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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 27.03.2006
Aktenzeichen: 12 U 107/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 117
BGB § 117
BGB § 311b
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 156 Abs. 2
Da grundsätzlich von der Ernstlichkeit rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen auszugehen ist, trägt für das Vorliegen eines Scheingeschäfts im Sinne des § 117 BGB bei Grundstückskauf durch einen notariell beurkundeten Kaufvertrag derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft. Den Beweis hat er nicht geführt, wenn die Behauptung einer Schwarzgeldzahlung durch den hierfür angebotenen Zeugenbeweis weder unmittelbar nocht mittelbar vom Hörensagen bestätigt wird.

Das Gericht ist zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet, wenn sich aus neuem Vorbringen ergibt, dass die bisherige Verhandlung lückenhaft war und bei sachgemäßem Vorgehen Veranlassung zur Ausübung des Fragerechts bestanden hätte. Darüber hinaus wir eine Pflicht zur Wiedereröffnung angenommen, wenn durch Versäumnisse des Gerichts oder andere Umstände im Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine vollständige und sachgerechte Erklärung der Parteien unterblieb. Dagegen ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten, wenn diese ohne Verfahrensfehler geschlossen wurde. Ein Wiederaufnahmegrund ist nur dann ein zwingender Grund für die Wiedereröffnung, wen er glaubhaft gemacht worden ist; andernfalls bleibt es dem Ermessen des Gerichts überlassen, ob es erneut in die mündliche Verhandlung eintritt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 107/05

Verkündet am 27.03.2006,

in dem Rechtsstreit

wegen eines Erfüllungsanspruches aus einem Grundstückskaufvertrag.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und Dr. Eschelbach auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um den Anspruch des Klägers auf Erfüllung eines no-tariellen Grundstückskaufvertrages vom 13. Juni 2003.

Aufgrund eines vom Notar J... S... aus N... beurkundeten Vertrages kaufte der Kläger von der Beklagten, die durch ihren Sohn N... G... vertreten wurde, ein ehemaliges Tankstellengrundstück für 8.000 Euro. Zur Sicherung seines Anspruches auf Eigentumsübertragung wurde eine Auflassungsvormerkung bewilligt und im Grundbuch eingetragen. Der Kläger überwies den Kaufpreis verspätet. Die Beklagte erklärte hiernach den Rücktritt vom Vertrag und überwies die Kaufpreissumme an den Kläger zurück, der das Geld hinterlegte.

Der Kläger hat sich auf den notariellen Grundstückskaufvertrag berufen und beantragt, die Beklagte dazu zu verurteilen, Zug um Zug gegen Zahlung des dort vereinbarten Kaufpreises der Umschreibung des Grundstückseigentums im näher bezeichneten Grundbuch zuzustimmen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und - widerklagend - den Kläger zu verurteilen, der Löschung der Auf-lassungsvormerkung im Grundbuch zuzustimmen. Er hat vorgetragen, der nicht vollzogene Grundstückskaufvertrag sei nach §§ 117, 311b BGB nichtig, weil eine Kaufpreissumme von 14.000 Euro vereinbart, aber nur ein Betrag von 8.000 Euro als Kaufpreis beurkundet worden sei. Die Mehrforderung sei durch Übergabe von 6.000 Euro in bar an N... G... unmittelbar vor dem Beurkundungstermin erfüllt worden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Frage der Vereinbarung einer Schwarzgeldzahlung und deren Erfüllung durch Vernehmung der Zeugen N... G..., J... S... und D... St.... Auf dieser Beweisgrundlage hat es der Klage durch Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer vom 23. Dezember 2004 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat ausgeführt, unstreitig sei der Beklagten kein Rücktrittsrecht eingeräumt worden. Aber auch die geltend gemachte Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages greife nicht ein, weil nicht bewiesen sei, dass ein Scheingeschäft vorgelegen habe. Der Zeuge N... G... habe zwar das Vorbringen der Beklagten bestätigt; dessen Angaben seien aber nicht glaubhaft. Der Urkundsnotar S... habe das Vorbringen der Beklagten, er sei von N... G... nachträglich über die Eigenschaft des Vertrages als Scheingeschäft und die Schwarzgeldzahlung unterrichtet worden, nicht bestätigt. Auch der Zeuge D... St... habe den Vortrag, die Schwarzgeldzahlung sei unmittelbar vor dem Beurkundungstermin erfolgt, nicht bestätigt. Der Zeuge N... G... habe zudem keine nachvollziehbaren Angaben zur Verwendung des ihm übergebenen Geldes gemacht, sondern sich pauschal darauf berufen, das Geld verliehen zu haben. Ferner sei seine Angabe zum angeblichen Grund der nachträglichen Unterrichtung des Urkundsnotars über das Schwarzgeschäft - eine Steuerprüfung - nicht nachvollziehbar. Da der Zeuge nur als Bevollmächtigter seiner Mutter gehandelt habe, sei eine Steuerprüfung in seinem Geschäftsbetrieb kein plausibler Anlass für die Mitteilung eines Schwarzgeschäfts seiner Mutter an den Urkundsnotar. Auch passe diese Erklärung für die angebliche Mitteilung an den Urkundsnotar nicht in das von dem Zeugen N... G... gezeichnete Bild, wonach dieser sich aus Verärgerung über das Verhalten des Klägers vom Grundstückskaufvertrag habe lösen wollen. Insgesamt sei die Aussage des Zeugen N... G... nicht glaubhaft, so dass ein non liquet zu Lasten der Beklagten vorliege. Einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf Antrag der Beklagten habe es nicht bedurft. Diese habe nachträglich behauptet, dass der Zeuge D... St... gegenüber dem Zeugen N... G... vor dem Gerichtssaal eingeräumt habe, die Schwarzgeldzahlung sei erfolgt. Diese nachträgliche Behauptung sei aber nicht glaubhaft gemacht worden. Zudem sei der Zeuge St... in Anwesenheit des Zeugen N... G... vernommen und dieser wiederum zu St...s Aussage abschließend befragt worden. Bei alledem sei das angebliche Flurgespräch nicht erwähnt worden. Auch deshalb bestehe kein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Gegen dieses Urteil vom 23.12.2004 richtet sich die Berufung der Beklagten, die sich vor allem gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage eines Scheingeschäfts wendet. Sie beanstandet, dass das Landgericht die Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen S... und St... nicht näher geprüft habe. Das Landgericht hätte sich festlegen müssen, ob es der Behauptung des Zeugen N... G... oder derjenigen der anderen Zeugen glaube. Indizien seien zudem falsch gewichtet worden. Das Landgericht habe aber auch zu Unrecht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgelehnt. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und den Kläger auf die Widerklage zu verurteilen, die Löschung der Auflassungsvormerkung zu bewilligen (genauer Wortlaut Bl. 131 GA).

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien ge-wechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Wegen der Feststellungen nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1. Sie geht von einem unzutreffenden Beweismaßstab aus. Dieser läuft darauf hinaus, dass sich das Gericht in jedem Fall hätte festlegen müsse, ob es bei divergierenden Aussagen dem einen oder anderen Zeugen glauben will - hier: N... G... oder D... St.... Das Gericht müsse also definitiv entscheiden, ob das Klägervorbringen oder der Beklagtenvortrag richtig sei. Ein non liquet wäre dann ausgeschlossen. Diese Annahme geht aber zu weit.

Da grundsätzlich von der Ernstlichkeit rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen auszugehen ist, trägt für das Vorliegen eines Scheingeschäfts im Sinne des § 117 BGB (vgl. Wolf, in: Lambert-Land/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, 2. Aufl., 2. Teil Rn. 190) - unter Zurechnung des Wissens des Zeugen G... auf die Beklagte (vgl. BGHZ 144, 331, 333) - derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft (vgl. BGH NJW 1988, 2598, 2598 f.; Palandt/Heinrichs, BGB § 117 Rn. 9). Das trifft hier also die Beklagte. Um ihr Beweisziel zu erreichen, wäre allein die Annahme der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen N... G... geeignet; denn nur dieser hat das Vorbringen der Beklagten bestätigt. Andere unmittelbare Beweise oder Indizien, die in dieselbe Richtung deuten würden, liegen im Ergebnis nicht vor. Ist die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen G... erschüttert, so reicht das im vorliegenden Fall aus, um ein non liquet anzunehmen. Davon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen. Auch das Gebot der vollständigen Würdigung aller Beweise ist in diesem Falle nicht verletzt, weil die Festlegung auf ein Beweisergebnis nicht erforderlich ist. Deshalb musste sich das Landgericht entgegen der Annahme der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung nicht endgültig festlegen, ob bei den divergierenden Aussagen der Zeuge N... G... oder aber der Zeuge D... St... die Wahrheit gesagt hat. Zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen N... G... reicht es aus, dass wesentliche Punkte seiner Aussage - St... sei gerade als Zeuge der Geldübergabe hinzugezogen worden und könne deshalb die Geldübergabe bestätigen, sowie der Urkundsnotar sei nachträglich über das Schwarzgeschäft informiert worden - von den Zeugen St... und S... gerade nicht bestätigt wurden. Die Unklarheiten über den Verbleib des angeblich gezahlten Schwarzgeldes, den Grund der Information des Urkundsnotars und den Grund für den Willen zur Loslösung vom Grundstückskaufvertrag sind vom Landgericht zu Recht erwähnte Zusatzindizien für die Unglaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen G.... Das Beklagtenvorbringen und der Zeuge N... G... äußern sich schließlich nicht zur Frage der Rückgabe des angeblich gezahlten Schwarzgeldes im Rahmen der erstrebten Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages (zum Wegfall des Bereicherungsanspruchs hierauf nur bei der hier von der Beklagten nicht gewünschten Vollziehung des Grundstücksgeschäfts BGH NJW 1980, 451 f.; OLG Frankfurt NJW 1991, 1958 f.). Insoweit wäre das Rückauflassungsverlangen ohne konkretes Angebot der Rückzahlung des angeblich vereinnahmten Schwarzgeldes auch treuwidrig (vgl. OLG Stuttgart RdL 1995, 152, 153).

Insgesamt ist die Wertung des Landgerichts, es sei letztlich allen Zeugenaussagen nicht zu trauen, plausibel. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestehen nicht.

2. Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung durch das Landgericht bestand kein zwingender Grund nach § 156 Abs. 2 ZPO. Daher stand die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Ermessen des Landgerichts (§ 156 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Nach der Rechtsprechung ist das Gericht zur Wiedereröffnung einer bereits geschlossenen Verhandlung verpflichtet, wenn sich aus dem neuen Vorbringen ergibt, dass die bisherige Verhandlung lückenhaft war und in der letzten mündlichen Verhandlung bei sachgemäßem Vorgehen Veranlassung zur Ausübung des Fragerechts bestanden hätte (BGHZ 53, 245, 262). Darüber hinaus wird eine Pflicht zur Wiedereröffnung angenommen, wenn durch Versäumnisse oder Ungeschicklichkeiten des Gerichts oder durch andere Umstände im Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine vollständige und sachgerechte Erklärung der Parteien unterblieb. Dagegen ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht geboten, wenn diese - wie hier - ohne Verfahrensfehler geschlossen wurde. Die Beklagte macht der Sache nach einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580 ZPO) geltend. Das ist nur dann ein zwingender Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, wenn der Wiederaufnahmegrund glaubhaft gemacht worden ist (§ 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). An einer solchen Glaubhaftmachung fehlt es jedoch. Dann bleibt es wiederum dem Ermessen des Gerichts überlassen, ob es erneut in die mündliche Verhandlung eintritt oder nicht (vgl. BGHR ZPO § 156 Ermessen 4).

Dieses Ermessen ist fehlerfrei ausgeübt worden. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang das Äußerungsverhalten der Zeugen N... G... und St... gewürdigt und darauf verwiesen, dass diese trotz Vorhalts der jeweils anderen Aussage bei ihren Angaben geblieben waren, ohne das angebliche Flurgespräch zu erwähnen. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Behauptung einer abweichenden Äußerung des Zeugen St... bei einem Gespräch mit dem Zeugen G... vor dem Gerichtssaal nachträglich nur angebracht wurde, um eine Wiederholung der bereits abgeschlossenen Zeugenvernehmung herbeizuführen und Glaubwürdigkeitsbedenken gegen den Zeugen St... zu wecken. Dem musste das Landgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nicht folgen. Die angebliche Mitteilung eines anderen Geschehens durch den Zeugen St... an N... G... war ins Wissen des Zeugen N... G... gestellt worden, dessen Aussage das Landgericht gerade für zweifelhaft hielt. Die Ergänzung der Angaben dieses Zeugen durch ein weiteres Detail vermochte nicht alle Zweifelsgründe auszuräumen. Nur eine Aussageänderung des Zeugen St... - unter Einräumung einer vorherigen Falschaussage vor Gericht - hätte das bisherige Beweisergebnis ernsthaft in Frage stellen können. Damit war aber im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht rechnen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt 9.000 Euro (vgl. Bl. 116 GA).



Ende der Entscheidung

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