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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 07.07.2003
Aktenzeichen: 10 W 377/03
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 281
GVG § 23 Abs. 1 Nr. 1
Begehrt der Antragsteller für die Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruchs in Höhe von 18.000 € die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, kann der Antrag nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, eine etwaige Klage sei maximal nur in Höhe von 2.600 € erfolgversprechend, deshalb fehle es an der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

Geschäftsnummer: 10 W 377/03

in Sachen

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert als Einzelrichter

am 7. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Mai 2003 dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt wird, soweit er ein Schmerzensgeld bis zu 7.500,-- € erstrebt. Dem Antragsteller wird Rechtsanwalt in zur Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet.

Das Landgericht hat gemäß Beschluss (GA 12) vom 8.5.2003 den (Zuständigkeits-)Streitwert für das Verfahren vorläufig auf 2.600 € festgesetzt. Die hiergegen mit Schriftsatz vom 28.5.2003 eingelegte Beschwerde ist mit Beschluss des Senats vom heutigen Tage (10 W 372/03) als unzulässig verworfen worden. Auf den Inhalt des Beschlusses bezüglich des Zuständigkeitsstreitwerts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Die Festsetzung des vorläufigen Zuständigkeitsstreitwert auf 2.600 € rechtfertigt es indes nicht, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der, Begründung - und zwar in voller Höhe - abzuweisen, die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts für den aussichtsreichen Teil der beabsichtigten Klage sei nicht gegeben. Der Antragsteller hat mit seinem Klageentwurf ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 18.000,-- € geltend gemacht. Einer entsprechenden Klage konnte nicht der Einwand der fehlenden sachlichen Zuständigkeit entgegengehalten werden (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 GVG), auch wenn hinsichtlich der Höhe seitens des erkennenden Gerichts Zweifel bestehen. Die Argumentation des Landgerichts überzeugt deshalb nicht, weil ansonsten im Verfahren der isolierten Prozesskostenhilfe, solange also diese nicht mit der Klageerhebung verbunden ist, die Gefahr der Rechtsverweigerung bestünde. Da vor Klageerhebung eine bindendende Verweisung nach § 281 ZPO nicht in Betracht kommt, sondern allenfalls eine Abgabe an das zuständige Amtsgericht erfolgt, hätte der dort zuständige Richter ebenso die Möglichkeit Prozesskostenhilfe mit der Begründung zu verweigern, er sei im Hinblick auf den über 5.000 € hinausgehenden Streitwert sachlich nicht zuständig. Dem Antragsteller bliebe letztlich nichts anderes übrig, als sein Prozesskostenhilfegesuch zurückstellen, Klage zu erheben, damit den Zuständigkeitsstreitwert entweder selbst zu bestimmen oder zumindest einen bindenden Verweisungsantrag nach § 281 ZPO zu stellen oder gar auf den Rechtsschutz angesichts seiner Bedürftigkeit zu verzichten.

Letztlich kann, von extremen Ausnahmesituationen abgesehen, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur davon abhängen, ob in der Sache der Anspruch bei ex-ante Lage Aussicht auf Erfolg hat. Eine andere Betrachtung erscheint nur erlaubt, wenn von vornherein nur eine Verurteilung zu einem Betrag in Betracht kommt, der sichtbar unterhalb des Zuständigkeitsstreitwert nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 GVG liegt. Bei Schmerzensgeldansprüchen wird sich in der Regel diese Situation so nicht stellen, insbesondere dann nicht, wenn der Sachverhalt und der Umfang der Verletzungen durch Beweisaufnahme zu klären ist.

Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Antragstellers wurde dieser von dem Antragsgegner ohne jede Vorwarnung mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

Der Antragsteller soll bis zu fünfmal am Kopf getroffen worden sein. Er sei zu Boden gegangen. Die Schläge seien allesamt mit der Faust auf die linke Gesichtshälfte ausgeführt worden. Der Antragsteller behauptet, als er am Boden gelegen habe, habe der Antragsgegner ihm mit dem beschuhten Fuß (Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen) mehrfach in den Unterleib, Bauch, Thorax und insbesondere ins Gesicht getreten. Er sei gleichzeitig beschimpft und beleidigt worden und solange traktiert worden, bis er bewusstlos geworden sei. Nur durch das beherzte Eingreifen eines zufällig vorbeikommenden Fahrradfahrers habe der Antragsgegner abgelassen, ihn weiter zu traktieren. Der Antragsgegner sei zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zu Bewährung verurteilt worden.

Der Antragsteller gibt an, dass er durch den Vorfall folgende Verletzungen davon getragen habe:

eine unverschobene orbitoethmoidale Fraktur links mit peribitalem Hämatom und Weichteilemphysem, schwere Kontusion des linken Gesichtsschädels, eine Kiefergelenkskontusion links mit schwellungsbedingter initialer Klemme, eine Comotio cerebri sowie multiple klinisch unauffällige Körperprellungen im gesamten Körperbereich. Er habe sich in dem Zeitraum vom 26.7 bis 4.8.2001 in stationärer Behandlung befunden und sei insgesamt 6 Wochen arbeitsunfähig gewesen. Er habe erhebliche Schmerzen gehabt. Die Nahrungsaufnahme habe über einen Zeitraum von 5 Wochen nur in flüssiger Form mittels eines Röhrchens erfolgen können. Auch danach sei das Kauen und Essen für einen weiteren Zeitraum von annähernd 6 Monaten nur mit Schwierigkeiten und keineswegs schmerzfrei möglich gewesen. Darüber hinaus habe er zahllose Quetschungen und Hämatome, auch im Genitalbereich, gehabt. Das linke Mittelgesicht weise eine erhebliche Gefühlsminderung auf. Für einen Zeitraum von 4 Wochen sei ein sog. Doppelsehen aufgetreten. Der Vorfall habe eine erhebliche seelische Belastung mit sich gebracht, zumal seine Tochter habe zusehen müssen, wie er in brutaler Art und Weise zusammengeschlagen worden sei.

Angesichts dieses behaupteten Vorgangs und dieser Verletzungen erscheint, vorbehaltlich der Beweisaufnahme, die Verurteilung zu einem Schmerzensgeld von deutlich über 5.000 €, wie von der Beschwerde ausgeführt, durchaus möglich. Bei prognostizierender Betrachtung erscheint es dem Senat angemessen, Prozesskostenhilfe bis zu einem Betrag von 7.500,-- € zu bewilligen. Es obliegt der Kammer, die vorläufige Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts in eigener Verantwortung sachdienlich zu überprüfen.

Auf die Beschwerde des Antragstellers war der Beschluss, wie tenoriert, abzuändern.

Ende der Entscheidung

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