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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.05.2001
Aktenzeichen: 10 U 838/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 847
Zur Bestimmung eines angemessenen Schmerzensgeldes bei Explosion einer Coca-Cola Glasflasche, durch die ein 9 jähriges Kind an der rechten Hand geschädigt wird (Durchtrennung von Arterien, Sehnen, Nerven und Blutgefäßen).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES Urteil - abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Verkündet am: 11. Mai 2001

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 10. Mai 2000 zu Punkt 1) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 8.498,30 DM nebst 4 % Zinsen seit 11. August 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 1/10, die Beklagte zu 9/10.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat überwiegend Erfolg.

1) Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin einer Coca-Cola-Glasflasche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus Produkthaftung in Anspruch. Am 08. September 1996 holte sich der damals 9 Jahre alte Kläger eine ungeöffnete Einwegglasflasche mit 0,33 I Inhalt aus dem Kühlschrank und nahm sie in die rechte Hand. Dort explodierte sie. Ein größerer Glassplitter drang dabei in die rechte Hand des Klägers ein und durchtrennte dabei Arterien, Sehnen, Nerven und Blutgefäße. Die Haftung der Beklagten zu 100 % dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

2) Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,-- DM zugesprochen, wovon hierauf geleistete Zahlungen in Höhe von 1.501,70 DM in Abzug gebracht worden sind. Die Berufung begehrt ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,-- DM, abzüglich des geleisteten Betrages, mithin insgesamt 8.498,30 DM. Der Senat erachtet mit der Berufung das festgesetzte Schmerzensgeld angesichts der dem Kläger zugefügten Verletzungen und Folgen für zu niedrig, wobei das Landgericht durchaus die für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgebenden Kriterien umfassend herausgearbeitet hat.

a) Bei der Bemessung der der Billigkeit entsprechenden Entschädigung sind u.a. Ausmaß und Schwere der physischen und psychischen Schäden, die Vermögensverhältnisse der Verletzten, das Maß an Lebensbeeinträchtigung, Größe, Dauer, Heftigkeit der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und Dauer der stationären Behandlung zu würdigen (BGHZ Gr.ZS 18, 149).

Der Kläger hat Schnittverletzungen im Hohlhandbereich der rechten Hand erlitten, wobei es zu einer Durchtrennung von Arterien, Sehnen und Nerven gekommen ist. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalls 9 Jahre alt. Er befand sich vom 08.09. bis 14.09.1996 in stationärer Behandlung in der BG-Klinik in Ludwigshafen: Die krankengymnastische Nachbehandlung mit Streckschiene dauerte bis 18.11.1996. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Bewegungsfähigkeit der rechten Hand in starkem Maße eingeschränkt. Der Kläger war vom 8. bis 14.9.1996 zu 100 %, vom 15.9.1996 bis 14.10.1996 zu 80 % und vom 15.10.1996 bis 18.11.1996 zu 50 % schulunfähig. Ab 19.11.1996 besteht auf Dauer eine Schul- und anschließende Arbeitsunfähigkeit von 5 %. Es werden auf Dauer Missempfindungen, eine verminderte Berührungsempfindlichkeit und bis in die Fingerspitzen ausstrahlende Befindlichkeitsstörungen verbleiben, die eine Einschränkung der Sensibilität der rechten Hand mit sich bringen. Nach den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M ist mit einer spontanen Besserung der Beweglichkeit bzw. des Tastgefühls nicht mehr zu rechnen. Die nach wie vor bestehenden Schmerzen beruhen auf einer Berührungsempfindlichkeit im Bereich der Narbe. Ein Teil der Nervenfasern ist durch die Nervenhülle in die Umgebung weiter gewachsen und mit der vorhandenen Narbe verwachsen.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war schließlich zu berücksichtigen, dass der Kläger unmittelbar nach Eintritt des Unfalls schulische Nachteile erlitten hat und infolge der Verletzung inzwischen sein Hobby Keyboardspielen gänzlich und den Judosport überwiegend aufgeben musste, da die Gefühlsempfindlichkeit in der rechten Hand erheblich beeinträchtigt ist, ferner eine Kraftminderung eingetreten ist. Die Einschränkungen im Freizeitbereich sind nicht unwesentlich. Immerhin war der Kläger Rheinlandmeister im Judo seiner Alters- und Gewichtsklasse. Dieses Hobby kann der Kläger nicht mehr ausüben, da eine Kraftminderung von 50 % im Seitenvergleich beider Hände sowie 25 % beim Dreifingergriff kein kräftiges Zupacken mit der Hand mehr möglich machen.

Schließlich hatte der Senat bereits jetzt, gewissermaßen prognostizierend für die Zukunft, zu berücksichtigen, dass eventuell weitere Operationen notwendig werden, um die Berührungsempfindlichkeit im Bereich der Narbe zu verbessern.

Unter Berücksichtigung der aufgeführten Kriterien erachtet der Senat ein Schmerzensgeld von 10.000,-- DM für angemessen, anstatt vom Landgericht zuerkannter 6.000,-- DM. Die Berufung hatte hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs in vollem Umfange Erfolg.

3) Soweit die Berufung beantragt, in Höhe eines Betrages von 468,-- DM weiteren Schadensersatz zu leisten, ist das Rechtsmittel nicht begründet. Entgegen der Auffassung der Berufung sind die Fahrtkosten der Eltern in der Aufstellung rechnerisch erfasst worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.468,-- DM festgesetzt. Die Beschwer der Beklagten beträgt 4.000,-- DM, die des Klägers 468,-- DM.

Ende der Entscheidung

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