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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 14.10.2004
Aktenzeichen: 10 W 659/04
Rechtsgebiete: MB/KK 94, ZPO


Vorschriften:

MB/KK 94 § 4 Nr. 5
ZPO § 935
1. Ein Anspruch auf eine mehrwöchige stationäre psychotherapeutische Heilbehandlung in einer sogenannten "gemischten Anstalt" kann nach § 4 Abs. 5 MB/KK 94 nur dann bestehen, wenn die Leistung vor Antritt des Aufenthalts schriftlich zugesagt worden ist, wobei wiederum ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Zusage grundsätzlich nicht besteht. Über die Erteilung einer Leistungszusage hat der Versicherer nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, wobei die Entscheidung nur dahingehend überprüfbar ist, ob ein Ermessensfehlgebrauch (vgl. Senat, VersR 93, 1000) oder - z.B. in Notsituationen (drohender Herzinfarkt) - eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (vgl. auch OLG Hamm VersR 82, 386; OLG Karlsruhe VersR 85, 560).

2. Bei Verweigerung der Zusage des Versicherers für eine stationäre Heilbehandlung in einer "gemischten Anstalt" kann nicht im Weg der einstweiligen Verfügung eine "Ersetzung" dieser Zusage begehrt werden, denn über eine etwa dahingehende Verpflichtung des Versicherers (wegen fehlerhafter Ermessensausübung) kann nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich abschließend entschieden werden. Als vorläufige Maßnahme zur Verhinderung eines endgültigen Rechtsverlusts bedarf es der "Ersetzung" auch nicht, da die Berechtigung der Verweigerung auch nachträglich überprüft werden kann.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

Geschäftsnummer: 10 W 659/04

LG K. 16 O 171/04

in dem einstweiligen Verfügungsverfahren

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts K. hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert am 14. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts K. vom 17. September 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis die Leistungszusage für eine vier- bis sechswöchige stationäre psychotherapeutische Behandlung in der M. Klinik H., bei der es sich um eine sog. gemischte Anstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 MB/KK 94 handelt.

Die Antragsgegnerin hat die Bitte um Erteilung der Zusage mit Bescheiden vom 05. August und 03. September 2004 verweigert. Im erstgenannten Bescheid heißt es:

"Die erforderliche vorherige schriftliche Zusage der tariflichen Leistungen für stationäre Krankenhausbehandlung geben wir, wenn nach unserer Überzeugung eine Behandlung nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses möglich ist.

Eine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung einer stationären psychotherapeutischen Akutmaßnahme ist nicht ersichtlich. Weder wurden bislang die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten genutzt, noch ist die Störung derart akut, dass eine initiale stationäre Akutbehandlung erforderlich ist...

Gerne prüfen wir die Frage der Zusage von Krankenhausleistungen gemäß § 4 Abs. 5 MB/KK noch einmal. Legen Sie uns dazu bitte Unterlagen vor, aus denen sich eine andere Beurteilung ergeben könnte . . ."

Im Bescheid vom 03. September 2004 heißt es:

"Die von Ihrem Mandanten nachzuweisende medizinische Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung als Grundvoraussetzung für die erforderliche vorherige schriftliche Leistungszusage geht aus den bislang vorgelegten Unterlagen nicht hervor.

Aus Ihrem Telefax ergeben sich hierzu keine neuen Aspekte. ..."

Der Antragsteller hat zunächst beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, gegenüber ihm die Leistungszusage über die Übernahme der tariflichen Leistungen für seine beabsichtigte vier- bis sechswöchige stationäre psychotherapeutische Behandlung in der M. Klinik H. abzugeben.

Der Antragsteller hat zuletzt beantragt,

den Antraggegner zu verpflichten, ihm gegenüber auf die Geltendmachung des Ausschlusses der Übernahme der tariflichen Leistungen nach § 4 Abs. 5 MB/KK 94 für seine beabsichtigte vier- bis sechswöchige stationäre Heilbehandlung in der M. Klinik H. zu verzichten.

Der Antragsteller hat im Wesentlichen vorgetragen,

seine Krankheit erfordere ohne Aufschub die Behandlung in der M. Klinik, die medizinische Notwendigkeit habe er durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen.

Das Landgericht hat Beschluss vom 17.9.2004 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

1) Das Landgericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, mit dem der Antragsteller beantragt hat, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm gegenüber die Leistungszusage hinsichtlich der Übernahme der tariflichen Leistungen für seine beabsichtigte vier- bis sechswöchige stationäre psychotherapeutische Behandlung in der M. Klinik H. abzugeben bzw. auf die Geltendmachung des Ausschlusses der Übernahme der tariflichen Leistungen nach § 4 Abs. 5 MB/KK 94 für diese Heilbehandlung zu verzichten.

a) Gemäß 4 Abs. 5 MB/KK werden die tariflichen Leistungen für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlungen in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat. Vorliegend handelt es sich bei der M. Klinik H. um eine sog. gemischte Anstalt. Eine solche Zusage hat die Antragsgegnerin nicht nur nicht erteilt, sondern ausdrücklich verweigert.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass gemäß § 4 Abs. 5 MB/KK 94 für Aufenthalte in sogenannten "gemischten Anstalten" ein Leistungsanspruch generell nicht besteht. Ein Anspruch entsteht nur dann, wenn die Leistung vor Antritt des Aufenthalts schriftlich zugesagt ist, wobei wiederum ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Zusage grundsätzlich nicht besteht (BGH VersR 71, 949; 83, 576; OLG Köln VersR 84, 133; OLG Karlsruhe VersR 90, 37; OLG Hamm VersR 92, 687; ebenso Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 4 MB/KK Rn. 23, 27). Über die Erteilung einer Leistungszusage hat der Versicherer nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, wobei die Entscheidung nur dahingehend überprüfbar ist, ob ein Ermessensfehlgebrauch (vgl. Senat, VersR 93, 1000) oder - z.B. in Notsituationen (drohender Herzinfarkt) - eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (vgl. OLG Hamm VersR 82, 386; OLG Karlsruhe VersR 85, 560).

b) Mit Rücksicht darauf, dass die Gewährung von Versicherungsleistungen für Kuren und Sanatoriumsaufenthalte gem. § 5 Abs. 1 d) MB/KK 94 ausgeschlossen ist, hat der Versicherer ein anerkennenswertes Interesse daran, im nachhinein entstehende Abgrenzungsschwierigkeiten dadurch zu verhindern, dass er die Leistung von einer vorhergehenden Prüfung und einer in seinem Ermessen liegenden Entscheidung abhängig macht. Da der Versicherer die Behandlung in solchen gemischten Anstalten aus dem Versicherungsrisiko ganz hätte herausnehmen können, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass er unbedenklich den für den Versicherten günstigeren Weg einer im voraus zu treffenden Ermessensentscheidung wählen konnte (BGH VersR 71, 949; VersR 83, 576; OLG Stuttgart VersR 83, 576; OLG Karlsruhe VersR 90, 37; OLG Hamm VersR 92, 687).

2) Vorliegend kann dahinstehen, ob die vom Antragsteller geschilderten Beschwerden eine stationäre, vier- bis sechswöchige psychotherapeutische Behandlung in der M. Klinik H. erforderlich machen und die Antragsgegnerin ggf. zu einer Kostenzusage verpflichtet ist.

Denn das Landgericht führt zutreffend aus, dass der Kläger mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur ein vorläufiges Rechtsschutzziel verfolgen, nicht aber vorab eine endgültige Befriedigung seines Anspruchs erreichen kann. Eine einstweilige Verfügung ist nur zulässig, wenn zu befürchten ist, dass durch Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO, Sicherungsverfügung) oder sie zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erfolgt, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 940 ZPO, Regelungsverfügung). Der Antragsteller möchte hier eine Rechtsfrage, nämlich die, ob die Antragsgegnerin berechtigt war, die Zusage hinsichtlich der stationären psychotherapeutischen Behandlung in einer gemischten Anstalt zu verweigern, geklärt wissen und letztlich eine verbindliche Kostenzusage erreichen. Diese Möglichkeit kann der Antragsteller mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erreichen. Das Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz kann nicht auf eine endgültige Befriedigung des Rechtsschutzsuchenden hinauslaufen und das Hauptverfahren in der Sache entbehrlich machen.

Der Antragsteller erstrebt vorliegend nicht eine vorläufige Regelung etwa in dem Sinne, dass die Antragsgegnerin ihm vorab gewissermaßen unter dem Vorbehalt der Rückforderung eine Kostenzusage erteilt und die Kosten der stationären Behandlung zunächst trägt, anschließend in einem Hauptverfahren geklärt wird, ob die Leistungsverweigerung nach § 4 Abs. 5 MBKK 94 berechtigt war und der Antragsteller wieder zur Rückzahlung der verauslagten Beträge verurteilt wird. Das Rechtsschutzziel des Antragstellers geht vielmehr dahin, bereits jetzt verbindlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine endgültige Klärung der streitigen Rechtsfrage herbeizuführen. Dieses Begehren kann er in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geltend machen, da in diesem eine der materiellen Rechtskraft fähige Sachentscheidung nicht ergehen kann.

Zu Recht hat das Landgericht im Übrigen unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Zöller-Vollkommer, ZPO, § 940 Rn. 6 die Voraussetzungen einer Leistungsverfügung verneint. Der Antragsteller hat nämlich nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei Verweigerung der Kostenzusage ein unwiderbringlicher und irreparabler Schaden entsteht. Mit Antritt der Maßnahme ohne vorherige Zusage ist eine nachträgliche Ermessenskontrolle nicht wegen entsprechender "Tatbestandswirkung" des Fehlens der Zusage gänzlich ausgeschlossen, wie es etwa der Fall wäre, wenn der Antragsteller sich vorher gar nicht um eine entsprechende Zusage bemüht hätte (vgl. Senat aa0.). Es geht vorliegend folglich allein um ein Kostenrisiko, das jedenfalls nach den hier gegebenen Umständen eine Leistungsverfügung nicht rechtfertigen kann.

Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.737,40 € festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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