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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 12 U 1184/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StVG


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 254
StVG § 7
Ein grobes Verschulden des Fußgängers, der bei Schaltung der Fußgängerampel auf rot ungeachtet eines herannahenden Fahrzeugs die mehrspurige Straße überqueren wollte, lässt auch die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zurücktreten, wenn diesem kein Verschulden an dem anschließenden Fußgängerunfall nachzuweisen ist. Ein Zeugnis vom Hörensagen ist zwar verwertbar, jedoch ist der Beweiswert solcher Angaben, die nur mittelbar Schlüsse auf das eigentliche Geschehen zulassen, jedenfalls wesentlich geringer als der Beweiswert der Aussage einer Beweisperson, die über eigene unmittelbare Wahrnehmungen zum Kerngeschehen berichten kann. Bekundungen von Zeugen und Parteien, die Jahre nach einem Unfallgeschehen gemacht haben, verlieren an Aussagekraft für die Beweisführung im Strengbeweisverfahren.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1184/04

Verkündet am 11.12.2006

in dem Rechtsstreit

wegen eines Schadensersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach und die Richterin am Oberlandesgericht Kagerbauer auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 24. August 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 30. Mai 2001 gegen 14.00 Uhr auf der R...strasse in M... zugetragen hat. Der Zweitbeklagte fuhr mit seinem Pkw Opel Zafira, der bei der Erstbeklagten gegen Haftpflicht versichert ist, die R...strasse auf der rechten von zwei gleichgerichteten Fahrspuren in Richtung P...-Allee. An der Fußgängerampel bei der Einmündung der H...strasse in die R...strasse standen auf der - in Fahrtrichtung des Klägers gesehen - rechten Seite mehrere Personen, darunter der Kläger. Der Kläger betrat die Fahrbahn, als die Fußgängerampel für ihn noch auf "rot" geschaltet war. Dabei wurde er von dem vom Zweitbeklagten geführten Pkw erfasst und an der rechten Körperseite verletzt.

Der Kläger hat behauptet, für ihn von links kommende Fahrzeuge auf der R...strasse hätten abgebremst, so dass er, der Kläger, davon ausgegangen sei, sie würden vor dem Fußgängerüberweg anhalten und die Fußgängerampel werde alsbald auf grün umschalten. Auch der Zweitbeklagte habe seine Fahrgeschwindigkeit verlangsamt, sei dann aber unter erneuter Beschleunigung weiter gefahren, um die Haltelinie vor der Fußgängerampel noch bei der Ampelschaltung auf gelb zu passieren. Er sei dabei mit mindestens 50 km/h gefahren.

Der Kläger lässt sich ein hälftiges Mitverschulden anrechnen und verfolgt in diesem Umfang sein Klageziel, die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und zum Ersatz von Verdienstausfall herbeizuführen; ferner erstrebt er die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagten ihm als Gesamtschuldner zum Ersatz allen weiteren Schadens aufgrund des genannten Unfallereignisses verpflichtet sind, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben behauptet, der Kläger sei in der Fußgängergruppe stehend hochgesprungen; er habe gleichsam einen "Hüpfer" gemacht. Das sei Anlass für den Zweitbeklagten gewesen, zuerst vom Gas zu gehen, was er aber nach Beendigung des Sprunges wieder aufgegeben habe, weil der Kläger danach zunächst wieder in der Personengruppe verschwunden sei. Die Ampel sei beim Überfahren der Haltelinie für den Zweitbeklagten auf "grün" geschaltet gewesen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer vom 24. August 2004 abgewiesen. Es hat angenommen, ein Verschulden des Zweitbeklagten sei nicht bewiesen. Auch die Betriebsgefahr des Pkw Opel Zafira trete angesichts des Verschuldens des Klägers zurück.

Mit der Berufung erstrebt der Kläger weiterhin auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 : 50 die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 4.000 Euro, ferner von 1.727,05 Euro als Ersatz für Kosten wegen der verletzungsbedingt verlängerten Studienzeit und von 5.700 Euro Verdienstausfall, jeweils nebst Zinsen, schließlich die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aufgrund des Unfallereignisses bei Berücksichtigung eines Mitverschuldens zu 1/2.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G... (Bl. 187 ff. GA), Parteivernehmung des Zweitbeklagten (Bl. 189 ff. GA), Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. B... (Bl. 224 ff. GA), Parteivernehmung des Klägers (Bl. 267 ff. GA), Vernehmung seiner Ehefrau A... B... als Zeugin (Bl. 264 ff. GA) und Vernehmung seiner Mutter R... K... als Zeugin (Bl. 270 ff. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen des Senates vom 19. Mai 2005 und 20. November 2006 sowie auf das bei den Akten befindliche Sachverständigengutachten Bezug genommen. Ferner war die Akte der Staatsanwaltschaft Mainz 3129 Js 18147/01 Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Bezüglich der Feststellungen des Landgerichts verweist der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Fest steht nur ein eigenes Verschulden des Klägers im Sinne von § 254 BGB, nicht aber ein Verschulden des Zweitbeklagten. Bei dieser Fallgestaltung tritt die Betriebsgefahr des vom Zweitbeklagten geführten Fahrzeugs zurück.

Der Kläger hat den Unfall selbst verschuldet. Das ist im Ansatz unstreitig, denn er hatte die Strasse betreten, als die Fußgängerampel auf "rot" geschaltet war. Unklar ist insoweit nur die Frage, ob der Kläger darauf vertraut hat und bei der gegebenen Sachlage auch von Rechts wegen darauf vertrauen durfte, dass Fahrzeuge zu jenem Zeitpunkt bereits anhalten würden. Der Kläger hat nach seinem Sachvortrag in der Klagebegründung darauf verwiesen, dass "die Fahrzeuge" auf der R...strasse, "die von stadtauswärts kamen", ihre Geschwindigkeit reduziert hätten (Bl. 5 GA). Deshalb habe er angenommen, die Fahrzeugampel sei schon auf gelb geschaltet worden und die Fußgängerampel werde in Kürze auf grün umschalten. Er sei aus diesem Grund "mit einem Fuß auf die Fahrbahn" getreten und habe auf das Beschleunigen des Zweitbeklagten nicht mehr reagieren können. Dieser Vortrag trifft aber nicht zu. Im Verlauf des Verfahrens ist klargestellt worden, dass andere Fahrzeuge in gleicher Fahrtrichtung wie der Zweitbeklagte nicht vorhanden waren. Der Zeuge G... folgte dem Zweitbeklagten im nächsten Fahrzeug, befand sich nach seiner Bekundung aber noch auf Höhe der T...strasse, also in größerem Abstand vom Fahrzeug des Zweitbeklagten. Auf der zweiten Fahrspur in dieselbe Fahrtrichtung fuhr kein anderes Auto in der Nähe des Zweitbeklagten. Der Kläger konnte demnach seine Beobachtungen, was Fahrzeuge betrifft, die "von stadtauswärts" kamen, nur in Bezug auf den Pkw Opel Zafira des Zweitbeklagten gemacht haben. Er hatte dann aber gerade unter Wahrnehmung des Fahrzeugs, durch das er verletzt wurde, bei der Schaltung der Fußgängerampel auf rot die Fahrbahn betreten. Ein Vertrauensschutz kam ihm dabei wegen der eigenen Verletzung von Verkehrsregeln nicht zu. Bei seiner Parteivernehmung hat der Kläger die Darstellung dahin geändert, dass er kurz vor dem Betreten der Fahrbahn Fahrzeuge wahrgenommen habe, die aus Richtung Innenstadt kamen und vor dem Fußgängerüberweg ihre Geschwindigkeit reduziert hätten (Bl. 268 a.E. GA). Bei einer solchen Beobachtung nach rechts hätte er andererseits das von links kommende Fahrzeug des Zweitbeklagten zumindest zuletzt nicht mehr im Blick gehabt und auf dessen Bewegungen nicht mehr reagiert. Zudem kann der Kläger zur Zeit des Unfalls nicht nur, wie er es bei der Parteivernehmung behauptet hat, mit einem Fuß die Fahrbahn betreten haben; denn nach den Rekonstruktionsannahmen des Sachverständigen lag der Kollisionspunkt etwa 1,8 m vom Fahrbahnrand entfernt. Zudem wurde der Kläger, wie er einräumt, durch das von links kommende Fahrzeug an der rechten Körperseite verletzt (Bl. 268 GA). Das deutet auf eine Körperdrehung des Klägers vor dem Aufprall hin, die wiederum auf eine längere Verweildauer des Klägers auf der Strasse hinweist, als sie seiner Sachdarstellung, er habe nur einen Fuß auf die Fahrbahn gesetzt gehabt, zu entnehmen wäre. Ferner hat der Kläger seine eigene Reaktionsaufforderung an den Zweitbeklagten, die dieser mit einem "Hüpfer" beschrieben hat, in Abrede gestellt. Der Kläger hat angegeben, er habe keinen "Hüpfer" gemacht und nicht etwa dadurch die anfängliche Geschwindigkeitsverringerung und nachfolgende Beschleunigung des Zweitbeklagten ausgelöst. Seine erste Bewegung sei der Schritt auf die Fahrbahn gewesen. Damit ist dem Vorbringen des Klägers aber nicht zu entnehmen, woran genau der Zweitbeklagte hätte erkennen können, dass ein Fußgänger zum Überqueren der Strasse angesetzt habe. Schließlich hat der Kläger erstmals bei seiner Parteivernehmung am 20. November 2006 mit Bestimmtheit behauptet, er habe die auf gelb umgeschaltete Fahrzeugampel selbst gesehen (Bl. 268 GA), weil er links neben der Ampel gestanden habe. Das wäre zwar technisch möglich, denn die Ampel für Fahrzeuge und Fußgänger befindet sich nach dem Lichtbild (Bl. 12 BA) und der Skizze in der Strafakte 3129 Js 18147/01 (Bl. 76 BA) nicht etwa in nächster Nähe zu der Haltelinie für Fahrzeuge auf der Straße, sondern in der Mitte des Fußgängerüberwegs. Jedoch erscheint die Behauptung des Klägers, er habe auch die Fahrzeugampel bei ihrer Schaltung auf gelb selbst gesehen, unglaubhaft. Dieser wichtige Aspekt wurde weder im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren noch im Zivilprozess bis zum Beginn der letzten mündlichen Verhandlung des Senats vom 20. November 2006 rund fünfeinhalb Jahre nach dem Unfall erwähnt. Der Kläger hat vielmehr zur Klagebegründung ebenso wie zur Erläuterung seines Standpunkts im weiteren Verlauf des Rechtsstreits stets von seiner Schlussfolgerung aus dem Verhalten von Fahrzeugführern auf die Ampelschaltung für den Fahrzeugverkehr gesprochen. Darauf baut auch die bisherige Beweisführung mit Zeugen vom Hörensagen auf. Wenn der Kläger aber zuletzt bei seiner Vernehmung als Partei die Überzeugung geäußert hat, er habe die Ampelschaltung für den Fahrzeugverkehr selbst unmittelbar wahrgenommen, so beruht auch das auf einer - unbewussten - Schlussfolgerung, die nach dem langen Zeitablauf verständlich erscheint; objektiv aber ist die Angabe nicht zutreffend. Der Kläger hat nämlich auch ausgeführt, dass er mangels eigener Erinnerung an das Unfallgeschehen im engeren Sinne die Mitteilungen des Zweitbeklagten über den Ablauf bei dem Krankenhausbesuch mit besonderem Interesse aufgenommen habe, weil er sich den Unfall bis dahin nicht habe erklären können. Seine neue Sachdarstellung im Rahmen der Parteivernehmung läuft demgegenüber darauf hinaus, dass er alle Umstände ebenso gut wie der Zweitbeklagte selbst unmittelbar wahrgenommen habe. Das macht keinen Sinn. Insgesamt gestatten die Angaben des Klägers im Rahmen seiner Parteivernehmung auch unter Berücksichtigung des Unfallschocks (vgl. OLG Hamm NZV 2002, 325 f.) nicht die Feststellung eines Sachverhalts, der seinem schriftsätzlichen Vorbringen entspricht.

Bei dieser Sachlage hilft dem Kläger auch die Aussage des Zeugen G... nicht weiter. Dieser hat bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht (Bl. 89 GA) ebenso wie vor dem Senat (Bl. 187 GA) jeweils bekundet, keine aktuelle Erinnerung an das eigentliche Unfallgeschehen mehr zu haben. Er hat insoweit auf seine Ausführungen im Strafverfahren verwiesen. Dort ist zwar zeitnah in einer dem - ergänzenden - Urkundenbeweis zugänglichen Weise festgehalten worden, dass der Zeuge G... gesehen habe, der Zweitbeklagte habe zuerst (ohne Aufleuchten der Bremslichter, Bl. 188 GA) die Geschwindigkeit verringert und dann wieder beschleunigt, um noch bei einer Ampelschaltung auf gelb den Fußgängerüberweg zu passieren. Darin sind aber zwei Unsicherheitsfaktoren enthalten, die mangels aktueller Erinnerung des Zeugen im Zivilprozess nicht mehr überwunden werden können. Zum einen ist davon auszugehen, dass der Zeuge seine Beobachtungen von einer Stelle in Höhe der T...strasse aus gemacht hat, also in einiger Entfernung zum eigentlichen Unfallort. Das lässt zumindest Zweifel daran entstehen, dass der Zeuge die jeweiligen Abstände des vom Zweitbeklagten geführten Fahrzeugs zur Haltelinie bei einem Brems- und Beschleunigungsvorgang sowie beim Umschalten der Ampel auf gelb richtig einschätzen konnte und nicht nur aus der Tatsache des Fußgängerunfalls Schlussfolgerungen gezogen hat, die - weil die auf rot geschaltete Fußgängerampel nicht in dem Blickfeld des Zeugen gelegen hatten - letztlich unrichtig sind. Zum anderen ist auch zu berücksichtigen, dass die Fahrzeugampel sich nicht bei der Haltelinie befindet, sondern bis zur Mitte des Fußgängerüberwegs zurückversetzt ist. Auch das kann zu einer falschen Schlussfolgerung des Zeugen hinsichtlich des Abstands des Fahrzeugs des Zweitbeklagten zur Ampel und zur Haltelinie beim Umschalten auf gelb geführt haben. Eine Klärung dieser Fragen, die vor dem Hintergrund der sich aus den Ausführungen des Klägers bei seiner Parteivernehmung ergebenden Unklarheiten für die im Sinne von § 286 ZPO sichere Feststellung eines Verschuldens des Zweitbeklagten unabdingbar wären, ist nicht mehr möglich.

Auch die Angaben der Zeuginnen A... B... und R... K... können weder einzeln noch in der Gesamtschau mit den weiteren Tatsachen und Beweisen die sichere Feststellung eines Verschuldens des Zweitbeklagten tragen. Dabei ist zu beachten, dass es nur um ein Zeugnis vom Hörensagen geht, weil beide Zeuginnen das eigentliche Unfallgeschehen nicht wahrgenommen haben, sondern nur Gesprächsäußerungen wiedergeben können. Ein Zeugnis vom Hörensagen ist zwar zulässig und sein Aussageinhalt prozessual verwertbar (vgl. BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweisantrag Ablehnung 4), jedoch ist der Beweiswert solcher Angaben, die nur mittelbar Schlüsse auf das eigentliche Geschehen zulassen, von vornherein geringer als der Beweiswert der Aussage einer Beweisperson, die über eigene unmittelbare Wahrnehmungen zum Kerngeschehen berichten kann. Der Beweiswert der Angaben der Zeuginnen B... und K... wird weiter dadurch reduziert, dass sie Ungenauigkeiten und Unklarheiten enthalten. Beide Zeuginnen haben an Einzelheiten des Gesprächs im Krankenhaus keine genaue Erinnerung; davon ausgenommen sein soll allein die angebliche Äußerung des Zweitbeklagten, er sei durch ein nicht näher umschriebenes Verhalten des Klägers verunsichert gewesen, habe zuerst gebremst (freilich ohne Aufleuchten von Bremslichtern, vgl. Bl. 188 GA) und dann wieder beschleunigt, um noch bei der Ampelschaltung auf gelb den Fußgängerüberweg passieren zu können. An Fragen und Vorhaltungen wegen des angeblichen Schuldeingeständnisses vermochten sich beide Zeuginnen nicht zu erinnern, obwohl solche Reaktionen auf die angeblichen Bekundungen des Zweitbeklagten nahe gelegen hätten. Insbesondere bei der Aussage der Zeugin K..., die erstmals rund fünfeinhalb Jahre nach dem Unfall vernommen wurde, wurde deutlich, dass allein die Bemerkung des Zweitbeklagten, die Fahrzeugampel sei auf gelb geschaltet gewesen, als sichere Erinnerung bezeichnet wurde, während alle anderen Aspekte, einschließlich der markanten Tatsache, dass die Fußgängerampel für den Kläger immerhin (unstreitig) auf rot geschaltet gewesen war, nicht mehr in der Erinnerung haften geblieben sein sollen. Das macht deutlich, dass weniger eine konkrete Erinnerung an ein lange zurückliegendes Detailgeschehen, als vielmehr eine unbewusste Zuschreibung dessen, was im Mittelpunkt des Verfahrensgeschehens steht, zu einer vermeintlichen Erinnerung erfolgt ist. Das wird auch beim Abgleich der Zeugenaussagen mit den Angaben des Klägers bei seiner Parteivernehmung deutlich. Die Zeugin A... B... hat ausgesagt, der Kläger, ihr Ehemann, könne sich an Einzelheiten des Unfallgeschehens, insbesondere wie es dazu gekommen sei, nicht mehr erinnern (Bl. 265 GA). Entsprechendes hat anfangs auch der Kläger selbst bekundet, dann aber so viele Details - angeblicher - Wahrnehmungen bis hin zur unmittelbaren eigenen Wahrnehmung des Umschaltens der Fahrzeugampel auf gelb, beschrieben, dass von der Prämisse einer fehlenden Erinnerung an das eigentliche Unfallgeschehen kaum noch etwas übrig geblieben ist. Bei allem verkennt der Senat nicht, dass die Zeugin A... B... konstante Angaben gemacht hat. Ihre erste Aussage im Zivilprozess am 6. Juli 2004 (Bl. 90 f. GA) erfolgte freilich auch erst mehr als drei Jahre nach dem Unfall. Dabei waren ihre Angaben ungenau, als sie mit Blick auf das Fahrverhalten des Zweitbeklagten ausführte: "Man hat mir gegenüber gesagt, er habe dann beschleunigt und dann sei auch schon der Unfall passiert" (Bl. 90 GA). Das lässt die Möglichkeit offen, dass die Äußerung zur Fahrzeugbeschleunigung letztlich auf die Bemerkungen des Zeugen G... zurückgehen, die der Zweitbeklagte, dem am Unfallort daraus Vorhaltungen gemacht worden waren, beim Krankenbesuch wiedergegeben haben mag ("Man hat mir gesagt"). Die anschließende Mitteilung der Zeugin, der Zweitbeklagte habe das Umschalten der Fahrzeugampel auf gelb als eigene Wahrnehmung zum Unfallzeitpunkt geschildert (Bl. 91 GA), reicht dann auch für eine entsprechende Überzeugungsbildung des Senats nicht aus. Die Zeugin wusste kaum Details der Gesprächssituation wiederzugeben, außer den Aspekten, die aus der Sicht des Klägers für einen Verschuldensvorwurf gegenüber dem Zweitbeklagten entscheidend waren. Dass zum Beispiel auch die Fußgängerampel (unstreitig) auf rot geschaltet gewesen war, taucht in der selektiven Schilderung der Zeugin nicht auf, obwohl dieser ebenfalls markante und für die Verschuldensfrage gewichtige Umstand bei einer näheren Erörterung des Unfallgeschehens durch die beiden Unfallbeteiligten im Krankenhaus kaum unerwähnt geblieben sein kann. Unter diesen Umständen ist das bloße Zeugnis vom Hörensagen für einen sicheren Verschuldensnachweis zum Nachteil der Beklagten nicht ausreichend.

Die Aussagen des Klägers als Partei sowie die Aussagen der Zeugen W... G..., A... B... und R... K... sind jedenfalls nicht geeignet, die nachvollziehbaren Angaben des Zweitbeklagten bei dessen Parteivernehmung zu widerlegen. Nur daraus ergibt sich ein Hinweis auf einen plausiblen Grund für eine anfängliche Geschwindigkeitsverringerung (durch Wegnehmen des Fußes vom Gaspedal) ohne eigentliches Bremsen und anschließendes Beschleunigen durch den Zweitbeklagten vor der endgültigen Vollbremsung. Den Anlass dafür gab der allein vom Zweitbeklagten beschriebene "Hüpfer". Weder der Kläger noch die Zeuginnen B... und K... vermochten einen anderen überzeugenden Grund für die auch von ihnen genannte Reaktion des Zweitbeklagten mitzuteilen. Dass ein Fußgänger "Anstalten" machte, die Straße zu überqueren, wie es der Kläger in seinem schriftsätzlichen Parteivortrag dargestellt hat, besagt hier nichts. Es stand eine ganze Fußgängergruppe am Fahrbahnrand. Weshalb ausgerechnet der Kläger dem Zweitbeklagten aufgefallen sein soll, wenn er keinen "Hüpfer" gemacht haben soll, ist nicht nachzuvollziehen. Die Darstellung des Geschehens durch den Zweitbeklagten (Bl. 189 f. GA) ist insoweit jedenfalls plausibler. Aus ihr geht dann aber auch weiter hervor, dass der Kläger sich nicht direkt am Fahrbahnrand befunden hatte, sondern in der zweiten Reihe der Fußgängergruppe stand, als er den "Hüpfer" machte. Blieb der "Hüpfer" zunächst ohne weitere Folgen hinsichtlich des Betretens der Fahrbahn, dann lag für den Zweitbeklagten kein Anlass vor, allein deshalb auch im Sinne des Gebots der Rücksichtnahme vor dem Fußgängerüberweg anzuhalten. Plausibel ist ferner die Darstellung des Zweitbeklagten, dass er zu einem Gasgeben gar keine Zeit mehr gehabt habe. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B... setzte bereits die abschließende Bremsreaktion des Zweitbeklagten ein, als er sich etwa 18 Meter vom Fußgängerüberweg entfernt befunden hatte (Bl. 234 GA). Ein Abbremsen und Beschleunigen hätte gegebenenfalls noch früher erfolgt sein müssen. Dafür hätte ohne eine markante Reaktionsaufforderung in Form eines "Hüpfers" kein Anlass bestanden.

Auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. B... lässt nur die Feststellung eines markanten Verschuldens des Klägers, nicht die Feststellung eines Verschuldens des Zweitbeklagten zu. Jedem auch nur einigermaßen geübten Verkehrsteilnehmer ist danach bekannt, dass ein Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h auf eine Distanz von 18 Metern nicht mehr rechtzeitig abgebremst werden kann, wenn der Fahrer erst auf das Betreten der Straße durch einen Fußgänger reagieren muss (Bl. 236 GA). Dass der Zweitbeklagte schneller als zulässig gefahren ist, konnte der Sachverständige nicht feststellen. Zur Frage der Ampelschaltung für den Fahrzeugverkehr zum Unfallzeitpunkt konnte er aus verkehrstechnischer Sicht keine Angaben machen, auch nicht aufgrund des Ampelschaltplanes (Bl. 237 GA). Eine verspätete Reaktion des Zweitbeklagten auf ein Gefahrensignal kann nach Ansicht des erfahrenen Sachverständigen gleichfalls nicht festgestellt werden (Bl. 238 GA). Weitere sichere Erkenntnisse zu einem Verschulden des Zweitbeklagten gehen - wie oben ausgeführt - aus der Partei- und Zeugenvernehmung nicht hervor. Daher gelangt der Senat auch zu demselben Wertungsergebnis wie das Landgericht. Ein hier vorliegendes grobes Verschulden des Fußgängers, der bei Schaltung der Fußgängerampel auf rot ungeachtet eines herannahenden Fahrzeugs die mehrspurige Straße überqueren wollte, lässt auch die bloße Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs im Sinne von § 7 StVG zurücktreten (vgl. OLG Köln VersR 1976, 1095 f.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.

Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 12.427,05 Euro festgesetzt (Antrag zu 1.: 4.000 Euro, Antrag zu 2.: 1.727,05 Euro, Antrag zu 3.: 5.700 Euro, Anträge zu 4. bezüglich der Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden aufgrund einer Haftungsquote von 50 : 50: 1.000 Euro).

Ende der Entscheidung

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