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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: 11 U 439/07
Rechtsgebiete: EEG 2004


Vorschriften:

EEG 2004 § 3
EEG 2004 § 21 Abs. 1 Nr. 3
EEG 2004 § 21 Abs. 1 Nr. 8
1. Für die Frage, ob es sich i.S. des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2004 um Strom aus einer Biomasseanlage handelt, die nach dem 31.12.2003 in Betrieb genommen worden ist, sind die Begriffsbestimmungen in § 3 EEG 2004 auch für solche Anlagen zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EEG 2004 bereits in Betrieb genommen waren.

2. Eine Vergütungspflicht des Netzbetreibers nach §§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 8 EEG 2004 besteht nur für Strom, der in Anlgaen gewonnen wird, die ausschließlich erneuerbare Energien einsetzen. Erforderlich dafür ist, dass die Anlage über die Einrichtungen zur Gewinnung und Aufbereitung des jeweiligen Energieträgers verfügt. Das ist bei einer Biogasanlage der Fermenter.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 U 439/07

Verkündet am 6. November 2007

In dem Rechtsstreit

wegen ungerechtfertigter Bereicherung

Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rüll, den Richter am Oberlandesgericht Diener und die Richterin am Oberlandesgericht Haberkamp auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 27. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Der Beklagte erzeugt Strom in einer Biogasanlage und speist diesen in das Netz der Klägerin ein.

Die Anlage des Beklagten wurde als Kraft-Wärme-Kopplung-Anlage am 1. Dezember 2003 in Betrieb genommen. Die zur Erfassung der eingespeisten und zum Betrieb der Anlage bezogenen Energiemengen erforderlichen Messeinrichtungen waren am 5. November 2003 montiert worden. Mit Schreiben vom 25. November 2003 hatte der Beklagte der Klägerin den Betrieb seiner KWK-Anlage angezeigt und mitgeteilt, dass die Anlage ab dem 1. Januar 2004 mit nachwachsenden Rohstoffen beschickt werde.

Bis zum 31. Dezember 2003 wurde dem Beklagten von der RWE in W. und der RWE in D. eine Einspeisvergütung auf der Basis des KWKG gezahlt. Für die Zeit von Januar 2004 bis Juli 2004 erfolgte die Einspeisvergütung nach dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien - Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG - vom 1. April 2000 (nachfolgend: EEG 2000) und ab August 2004 nach dem EEG vom 21. Juli 2004 (nachfolgend: EEG 2004).

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung der auf der Grundlage des EEG 2004 geleisteten Vergütung in Höhe von 92.721,53 EUR in Anspruch.

Die Parteien streiten darüber, ob die Biogansanlage des Beklagten bereits im Jahr 2003 oder erst in 2004 in Betrieb genommen wurde.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Anlage des Beklagten sei vor dem 31. Dezember 2003 in Betrieb genommen worden, denn sie habe seit Anfang Dezember 2003 Strom in ihr Netz eingespeist. Gem. § 3 Abs. 4 EEG 2004 sei eine EEG-Anlage zu dem Zeitpunkt in Betrieb genommen worden, in dem sie erstmals Strom erzeuge. Es komme nicht darauf an, ob die Anlage zu diesem Zeitpunkt mit fossilen oder erneuerbaren Brennstoffen betrieben worden sei. Daher sei es unbeachtlich, ob der Fermenter der Anlage, was sie mit Nichtwissen bestreitet, erst im Januar 2004 funktionsfähig gewesen sei.

Der Beklagte, der die Aktivlegitimation der Klägerin bestreitet, macht geltend, bis zum 31. Dezember 2003 habe er ein Blockheizkraftwerk unter ausschließlichem Einsatz fossiler Brennstoffe betrieben. Der Betrieb eines Blockheizkraftwerks stelle keine Inbetriebnahme der Anlage dar, da der Anlagenbegriff des EEG nur solche Anlagen erfasse, die betriebstechnisch in der Lage seien, Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Dies sei vorliegend erst nach Anschluss des Fermenters am 16. Januar 2004 und 17. Januar 2004 der Fall gewesen.

Das Landgericht hat die Klage auf Rückzahlung der Einspeisvergütung abgewiesen. Die Biogasanlange des Beklagten sei erst im Januar 2004 in Betrieb genommen worden, da sie zuvor mit nicht nachwachsenden Rohstoffen gearbeitet habe. Die Inbetriebnahme i.S. von § 3 Abs. 4 EEG 2004 setze die ausschließliche Verwendung erneuerbarer Energien voraus. Vor dem 1. Januar 2004 sei die Biogasanlage des Beklagten technisch noch nicht betriebsbereit gewesen, da der Fermenter noch nicht angeschlossen gewesen sei.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin erneut geltend, maßgeblich für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sei allein der tatsächliche Umstand der Stromlieferung. Die gesetzliche Definition differenziere nicht danach, ob die Stromerzeugung erstmals mit fossilen Brennstoffen oder EEG Brennstoffen erfolge. Eine technische Betriebsbereitschaft sei danach anzunehmen, wenn eine Anlage tatsächlich Strom erzeuge. Demgegenüber diene der Fermenter einer Biogasanlage nicht unmittelbar der Stromerzeugung.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 91.721,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung

II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin kann von dem Beklagten aus abgetretenem Recht nicht die Rückzahlung der ab August 2004 gezahlten Einspeisvergütung aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 BGB i.V. mit § 398 BGB verlangen. Die Zahlung erfolgte nicht ohne rechtlichen Grund. Dem Beklagten stand gemäß der Übergangsbestimmung des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2004 ein Anspruch auf Vergütung nach den Vergütungssätzen des § 8 Abs. 1 bis 3 EEG 2004 zu, da die Inbetriebnahme seiner Anlage als Biogasanlage erst nach dem 1. Januar 2004 erfolgte.

Nach § 21 Abs. 1 EEG 2004 sind für Strom aus Anlagen, die bis zum 31. Juli 2004 in Betrieb genommen worden sind, die bisherigen Vorschriften über die Vergütungssätze, über die Dauer des Vergütungsanspruchs und über die Bereitstellung von Messdaten mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Strom aus Biogasanlagen, die nach dem 31. Dezember 2003 in Betrieb genommen worden sind, ab dem 1. August 2004 die Vergütungssätze des § 8 EEG 2004 gelten. Diese Vergütung beläuft sich bei einer Biogasanlage in der von dem Beklagten errichteten Leistungsfähigkeit (499 KW) auf mindestens 15,9 Cent pro Kilowattstunde, § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 EEG 2004. Diese Mindestvergütung erhöht sich um jeweils 2,0 Cent pro Kilowattstunde, soweit es sich um Strom im Sinne von § 3 Abs. 4 des KWKG handelt und dem Netzbetreiber ein entsprechender Nachweis vorgelegt wird, § 8 Abs. 3 EEG 2004.

Für die Frage, ob es sich im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2004 um Strom aus einer Biomasseanlage handelt, die nach dem 31. Dezember 2003 in Betrieb genommen worden ist, sind die Begriffsbestimmungen in § 3 EEG 2004 auch für solche Anlagen zugrunde zu legen, die - wie hier - zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EEG 2004 (1. August 2004) bereits in Betreib genommen waren (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich, BT-Drucks. 15/2864, S. 54).

Die im Rahmen des § 21 Abs. 1 EEG 2004 maßgebliche Inbetriebnahme ist in § 3 Abs. 4 EEG 2004 definiert als die erstmalige Inbetriebsetzung der Anlage nach Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft. Anlage ist nach § 3 Abs. 2 EEG 2004 jede selbständige technische Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas.

Wegen der in § 3 Abs. 2 EEG 2004 enthaltenen Begriffsbestimmung, "selbständige technische Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien", war die bis 31. Dezember 2003 ausschließlich als Blockheizkraftwerk betriebene Anlage des Beklagten, die nicht der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien diente, keine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 2 EEG 2004. Das ergibt eine Auslegung nach dem Regelungszweck der §§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 8 EEG 2004 unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs dieser Vorschriften mit § 5 EEG 2004 und des Zwecks des Gesetzes.

Die Vorschriften der §§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 8 EEG 2004 regeln die Bemessung der Vergütungshöhe für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien. Nach dem in § 5 Abs. 1 EEG normierten Ausschließlichkeitsprinzip besteht eine Vergütungspflicht der Netzbetreiber nur für Strom, der in Anlagen gewonnen wird, die ausschließlich erneuerbare Energien einsetzen. Dies setzt voraus, dass die Anlage betriebstechnisch in der Lage ist, Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Erforderlich dafür ist, dass die Anlage über die Einrichtungen zur Gewinnung und Aufbereitung des jeweiligen Energieträgers verfügt. Das ist bei einer Biogasanlage der Fermenter (so auch OLG Oldenburg ZNER 2006, 158 mit Anmerkung Loibl. ZNER 2006, 159). Dementsprechend ist nach der Gesetzesbegründung der Fermenter einer Biogasanlage von dem Anlagenbegriff des § 3 Abs. 2 EEG 2004 miterfasst (vgl. BT-Drucksache 15/2864, S. 30).

Ist eine Anlage betriebstechnisch nicht in der Lage, Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, handelt es sich schon nicht um eine Anlage, die im Sinne des § 21 Abs. 1 EEG 2004 in Betrieb genommen werden kann.

Diese Auslegung entspricht dem in § 1 Abs. 1 und 2 EEG 2004 formulierten Zweck des Gesetzes, insbesondere im Interesse des Klima-, Natur- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, Natur und Umwelt zu schützen, einen Beitrag zur Vermeidung von Konflikten um fossile Energieressourcen zu leisten und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien zu fördern, sowie dazu beizutragen, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2010 auf mindestens 12,5 Prozent und bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Dieser Gesetzeszweck wird nur erreicht, wenn die gesetzliche Mindestvergütung auf Strom beschränkt ist, der unter ausschließlicher Verwendung erneuerbaren Energien erzeugt wird.

Im vorliegenden Fall diente die Anlage des Beklagten bis zum Anschluss des Fermenters nicht der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Erst mit Anschluss des Fermenters wurde die Anlage als Biogasanlage im Sinne der § 3 Abs. 2 und 4, 21 Abs. 1 EEG 2004 in Betrieb genommen. Dass die Anlage des Beklagten schon vor dem 31. Dezember 2003 über einen Fermenter verfügte und technisch zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien bereit war, hat die Klägerin nicht darzulegen vermocht. Der Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass der Fermenter am 16. und 17. Januar 2004 an sein Blockheizkraftwerk angeschlossen worden sei (vgl. eidesstattliche Versicherung, Bl. 65 GA). Die Klägerin hätte darlegen und beweisen müssen - worauf sie, insoweit nicht protokolliert, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11. September 2007 hingewiesen worden ist - dass die Anlage des Beklagten schon vor diesem Zeitpunkt im Jahre 2003 tatsächlich Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt hat. Das hat sie nicht getan. Sie ist vielmehr selbst vorprozessual davon ausgegangen, dass die Anlage des Beklagten bis Ende 2003 mit fossilen Brennstoffen betrieben worden ist, denn sie hat eine Vergütung nach dem EEG erstmals ab 2004 gezahlt.

III.

Die Berufung der Klägerin war damit insgesamt mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Dass die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer Bank erbracht werden kann, ergibt sich aus § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und bedarf keiner Erwähnung im Urteilstenor.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 91.721,53 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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