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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 10 W 285/02
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
1. Der Versicherer kann zwar durch eindeutige Erklärungen die von ihm gesetzte Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG verlängern oder auf die ihm durch einen Fristablauf gesetzte Position vollständig verzichten. Dazu bedarf es aber eindeutiger (unbedingter), nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB auszulegender Erklärungen, die einer Klageveranlassung entgegenstehen können. Die bloße Bereitschaft innerhalb der Klagefrist im Fall der Vorlage entsprechender Nachweise die getroffene Entscheidung zu überprüfen, reicht für die Annahme einer Verlängerung der Frist nicht aus, soweit nicht der Versicherer rechtsmissbräuchlich handelt (in Anknüpfung an Senatsentscheidungen vom 4.2.1998 - 10 W 26/98 - NVersZ 1999, 26 = Zfs 1998, 336 = r+s 1999, 258 und vom 5.3.1999 - 10 U 371/98 - r+s 2001, 522; ferner jüngst BGH Urteil vom 19.9.2001 - IV ZR 224/00; BGH VersR 1988, 1013 ff.).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftshummer: 10 W 285/02

in Sachen

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Dr. Koch

am 4. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 22. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Lebensversicherung in Anspruch, die ihr verstorbener Ehemann abgeschlossen hatte. Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe. Diese Lebensversicherung war an die bank K zur Sicherheit etwaiger Forderungen abgetreten. In dem am 20.1.1999 abgeschlossenen Vertrag war für den Todesfall eine Versicherungssumme von 100.000.-- DM vorgesehen. Der Versicherungsnehmer verstarb am 26.11.1999 in Folge eines Herzkreislaufversagens. Die Beklagte lehnte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 21.2.2000 unter Hinweis auf die 6-Monatsfrist zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche (§ 12 Abs. 3 VVG) Leistungen ab und erklärte den Rücktritt vom Vertrag. Der Versicherungsnehmer habe Lungenfunktionsstörungen und Bronchialbeschwerden, wegen derer er 1992, 1994 und 1997 ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe, bei Antragstellung nicht angegeben. Innerhalb des 6-Monatszeitraums hat sich die Beklagte weiter mit dem Vorgang befasst und die Klägerin aufgefordert, weitere ärztliche Gutachten vorzulegen. Mit Schreiben der Beklagten vom 11.8.2000 heißt es: "Da uns bis heute noch keine Stellungnahme von Herrn Dr. C vorliegt, wollen wir an diese Angelegenheit erinnern. Sollte diese nicht noch zugehen müssen wir bei unserer Entscheidung vom 21.2.2000 bleiben." Am 18.10.2000 unterbreitete die Beklagte der anwaltlich vertretenen Klägerin ein Angebot über einen Betrag von 30.000,-- DM. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an und erhob mit am 7.12.2000 bei Gericht eingegangenem Schreiben Klage. Die Klägerin meint, durch die geführte Korrespondenz habe sich die Beklagte auf eine neue Sachprüfung eingelassen. Die 6-Monatsfrist zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche habe nicht zu laufen begonnen.

Die bank K hat ihrerseits mit Schreiben vom 2.12.1999 (GA 145) aus abgetretenem Recht die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungssumme in Anspruch genommen. Die Beklagte hat ebenfalls mit Schreiben vom 21.6.2000 der Raiffeisenbank Leistungsablehnung unter Hinweis auf die Frist nach § 12 Abs. 3 VVG erklärt. Am Todestag des Versicherungsnehmers betrugen die Forderungen der Raiffeisenbank aus Darlehen und Kontokorrent 26.750,84 DM. Die bank hat am 20.11.2001 den Anspruch aus der Sicherheitsabtretung auf Auszahlung der Lebensversicherungssumme zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung an die Klägerin zurückabgetreten (GA 131).

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Gemäß § 12 Abs. 3 VVG ist der Versicherer zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht ist. Die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass in Höhe des Betrages von 26.750,84 DM die Klägerin zunächst nicht aktivlegitimiert war, denn die Ansprüche aus der Lebensversicherung waren zum Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers an die - bank K abgetreten. Diese hat ihrerseits Ansprüche auf Auszahlung der Lebensversicherung gegenüber der Beklagten erhoben. Ihr gegenüber ist ebenfalls seitens der Beklagten unter Hinweis auf die 6-Monatsfrisrt der Rücktritt vom Vertrag erklärt worden. Die bank hat innerhalb der Frist den Anspruch nicht geltend gemacht, so dass in Höhe des Betrages von 26.750,84 DM die Klage wegen Verfristung von vornherein keinen Erfolg haben kann und deshalb der Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen ist. Daran ändert die am 20.11.2001 erfolgte Rückabtretung der Ansprüche nichts. Denn die Klägerin kann keine weiteren Rechte geltend machen, als der Sicherheitsgläubigerin zum Zeitpunkt der Rückabtretung zugestanden haben. Zum Zeitpunkt der Rückabtretung war der Anspruch jedoch bereits verfristet.

Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass auch bezüglich des Restbetrages von 73.249,16 DM ein Anspruch an den Fristerfordernissen des § 12 Abs. 3 VVG scheitert. Die Frist ist mit dem Schreiben vom 21.2.2000 in Gang gesetzt worden. Dieses Schreiben ist der Klägerin spätestens am 27.2.2000, wie sich aus ihrem Schreiben vom gleichen Tage ergibt (Anlage B 9), zugegangen. Die Klagefrist wäre demnach spätestens am 27.8.2000 abgelaufen. Die Klage ist indes bei Gericht erst am 7.12.2000 eingegangen. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die Beklagte weder auf die Einhaltung der Klagefrist verzichtet noch diese ausdrücklich oder stillschweigend verlängert habe.

Die Beklagte hat zwar mit Schreiben vom 08.03.2000 zu erkennen gegeben, dass sie im Fall der Vorlage anderweitiger Unterlagen, insbesondere des behandelnden Hausarztes Dr. C, eine Überprüfung der Angelegenheit vornehmen würde. Sie wies jedoch zugleich darauf hin, dass sie nach den "jetzt vorliegenden Unterlagen keine andere Entscheidung treffen könne" und es bei dem Rücktritt vom Vertrag bleiben müsse. Die bloße Bereitschaft, im Fall der Vorlage entsprechender Nachweise die getroffene Entscheidung zu überprüfen, reicht aber für die Annahme einer Verlängerung der Frist nicht aus.

Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des BGH VersR 1988, 1013 ff., wonach der Versicherer wegen Rechtsmissbrauchs sich dann nicht auf die Klagefrist berufen kann, wenn er dem Versicherungsnehmer in den Verhandlungen gegenüber den Eindruck erweckt hat, die Ablehnung des Versicherungsschutzes und die damit verbundene Fristsetzung seien hinfällig geworden, geht fehl. Eine derartige Situation liegt hier nicht vor. Wiederholt, nämlich mit Schreiben vom 28.06.2000, 10.07.2000 und - zuletzt noch einmal kurz vor Fristablauf - vom 11.08.2000 hat sie die Klägerin an die Vorlage der Unterlagen erinnert. In dem zuletzt genannten Schreiben erinnerte sie zugleich daran, dass es bei Nichtvorlage der Unterlagen bei der Entscheidung vom 21.02.2000 bleiben müsse. Das bedeutete nicht nur die Aufrechterhaltung der Rücktrittserklärung, sondern auch das Festhalten an der Klagefrist. Eine Verlängerung der Klagefrist war damit nicht verbunden. Die Beklagte hat auch nicht wider Treu und Glauben bei der Klägerin den Eindruck erweckt, die Fristsetzung hätte sich erledigt oder mit der Erhebung der Klage könne noch zugewartet werden.

Der Senat hat hierzu bereits in seiner Entscheidung vom 4. Februar 1998 - 10 W 26/98 - NVersZ 1999, 26 = Zfs 1998, 336 = R+S 1999, 258 ausgeführt, dass der Versicherer zwar durch eindeutige Erklärungen die von ihm gesetzte Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG verlängern oder auf die ihm durch einen Fristablauf gesetzte Position vollständig verzichten kann. Dazu bedarf es aber dahingehender eindeutiger (unbedingter), nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB auszulegender Erklärungen, die einer Klageveranlassung entgegenstehen können (vgl. auch Senatsurteil vom 5.3.1999 - 10 U 371/98 - r+s 2001, 522; ferner jüngst BGH Urteil vom 19.9.2001 - IV ZR 224/00).

Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 04.10.2000 auf die Bitte der Klägerin um eine "abschließende Entscheidung bis zum 10.10.2000" noch einmal eine Antwort nach Vorlage der Stellungnahme von Dr. C in Aussicht gestellt. Mit Schreiben vom 18.10.2000 hat sie jedoch nach Einblick in die Ermittlungsakte und nach dem zwischenzeitlich eingegangenen Bericht von Dr. C erklärt, dass der Rücktritt "zu Recht" erfolgt sei. Damit hat sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie bei der von ihr getroffenen Entscheidung verbleibt.

Zweifel hieran konnte die Klägerin auch nicht aufgrund des gleichzeitigen Vergleichsangebots haben. Die Beklagte erklärte sich "wegen der besonderen Härte" und "ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein" bereit, 30 % der Versicherungssumme an die Klägerin zu zahlen. Diese Erklärung erfolgte ersichtlich aus Kulanzgründen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin die Klage erheben müssen. Hieran ändert auch nichts die mit Schreiben vom 30.10.2000, verlängert mit Schreiben vom 22.11.2000, gesetzte Frist. Die Beklagte erklärte insoweit lediglich, sich binnen dieser Frist an das Vergleichsangebot gebunden zu fühlen sowie - bei entsprechenden Angaben - ihre ablehnende Entscheidung vom 21.02.2000 nochmals zu überprüfen. Daran, dass sie bei dem gegebenen Sachstand an ihrer Leistungsablehnung festhalten würde, liefe sie keinen Zweifel. Auch eine Erklärung dahingehend, dass sie sich in diesem Zeitraum nicht auf die erklärtermaßen bereits abgelaufene Klagefrist berufen würde, war damit nicht verbunden (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 28.12.2001 - 10 U 529/01 - NVersZ 2002, 215 für den Bereich der Unfallversicherung).

Die Leistungsablehnung der Beklagten ist damit wirksam. Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Prozesskostenhilfeersuchen war deshalb zurückzuweisen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Rücktritt aufgrund der Vorerkrankungen zu Recht erfolgte.

Ende der Entscheidung

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