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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 04.06.2007
Aktenzeichen: 10 W 368/07
Rechtsgebiete: VVG, BGB


Vorschriften:

VVG § 165
BGB §§ 305 ff.
Bei einer Rentenversicherung gegen Einmalbetrag verstößt der Ausschluss der ordentlichen Kündigung für den Versicherungsnehmer während der Rentenbezugszeit weder gegen § 165 VVG noch gegen §§ 305 ff. BGB.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 10 W 368/07

in dem Prozesskostenhilfeverfahren

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Landgericht Luther

am 4. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 1. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin schloss bei der Antragsgegnerin eine zum 1. Februar 2001 sofort beginnende Rentenversicherung gegen Einmalbetrag ab, aufgrund deren eine monatliche Rente in Höhe von 171,10 DM bis zum Tode der Antragstellerin, mindestens aber für die Zeit bis zum 31. Januar 2021 zu zahlen war. Wegen des Inhalts des Rentenversicherungsvertrags, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Antragsgegnerin (Blatt 26 - 30 d.A.) zugrunde lagen, wird Bezug genommen auf den Versicherungsschein (Blatt 5 - 6 d.A.). Der zu zahlende Einmalbetrag in Höhe von 42.022,00 DM wurde Anfang des Jahres 2001 von der Beklagten entsprechend der Absprache der Parteien umgebucht, nachdem die Versicherungsleistung aus der Lebensversicherung der Klägerin bei der Beklagten fällig wurde.

Als die Antragstellerin unvorhergesehen Geld benötigte, beantragte sie am 29. Mai 2001 (Blatt 23 d.A.) die Kapitalisierung der Zusatzkomponente Rentengarantie bis zum 31. Januar 2021, worauf hin die Beklagte ihr 31.392,00 DM in Abgeltung der Rentenansprüche bis zum 31. Januar 2021 auszahlte.

Mit Schreiben vom 22. September 2006 (Blatt 11 d.A.) kündigte die Antragstellerin das Versicherungsverhältnis mit der Antragsgegnerin, worauf hin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27. September 2006 (Blatt 12 d.A.) mitteilte, dass aufgrund der AVB eine Kündigung während der Rentenbezugszeit nicht möglich sei, und die Kündigung zurückwies.

Die Antragstellerin macht geltend, sie habe wegen unzutreffender Beratung die für sie wirtschaftlich sinnlose Versicherung abgeschlossen. Durch wirksame Kündigung sei das Versicherungsverhältnis beendet worden, weshalb sie einen Anspruch auf Abrechnung der Rentenversicherung und Auszahlung des sich hieraus ergebenden Guthabens nebst Zinsen seit dem 27. September 2006 habe.

Ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage zur Geltendmachung des Abrechnungs- und Auszahlungsanspruchs hat das Landgericht mit Beschluss vom 1. Februar 2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 25. April 2007 gegen diesen ihr am 13. April 2007 zugestellten Beschluss begehrt die Antragstellerin in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Sie ist der Auffassung, die Klausel in § 5 Ziffer 3 b Abs. 3 AVB, in der das Kündigungsrecht während der Rentenbezugszeit ausgeschlossen wird, sei überraschend, benachteilige die Antragstellerin unangemessen und sei deshalb gemäß § 309 BGB unwirksam. Zudem habe sie mit Schreiben vom 25. April 2007 den Versicherungsvertrag widerrufen, was möglich sei, da die Widerrufsbelehrung auf dem Antrag (Blatt 40 - 42 d.A.) nicht hinreichend gewesen sei.

Mit Beschluss vom 27. April 2007 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zwar gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, die Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Klage und somit die Voraussetzungen für die beantragte Prozesskostenhilfe verneint.

Da das Versicherungsverhältnis nicht beendet ist, hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Abrechnung und Auszahlung des sich hieraus ergebenden Betrages.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin das Versicherungsverhältnis nicht wirksam gekündigt hat, da das Kündigungsrecht während der Rentenbezugszeit gemäß § 5 Ziffer 3 b Abs. 3 AVB ausgeschlossen ist.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist diese Regelung auch nicht unwirksam. Sie verstößt weder gegen § 165 VVG, noch gegen §§ 305 BGB.

Nach § 165 VVG kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen, wenn laufende Prämien zu entrichten sind. Dieses Kündigungsrecht steht dem Versicherungsnehmer nach Abs. 2 dieser Vorschrift auch dann zu, wenn die Prämie in einer einmaligen Zahlung besteht, sofern eine Kapitalversicherung für den Todesfall in der Art genommen ist, dass der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiss ist.

Die streitgegenständliche Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung gegen Einmalbeitrag stellt keine Versicherung im Sinne des § 165 VVG dar, da weder ein Versicherungsvertrag geschlossen ist, bei dem laufende Prämien zu entrichten sind, noch es sich um eine Versicherung handelt, die auf den Todesfall der Antragstellerin genommen ist. Die Beklagte trägt der Kündbarkeit von Versicherungen gegen Einmalbeitrag gem. § 165 Abs. 2 VVG in ihren Bedingungen gerade dadurch Rechnung, dass bei der hier nicht in Rede stehenden Lebensversicherung bei Kündigung ein Rückkaufswert gezahlt wird (§ 5 Ziffer 3 a AVB).

Die Klausel in § 5 Ziffer 3 b Abs. 3 AVB ist auch nicht gemäß §§ 305 ff. BGB unwirksam, da sie weder überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB ist, noch gegen wesentliche Grundgedanken des gesetzlichen Leitbildes verstößt und die Antragstellerin auch nicht entgegen den Geboten von Grund und Glauben unangemessen benachteiligt.

Eine Klausel ist nur dann überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB, wenn es sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handelt, mit der der Vertragspartner des Verwenders nicht zu rechnen braucht. Ob eine Klausel überraschend ist, beurteilt sich hierbei nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 305c Rn. 4). Hieran gemessen stellt § 5 Ziffer 3 b Abs. 3 AVB keine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB dar. Die Antragstellerin wurde bei Policierung durch die Übersendung der Versicherungsbedingungen deutlich auf die fehlende Kündbarkeit der Rentenversicherung während der Rentenbezugszeit hingewiesen. Nach Auffassung des Senats könnte § 5 Ziffer 3 b Abs. 3 AVB überhaupt nur dann überraschend im Sinne von § 305 c BGB sein, wenn die bedingungsgemäß vorgesehene Unkündbarkeit der Rentenversicherung nach dem gesetzlichen Leitbild so ungewöhnlich ist, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Dies ist indes nicht der Fall: § 165 VVG sieht - wie bereits oben dargelegt - auch die Kündbarkeit einer Lebensversicherung gegen Einmalbeitrag nur in Ausnahmefällen vor, nämlich nur dann, wenn die Versicherung auf den Todesfall genommen ist.

Aus den gleichen Gründen verstößt § 5 Ziffer 3 b Abs. 3 AVB auch nicht gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da die Klausel nicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht. Aus § 165 Abs. 2 VVG ergibt sich, dass nur ausnahmsweise die Kündigung einer Lebensversicherung zulässig ist, wenn die Prämie in einer einmaligen Zahlung besteht. Bei Rentenversicherungen mit sofort beginnender Rentenzahlung gegen Einmalbeitrag gibt es kein gesetzliches Leitbild der Kündbarkeit solcher Versicherungen.

Die Klausel verstößt auch nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB. Die Unkündbarkeit einer Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Offen bleiben kann, ob nicht die fehlende Kündbarkeit eines Versicherungsvertrages, bei dem durch die Vertragsbeendigung mangels vertraglicher Regelung bedingungsgemäß ein Anspruch auf Auskehrung des Rückkaufswertes nicht entsteht, nicht im Gegenteil den Versicherungsnehmer gerade begünstigt.

Soweit die Antragstellerin sich pauschal auf die Unwirksamkeit nach § 309 BGB beruft, vermag der Senat die Klausel keinem der dort geregelten Fälle zuzuordnen. Allenfalls käme § 309 Ziffer 9 BGB in Betracht, wobei auch diese Regelung nur greift bei Dauerschuldverhältnissen über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender, nicht jedoch bei dem hier maßgeblichen Rentenversicherungsverhältnis.

Der Senat verkennt nicht, dass das außerordentliche Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen nicht abbedungen werden kann, was mit § 5 Ziffer 3 b Abs. 3 AVB erkennbar auch nicht bezweckt ist. Die Antragstellerin hat jedoch keine Gründe dargelegt, die eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt haben könnten. Dass sie nach der von ihr gewünschten Kapitalisierung des garantierten Rentenanspruchs die abgeschlossene Rentenversicherung als wirtschaftlich sinnlos erachtet, stellt erkennbar keinen solch wichtigen Grund dar.

Auch der von der Antragstellerin mit Schreiben vom 25. April 2007 erklärte Widerruf lässt die Bindung an den Versicherungsvertrag nicht entfallen.

Zwar kann ein Versicherungsnehmer gemäß § 8 Abs. 4 VVG ein Versicherungsverhältnis mit einer längeren Laufzeit als einem Jahr innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags widerrufen, wobei die Frist erst beginnt, wenn er über sein Widerrufsrecht belehrt wurde und die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Ob die Belehrung unzureichend war, wie die Antragstellerin geltend macht, kann dahin stehen, da selbst in diesem Fall das Widerrufsrecht einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Da die Einmalprämie bereits zu Beginn des Jahres 2001 gezahlt wurde, war der erst 6 Jahre später erklärte Widerruf nicht mehr rechtzeitig und konnte daher das Versicherungsverhältnis nicht beenden.

Auch ein Widerspruchsrecht nach § 5 a VVG bestand am 25. April 2007 nicht mehr, da ein solches unabhängig von einer ordnungsgemäßen Belehrung und Übersendung der AVB ein Jahr nach Zahlung der Prämie erlischt, § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG.

Soweit die Antragstellerin sich auf eine fehlerhafte Beratung stützt, sind weder ein konkreter Beratungsfehler dargelegt, noch die Rechte, die sie aufgrund dessen geltend machen möchte. Denkbar wäre allenfalls ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 311 Abs. 2 BGB, der jedoch nicht den geltend gemachten Abrechnungs- und einen sich hieraus ergebenden Auszahlungsanspruch begründen kann, sondern nur einen von der Klägerin zu beziffernden Schadensersatzanspruch gemäß § 249 Abs. 1 BGB.

Ende der Entscheidung

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