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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 10 U 981/03
Rechtsgebiete: ARB 75


Vorschriften:

ARB 75 § 15 Abs. 1 d)aa)
ARB 75 § 15 Abs. 1 d)bb)
ARB 75 § 15 Abs. 1 d)cc)
ARB 75 § 15 Abs. 2
ARB 75 § 17 Nr. 2
Nach unberechtigtem Widerruf einer Kostenschutzzusage besteht für den VN keine Obliegenheit mehr, sich bei einer Klageerweiterung mit dem Versicherer abzustimmen. Die Anfrage liefe auf eine reine Förmelei hinaus. Ein Deckungsschutz kann aber dann versagt werden, wenn eine als äußerst risikobehaftet einzustufende Klageerweiterung sich als offensichtlich mutwillig darstellt und eine wirtschaftlich vernünftige und denkende Partei auf eigenes Kostenrisiko einen derartigen Antrag nicht stellen würde (in Anknüpfung an BGHZ 107, 368, 370 = VersR 1989, 842, 843; VersR 1991, 1129, 1130; OLG Hamm, VersR 1992, 301).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

Geschäftsnummer: 10 U 981/03

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts K. hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert am 28. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Deckungsschutzzusage.

Der Kläger schloss bei der Beklagten durch Vermittlung eines in K. tätigen Agenten der Beklagten einen Familienrechtsschutzversicherungsvertrag unter Geltung der ARB 1975 ab. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Versicherungsschein (GA 5) Bezug genommen.

Im Jahre 2001 erhoben der Kläger sowie die Firma F. GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist, wegen eines Unfallereignisses Klage vor dem Landgericht K. (Aktenzeichen 5 0 278/01) gegen Herrn Peter R.. Der Kläger hatte den ihm bekannten Herrn R. zu Hause besucht. Herr R. nahm zu diesem Zeitpunkt Renovierungsarbeiten an der Kellertreppe vor, die der Kläger auf Bitten des Herrn R. mit seiner Videokamera aufnahm. Zugleich wollte er die Videoaufnahme seinem Sohn - einem Auszubildenden im Maurerhandwerk - zu Lehrzwecken vorführen. Auf der Kellertreppe stolperte Herr R. und stürzte auf den vor ihm gehenden Kläger, der sich bei dem dadurch bedingten Fall Verletzungen zuzog.

Auf die Kostenschutzanfrage des Klägers fragte die Beklagte nach, ob der Besuch des Klägers bei Herrn R. in einem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit stand. Mit Schreiben vom 15.05.2001 erklärte der Kläger, dass es sich um einen rein privaten Besuch gehandelt habe. Unter dem 16.05.2001 bezog sich die Beklagte schriftsätzlich erneut auf ihr überlassene Unterlagen, in denen von "Rohbau" und einem "Kollegen" die Rede war. Die Beklagte bat den Kläger aus diesem Grunde nochmals um eine Bestätigung, dass es sich nicht um einen beruflich bedingten Besuch bei Herrn R. gehandelt habe. Auf eine diesbezügliche Auskunft des Klägers vom 18.05.2001 erteilte die Beklagte eine Kostenschutzzusage für das Verfahren vor dem Landgericht K..

Da in der Folge aus einer gutachterlichen ärztlichen Stellungnahme zu entnehmen war, dass sich der Kläger bei dem Unfall "auf einem Rohbau" befand und "ein Kollege" auf den Kläger gestürzt sei, widerrief die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.2001 die Kostenschutzzusage bis zum Nachweis, dass der Anlass für den Besuch bei Herrn R. rein privater Natur gewesen sei. Der Kläger erläuterte daraufhin schriftsätzlich mit Datum vom selben Tage, dass es sich bei den Räumlichkeiten nicht um einen Rohbau gehandelt habe und er die Renovierungsarbeiten an der Treppe für seinen Sohn habe aufnehmen wollen. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf das zu den Akten gereichte Schreiben (Bi. 9 GA) Bezug genommen.

Am 3.7.2001 erteilte die Beklagte schließlich erneut die Kostenschutzzusage für die Klage des Klägers (nicht der GmbH) unter dem Aktenzeichen 5 O 278/01: Die zugestandene Eintrittspflicht der Beklagten bezog sich auf 71,75 % der Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte verauslagte insgesamt 8.079,12 € für Rechtsanwaltskosten und Gerichtsgebühren.

Unter dem 25.07.2002 widerrief die Beklagte wiederum ihre Kostenschutzzusage mit Verweis auf das Verhandlungsprotokoll vom 26.04.2002 (GA 125 aus 5 0 278/01), aus dem sich ergibt, dass sich "das Haus des Herrn R. bei dem Besuch des Klägers in einem Rohbauzustand" befunden habe und der Kläger die Videokamera mitgeführt hatte, "um auf Bitten des Herrn R. die Renovierungsarbeiten zu filmen".

Am 04.09.2002 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Kostenschutzwiderruf zu widerrufen und eine schriftliche Deckungsschutzsage zu übersenden auch "bezüglich der weiteren Schadensersatzbeträge gemäß beiliegendem Entwurf, mit dem die Geltendmachung von Schmerzensgeld, Verdienstschaden und Haushaltsführungsschaden beabsichtigt ist". In diesem Zusammenhang wird verwiesen auf die zu den Akten gereichten Schreiben (GA 225). Die Beklagte erwiderte unter dem 24.09.2002 (GA 16) schriftsätzlich, dass "auch nach nochmaliger Prüfung der Angelegenheit eine andere Entscheidung nicht möglich" sei.

Der Kläger erweiterte seine Klage in dem Ausgangsverfahren gleichwohl in erheblichem Umfange mit Schriftsatz vom 29.10.2002 (BA 174) und teilte dies der Beklagten schließlich unter dem 13.12.2002 mit.

Der Kläger ist der Ansicht,

der Widerruf der Deckungsschutzzusage sei mangels Vorliegens einer Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 15 ABB unwirksam. Allein die Tatsache, dass die fragliche Videoaufnahme auch als Erinnerungsstütze für Herrn R. gedacht gewesen sei, ändere nichts an seiner vorprozessual wahrheitsgemäßen Sachverhaltsschilderung. Gründe für eine Verweigerung des Deckungsschutzes für Klage und Klageerweiterung in dem Verfahren 5 0 278/01 lägen nicht vor.

Der Kläger hat daher zunächst beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Rechtsschutzversicherungsverhältnis mit dem Kläger bezüglich des vor dem Landgericht K. unter dem Aktenzeichen 5 0 278/01 geführten Rechtsstreit verpflichtet sei, die Kosten der Klage des Klägers zu 1) an den Kläger zu erstatten,

2. festzustellen, dass die Kostenschutzzusage der Beklagten vom 03.07.2001 nicht durch Widerruf vom 25.07.2002 erloschen sei.

3. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, bereits verauslagte Kosten in Höhe von insgesamt 8.079,12 € an die Beklagte zurückzuerstatten,

4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Klageerweiterung des Klägers in dem Verfahren Landgericht K. Aktenzeichen 5 0 278/0 1 vom 29.10.2002 Kostenschutzzusage zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und hat widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an sie 8.079,12 € nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Parteien haben schließlich den Rechtsstreit im Hinblick auf Ziffer 3. des Klageantrages übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

der Kläger habe gegen die ihn nach § 15 Abs. 1 a ARB treffende Pflicht verstoßen, sie vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten. Was die Klageerweiterung betreffe, so sei es ihr bislang mangels hinreichender Information verwehrt gewesen, die Erfolgsaussicht derselben zu überprüfen. Zudem habe der Kläger insoweit auch gegen seine Pflichten aus § 15 I d aa) und cc) ARB verstoßen.

Der Kläger hat die vorliegende Feststellungsklage unter dem 28.10.2002 bei Gericht eingereicht; am 06.11.2002 ist der Leistungsantrag der Beklagten bei Gericht eingegangen.

Durch Beschluss vom 08.04.2003 (Bl. 157 GA) sind die Verfahren 3 0 228/02 und 3 0 235/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Das Landgericht hat der Klage teilweise entsprochen und festgestellt, dass die Kostenschutzzusage der Beklagten vom 3.7.2001 (GA 6) für das Verfahren 5 O 278/01 nicht durch Widerruf vom 25.7.2002 erloschen ist. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Darüber hinaus hat das Landgericht auch die Widerklage auf Zahlung von 8.079,12 € an die Beklagte abgewiesen.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Klageantrag zu 1) sei bereits unzulässig, weil zu unbestimmt. Der Feststellungsantrag zu 2) sei begründet, Gründe für einen Widerruf der Kostenschutzzusage vom 3.7.2001 seien nicht gegeben. Der Kläger habe wahrheitsgemäß angegeben, dass er sich bei Herrn R. zu einem privaten Besuch aufgehalten und die Videokamera mitgenommen habe, um das Verschalen der Treppe zu filmen, um dies seinem in der Ausbildung zum Maurer befindlichen Sohn später zeigen zu können. Diese Frage habe er vor Erteilung der Deckungszusage wahrheitsgemäß beantwortet. Eine materielle Überprüfung des Klageantrages zu 3) erfolge im Hinblick auf die übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht.

Der Kläger habe indes keinen Anspruch auf Erteilung einer Kostenzusage für die Klageerweiterung in dem Verfahren 5 O 278/01. Die Beklagte könne sich insoweit nach § 15 Abs. 2 ARB 75 auf Leistungsfreiheit infolge einer durch den Kläger nach § 15 Abs. 1 ARB 75 begangenen Obliegenheitsverletzung berufen. Denn den Versicherungsnehmer treffe die Pflicht, die entstehenden Rechtsanwaltskosten so gering wie möglich zu halten. Vor dem Hintergrund, dass das Prozessgericht in dem Ausgangsverfahren 5 O 278/01 bereits am 26.4.2002 (Bl. 106) Zweifel an dem Vorliegen des Anspruchsgrundes und der Anspruchshöhe dargelegt und die Beklagte die Kostenschutzzusage für die ursprüngliche Klage widerrufen habe, sei der Kläger nach § 15 Abs. 1 d aa) ARB 75 zur Schadensminderung gehalten gewesen. Es stelle einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, wenn der Kläger in dem Klageentwurf zunächst etwa 95.000,--DM geltend gemacht habe, dann unter dem 23.5.2001 die Forderung auf etwa 340.000,--DM erhöht und schließlich ohne konkrete Absprache auf einen Zahlungsbetrag von über 600.000,--€ erweitert habe. Die zunächst erhobene Teilklage hätte jedenfalls Klarheit über das Bestehen der Ansprüche dem Grunde nach schaffen können. Die Rechtsschutzversicherung sei nicht in die Lage versetzt worden, die Erfolgsaussichten einer Klageerweiterung und die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung zu überprüfen. Die vorstehenden Obliegenheitsverletzungen seien vorsätzlich, jedenfalls aber grob fahrlässig erfolgt. Der Kläger habe die umfangreiche Klageerweiterung der Beklagten bewusst nicht zugeleitet. Die ablehnende Haltung der Beklagten in dem Schreiben vom 24.9.2002 (GA 16) habe den Kläger nicht von der Einhaltung der ihm vertraglich obliegenden Verpflichtungen entbunden. Jene Obliegenheitsverletzung führe daher gemäß § 15 Abs. 2 ARB 75 zur Leistungsfreiheit. Die Widerklage unterliege der Abweisung, da die Deckungszusage nicht wirksam habe widerrufen werden können und deshalb kein Rückforderungsanspruch bestehe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - unter der ausdrücklichen Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe - eingelegten Berufung. Die Kostenzusage betraf das Rechtsschutzbegehren des Klägers zu 1) nach dem Klageentwurf zu 71,75 %. Jetzt will die Berufung eine Erhöhung auf 86,594 % (13,406 % betrafen Klageanträge der nicht rechtsschutzversicherten F. GmbH), hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Klageerweiterung in dem Verfahren 5 O 278/01 vom 29.10.2002 Kostenschutzzusage zu erteilen (GA 23, 279) Die Klageerweiterung betrifft einen Betrag von 726.958,42 €.

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht für die Klageerweiterung in dem Verfahren gemäß dortigem Klageerweiterungsschriftsatz vom 29.10.2002 die Kostenschutzsage abgelehnt und Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung gemäß § 15 Abs. 2 ARB 75 angenommen. Er habe nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte bereits die Kostenschutzzusage für den ursprünglichen Klageantrag widerrufen habe und deshalb eine Information der Beklagten nicht erforderlich gewesen sei. Was die Bedenken des Landgerichts zum Anspruchsgrund und zur Anspruchshöhe betreffe, sei zu berücksichtigen, dass das Landgericht später seine Rechtsauffassung geändert habe. Schließlich habe der Kläger auf eigene Kosten Gutachten des Sachverständigen Dipl. Volkswirt A. eingeholt. Er sei auch nicht gehalten gewesen, sich zunächst auf eine Teilklage zu beschränken, da sich aus den Gutachten des Sachverständigen Dipl. Volkswirt A. ein weitergehender Schaden ergeben habe. Außerdem habe er einer etwaigen Verjährung weitergehender Ansprüche vorbeugen müssen. Dass für die Erweiterung der Klage keine weitere Kostenschutzzusage eingeholt worden sei, stelle keine Obliegenheitsverletzung dar. Die Beklagte sei ausreichend über die entsprechenden Klageerweiterungen informiert worden. Es habe auch keiner weiteren Prüfung der Erfolgsaussichten und etwaiger Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung seitens der Beklagten bedurft, da diese bereits zuvor die Kostenschutzzusage für die Klage wegen Obliegenheitsverletzung - falsche Angaben hinsichtlich des Anlasses des Besuchs bei Herrn R. - widerrufen habe.

II.

Der - in der "bedingten Berufung" ausschließlich zu sehende - Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.

Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Kläger macht zunächst zu Recht geltend, dass das Landgericht zu Unrecht eine Obliegenheitsverletzung angenommen habe, weil vor Erweiterung der Klage gemäß Schriftsatz vom 29.10.2002 (GA 23, 2799) keine weitere Kostenschutzzusage eingeholt worden sei und der Kläger weitere kostenauslösende Maßnahmen - entgegen § 15 Abs. 1 d) cc) ARB 75 - nicht mit dem Versicherer abgestimmt habe. Dies führt vorliegend nicht zu einer leistungsbefreienden Obliegenheitsverletzung gemäß § 15 Abs. 2 ARB 75. Da die Beklagte bereits am 25.7.2002 (GA 7) die Kostenschutzzusage vom 3.7.2001 für den ursprünglichen Klageantrag widerrufen hatte und den Kostenvorschuss von 8.079,12 € zurückforderte, diesen Widerruf darauf stützte, dass Anlass des Besuchs bei Herrn R. die Dokumentation und Besichtigung des Objekts als selbständig Tätiger gewesen sei und es sich nicht um einen privaten Besuch gehandelt habe, war nicht zu erwarten, dass die Beklagte eine Kostenschutzzusage für die Klageerweiterung erteilen würde. Die Anfrage liefe auf eine reine Förmelei hinaus. Nach Widerruf der ursprünglichen Kostenschutzzusage bestanden diesbezüglich für den Kläger keine Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer mehr. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass nach wiederholter und unberechtigter Leistungsablehnung durch den Versicherer keine Obliegenheitsverpflichtung des Versicherungsnehmers nach § 15 Abs. 1 d) aa), bb) oder cc) ARB 75 mehr bestehen (Prölss/Martin, § 15 ARB 75 Rn. 16; § 6 VVG R. 33; Berliner Kommentar, 1999, § 6 Rn. 122; BGHZ 107, 368,370 = VersR 1989, 842, 843; VersR 1991, 1129; 1130; OLG Hamm, VersR 1992, 301).

Aus diesem Grund greift auch nicht die Argumentation des Landgerichts, dass eine Obliegenheitsverletzung auch deshalb gegeben sei, weil im Hinblick auf den Widerruf der Kostenschutzzusage der Kläger nur gehalten gewesen sei, sich auf einen angemessenen Teil seiner Ansprüche im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht zu beschränken (§ 15 Abs. 1 d) aa) i.V.m. § 15 Abs. 2 ARB 75).

Da die Ablehnung des ursprünglichen Klageantrages zu 4) demnach nicht auf eine leistungsbefreiende Obliegenheitsverletzung gestützt werden kann, war der Senat bezüglich der Klageerweiterung gehalten, unter Beiziehung der Akte 5 O 278/01 LG K. und Verwertung der Erkenntnisse des Verfahrens F../.R. im Sinne einer "nachträglichen Prognose" die Erfolgsaussicht jenes Verfahrens im Deckungsprozess zu prüfen (Prölss/Martin § 17 ARB Rn. 2; vgl. auch OLG K. R+S 1996, 481).

Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Verfahren 5 O 278/01, das sich derzeit im Stadium der Beweisaufnahme befindet, ergeben sich indes erhebliche Bedenken, ob die Klage bzw. Klageerweiterung letztlich Aussicht auf Erfolg hat. Die ursprüngliche Kostenschutzzusage betraf die Klage der Rechtsanwaltskanzlei B. in Höhe von 469.811,94 DM. Am 23.5.01 wurde Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 71,75 % von der Beklagten erstattet. Auch andere Kosten wurden ebenso zu 71,75 % erstattet, da Kostenschutzzusage nur für den Kläger zu 1), nicht für die Klägerin zu 2) (F. GmbH) bestanden hatte. Am 29.10.2002 ist die Klage (GA 23) auf 725.958,42 € erweitert worden. Auf den Streitwertbeschluss vom 7.4.2003 (Bl. 298 5 O 278/01) wird diesbezüglich Bezug genommen.

Die Kammer hat in dem Verfahren 5 O 278/01 in ihrer Sitzung vom 26.4.2002 bereits Bedenken hinsichtlich des Anspruchsgrundes und der Anspruchshöhe angemeldet (Bl. 125). Allerdings hat das Landgericht anschließend am 14.3.2003 (Bl. 284) einen Beweisbeschluss verkündet und eine umfangreiche Beweisanordnung zu Ursache und Umfang der Verletzungen des Klägers angeordnet. Das Landgericht hat ein orthopädisches Gutachten und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten angeordnet. Prof. R. hat in seinem orthopädischen Gutachten festgestellt (GA 328), dass die Wirbelsäulenschmerzen auf degenerative Veränderungen zurückzuführen seien, die durch massives Übergewicht verstärkt würden. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer beginnenden Hüftarthrose auszugehen. Taubheitsgefühle seien nicht nachweisbar. Die Schmerzen an der rechten Hand seien nicht auf den Unfall vom 9.2.2000 zurückzuführen. Es sei kein Kausalzusammenhang erkennbar. Soweit der Kläger sich zur Stützung seines Vortrags auf die Beurteilung von Dr. B. beziehe, sei zu bemerken, dass dieser keine Befunderhebung gemacht habe. Er habe nur die vom Kläger geschilderte Vorgeschichte zitiert. Überwiegend liege eine Spondyl-arthrose vor, indes keine unfallbedingte Verschlimmerung. Soweit der Kläger den Gutachter wegen Befangenheit abgelehnt hat, ist der Befangenheitsantrag zurückgewiesen worden.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich ferner, dass der Kläger bereits 1974 einen Unfall hatte, wobei er einen doppelten Schädelbasisbruch mit Gehirnquetschungen erlitten hatte. Der Kläger litt an Erinnerungslücken, 30 % MdE waren anerkannt. Am 3.1.1989 erlitt der Kläger als Beifahrer im PKW eine Handrückenverletzung. Das heißt, es liegen bereits erhebliche Vorerkrankungen vor, die zweifeln lassen, ob die vom Kläger nunmehr geschilderten Verletzungen auf dem Treppensturz am 9.2.2000 beruhen. Diese Bedenken werden gestützt durch den Aufnahmebericht des Elisabeth Krankenhauses in Neuwied (Bl. 57, 77). Dort wurde unmittelbar nach dem Unfall lediglich eine Lendenwirbelsäulenprellung, eine Prellung des rechten Handgelenkes, eine Innenknöchelverletzung rechts, eine Gehirnerschütterung festgestellt. Es erfolgt keine stationäre Behandlung, da der Kläger diese ablehnte. Lediglich in der Zeit vom 9.2. bis 25.3.2000 erfolgte eine ambulante Behandlung. Es wird auf die Ausführungen GA 231 ff., Bd. 2 verwiesen. Diese Bedenken werden auch nicht durch die Stellungnahmen Dr. B., die Gutachten der LVA (GA 191), Dr. B. (GA 18) bzw. Dr. M. (GA 21) wesentlich erschüttert. Erörtert wird in der Akte auch die Frage, ob nicht Umweltgifte, Einatmen von Dämpfen etc. durch die Tätigkeit als Fliesenleger für die neurologischen Ausfälle mit verantwortlich sind. Auch wenn die Einholung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens noch aussteht, bestehen doch derzeit erhebliche Bedenken an der Erfolgsaussicht der Klage, jedenfalls aber der Klageerweiterung, da sich zumindest die Vorerkrankungen selbst bei einer Haftung dem Grunde nach auf die Höhe des Schadens auswirken dürften.

Letztlich scheitert der Prozesskostenantrag jedenfalls daran, dass die vom Kläger verfolgte Klageerweiterung über den Betrag von 469.811,94 DM hinaus auf 726.958,42 € als im Sinn von § 17 Nr. 2 ARB 75 offensichtlich mutwillig erscheint. Denn eine wirtschaftlich vernünftige und denkende Partei würde auf eigenes Kostenrisiko einen derartigen Antrag schon angesichts der geschilderten Bedenken bezüglich der Erfolgsaussicht nicht stellen. Diesbezüglich kann auf die vom Landgericht im Urteil auf Bl. 10 bis 11 geäußerten Erwägungen Bezug genommen werden. Der Kläger hatte seine ursprüngliche Klage bereits auf 337.074,50 DM nebst Zinsen beziffert und insbesondere auch bezüglich aller weitergehenden materiellen und immateriellen Schäden, letzteres bezieht auch den Schmerzensgeldanspruch ein, einen umfassenden Feststellungsantrag gestellt. Damit war die Geltendmachung seiner Ansprüche abgesichert, eine Verjährung des weitergehenden Schadensersatzes drohte nicht. Im Falle eines Obsiegens mit den ursprünglichen Anträgen wäre eine weitere, auch zügige Durchsetzung weiterer Ansprüche über eine neue Zahlungsklage - auch mit Rechtsschutzdeckung - ersichtlich unproblematisch und eine Vollstreckung in etwaige Haftpflicht-Deckungsansprüche R.s weiter möglich gewesen. Die bloße Verzögerung hätte in keinem Verhältnis zur Steigerung des Kostenrisikos gestanden. Auch war der Kläger prozessual nicht verpflichtet, vom Feststellungsantrag im Verlaufe des Rechtsstreits auf eine Leistungsklage umzustellen. Auch angesichts der außergewöhnlichen Vorschäden des Klägers (doppelter Schädelbasisbruch 1974 mit anerkannter MdE von 30 %) und seiner auf orthopädischem Gebiet bestehenden degenerativen Veränderungen war die Klageerweiterung äußerst und unnötigerweise risikobehaftet. Die Erhöhung des ursprünglichen Klageantrages von 337.074,50 DM auf jetzt 726.958,42 € ist angesichts dieser Situation offensichtlich mutwillig.

Die Beklagte hat hierfür im Ergebnis zu Recht den Deckungsschutz verweigert, da sie nach § 17 Nr. 2 ARB 75 hier für nicht eintrittspflichtig ist.

Der Prozesskostenhilfeantrag war deshalb aus dargelegten Gründen zurückzuweisen.



Ende der Entscheidung

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