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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 20.12.2002
Aktenzeichen: 11 UF 825/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 138 III
ZPO § 543 Abs.1 a.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
BGB § 1570
BGB § 1579 Nr. 1
BGB § 1579 Nr. 1, 2 Halbsatz
BGB § 1579 S. 1 HS. 1
BGB § 1579 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes URTEIL

abgekürzt nach § 543 Abs.1 ZPO a.F.

Geschäftsnummer: 11 UF 825/01

Verkündet am 20. Dezember 2002

in der Familiensache

wegen Ehegattenunterhalts

Der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Haupert und Dr. Koch

auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Mainz vom 5. Dezember 2001 teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende monatliche Unterhaltsbeträge zu zahlen

- von Oktober bis Dezember 1999 2.676,00 DM

Es wird festgestellt dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an die Beklagte höhere monatliche Unterhaltsbeträge zu zahlen als

- Von Januar 2000 bis Juni 2001 1.410,00 DM

- Von Juli bis Dezember 2001 1.570,00 DM

- Von Januar 2002 bis Juli 2003 801,00 €

- Von August 2003 bis Januar 2005 111,00 €,

- Ab Februar 2005 0,00 €

Die weitergehende Klage, sowie die weitergehende Widerklage werden abgewiesen, soweit das Amtsgericht nicht bereits hierüber durch Teilurteile vom 23.5.1997 und vom 23.7.1997 entschieden hat.

2. Die Berufungen im Übrigen werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten 1. Instanz trägt die Beklagte zu 3/5, der Kläger zu 2/5.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien haben im März 1987 geheiratet. Sie haben zwei Kinder, C......... geboren am ... August 1987, und N....... geboren am ... Februar 1989. Durch Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 2. März 1992 wurde die Ehe geschieden, die elterliche Sorge für beide Kinder wurde dabei der Beklagten übertragen. Der Kläger hat aus einer anderen Verbindung noch eine weitere Tochter, A...... geboren am ...10.1983.

Im Scheidungsverfahren wurde dem Kläger durch einstweilige Anordnung vom 24. Februar 1992 aufgegeben, monatlichen Elementar-, Krankheits-, und Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von insgesamt 2.255,00 DM an die Beklagte und Kindesunterhalt von jeweils 495,00 DM zu zahlen.

Der Kläger erhob im vorliegenden Verfahren zunächst Klage, mit der er im Wesentlichen zum einen begehrte, die Zwangsvollstreckung aus dieser einstweiligen Anordnung wegen zweier von ihm gezahlter Beträge über 10.000,00 DM und 4.000,00 DM für unzulässig zu erklären, zum anderen ging es um die Feststellung, wer die Kosten der jeweiligen Überweisungen aus der Schweiz zu tragen habe. Die Beklagte erhob Widerklage in Form einer Stufenklage auf nachehelichen Unterhalt. Durch Teilurteil vom 21. Mai 1997 gab das Amtsgericht der Klage zum Teil statt und wies sie im Übrigen ab. Nach einem Teilanerkenntnisurteil zur Auskunftsstufe der Widerklage vom 23.7.1999 machte die Beklagte nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 5.945,36 DM geltend. Gleichzeitig begehrt sie noch Kindesunterhalt für beide Kinder, nahm aber die Widerklage insoweit nach einem gerichtlichen Hinweis zurück. Der Kindesunterhalt ist in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht, das in der Berufungsinstanz ebenfalls vor dem Senat anhängig ist (11 U 824/01). Im Wege der Widerklage beantragte der Kläger schließlich, die einstweilige Anordnung bezüglich des Ehegattenunterhalts aufzuheben und die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.

Durch das angefochtene Urteil verurteilte das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von Ehegattenunterhalt ab Juli 2001 in unterschiedlicher Höhe und wies die weitergehende Widerklage und die Widerwiderklage, letztere als unzulässig, ab.

Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. Die Beklagte begehrt höheren Unterhalt, der Kläger die Feststellung, er sei der Beklagten ab April 1997 - nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet.

II.

Die Berufungen sind in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie haben sachlich jeweils zum Teil Erfolg.

1. Der Kläger wendet sich zu Recht mit einer negativen Feststellungsklage gegen die einstweilige Anordnung, mit der er zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verurteilt wurde. Allerdings, soweit die Beklagte ihrerseits - ab Oktober 1999 - bezifferte Unterhaltsansprüche geltend macht, fehlt vom Grundsatz her das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage (vgl. etwa Thalmann in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. § 8 Rdnr. 191; Kamm in Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 9. Aufl., Rdnr. 7084). Der Senat deutet jedoch den Antrag - entsprechend seinem Ziel - für die Zeit, ab der bezifferter Unterhalt geltend gemacht wird, in einen Klageabweisungsantrag um.

2. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ergibt sich im Grundsatz aus § 1570 BGB. Sie betreut die beiden gemeinsamen Kinder, den jetzt fünfzehnjährigen C........ und die jetzt dreizehnjährige N........ Allerdings kann sie vom Alter der Kinder her sich nicht weiter durchgehend darauf berufen, sie treffe keinerlei Erwerbsobliegenheit. Dies hat das Amtsgericht zu Recht angenommen. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Betreuung G........s sei so zeitaufwendig, dass sie daneben keine Berufstätigkeit mehr ausüben könne. Sicherlich erfordert C........ als Allergiker einen höheren Betreuungsaufwand als völlig gesunde Kinder. Andererseits besucht er eine normale Schule und erbringt dort gute Leistungen; er ist Mitglied in einem Sportverein. Von daher ist die Beklagte bereits einen Teil des Tages entlastet. Mit zunehmendem Alter konnte er und kann er - und es ist für ihn äußerst wichtig, dass dies auch geschieht - einen Teil der anfallenden, mit seiner Erkrankung zusammenhängenden Aufgaben selbst erledigen. Die Beklagte schildert in der Anlage zum Schriftsatz vom 9.12.2002 ihren Tagesablauf. Hieraus wird zum Einen fraglos eine gewisse Mehrbelastung durch die Erkrankung C........S deutlich, zum Anderen und im Wesentlichen ist ein derartiger Ablauf jedoch völlig normal für Eltern die zwei schulpflichtige Kinder haben, und von diesen wird ohne weiteres aus unterhaltsrechtlicher Sicht eine Erwerbstätigkeit erwartet. Deshalb trifft die Beklagte ab Beginn des Jahres 2000 eine Erwerbsobliegenheit, zunächst von wenigen Stunden. Ab Vollendung des vierzehnten Lebensjahres von N....... und dem Ende des dann laufenden Schuljahres hat sie diese Tätigkeit zu einer Halbtagstätigkeit auszuweiten und ab Vollendung des 16. Lebensjahres zu einer Ganztagstätigkeit. Der Senat geht davon aus (§ 287 ZPO), dass sie zunächst ab dem Jahr 2000 500,00 DM hätte hinzu verdienen können, dass ab August 2003 ein Verdienst von zumindest 900,00 € möglich ist und ab Februar 2005 ein solcher von zumindest 2.000,00 €. Die Beklagte ist Diplom Betriebswirtin und hat zudem - unstreitig - ein Aufbaustudium Kommunikationsdesign abgelegt. Soweit sie jetzt in dem auch insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vorträgt, sie habe wegen der Heirat ihr Studium abgebrochen, widerspricht das dem bisher unstreitigen Sachverhalt und steht überdies im Widerspruch zur Heiratsurkunde, in der sie als Diplom-Betriebswirtin tituliert ist.

3. Die ehelichen Lebensverhältnisse waren geprägt vom Erwerbseinkommen des Klägers und der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern,

a. Dabei ist das recht hohe Einkommen, das der Beklagte zuletzt bei der S........ Bank, bei der er angestellt war, erzielte durchaus als eheprägend anzusehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Stellung des Klägers und das hiermit verbundene Einkommen auf einer außergewöhnlichen, vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhen. Auch bei einem Fortbestand der Ehe wäre eine derartige berufliche Karriere zu erwarten gewesen. Der Kläger verdiente bereits 1987 bei der Fa. S....... bei der er im August 1984 angestellt worden war, brutto 6.200,00 DM. Das Gehalt wurde in mehreren Schritten bis April 1990 auf 7.420,00 DM erhöht (Bl. 4 ff Anlagenhefter zur Berufungsbegründung). Der Kläger wechselte dann im Juli 1990 zur S.............. Bankgesellschaft, erhielt hier brutto 9.530,00 Sfr. und erzielte 1991 ein Jahresbruttoeinkommen von 127.200,00 Sfr. Dies sind zwar deutliche Gehaltssprünge, die jedoch bei der Ausbildung des Klägers als Diplom Volkswirt und der Art seiner Tätigkeit im mittleren Management, gerade auch verbunden mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes als durchaus typisch angesehen werden können. Die weitere Entwicklung des Einkommens bei der S.............. Bankgesellschaft bis zu Einkünften von zuletzt monatlich 12.773,00 Sfr. wird vom Kläger selbst als nicht außergewöhnlich bezeichnet (Schriftsatz vom 30.8.2002, Bl. 528 GA).

b. Nun wurde dem Kläger allerdings zum 30. Juni 1999 gekündigt und er hat sich danach selbstständig gemacht. Ob ihm dies in irgendeiner Weise vorzuwerfen ist, wie die Beklagte behauptet, mit der Folge, dass ihm sein früheres Einkommen weiter zuzurechnen wäre, kann dahinstehen. Denn er hat sein aktuelles Einkommen nicht dargelegt. Deshalb ist für die Zeit ab Juli 1999 von dem Einkommen auszugehen, welches das Amtsgericht in seinem Urteil unterstellt hat. Zwar ist es im Grundsatz Sache der Beklagten, die Unterhaltsansprüche geltend macht, ihren Bedarf und damit auch die ehelichen Lebensverhältnisse darzulegen. Das gilt auch im Rahmen der negativen Feststellungsklage. Hier ist die Darlegungs- und Beweislast verteilt wie bei der Leistungsklage umgekehrten Rubrums. Das heißt, die Beklagte muss die Voraussetzungen ihres Anspruchs im Einzelnen dartun (Thalmann in Wendl/ Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 8 Rdnr. 195). Allerdings hat der Beklagte als Selbstständiger dabei mitzuwirken und behauptetes Einkommen durch substantiierten Vortrag konkreter Tatsachen zu bestreiten. Ein bloßes Bestreiten ohne die nach den Umständen erforderliche Substantiierung ist unwirksam und zieht die Geständnisfiktion des § 138 III ZPO nach sich (vgl. Wendl/Staudigl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1 Rz. 148). Er ist "- trotz bestehender Schwierigkeiten - unterhaltsrechtlich verpflichtet, sein Gewinneinkommen im einzelnen so darzustellen, dass die steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Aufwendungen und Vermögensmehrungen von solchen abgegrenzt werden können, die unterhaltsrechtlich bedeutsam sind" (so schon BGH, FamRZ 1980, 770). Außerdem ist bei verschiedenen Einkunftsarten jede im Einzelnen darzulegen. Der Kläger beschränkt sich darauf, die Gründung eines eigenen Unternehmens vorzutragen und auszuführen, dieses arbeite nicht erfolgreich; er habe bisher erst einen Auftrag erhalten. Es wird nicht einmal näher erläutert, welcher Art seine Tätigkeit ist. Ein derartiger Vortrag genügt fraglos nicht den Anforderungen an eine geordnete, nachvollziehbare Darstellung der Einnahmen und Ausgaben; davon kann auch der Kläger selbst nicht ausgehen, Offen ist ebenfalls, ob er noch sonstige Einkünfte, etwa aus Kapitalvermögen hat, was nahe liegt, den er besaß Aktien in unbekannter Menge. Auch hier beschränkt er sich darauf, vorzutragen, welche Aktienpakete er veräußert hat und welche Ausgaben er hatte, so beispielsweise die Kapitalanlage für die Tochter A..... zwecks Abdeckung von Unterhaltsansprüchen. Wie unklar der Kläger seine finanzielle Situation bewusst lässt, wird besonders deutlich aus den zuletzt mit - nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.12.2002 vorgelegten Bescheiden über Staats- und Gemeindesteuern. Hier fällt auf, dass zunächst beide Abrechnungen vorangegangene ersetzen, die jedoch nicht mitgeteilt werden. Des Weiteren erfährt man nicht, ob es sich um eine endgültige Festsetzung oder um eine "Einschätzungsmitteilung" handelt. Im Übrigen erzielte der Beklagte für 2001 ein Einkommen von 17.000 Sfr, wo er doch nach seinem Vortrag eigentlich überhaupt nichts hätte verdienen dürfen.

c. Es ist deshalb nach den oben dargelegten Grundsätzen das Einkommen zu unterstellen, das das Amtsgericht zugrunde gelegt hat und von dem auch die Beklagte in der Berufungsinstanz ausgeht. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob das Amtsgericht das Ausgangseinkommen, von dem aus es zu seiner Schätzung gelangte, richtig ermittelt hat. Macht die Beklagte sich insoweit die Ausführungen des Amtsgerichts zu eigen, so ist das im obigen Sinne ausreichender Vortrag, den der Kläger durch substantiiertes Behaupten konkreter Tatsachen zu bestreiten gehabt hätte. Daran fehlt es, wie oben dargelegt. Entsprechendes gilt auch für die Jahre 1997 und 1998; hier war der Kläger noch bei der U., angestellt; er hat aber seine Einkünfte, insbesondere auch seine sonstigen Einkünfte (Kapitalvermögen) nicht dargelegt und keine Verdienstbescheinigungen vorgelegt. Deshalb unterstellt der Senat auch hier ein Einkommen von 10.000,00 DM.

d. Bei dieser Konstellation kann auch dahinstehen, wie es sich derzeit mit der generellen Arbeitsfähigkeit des Klägers verhält, weil nämlich die tatsächlichen Einkünfte nicht geklärt sind. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, ja nicht einmal unwahrscheinlich, dass jemand, der aktuell arbeitsunfähig ist, aus einem selbstständigen Unternehmen Einkünfte erzielt. Der Senat hält unabhängig davon die Ausführungen des Amtsgerichts hierzu für zutreffend, soweit es dem Kläger entgegenhält, er habe nichts unternommen, um seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Dass eine Besserung möglich wäre, wenn der Kläger sich nur in Therapie begeben hätte, folgt auch nach Meinung des Senats eindeutig aus dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten. Wenn der Kläger nun behauptet, gerade dazu sei er - krankheitsbedingt - nicht in der Lage gewesen, ist das nicht nachvollziehbar angesichts der Energie, die er in diesem Verfahren (und im Parallelverfahren) darauf verwendet, von seinen Unterhaltspflichten loszukommen. So hat er das erstinstanzliche Verfahren über mehrere Jahre im Wesentlichen selbst geführt mit ausführlichem, präzisen, zielgerichtetem und keineswegs defensivem Schriftverkehr (vgl. zuletzt noch die ausführliche dreizehnseitige Stellungnahme vom 7. November 2001).

4. Der Bedarf der Beklagten ist nicht teilweise dadurch gedeckt, dass sie mietfrei in einer von ihren Eltern zur Verfügung gestellten Wohnung lebt, wie der Kläger behauptet. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, stellte sich die Überlassung der Wohnung als Zuwendung der Eltern an ihre Tochter dar, die nicht den Sinn hat, den Kläger von seiner Unterhaltsverpflichtung zu entlasten.

5. Der Anspruch der Beklagten ist jedoch teilweise verwirkt im Sinne des § 1579 Nr.1 BGB.

a. Nach dieser Vorschrift kann der Unterhaltsanspruch versagt, herabgesetzt oder begrenzt werden, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil die Ehe von kurzer Dauer war. Entgegen dem Wortlaut des § 1579 Nr. 1, 2 Halbsatz BGB sind dabei die Zeiten der Kindererziehung nicht in die Ehezeit einzubeziehen, weil ansonsten die Vorschrift, soweit Kinder vorhanden sind, weitgehend leer liefe (vgl. BVerfG, NJW 1989, 2807); die Belange gemeinschaftlicher Kinder sind (erst) im Rahmen der umfassenden Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, für die Ehedauer komme es allein auf einerseits das Datum der Eheschließung (6.März 1987), andererseits die Zustellung des Scheidungsantrags an (1. Juli 1991; vgl. Bl. 8 der Akten 461/91 - AG Mainz). Zunächst sind die Voraussetzungen des Härtetatbestandes des § 1579 Nr.1 BGB zu prüfen, bevor unter Beachtung der Kriterien des § 1579 S. 1 HS. 1 BGB zu entscheiden ist, inwieweit eine Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig ist (BGH FamRZ 1999, 710).

b. Der Bundesgerichtshof hat als maßgebliches Kriterium grundsätzlich auf das Maß der Verflechtung der beiderseitigen Lebensdispositionen abgestellt und den Grad der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Unterhaltsbedürftigen von dem anderen Ehegatten (BGH, a.a.O.) und dabei festgehalten, von einer "entsprechenden ehelichen und unterhaltsrechtlichen Situation" könne erst nach einer gewissen Ehedauer ausgegangen werden, für die sich "im Grunde keine festen, abstrakten Maßstäbe anlegen" ließen. "Im Interesse einer praktischen Handhabung" seien in der Vergangenheit die zeitlichen Bereiche derart konkretisiert worden, dass in der Regel eine nicht mehr als zwei Jahre dauernde Ehe kurz, eine solche von mehr als drei Jahren hingegen nicht mehr als kurz zu bezeichnen sei (BGH, a.a.O., m.w.N.). Es sei jedoch immer betont worden, dies gelte nur für den Regelfall; Ausnahmen seien möglich, sofern die besonderen Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung der kurzen Ehedauer geboten erschienen ließen. Selbst bei einer Ehedauer von knapp 5 Jahren seien Erwägungen im Hinblick auf eine kurze Ehedauer nicht von vornherein ausgeschlossen (a.a.O. unter Verweis auf FamRZ 1995, 1405).

c. Hier dauerte die Ehe ausgehend von den o.g. Stichdaten 4 1/4 Jahre, kann also nicht mehr von vornherein als kurz bezeichnet werden. Gleichwohl rechtfertigen es die besonderen Umstände dieses Falles hier noch von einer kurzen Ehedauer auszugehen. Wesentlicher Gesichtspunkt ist, dass es - mit Ausnahme der Kinder - kaum zu einer Verflechtung der beiderseitigen Lebensdispositionen im Sinne eines gemeinsamen Lebensplanes kam, dass die Eheleute sich nicht bereits in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinsames Lebensziel eingestellt haben, denn das ist bei einer Ehedauer über zwei Jahren wesentliches Beurteilungskriterium (Gerhardt in Wendl/ Staudigl, a.a.O., § 4 Rdnr. 647). Bereits am 13.12.1987 zog die Beklagte mit dem Kind C........ aus der gemeinsamen Wohnung aus und ließ am 26.1.1988 anwaltlich Unterhaltsansprüche während des Getrenntlebens geltend machen. In der Folge lebten die Parteien nicht mehr zusammen. Die Beklagte behauptet zwar, man habe sozusagen in verschiedenen Wohnungen das Eheleben vollzogen. Dafür gibt es jedoch kein tatsächliches Korrelat. Es lag hier selbst nach der Darstellung der Beklagten keine sog. Wochenendehe vor. Besonders deutlich wird diese Situation der Fremdheit zudem aus der Stellungnahme des Jugendamtes vom 18.12.1991, nach der die Beklagte gegenüber dem Jugendamt erklärt hat, sie wünsche die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich; die Kinder hätten ihren Vater seit "über einem Jahr nicht mehr gesehen" (Bl. 18 30 F 496/91). Die Beklagte legte zudem dem Kläger gegenüber eine nicht eben ehefreundliche Gesinnung an den Tag, wie ihre jedenfalls zum Teil unstreitigen Tagebuchnotizen zeigen. Diese hat der Kläger bereits im Eheverfahren zum Teil zitiert, ohne dass die Beklagte die Richtigkeit der Zitate angegriffen hätte (Protokoll vom 7.12.1992 - Bl. 40 30 F 496/91). In erster Instanz wurde weder der Vortrag im Schriftsatz vom 13.1.2000 (Bl. 234 GA)über ein Notar der Beklagten " ich habe in jeder Hinsicht ein Schwein geheiratet" bestritten, noch die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 14.9.2000, S. 1 und 2, (Bl. 282 f GA). Auch in zweiter Instanz werden zumindest die detaillierten Darlegungen im Schriftsatz vom 30.8.2002 (Bl. 521 f. GA) nicht bestritten. Im Schriftsatz vom 20.11.2002 findet sich kein Wort hierzu. Erst in dem - insoweit nicht nachgelassenen (Schriftsatznachlass erfolgte nur zu dem kurzen Schriftsatz vom 25.11.2002 - Bl. 545, 546 GA) - Schriftsatz vom 9. Dezember 2002 bestreitet die Beklagte konkret, solche Aufzeichnungen gefertigt zu haben. Dabei ist auch dieses Bestreiten noch so formuliert, dass es auch die Deutung zulässt, die Notizen könnten unter Umständen doch so erfolgt sein, seien dann aber aufgrund der Umstände verständlich.

d. Letzteres mag sein. Deutlich wird jedoch das selbst für den Senat ungewöhnliche Bild einer von vornherein völlig zerfahrenen Ehesituation, aus der keinerlei gemeinsame Lebensplanung erkennbar wird, nicht einmal zu Beginn ein Wille zum gemeinsamen Leben, sondern lediglich das Motiv gegenseitiger Abgrenzung, wenn nicht Abneigung. Soweit hier eine gegenseitige "Verflechtung" eingetreten ist, beruht diese alleine auf dem Unterhaltsverhältnis zu den Kindern und - daraus abgeleitet - der Beklagten, die in der Folgezeit bis dato nicht einmal ansatzweise versucht hat, auf eigenen Füßen zu stehen. Wie sich die Ehe der Parteien nach dem oben Beschriebenen darstellt, hat sich nur und ausschließlich in diesem Sinne - jedenfalls nach dem Auszug der Beklagten und der Zeugung N.......S - das Schicksal der Parteien weiter miteinander verflochten. Eine auch nur im Ansatz weiter gehende Entwicklung im Hinblick auf die Ehe ist nicht erkennbar. Die Kriterien der gemeinsamen Lebensplanung und der gegenseitigen Verflechtung der Lebenswege im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können jedoch, wenn nicht nur das reine Zeitmoment maßgebend sein soll - und das soll es ja gerade nicht -, nicht ausschließlich auf diese Unterhaltskonstellation bezogen sein. Hierauf reduziert sich aber spätestens seit Mai 1988 das Verhältnis der Parteien. Aus diesem Grunde kann hier in dieser speziellen Konstellation ausnahmsweise trotz des Zeitraums von etwas über vier Jahren von einer kurzen Ehedauer ausgegangen werden.

e. Dies hat zur Folge, dass zu prüfen ist, ob die Erfüllung des Unterhaltsanspruchs sich für den Kläger als grob unbillig darstellt. Dabei sind alle für die Parteien bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen und insbesondere die Belange der minderjährigen Kinder zu wahren. Die Beklagte hat grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB, weil sie die gemeinschaftlichen Kinder der Parteien betreut. In Bezug hierauf stellt sich die Bewertung der groben Unbilligkeit, was den Verwirkungsgrund der kurzen Ehedauer angeht, naturgemäß anders dar als etwa beim Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 2 (Verbrechen oder Vergehen gegen den Verpflichteten). Die Betreuung der eigenen Kinder liegt auch im Interesse des Verpflichteten, und auch, wenn die Ehe kurz war, sind sie Ergebnis derselben. Von daher ist die Verpflichtung zur Zahlung von Betreuungsunterhalt vom Grundsatz her auch bei kurzer - Ehedauer nicht grundsätzlich unbillig. Ein völliger Wegfall des Unterhalts wird deshalb, sofern Kinder zu betreuen sind, generell, aber besonders in Fällen des § 1579 Nr. 1 BGB, nur in extremen Ausnahmefällen möglich sein. Zu denken ist eher an eine Befristung oder/und höhenmäßige Begrenzung.

f. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung bisher davon aus, den ein Kind im Grundschulalter betreuenden Elternteil treffe grundsätzlich - bei durchaus möglichen Ausnahmen - keine Erwerbsobliegenheit. In Analogie hierzu hält der Senat zur Wahrung der Kindesbelange etwa bis zum Ende der Grundschulzeit von N........ konkret bis Ende 1999, die Zubilligung des eheangemessenen Unterhalts trotz des grundsätzlichen Vorliegens des Verwirkungsgrundes für angemessen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rdnr. 1129, m.w.N.). Für die Zeit vom 1.1.2000 bis zur Vollendung von N.......S 14. Lebensjahr und bis zur Beendigung des dann laufenden Schuljahres hat der Beklagten der angemessene Unterhalt nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung angewandten Düsseldorfer Tabelle zu bleiben und danach bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres der notwendige Unterhalt nach der Tabelle. Im Anschluss hieran hat sie ihren Unterhalt selbst sicher zu stellen.

6. Es ergeben sich dann im Einzelnen folgende Berechnungen, wobei die Zeit ab April 1997 im Streit ist. Der Kläger hat auch für die Jahre 1997 und 1998 keine Verdienstbescheinigungen vorgelegt

a. Zeitraum April 1997 bis Juni 1998

Bei einem (unterstellten; s. o.) Einkommen von 10.000,00 DM ist der Kläger in Gruppe 9 der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1. 1996) einzustufen. Der Tabellenunterhalt für A..... (Altersstufe 3) beträgt 945,00 DM, für C........ und N.......(Alterstufe 2) jeweils 805,00 DM. Es bleiben 7.445,00 DM. 3/7 hiervon sind 3.191,00 DM. Der durch die einstweilige Anordnung bestimmte Betrag von 2.255,00 M ist damit gerechtfertigt.

b. Zeitraum Juli 1998 bis Juni 1999

Nunmehr ist die Tabelle Stand 1, Juli 1998 anzuwenden. Für A..... sind 954,00 DM, für C........ und N....... jeweils 806,00 DM geschuldet. Es bleiben 7.434,00. 3/7 hiervon sind 3.186,00 DM. Auch hier ist der Betrag der einstweiligen Anordnung gerechtfertigt.

c. Zeitraum Juli 1999

Jetzt ist die Tabelle Stand Juli 1999 anzuwenden. Der Unterhalt für A..... beträgt 969,00 DM, derjenige für C........ und N....... jeweils 819,00 DM. Es bleiben 7.393,00 DM. 3/7 hiervon sind 3.168,00 DM. Es bleibt bei der einstweiligen Anordnung.

d. Zeitraum August bis Dezember 1999

Nunmehr kommt C........ in die dritte Altersstufe. Es ist also Kindesunterhalt abzuziehen von 2 x 969,00 DM und 1 x 819,00 DM. Es bleiben 7.243,00 DM. 3/7 hiervon sind 3.104,00 DM. Deshalb ist der Berufungsantrag über 2.676,00 DM (ab Oktober 1999) gerechtfertigt.

e. Zeitraum Januar 2000 bis Juni 2001

Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen bleibt bis Januar 2001 gleich; ab Februar 2001 reduziert er sich etwas, weil nunmehr auch N....... in der dritten Altersgruppe ist, auf (10.000,00 - 3 x 969,00) x 3/7 = 3.040,00 DM. Ab diesem Zeitpunkt ist jedoch nur noch der angemessene Bedarf sicherzustellen, der nach der Düsseldorfer Tabelle 1.800,00 DM beträgt. Dieser ist teilweise gedeckt durch das der Beklagten fiktiv zuzurechnende Einkommen von 500,00 DM, abzüglich einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 45,00 DM, abzüglich eines Berufsbonus von 1/7, also verbleibender 390,00 DM. Es bleibt ein Unterhaltsanspruch von 1.410,00 DM.

f. Zeitraum Juli bis Dezember 2001

Nunmehr ist die Düsseldorfer Tabelle Stand: 1.7.2001 anzuwenden. Der Tabellenunterhalt (jetzt nach Gruppe 13) für sämtliche Kinder beträgt bis September 1.050,00 DM, ab Oktober beträgt er für A...... die jetzt volljährig wird 1212,00 DM. Hieraus ergibt sich ein Bedarf bis September von ((10.000,00 DM - 3 x 1.050,00 DM) x 6/7 - 390,00 DM): 2 = 2.741,00 DM. Ab Oktober ergibt sich ein Bedarf von (10.000,00 DM - 2 x 1.050,00 DM - 1.212,00 DM) x 6/7 - 390,00 DM): 2 = 2.671,00 DM. Geschuldet ist jedoch nur der angemessene Bedarf von jetzt 1.960,00 DM, soweit er nicht gedeckt ist, nämlich in Höhe von 390,00 DM, also 1.570,00 DM.

g. Zeitraum Januar 2002 bis Juli 2003

Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen bleibt gleich, übersteigt also den angemessenen Selbstbehalt. Dieser beträgt jetzt 1.000,00 €; er ist gedeckt durch das zu unterstellende Einkommen in Höhe von rund 199,00 €. Es bleiben 801,00 €.

h. Zeitraum ab August 2003 bis Januar 2005

Ab August 2003 ist der Beklagten ein höheres fiktives Einkommen zuzurechnen, nämlich ein solches in Höhe von 900,00 €. Nach Abzug einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 50,00 € und eines Berufsbonus bleiben rund 729,00 €. Vom Kläger sicher zu stellen ist lediglich noch der notwendige Selbstbehalt, nämlich 840,00 €. Der Unterhaltsanspruch reduziert sich damit auf 111,00 €.

i. Zeitraum ab Februar 2005

Hier entfällt nach den obigen Ausführungen der Unterhaltsanspruch, denn der Beklagten ist ein fiktives Einkommen von 2.000,00 € zuzurechnen, mit dem ihr notwendiger Unterhalt, auch bei den absehbaren Änderungen der Düsseldorfer Tabelle abgedeckt sein wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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