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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 16.07.2001
Aktenzeichen: 12 U 124/00
Rechtsgebiete: BGB, LStrG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 847
BGB § 254
LStrG § 48 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 12 U 124/00

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

Verkündet am 16. Juli 2001

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und den Richter am Landgericht Lambert

auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Koblenz vom 6. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger befuhr am 3. August 1998 gegen 12.10 Uhr in N. ..... mit seinem Trekking-Fahrrad, welches mit einer etwas schmaleren 32'er Bereifung ausgestattet war, nach einem ampelbedingten Halt auf der A..........-Straße auf die Kreuzung B..........straße, um nach links in Richtung I..... abzubiegen. Als er in der Kreuzungsmitte über eine längliche bis zu ca. 60 cm lange, 16 cm breite und 4 cm tiefe Beschädigung der Straßendecke fuhr, stürzte er mit seinem Fahrrad und erlitt erhebliche Verletzungen.

Er verlangt von der verkehrssicherungspflichtigen Beklagten Ersatz des materiellen Schadens (771,09 DM), eines Schmerzensgeldes von mindestens 4.000 DM und die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des zukünftig noch eintretenden materiellen und immateriellen Schadens, soweit kein gesetzlicher Anspruchsübergang erfolgt ist.

Die Beklagte tritt diesen Ansprüchen schon dem Grunde nach entgegen, weil, zumal bei der insgesamt schon etwas schadhaften Fahrbahn, die geringfügige und zudem großflächige Fahrbahnvertiefung noch keine Verkehrssicherungsmaßnahme erfordert habe. Zudem sei die Unebenheit für einen auch nur durchschnittlich sorgfältigen Verkehrsteilnehmer ohne weiteres erkennbar gewesen, so dass den Kläger das Alleinverschulden am Unfall treffe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Unfallakten der Kreisverwaltung Neuwied verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte seinen Fahrradsturz durch eine schuldhafte Amtspflichtverletzung verursacht hat.

Alleinige Rechtsgrundlage für die Klageansprüche sind die §§ 839, 847 BGB i.V.m. Art. 34 GG, da die Beklagte im Hinblick auf § 48 Abs. 2 LStrG Rheinland-Pfalz die Pflicht zur Sicherung des Verkehrs als Amtspflicht traf. Inhaltlich entspricht sie der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. z.B. BGH VersR 1979, 1055).

1. In der erforderlichen Gesamtschau stellte die Schadstelle in der Fahrbahn noch keinen verkehrswidrigen Zustand dar, der nicht mehr hinzunehmen war. Der Straßenbenutzer hat keinen Anspruch auf einen schlechthin gefahrfreien Zustand der Straße; der Unterhaltspflichtige muss nur solche Gefahren vermeiden, auf die sich auch ein umsichtiger und in vernünftigen Grenzen sorgfältiger Benutzer nicht einzustellen vermag. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hängt vom Charakter der Straße ab, der maßgebend durch Art und Ausmaß ihrer Benutzung und ihrer Verkehrsbedeutung bestimmt wird und auch davon, welche Erwartungen ein Verkehrsteilnehmer vernünftigerweise in der konkreten Situation an den Zustand der Straße stellen kann. Grundsätzlich hat er sich den gegebenen Verhältnissen anzupassen und die Straße so hinzunehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (BGH VersR 1965, 260, 261). Soweit der Rechtsprechung der Grundsatz entnommen wird, dass Unebenheiten mit einer Tiefe von bis zu etwa 5 cm generell für Radfahrer keinen verkehrswidrigen Zustand darstellen und von diesen allerorts hinzunehmen sind (vgl. Braun, BADK-Information 1997, 16 ff. mit Nachweisen), ist zwar vor einer Festlegung auf bestimmte Werte Vorsicht geboten. Es ist durchaus denkbar, dass z.B. ein Schlagloch von 4 cm Tiefe mitten auf der Straße auch für einen Radfahrer keinen verkehrswidrigen Zustand darstellt (Braun, a.a.O., S. 16), und in einem anderen Fall aufgrund bestimmter Umstände und bereits mehrfach erfolgter Fahrradstürze auf der Schadstelle doch. Erforderlich ist daher immer eine Einzelabwägung.

Auch wenn es sich im Streitfall nicht um eine unbedeutende Straßenkreuzung handelt, so weisen doch schon die auf den polizeilichen Lichtbildern mehrfach erkennbaren streifen- bzw. linienförmigen Beschädigungsstrukturen im Bereich der Fahrbahndecke darauf hin, dass sich diese insgesamt nicht in einem guten Zustand befand, und dies auch jedem Straßenbenutzer ohne weiteres erkennbar war. Gerade ein Radfahrer als besonders gefährdeter Verkehrsteilnehmer kann und muss sich hierauf in seiner Fahrweise rechtzeitig einstellen. Das gilt selbst dann, wenn Abbruchkanten oder rillenartige Vertiefungen im Einzelfall parallel zu seiner Fahrtrichtung verlaufen, aber wie hier ohne weiteres erkennbar sind (OLG Düsseldorf, BADK-Information 1998, 109). Solche Gefahren, die etwa auch bei in der Fahrtrichtung verlegten Straßenbahnschienen oder an Gehwegkanten bestehen, sind jedem Radfahrer bekannt.

2. Selbst wenn aber hier die Grenze zwischen hinzunehmenden Straßenschäden und abhilfebedürftigen Risiken bereits als überschritten ansähe, würde dem Kläger im Hinblick auf die besonderen Umstände seines Falles kein Entschädigungsanspruch zustehen. Denn der Unfall des Klägers beruht auf grobem Eigenverschulden, so dass bei einer Mitverschuldensabwägung gemäß § 254 BGB eine Haftung der Beklagten ganz zurücktreten müsste.

Die Darstellung des Klägers, er habe die Gefahrenstelle nicht erkennen können, weil er verkehrsbedingt einem ebenfalls links abbiegenden vorausfahrenden und ihm die Sicht versperrenden Pkw gefolgt sei, ist widersprüchlich und nicht überzeugend. Wenn nach seinen Angaben der vor der Ampel links neben ihm befindliche Pkw ihm Anlass gegeben hat, im weiten Bogen auf die Kreuzung zu fahren, dann ist nicht erkennbar, weshalb ihm dann durch diesen Pkw die Sicht auf die in seiner Fahrlinie liegende Straßendeckenschadstelle versperrt gewesen sein soll. Im Übrigen hätte schon der in der Berufung eingeräumte "allenfalls orientierende Blickkontakt zur Straße bei der fahrerischen Bewältigung des Linksabbiegens" selbst für einen ortsfremden Radfahrer ohne weiteres ausgereicht, um die mögliche Gefahrenstelle zu erkennen und hierauf, etwas rechts ausweichend, zu reagieren. Beim Kläger kommt hinzu, dass er nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Polizei (Bl. 6 BA) ortsvertraut war; er kannte die Kreuzung, da er des Öfteren diesen Streckenabschnitt mit dem Fahrrad befuhr. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob den Kläger, der auch als Radfahrer dem Sichtfahrgebot unterlag, auch noch ein nennbares zusätzliches Eigenverschulden deshalb trifft, weil er mit etwas schmaleren als bei einem Trekking-Rad üblichen Reifen gefahren ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens, der zugleich auch Wert der Beschwer des Klägers ist, wird auf 9.771,09 DM festgesetzt (771,09 DM materieller Schaden, 4.000 DM Schmerzensgeld und 5.000 DM Feststellungsbegehren).

Ende der Entscheidung

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