnahmen gefordert, die sie dieser nunmehr als Fehler zur Last legt. Als grober Behandlungsfehler kommt nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h.c. mult. B. die Verabreichung des Medikaments zur Einleitung des Gebärvorgangs bei der Katze A. in Betracht. Bezüglich dieses Fehlers hat der Sachverständige jedoch gutachterlich ausgeführt, dass der Tod des Tieres mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht als Folge der zweimaligen Oxytocingabe anzusehen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch im zivilen Arzthaftungsrecht die Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Schaden nachzuweisen. Auch hier geht es wie im Übrigen zivilen Haftungsrecht nicht um eine abstrakte Zuweisung von Risiken. Der Gutachter hat insoweit auch keine unzulässige und unzutreffende rechtliche Würdigung vorgenommen, sondern lediglich die allein ihm aufgrund seiner Sachkunde zustehende tatsächliche Bewertung eines Kausalzusammenhanges vorgenommen. Damit ist aufgrund der gutachterlichen Ausführungen erwiesen, dass dieser Fehler für das Verenden der Katze nicht ursächlich war und somit den von der Klägerin bezüglich der Katze A. behaupteten Schaden nicht herbeigeführt hat. Bezüglich des Verendens der Welpen lässt sich ein Zusammenhang nicht erkennen. Soweit die Klägerin der Beklagten einen Fehler bezüglich der Narkose zur Last legt, hat sie den Nachweis, dass dieser für den eingetretenen Schaden ursächlich war, ebenfalls nicht erbracht. Allein der Umstand, dass die Katze A. nach der Narkose das Bewusstsein nicht wieder erlangt hat, und der somit bestehende zeitliche Zusammenhang, rechtfertigt nicht die Feststellung, dass ein Narkosefehler für das Verenden der Katze ursächlich war. Entgegen der Behauptung der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Vorschädigung der Katze nicht bestanden habe. Die bei der Behandlung des Tieres anwesende Zeugin C. hat bekundet, dass sowohl das Unterhautfettgewebe bei der Katze A. gelb verfärbt war als auch die Nabelschnüre sowie die Fruchtblasen, was auf eine Vorerkrankung oder auch eine fehlerhafte Eigenmedikation durch die Klägerin hinweist. Der Umstand, dass die Beklagte der Klägerin die noch betäubte Katze und ihre Welpen herausgegeben hat, kann ihr nicht als Fehler angelastet werden. So wie der menschliche Patient gegen den ärztlichen Rat eine Behandlung abbrechen und insbesondere auch einen stationären Krankenhausaufenthalt beenden kann, kann auch der Tierhalter sein noch betäubtes Tier gegen den tierärztlichen Rat mit nach Hause nehmen. Eine Möglichkeit, ihm die Herausgabe zu verweigern, hat der Tierarzt nicht. Auch eine zusätzliche Verletzung der Dokumentationspflicht rechtfertigt es im vorliegenden Fall nicht, der Beklagten die Beweislast dafür, dass von ihr begangene Fehler für das Verenden der Tiere nicht ursächlich waren, aufzuerlegen. Es bedarf hier keiner Entscheidung, in welchem Umfang für den Tierarzt eine Dokumentationspflicht besteht. Die vom Sachverständigen angesprochenen Unklarheiten der Dokumentation weisen nicht auf einen weiteren noch nicht angesprochenen Fehler der Beklagten hin. "Unklarheiten" in der Dokumentation rechtfertigen keine generelle Beweislastumkehr bezüglich ansonsten unbewiesener Behandlungsfehler und insbesondere nicht hinsichtlich der Ursächlichkeit von vorliegenden Behandlungsfehlern, deren Kausalität für den eingetretenen Schaden nicht festgestellt werden kann. Der Senat nimmt in Aussicht, den Streitwert auf (4.028,21 € + 663,18 € =) 4.691,39 € festzusetzen.

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