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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 20.10.2003
Aktenzeichen: 12 U 1023/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
1. a) Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich nicht auf die Frage des Vorhandenseins einer Wohnung. Inhalt und Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör lassen das nicht zu. Die Zustellungsurkunde liefert aber ein Indiz. Deshalb kann das Gericht im Regelfall davon ausgehen, dass der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt. Diese Annahme wird jedoch durch eine schlüssige Darlegung des Zustellempfängers erschüttert, dass er im Zeitpunkt der Zustellung seine Wohnung an einem anderen Ort gehabt habe. Dem ist durch Beweiserhebung nachzugehen; eine Antizipation der Beweiswürdigung ist dann nicht zulässig.

b) Das erstinstanzliche Gericht darf von einer Beweiserhebung auch deshalb nicht ohne weiteres wegen Substantiierungsmängeln im Vorbringen absehen, weil es auf eine weitere Substantiierung hinwirken muss.

2. Der Antrag auf Zurückverweisung der Sache nach Urteilsaufhebung durch das Gerucungsgericht kann als Hilfsantrag gestellt werden. Ein Grund zur Zurückverweisung folgt aus § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wenn mit dem angefochtenen Urteil über ein Versäumnisurteil entschieden wurde. Dies rechtfertigt die Zurückverweisung, weil die Sache selbst in erster Instanz nicht streitig entschieden wurde. Dann "darf" das Berufungsgericht die Sache zurückverweisen; zwingend ist die Zurückverweisung nicht.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1023/02

Verkündet am 20.10.2003

in dem Rechtsstreit

wegen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richterin am Oberlandesgericht Frey und Dr. Eschelbach

auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 26. Juni 2002 mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über den Einspruch des Beklagten zu 2) gegen das Teil-Versäumnisurteil vom 26. Juli 2001 an das Landgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Die Klägerin begehrt Ersatz ihres Unterhaltsschadens wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers u.a. durch den Zweitbeklagten, der zum Tode ihres Ehemanns nach einer ambulanten Operation geführt habe. Die Klage wurde dem Zweitbeklagten im Juni 2001 unter der Adresse A... R...straße 3 in K... durch Niederlegung zugestellt, wobei die Hausnummer 2 vom Zustellbeamten in 3 korrigiert wurde. Das Landgericht erließ am 26. Juli 2001 gegen den Zweitbeklagten ein Teilversäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren. Das Urteil wurde diesem durch Niederlegung am 13. August 2001 zugestellt, wobei in der Zustellungsurkunde erneut die Adresse R...straße 2 genannt wurde, ohne dass die Hausnummer hierbei durch den Zustellbeamten auf der Postzustellungsurkunde korrigiert wurde. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2001 legte der Zweitbeklagte gegen das Teilversäumnisurteil Einspruch ein und trug vor, er habe zum Zustellzeitpunkt nicht mehr in der Wohnung A... R...straße 3 in K... gewohnt, sondern unter der Adresse L... Straße 150 in T.... Er habe sich beim Einwohnermeldeamt umgemeldet. Seit Ende Oktober 2000 habe er die vormalige Wohnung in K... nicht mehr betreten, seit September 2000 dort nicht mehr übernachtet und einen Postnachsendeauftrag erteilt. Nach einem Aufbruch der Wohnungstür im August 2000 verfüge er nicht mehr über einen Wohnungsschlüssel. Das Objekt L... Straße 150 in T... habe er im Jahre 1996 angemietet. Dort werde ein Teil der Räume privat genutzt, ein anderer Teil als Arztpraxis verwendet. Bereits seit Beginn dieses Mietverhältnisses habe er nach langen Arbeitstagen dort übernachtet und die Räume entsprechend eingerichtet. Wenn erforderlich seien allerdings früher auch Patienten nach Operationen kurzzeitig dort untergebracht worden. Die Wohnung in K... sei für ihn als Junggesellen überdimensioniert gewesen. Zudem habe er ab 1996 berufsbedingt kaum noch Freizeit gehabt und sich oft um die gebrechlichen Eltern kümmern müssen, die im Rheingau wohnten. Daher habe er die K...er Wohnung nicht mehr nutzen können. Deshalb habe er im Dezember 2000 einen Teil des Mobiliars nach Trier gebracht. Seither sei auch die zeitweilige Nutzung des Wohnraums unter der Adresse L... Straße 150 zur Unterbringung von Patienten entfallen, weil er ständig dort gewohnt habe. Eine wirksame Kündigung der Wohnung in K... sei nicht erfolgt, weil Kündigungsfristen einzuhalten gewesen seien; früherer Vortrag über eine wirksam erfolgte Kündigung beruhe auf einem Informationsversehen. Daher laufe der Mietvertrag immer noch. Er zahle auch noch die Miete und habe den Rest seines Mobiliars in der Wohnung in K... untergestellt. Den Umzug habe er aber dem Einwohnermeldeamt und der Kassenärztlichen Vereinigung angezeigt. Den Telefonanschluss unterhalte er noch; er habe aber ausweislich der Rechnungen keine Telefonate mehr aus der Wohnung in K... geführt und dort auch keinen Stromverbrauch gehabt. Das Türschild und den Namenszug auf dem Briefkasten habe der Vermieter - nach Entfernung durch ihn - wieder angebracht, um nicht offensichtlich werden zu lassen, dass die Wohnung leer stehe.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, den Einspruch des Zweitbeklagten gegen das Teilversäumnisurteil als unzulässig zu verwerfen. Sie hat vorgetragen, der Zweitbeklagte unterhalte unter der Zustelladresse immer noch eine Wohnung. Sein Vorbringen zur Kündigung des Mietverhältnisses und zur Räumung der Wohnung sei widersprüchlich. Dass der Zweitbeklagte immer noch in K... wohne, ergebe sich aus dem Türschild und der Briefkastenaufschrift; zudem zahle er immer noch den Mietzins und unterhalte einen Telefonanschluss. An der Praxisadresse L... Straße 150 in T... finde sich kein Hinweis darauf, dass dort auch eine Wohnung des Zweitbeklagten sei. Ein Mietvertrag über die angebliche neue Wohnung liege nicht vor. Warum weiterhin Mietzins gezahlt und ein Telefonanschluss unterhalten werde, wenn der Zweitbeklagte nicht einmal mehr einen Wohnungsschlüssel besitze, sei nicht nachzuvollziehen.

Das Landgericht hat den Einspruch gegen das Teilversäumnisurteil durch Teilurteil am 26. Juni 2002 ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen. Der Einspruch sei verfristet, da die Ersatzzustellung von Klageschrift und Versäumnisurteil durch Niederlegung wirksam erfolgt sei. Maßgebend sei nach § 182 ZPO a.F., ob der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsadresse tatsächlich wohne, insbesondere dort auch schlafe. Darauf erstrecke sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde nicht. Gleichwohl sei die Erklärung des Zustellbeamten, dass er den Empfänger unter der angegebenen Adresse nicht angetroffen habe, ein Indiz für das dortige Wohnen. Dieses Indiz könne regelmäßig nur durch eine schlüssige Darlegung des Zustellempfängers entkräftet werden, dass er an einem anderen Ort wohne. An einer solchen plausiblen Darlegung fehle es. Das Vorbringen des Zweitbeklagten zur Frage der Kündigung und zur Räumung sowie zum Nichtbetreten der Wohnung seit September 2000 bei Teilentfernung des Mobiliars im Dezember 2000 sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Das Vorbringen dazu, dass er das Türschild und die Briefkastenaufschrift entfernt, der Vermieter dies aber später wieder angebracht habe, leuchte nicht ein. Wie die präsentierten Telefonrechnungen, adressiert an die K...er Adresse, in seinen Besitz gelangt seien, habe der Zweitbeklagte nicht erklärt. Zudem seien die für manche Abrechnungsmonate vorgelegten Rechnungen unvollständig; eine Stromabrechnung sei überhaupt nicht vorgelegt worden. Hinsichtlich der Wohnung in der L... Straße 150 in Trier fehle ein detaillierter Vortrag zu Zahl und Ausstattung der privat genutzten Räume. Unstreitig werde dort kein privater Telefonanschluss unterhalten. Ein Mietvertrag über die dortigen Räume sei nicht vorgelegt worden. Die Meldebescheinigung sei in auffälliger Weise erst nach dem anwaltlichen Forderungsschreiben wegen des Todes des Ehemanns der Klägerin, das an die K...er Adresse gerichtet gewesen sei, erwirkt worden. Schließlich fehle es an einer nach außen erkennbaren Wohnungsaufgabe. Das Fehlen einer Kündigung des Wohnungsmietvertrages mit der Folge der weiteren Zahlung des Mietzinses und das Unterhalten eines Telefonanschlusses, das Belassen eines Teils des Mobilars und das Vorhandensein von Türschild und Briefkastenaufschrift lasse für einen objektiven Beobachter nicht erkennen, dass die Wohnung aufgegeben worden sei. Wegen der Widersprüche und mangelnden Plausibilität des Sachvortrags bedürfe es der beantragten Beweiserhebungen nicht mehr.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Zweitbeklagten. Er macht geltend, die Urkunde über die Postzustellung des Teil-Versäumnisurteils entfalte nicht die vom Landgericht angenommene Beweiskraft, weil dort - ebenso wie im Rubrum des Teilversäumnisurteils - eine falsche Hausnummer genannt worden sei (A... R...straße 2 statt A... R...straße 3). Eine wirksame Zustellung an ihn sei schon deshalb nicht erfolgt. Von der Existenz des Teilversäumnisurteils habe er erst erfahren, als ein Vollstreckungsversuch gegen ihn unternommen worden sei; Einzelheiten habe er noch später durch Akteneinsicht seines Bevollmächtigten erfahren und das Urteil wiederum danach von seinem Berufshaftpflichtversicherer in Kopie erhalten. Die Nichterhebung der angebotenen Beweise für die Aufgabe der Wohnung in K... und die Begründung der Wohnung in Trier durch das Landgericht sei ein Verfahrensmangel. Er habe ausreichend zur Tatsachenlage vorgetragen, so dass die Beweisangebote nicht hätten übergangen werden dürfen. Die vom Landgericht angenommenen Widersprüche im Vortrag bestünden tatsächlich nicht. Er habe den Wohnungsmietvertrag im Oktober 2000 gekündigt, dabei aber die Kündigungsfrist versäumt. Insoweit sei das Vorbringen zum Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Kündigung missverständlich formuliert, aber in der Sache zutreffend gewesen. Da ein Postnachsendeauftrag erteilt worden sei, fehle es auch nicht an der Darlegung des Grundes dafür, dass ihn die Telefonrechnungen für die K...er Wohnung erreicht hätten. Einen Teil seiner Post habe er vom Vermieter erhalten. Die Mitnahme eines Teils seiner Möbel sei tatsächlich schon im Oktober 2000 erfolgt; abweichender Vortrag im ersten Rechtszug habe auf einem Informationsversehen beruht. Im Ergebnis liege daher auch kein Widerspruch zu dem Vorbringen, dass er die Wohnung ab Oktober 2000 nicht mehr betreten habe, vor. Da er dauerhaft abwesend gewesen sei, sein Türschild abgenommen, einen Teil der Möbel mitgenommen, sich umgemeldet und einen Postnachsendeauftrag erteilt habe, sei die Aufgabe der Wohnung ausreichend nach außen dokumentiert worden. Ob Telefon und Strombezug weiter angemeldet gewesen seien, sei unerheblich, wenn eine tatsächliche Nutzung der Wohnung fehle. Hätte das Landgericht den angebotenen Beweis erhoben, so hätte sich herausgestellt, dass er wahrheitsgemäß vorgetragen habe. Ein näherer Vortrag zur Art und Ausstattung der Wohnung in der L... Straße 150 sei nicht erforderlich gewesen. Bei den gemieteten Räumen habe es sich um eine halbe Etage einer ehemaligen Kaserne gehandelt, also um Räume von rund 500 qm. Ein Teil davon sei zur Arztpraxis ausgebaut, der Rest privat genutzt worden.

Der Zweitbeklagte beantragt, unter Abänderung des Teilurteils das Teilversäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweisedas Teilurteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie macht geltend, die fehlerhafte Angabe der Hausnummer ändere nichts daran, dass die Zustellung richtig erfolgt sei. Der Zustellungsbeamte habe nur bei der Zustellung des Teilversäumnisurteils, anders als bei der Zustellung der Klageschrift, versäumt, die Hausnummer zu korrigieren. Die richtige Anschrift sei in der Niederlegungsliste und auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerkt worden. Im Übrigen habe das Landgericht das Vorbringen des Zweitbeklagten zu Recht als widersprüchlich und nicht nachvollziehbar bewertet. Das neue Vorbringen zur Kündigung sei wiederum nicht plausibel, weil es nicht erkläre, warum nach der ersten unwirksamen Kündigung nicht inzwischen eine weitere und dann wirksame Kündigung erfolgt sei.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

2. Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt auf den Hilfsantrag zur Zurückverweisung der Sache; eine mit dem Hauptantrag begehrte abschließende Entscheidung über die Klage ist dem Senat nicht möglich.

a) Das Landgericht hat überhöhte Anforderungen an die Darlegung einer anderen Wohnung als derjenigen, an der die Zustellung versucht wurde, gestellt und deshalb zu Unrecht von einer Beweiserhebung abgesehen. Damit ist es dem Vorbringen des Zweitbeklagten nicht in vollem Umfang gerecht geworden.

Im vorliegenden Fall gelten die Zustellvorschriften vor der Gesetzesänderung durch das Zustellungsreformgesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206), das nach seinem Artikel 4 erst am 1. Juli 2002 in Kraft getreten ist. Danach gilt folgendes: Wird der Zustellungsempfänger in seiner Wohnung nicht angetroffen und kann das zuzustellende Schriftstück dort auch nicht einer Hilfsperson übergeben werden (§ 181 Abs. 1 und 2 ZPO a.F.), so konnte die Zustellung gemäß § 182 ZPO a.F. in der Weise erfolgen, dass das zu übergebende Schriftstück bei der Postanstalt niedergelegt und eine schriftliche Mitteilung hierüber in den Briefkasten geworfen wird. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist, dass die Zustellung "in der Wohnung" des Zustellungsempfängers versucht wurde (BGH NJW-RR 1994, 564 f.). Die Ersatzzustellung setzt deshalb voraus, dass der Adressat der zuzustellenden Sendung die Wohnung, an der der Zustellungsversuch unternommen wird, tatsächlich innehat (vgl. BVerfGE 25, 158, 165; 26, 315, 318). Für den Begriff der "Wohnung" kommt es, wovon das Landgericht im Ansatz zu Recht ausgegangen ist, auf das tatsächliche Wohnen an, also darauf, ob der Zustellungsempfänger hauptsächlich in den Räumen lebt und nicht zuletzt dort auch schläft (BGH NJW 1988, 713 f.). Hat der Zustellungsempfänger Räume in dieser Weise benutzt, so hebt nicht jede vorübergehende Abwesenheit die Eigenschaft jener Räume als Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens verlagert. Ob das der Fall ist, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen (BGH NJW 1978, 1858; 1985, 2197; NJW-RR 1994, 564 f.; BGHR ZPO § 182 Wohnung 1). Behält der Zustellungsempfänger seine bisherige Wohnung bei und schafft er sich eine Zweitwohnung, so bleibt die Zustellung in der bisherigen Wohnung zulässig, wenn sich der Zustellungsempfänger nur vorübergehend in der Zweitwohnung aufhält. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich nicht auf die Frage des Vorhandenseins einer Wohnung in diesem Sinne. Inhalt und Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör lassen das nicht zu (BVerfG NJW-RR 1992, 1084; NJW 1992, 224, 225; Graßhof, in: Festschrift für Franz Merz, 1992, S. 133, 140). Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde bezieht sich zwar darauf, dass der zustellende Beamte unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen und dass er die Benachrichtigung über die Niederlegung an dem angegebenen Tag in den Hausbriefkasten gelegt hat. Wenn in der Zustellungsurkunde von der "Wohnung" die Rede ist, so handelt es sich dabei nicht um die Beschreibung von Tatsachen oder Ereignissen, die der Zustellungsbeamte zuverlässig wahrgenommen hat, sondern um eine von ihm - wenn auch nicht völlig ungeprüft - vorausgesetzte Annahme. Die tatsächlichen Voraussetzungen der "Wohnung" werden von dem Zustellungsbeamten regelmäßig nicht selbst wahrgenommen. Die für den postinternen Betriebsablauf verbindliche Dienstanweisung bestimmt, dass als Wohnung ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Raum gilt, den der Zustellungsempfänger zur Zeit der Zustellung tatsächlich bewohnt. Sie legt nicht fest, dass und gegebenenfalls welche Nachforschungen der Postbedienstete anzustellen hat, um diese Voraussetzungen zu ermitteln. Die Postbediensteten sind nur generell gehalten, falls ihnen der angegebene Adressat und seine tatsächliche Wohnung nicht bekannt sind, Zweifelsfälle nach Möglichkeit durch die Befragung anderer Hausbewohner oder Nachbarn auszuräumen. Nach allem nimmt die Post eine Ersatzzustellung unter der angegebenen Adresse dann - aber auch nur dann - vor, wenn der Postzusteller Anlass zu der Annahme hat, der Adressat wohne dort tatsächlich. Darauf, dass der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt, kann sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde gemäß § 418 ZP0 mithin nicht erstrecken (näher Graßhof a.a.O. S. 143 f.). Allerdings begründet die Erklärung des Zustellungsbeamten, er habe den Zustellungsadressaten in seiner Wohnung nicht angetroffen, ein Indiz dafür, dass der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt. Aufgrund der Beurkundung der Ersatzzustellung kann das Gericht im Regelfall davon ausgehen, dass der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt (Graßhof, in: Festschrift für Franz Merz, S. 133, 144), solange dieser die Indizwirkung nicht durch eine plausible Darstellung einer anderen Sachlage entkräftet wird. Dazu genügt nicht bereits die schlichte Behauptung am Zustellungsort zur Zeit des Zustellungsversuchs nicht gewohnt zu haben. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung eine Darstellung des Adressaten, dass er die ursprüngliche Wohnung aufgegeben und an einem anderen Ort seinen Lebensmittelpunkt begründet hat (BVerfG NJW 1992, 224, 225; BGH Beschl. vom 12. Februar 2001 - AnwZ (B) 14/00). Von einem Zustellungsempfänger, der sich darauf beruft, am Zustellungsort nicht gewohnt zu haben, muss erwartet werden, dass er klare und vollständige Angaben hinsichtlich seiner Wohnverhältnisse macht (BGHR ZPO § 182 Wohnung 2). Dem ist aber grundsätzlich schon dann Genüge getan, wenn die andere Wohnung benannt und mitgeteilt wird, ab wann und gegebenenfalls warum die frühere Adresse zur Zeit des Zustellungsversuchs keine "Wohnung" mehr war. Die Indizwirkung der Postzustellungsurkunde zur Anschrift des Adressaten wird dann auf der Ebene des tatsächlichen Vorbringens der Prozesspartei schon durch eine substantiierte Darstellung entkräftet, wie sie hier der Zweitbeklagte geliefert hat. Bei der geforderten Darlegung hat die Partei regelmäßig den anderweitigen Ort seines Lebensmittelpunktes offenzulegen (BVerfG NJW 1992, 224, 225 mit Anm. Graßhof DGVZ 1992, 180 ff.). Tut er dies aber, wie hier, so ist dem Darlegungserfordernis Genüge getan; ob dem Vorbringen inhaltlich zu folgen ist, bleibt eine Beweisfrage, die erst nach Erhebung der angebotenen Beweise beantwortet werden kann. Als nicht ausreichendes Tatsachenvorbringen wurde es in der Rechtsprechung gewertet, wenn der betroffene Verfahrensbeteiligte ausführte, er habe weder Hab noch Gut unter der Zustellungsanschrift, er verfüge auch nicht über einen Briefkastenschlüssel, er habe vielmehr seit Jahren anderswo eine Wohnung unterhalten und dort auch "in der Regel" Zustellungen entgegengenommen, zumal er zur Zeit des Zustellungsversuchs durch einen Zwangsverwalter außer Besitz dieser Wohnung gesetzt und von Amts wegen dort abgemeldet gewesen sei (BVerfG NJW 1992, 224, 225). Derart unklar ist das Vorbringen des Zweitbeklagten im vorliegenden Fall nicht. Er hat mitgeteilt, wo seine Wohnung zum Zustellzeitpunkt war; dadurch wird seine Erreichbarkeit hergestellt. Dafür ist es nicht erforderlich, dass er Zahl und Einrichtung der Wohnräume erläutert. Eine abweichende Annahme, wäre mit dem Anspruch des Zweitbeklagten auf Gehör vor Gericht und auf Justizgewährung nicht vereinbar, zumal es für ihn um den ersten Zugang zu Gericht geht.

Ebenso dürfen an das Vorbringen zur Aufgabe der früheren Wohnung unter der Zustelladresse keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Dass der Zweitbeklagte durch berufliche Überlastung nicht mehr in K..., sondern unter der Adresse, unter der auch seine Arztpraxis zu finden ist, gewohnt hat, ist nachvollziehbar; ob dem zu folgen ist, bleibt eine Beweisfrage, die nach Durchführung der Beweisaufnahme zu beantworten ist. Ein weiter gehendes Tatsachenvorbringen ist jedenfalls auf der Darlegungsebene nicht erforderlich. Die Annahme der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens ohne Beweiserhebung läuft auf eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung hinaus, die mit dem Anspruch der Prozesspartei auf Gehör vor Gericht kaum zu vereinbaren ist.

Für die Frage, ob eine Wohnung aufgegeben worden ist oder nicht, kann freilich nicht allein auf die bloße Absicht des Wohnungsinhabers abgestellt werden, dort künftig nicht mehr wohnen zu wollen. Der Wille des Wohnungsinhabers zur Aufgabe der Wohnung muss nach außen erkennbar in seinem Verhalten Ausdruck gefunden haben (BGH NJW 1988, 713 f.). Indes setzt die Aufgabe einer Wohnung nicht voraus, dass ihr Inhaber alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken könnten, er wohne dort auch weiterhin. Der Aufgabewille muss nur, wenn auch nicht gerade für den Absender eines zuzustellenden Schriftstücks oder für den mit der Zustellung beauftragten Postbediensteten, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein. Die Aufgabe der bisherigen Wohnung und die Begründung einer neuen Wohnung setzen nicht voraus, dass sich der Zustellungsempfänger polizeilich ummeldet. Eine erfolgte Meldung an das Einwohnermeldeamt ist hingegen ein starkes Indiz für den Willen des Wohnungsinhabers, eine Wohnung unter einer bestimmten Adresse aufzugeben beziehungsweise neu zu begründen (vgl. BGH NJW-RR 1994, 564, 565; NJW 1992, 1963). Weil der Zweitbeklagte in erster Instanz eine Meldebescheinigung für die Begründung einer Wohnung in T... am 1. September 2000 vorgelegt hat, kann jedenfalls kein Darlegungsmangel hinsichtlich des Wohnungswechsels mehr angenommen werden, der jede weitere Beweiserhebung entbehrlich machen würde (vgl. BGH NJW 1992, 1963).

Mit Recht rügt der Zweibeklagte nach alledem, dass das Landgericht die Räume in der A... R...straße 3 noch als Wohnung angesehen hat, ohne die von ihm angebotenen Beweise dafür zu erheben, dass dies nicht der Fall war (zur Beweislast BGH NJW 1976, 149; VersR 1984, 81, 82). Wenn der Zweitbeklagte den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens ab Oktober 2000 in die L... Straße 150 in T... verlagert, die Räume in der A...-R...straße 3 in K... seitdem nicht mehr benutzt hat und auch nicht die Absicht hatte, zu Wohnzwecken dorthin zurückzukehren, dann unterhielt er dort keine Wohnung mehr im Sinne der §§ 181, 182 ZPO a.F. (vgl. BGH NJW 1988, 713, 714). Dem steht nicht entgegen, dass er seinen Umzug nicht durch Mitnahme aller Einrichtungsgegenstände vollzogen, sein Namensschild an der Wohnungstür - gegebenenfalls - nicht oder nicht endgültig beseitigt hat und weiterhin die Möglichkeit hatte, diese Räume aufzusuchen und die dort eingegangene Post zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH VersR 1986, 705; NJW 1988, 713, 714). Alle diese Umstände, denen freilich Indizbedeutung für eine Beweiswürdigung nach Durchführung der Beweisaufnahme zukommt, hätte das Landgericht erst nach Beweiserhebung in eine Gesamtbetrachtung einbeziehen können und müssen (vgl. BGH NJW 1988, 713, 714), wobei ambivalente Indizien mit dem ihnen zukommenden Aussagegehalt zu berücksichtigen sind. Das Unterhalten eines Telefonanschlusses ist etwa ein Indiz für den Fortbestand der Wohnung; die durch Rechnungen wenigstens für eine Reihe von Monaten belegte Behauptung, den Anschluss tatsächlich nicht benutzt zu haben, deutet in die gegenteilige Richtung. Das Landgericht durfte von einer Beweiserhebung im Übrigen auch deshalb nicht ohne weiteres wegen der Annahme von Substantiierungsmängeln im Vorbringen absehen, weil es dann gemäß § 139 Abs. 1 ZPO auf eine weitere Substantiierung hätte hinwirken müssen (BGH a.a.O.).

b) Die Sache ist nach Urteilsaufhebung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2, 7 ZPO).

Der Antrag auf Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. kann als Hilfsantrag gestellt werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 13. Juni 2003 - 5 U 159/02); ein solcher Antrag liegt vor, wie es in der Berufungsverhandlung klargestellt wurde.

Ein Grund zur Zurückverweisung folgt vor allem aus § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Es wurde über ein Versäumnisurteil entschieden. Dies rechtfertigt die Zurückverweisung, weil die Sache selbst in erster Instanz nicht streitig entschieden wurde. Nach § 538 Abs. 2 ZPO "darf" das Berufungsgericht die Sache zurückverweisen; zwingend ist diese Folge nicht. Sie ist hier aber angebracht. Die Frage der Zustellung berührt zunächst nur die Wirksamkeit der Ersatzzustellung des Teilversäumnisurteils; im landgerichtlichen Verfahren ist zudem gegebenenfalls auch zu prüfen, ob bereits die Klage wirksam zugestellt wurde. Dieser weiter gehende Prüfungskreis lässt es angezeigt erscheinen, dem Landgericht die Sache zu belassen. Zudem ist das Verfahren gegen den Erstbeklagten dort noch rechtshängig. Auch das lässt es sachgerecht erscheinen, die Sache insgesamt zunächst vom Landgericht prüfen zu lassen.

3. Eine Entscheidung über die Revisionszulassung ist auch im Fall der Zurückverweisung geboten (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 538 Rn. 37). Ein Zulassungsgrund liegt indes nicht vor.

Ende der Entscheidung

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