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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 04.02.2003
Aktenzeichen: 11 UF 371/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1570
BGB § 1578
ZPO § 91
ZPO § 138 III
ZPO § 288
ZPO § 308
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 4
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Ein vor der Ehe vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs für den Fall der Ehescheidung kann nichtig sein, wenn einer der Vertragsschließenden aufgrund der Gesamtumstände den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen konnte.
Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien haben am 10.9.1997 geheiratet. Sie haben ein Kind, L..., geboren am ...2.1998, das bei der Mutter lebt. Diese zog am 29.7.2000 aus der Ehewohnung aus. Am 10.9.1997, den Tag der Hochzeit, hatten die Parteien durch einen notariellen Vertrag ( Bl. 4 ff GA) Gütertrennung vereinbart, insoweit jedoch für den Fall der Scheidung einen nach Ehedauer gestaffelten Vermögensausgleich (höchstens 75.000,00 DM) vereinbart, den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und auf Unterhalt verzichtet mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB für die Ehefrau. Durch das angefochtene Urteil schied das Amtsgericht die Ehe, stellte fest, ein Versorgungsausgleich finde nicht statt, und verurteilte den Antragsteller zur Zahlung monatlichen Elementarunterhalts in Höhe von 968,50 DM und Altersvorsorgeunterhalts in Höhe von 262,19 €. Hiergegen wandten sich zunächst beide Parteien mit ihren Berufungen. Der Antragsteller nahm allerdings seine Berufung zurück und hat nunmehr Anschlussberufung eingelegt.

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin, die sich gegen den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und gegen die (ihrer Meinung nach zu niedrige) Verurteilung zu Ehegattenunterhalt wendet, ist zulässig und zum Teil begründet.

a. Ehegattenunterhalt

i. Ehegattenunterhalt ist nach § 1570 BGB geschuldet, weil die Antragsgegnerin das gemeinsame Kind der Parteien L..., geboren am ...2.1998, also demnächst 5 Jahre alt, betreut. Auch nach dem notariellen Vertrag ist dieser Unterhaltsanspruch nicht von dem vereinbarten Unterhaltsverzicht umfasst. Soweit der Antragsteller meint, wegen der vertraglichen Vereinbarung habe das Amtsgericht keinen Altersvorsorgeunterhalt ausurteilen dürfen, ist das unrichtig. Altersvorsorgeunterhalt ist unselbstständiger Teil des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs ( Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl. Rdnr. 350,364; Gutdeutsch in Wendl/ Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 4 Rdnr. 456), kein selbstständiger Anspruch. In der notariellen Vereinbarung heißt es im Übrigen ausdrücklich, die Höhe des Unterhalts richte sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die maßgebliche Bestimmung ist hier § 1578 BGB, der in seinem Abs. 4 gerade bestimmt, dass auch die Kosten einer angemessenen Altersversorgung zum Lebensbedarf gehören.

ii. Der nacheheliche Unterhalt ist ab Rechtskraft der Scheidung geschuldet. Diese trat mit Ablauf des 12. September 2002 ein. Die Berufungsbegründung wurde nämlich am 12. August 2002 zugestellt. (vgl. § 629a Abs.3 ZO)

iii. Die ehelichen Lebensverhältnisse wurden geprägt durch das Einkommen des Antragstellers, das geringfügige Einkommen der Antragsgegnerin, das mietfreie Wohnen im eigenen Haus und schließlich die Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Kind.

iv. Das Einkommen des Antragstellers ist in der Tat, wie die Antragsgegnerin vorträgt, völlig ungeklärt. Deshalb ist hier von dem Einkommen auszugehen, welches die Antragsgegnerin unterstellt. Zwar ist es im Grundsatz, weil sie Unterhaltsansprüche geltend macht, ihre Sache, ihren Bedarf und damit auch die ehelichen Lebensverhältnisse darzulegen.Allerdings hat der Antragsteller als jedenfalls zum Teil Selbstständiger dabei mitzuwirken und behauptetes Einkommen durch substantiierten Vortrag konkreter Tatsachen zu bestreiten. Ein bloßes Bestreiten ohne die nach den Umständen erforderliche Substantiierung ist unwirksam und zieht die Geständnisfiktion des § 138 III ZPO nach sich (vgl. Wendl/Staudigl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1 Rdnr. 148). Er ist "- trotz bestehender Schwierigkeiten - unterhaltsrechtlich verpflichtet, sein Gewinneinkommen im einzelnen so darzustellen, dass die steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Aufwendungen und Vermögensmehrungen von solchen abgegrenzt werden können, die unterhaltsrechtlich bedeutsam sind" (so schon BGH, FamRZ 1980, 770). Außerdem ist bei verschiedenen Einkunftsarten jede im Einzelnen darzulegen. Der Antragsteller beschränkt sich darauf, Einkünfte als Geschäftsführer der S...-M....-B.. GmbH zu behaupten, nicht aber zu belegen. Zu sonstigen Einkünften aus anderen Firmen, die er zumindest betrieben hat, macht er keinerlei Angaben. In der mündlichen Verhandlung legt er eine betriebswirtschaftliche Auswertung zum Juli 2002 der S...-M....-B.. GmbH vor und kündigt im Übrigen an, er müsse wahrscheinlich Insolvenzantrag stellen. Weitergehend werden die Einkommensverhältnisse auch jetzt nicht belegt. Ein derartiger Vortrag genügt fraglos nicht den Anforderungen an eine geordnete, nachvollziehbare Darstellung der Einnahmen und Ausgaben. Es ist deshalb nach den oben dargelegten Grundsätzen das Einkommen zu unterstellen, das die Antragstellerin behauptet. Sie geht dabei vom in den Einkommenssteuerbescheiden der Jahre 1997 bis 1999 zugrunde gelegten Bruttoeinkommen aus. Bei der Berechnung dieses Einkommens (vgl. die Antragsschrift vom 19.10. 2001, Bl 4 UE) sind bereits Versicherungsbeträge von jährlich über 18.000,00 DM berücksichtigt; damit sind die Beiträge zur Alters- und Krankenversicherung des Antragstellers abgegolten, jedenfalls soweit und solange dieser einerseits sein Einkommen, andererseits die konkreten Aufwendungen nicht im Einzelnen darlegt.

v. Unstreitig tilgt der Antragsteller Schulden der Antragsgegnerin in Höhe von monatlich 500,00 DM, weil er aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch genommen wird.

vi. Die - geringfügigen- Einkünfte der Antragstellerin in Höhe von 570,00 DM sind ebenfalls eheprägend. Sie sind im Grundsatz nicht überobligatorisch. Allerdings ist wegen der Betreuung des Kindes ein Betreuungsbonus zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm, NJW 2003, 223), den der Senat mit 100,00 DM annimmt.

vii. Abzusetzen ist der Kindesunterhalt, den der Antragsteller nach seinen Einkünften tatsächlich schuldet.

viii. Zu berücksichtigen ist ebenfalls der Wohnwert des vom Antragsteller alleine bewohnten Hauses. Nach Rechtskraft der Scheidung ist grundsätzlich der Marktmietwert der Immobilie als solcher maßgebend, nicht lediglich ein angemessener Mietwert wie während der Trennungszeit, wenn einer der Ehepartner auszieht und die Wohnung für den anderen zu groß ist(vgl. BGH FamRZ 1998, 899). Kann der Verpflichtete nicht gleichzeitig weiter dort wohnen und teilweise vermieten, ist gegebenenfalls eine Vollvermietung erforderlich oder gar eine Veräußerung des Objekts (Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl. Rdnr. 776, m.w.N., insbesondere BGH FamRZ 2000, 950). Allerdings kann der für den Trennungsunterhalt geltende Grundgedanke durchaus auch beim nachehelichen Unterhalt Anwendung finden zumindest für die Zeit unmittelbar nach der Scheidung. Das setzt aber voraus, dass es dem Verpflichteten nicht möglich oder zumutbar ist, die Wohnung möglichst ertragreich zu nutzen oder zu verwerten Hierzu hat der Antragsteller, was seine Sache wäre, nichts vorgetragen, auch nicht, ob er alleine oder gegebenenfalls mit einer Lebensgefährtin im Hause wohnt. Deshalb ist hier vom Marktmietwert auszugehen. Das Amtsgericht hat einen Mietwert von 2.500,00 DM angenommen. Das scheint dem Senat für den kleinen Ort O....., auch wenn es sich um ein großes und repräsentatives, andererseits nach den vorgelegten Lichtbildern noch nicht vollständig fertig gestelltes (fehlender Verputz, keine Außenanlagen) Anwesen handelt, zu hoch gegriffen. Nach Schätzung des Senats (§ 287 ZPO) ist ein Betrag von 2.000,00 DM angemessen. Zugestanden im Sinne von § 288 ZPO hat die Antragsgegnerin in 1. Instanz monatliche Unkosten (verbrauchsunabhängige Nebenkosten und Annuitäten) von 500,00 DM; diese wurden von ihr so vorgetragen (Bl. 5 UE); es wurde darüber verhandelt. Die Voraussetzungen für einen Widerruf des Geständnisses sind nicht vorgetragen. Andererseits sind höhere Unkosten vom Antragsteller nur behauptet, bestritten und nicht belegt und deshalb nicht zu berücksichtigen. Deshalb ist von einem Nettowohnwert von 1.500,00 DM (rund 770,00 €) auszugehen.

ix. Es ergibt sich dann folgende Berechnung:

Unterstelltes Einkommen des Antragstellers 8.000,00 DM

Das entspricht 4.090,34 €

Abzüglich pauschale berufsbedingte

Aufwendungen ( wie Antragsgegnerin) 150,00 €

bleiben 3.940,34 €

zuzüglich Wohnwert 770,00 €

zusammen 4.710,34 €

abzüglich Zahlungen auf Bürgschaft 255,65 €

bleiben 4.454,69 €

Das entspricht Gruppe 11 der Düsseldorfer Tabelle, Stand

1.1.2002 und einem Kindesunterhalt in Altersstufe 1

von 376,00 €

Die Antragsgegnerin hat ein Einkommen von 570,00 DM

abzüglich Betreuungsbonus von 100,00 DM

bleiben 470,00 DM

oder 240,31 €.

Abzüglich eines Berufsbonus von 1/7 rund 206,00 €.

Nach Abzug des Kindesunterhalts und der Zahlungen aus der Bürgschaft verbleiben dem Antragsteller aus seinem Erwerbseinkommen rund (3.940 - 256 - 376) 3.308,00 €,

nach Abzug eines Berufsbonus aus dem anteilig geminderten Erwerbseinkommen

1/7x (3940 - (256+376)x 4940:4711) 487,00 €.

Bleiben 2.821,00 €.

Zum Einkommen hinzuzurechnen ist zur Bedarfsermittlung der Wohnwert von 770,00 €.

Es ergibt sich ein Bedarf der Antragsgegnerin von

(770,00 + 2.821,00 + 206,00) : 2 = 1.899,00 €,

der gedeckt ist in Höhe von 206,00 €;

es bleiben (vorläufig) 1.693,00 €.

Hieraus errechnet sich ein Altersvorsorgeunterhalt für 2002 von

1.693,00 x 146% x 19,1 % = 472,00 €

für 2003 von

1.693,00 X 146% x 19,5 % 482,00 €.

Es errechnet sich dann ein endgültiger Elementarunterhalt für 2002 wie folgt:

Verbleibendes Erwerbseinkommen nach Abzug des Altersvorsorgeunterhalts (3.940 - 256 - 376 - 472) 2.836,00 €

abzüglich Berufsbonus

1/7 x (3.940 - ( 256+376+472)x3940: 4711))= 431,00 €

Es bleiben 2.405,00 €.

Das Gesamteinkommen beträgt dann

2.405,00 + 770,00 + 206,00 = 3.381,00 €

Der Bedarf entspricht der Hälfte hiervon 1.691,00 €

Er ist gedeckt in Höhe von 206,00 €

Es bleiben 1.485,00 €.

Für das Jahr 2003 gilt Folgendes:

Verbleibendes Erwerbseinkommen nach Abzug des Altersvorsorgeunterhalts (3.940 - 256 - 376 - 482) 2.826,00 €

abzüglich Berufsbonus

1/7 x (3.940 - ( 256+376+482)x3940: 4711))= 430,00 €

Es bleiben 2.396,00 €.

Das Gesamteinkommen beträgt dann

2.396,00 + 770,00 + 206,00 = 3.372,00 €

Der Bedarf entspricht der Hälfte hiervon 1.686,00 €

Er ist gedeckt in Höhe von 206,00 €

Es bleiben 1.480,00 €.

Soweit die Antragsgegnerin für 2003 ausgehend von der vorläufigen Berechnung des Senats, die der Prozesskostenhilfebewilligung zugrunde lag, eine geringfügig andere Aufteilung zwischen Elementarunterhalt und Altersvorsorgeunterhalt beantragt hat, kann das - ohne Verstoß gegen § 308 ZPO - korrigiert werden, weil es sich beim Altersvorsorgeunterhalt, wie ausgeführt, nur um einen nicht selbständigen Teil des einheitlichen Unterhaltsanspruchs handelt (Gutdeutsch in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. § 4, Rdnr.462).

b. Versorgungsausgleich

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs in der notariellen Urkunde vom 10. September 1997 ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts unwirksam. Das Amtsgericht durfte deshalb nicht ohne Durchführung weiterer Ermittlungen zu den während der Ehezeit erworbenen Anrechten der Beteiligten feststellen, der Versorgungsausgleich finde nicht statt. Die Sache ist insoweit in entsprechender Anwendung von § 538 Abs.2 Nr 4 ZPO an das Amtsgericht zurück zu verweisen, das die fehlenden Feststellungen nachzuholen hat.

Grundsätzlich kann in einem Ehevertrag der Versorgungsausgleich insgesamt ausgeschlossen werden (§ 1408 Abs.2 BGB). Der Ausschluss ist in jedem Falle unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragschluss Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Scheidungsantrag wurde erst am 22. August 2001 zugestellt.

Unabhängig davon können Eheverträge aber auch nach den zivilrechtlichen Generalklauseln nichtig (§ 138 Abs.1 BGB) oder zumindest über § 242 BGB zu korrigieren sein. Grundsätzlich gilt aber auch für Vereinbarungen unter Eheleuten der Grundsatz der Privatautonomie. Jedoch setzt der Schutz der staatlichen Ordnung, der für Ehe und Familie in Art. 6 Abs.1 GG ausdrücklich verbürgt ist, eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus (BVerfGE 31, 58, 69). Verfassungsrechtlich geschützt ist deshalb eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen (BVerfGE 37, 217, 249 ff). Wenn aus einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Leistungen und erheblich ungleichen Verhandlungspositionen ersichtlich ist, dass einer der Partner den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen konnte, sind die Gerichte zur Korrektur im Sinne der Wahrung der Grundrechte beider Parteien aufgerufen (BVerfG FamRZ 2001, 343 mit Anm. Schwab). Der Vertragsfreiheit sind dort Grenzen gesetzt, " wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt" (BVerG, a.a.O.). Das bedeutet, in derartigen Fällen gestörter Vertragsparität ist es Aufgabe der Gerichte, "über zivilrechtliche Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren".

Gemessen an diesen Grundsätzen hält der Ausschluss des Versorgungsausgleichs einer Inhaltskontrolle nicht stand.

Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( BVerfG, FamRZ 2001, 343) eine besondere richterliche Inhaltskontrolle erforderlich, wenn "ein Ehevertrag eine erkennbar einseitige Lastenverteilung zu Ungunsten der Frau" enthält und er "vor der Ehe und im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft geschlossen" wurde.

"Eine Situation von Unterlegenheit ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine nicht verheiratete schwangere Frau sich vor die Alternative gestellt sieht, in Zukunft entweder allein für das erwartete Kind Verantwortung und Sorge zu tragen oder durch Eheschließung den Kindesvater in die Verantwortung einzubinden, wenn auch um den Preis eines mit ihm zu schließenden, sie aber stark belastenden Ehevertrages. Ihre Verhandlungsposition wird hier geschwächt sein durch die tatsächliche Lage, in der sie sich befindet, durch ihre Rechtsstellung als ledige Mutter und insbesondere durch das Bemühen um die Sicherung der eigenen Existenz und der des erwarteten Kindes." (BVerfG, a.a.O.)

Das Bundesverfassungsgericht stellt in diesem Zusammenhang auf mehrere Gesichtspunkte ab. Einmal bedeute Schwangerschaft für jede Frau einen "existenziellen Umbruch in ihrem Leben". Darüber hinaus bestünden "auch heute noch gesellschaftliche und soziale Zwänge, auf Grund derer sich eine werdende Mutter - nicht zuletzt auch gegenüber dem Kind - für ihre Nichtheirat unter Rechtfertigungsdruck fühlen kann". Hinzu komme "für die nicht verheiratete Schwangere die Gewissheit, die alleinige Verantwortung und Sorge für das Kind tragen zu müssen" bei gleichzeitig auch heute noch nur eingeschränktem Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater (vgl. § 1615 l BGB, der nicht vergleichbar ist mit der unterhaltsrechtlichen Absicherung verheirateter Frauen). Besonders gravierend sei in der Regel die ökonomische Perspektive für Mütter nichtehelicher Kinder. Diese besondere und schwierige Situation nicht verheirateter Schwangerer wirke sich auf die Gegebenheiten bei Abschluss eines Ehevertrages aus. Gerade wegen ihrer Sorge auch um die Zukunft des Kindes und unter dem Druck der bevorstehenden Geburt befinde sich die Schwangere typischerweise in einer dem Vertragspartner gegenüber weit unterlegenen Position(vgl. zum Ganzen, BVerfG, a.a.O.).

Allerdings bedeutet dies nicht, dass bei derartigen Eheverträgen generell von einem Ungleichgewicht zu Lasten der Schwangeren auszugehen ist; Schwangerschaft bei Abschluss eines Ehevertrages ist aber ein starkes Indiz für eine vertragliche Disparität. Maßgebend sind daneben die jeweilige Vermögenslage der Partner, ihre berufliche Qualifikation und Perspektive sowie die von ihnen beabsichtigte Ehekonstellation, insbesondere die Frage, wer in welchem Umfang am Erwerbsleben teilnehmen und wer sich der Familienarbeit widmen soll.

Die Antragsgegnerin entstammt nach dem Vortrag des Antragstellers eher "einfachen Verhältnissen", während es sich bei ihm um eine sog. "gute Partie" gehandelt haben soll (Schriftsatz vom 12.01.2001, S.2; Bl. 27 GA). Welche Ausbildung der Antragsteller hat, ist nicht bekannt; er verdiente jedenfalls zum Zeitpunkt der Eheschließung und danach überdurchschnittlich gut. Geplant war, dass die Antragsgegnerin, die als Friseurin nur über ein geringes Einkommen verfügte, sich im Wesentlichen Haushalt und Kinderbetreuung widmen sollte. Das heißt, die Antragsgegnerin sah sich in der Situation, nach Geburt des Kindes ihren ohnehin mäßig bezahlten Beruf zunächst nicht mehr ausüben zu können, gleichzeitig aber für dieses sorgen zu müssen und gegebenenfalls Unterhaltsansprüche geltend machen zu müssen. Sie befand sich damit durchaus in der Situation der "Unterlegenen".

Wenn "der Inhalt des Ehevertrages eine solche Unterlegenheitsposition der nicht verheirateten Schwangeren zum Ausdruck bringt, wird die Schutzbedürftigkeit offenkundig. Dies ist der Fall, wenn der Vertrag die Schwangere einseitig belastet und ihre Interessen keine angemessene Berücksichtigung finden" (vgl. BVerfGE 89, 214 ). Je mehr Rechte abbedungen sind, desto stärker ist die Vermutung für die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages. Dabei kann das Eheversprechen diese einseitige Belastung nicht aufwiegen, wie der Antragsteller in der Tendenz meint, wenn er ausführt, die Antragsgegnerin habe gewusst, dass der Antragsteller sie ohne die vertraglichen Vereinbarungen nicht heiraten werde. Denn: "In ihrer Entscheidung, ob sie eine Ehe eingehen wollen, sind die Vertragspartner frei. Entschließen sie sich dafür, bringt die Ehe beiden Rechte wie auch Pflichten und verteilt sie gleichermaßen auf Mann und Frau, deren Leistungen, die sie füreinander erbringen, gleichrangig sind (vgl. BVerfGE 37, 217 ).

Der Vertrag benachteiligt die Antragsgegnerin in unangemessener Weise. Der Versorgungsausgleich wird ausgeschlossen, was bei der für die Ehe vorgesehenen Rollenverteilung, bei der die Ehefrau keine eigene Altersversorgung erwerben kann, besonders gravierend ist. Ebenso wird Gütertrennung vereinbart und damit ein Ausschluss des Zugewinnausgleichs, der nur allerdings in gewisser Weise durch die gestaffelte Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen je nach Ehedauer, höchstens 75.000,00 DM kompensiert wird. Zudem wird - mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB - jeder andere Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, also gerade auch solche nach §§ 1572 und 1573 BGB. D.h. die Antragsgegnerin begibt sich mit diesem Vertrag eines wesentlichen Teils ihrer Rechte.

Hinzu kommen die besonders merkwürdigen Umstände des Vertragsschlusses, dass dieser nämlich am Tage der Hochzeit geschlossen wurde, vor der standesamtlichen Trauung und den Hochzeitsfeierlichkeiten. Für die Antragsgegnerin war dabei "von Anfang an klar, dass der Antragsteller auf dem Abschluss des Ehevertrages bestehen werde (Schriftsatz des Antragstellers vom 12.Januar 2001, S.2 , Bl. 27 GA). D.H. sie wurde zusätzlich massiv unter Druck gesetzt, weil sie nämlich befürchten musste, bei einer Weigerung, den Vertrag zu unterzeichnen würde der Antragsteller die Hochzeit "platzen" lassen mit allen damit zusammenhängenden gesellschaftlich extrem unangenehmen Folgen.

Hier kommen also zu dem die Antragstellerin benachteiligenden Vertragsinhalt, der für sich genommen nach Auffassung des Senats das Verdikt der Sittenwidrigkeit allerdings noch nicht rechtfertigte, die grundsätzliche, durch die Schwangerschaft bedingte Zwangssituation und zusätzlich der erhöhte Druck durch die Terminswahl zusammen. All dies zusammengenommen macht nach den oben dargelegten Kriterien den Ausschluss des Versorgungsausgleichs (über die sonstigen Vereinbarungen ist hier nicht zu entscheiden) im notariellen Vertrag sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 Abs.1 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; obwohl die Sache teilweise zurückverwiesen wird (vgl. Zöller-Herget, ZPO; 23. Aufl. Rdnr. 7 ff. zu § 97), hat die Berufung - das steht jetzt schon fest - in vollem Umfang Erfolg. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr.10, 711, 713 ZPO.

Streitwert: 500,00 € (Versorgungsausgleich)+ ( 1485,00 € + 480,00 € -331,83 €) x 12 = 20.098,04 €

Ende der Entscheidung

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