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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 07.03.2005
Aktenzeichen: 12 U 1262/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, PflVersG, StVG, StVO


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 823
BGB § 847 a.F.
PflVersG § 3 Nr. 1
StVG § 7
StVG § 17
StVO § 1
StVO § 3 Abs. 1 Satz 3
StVO § 21a Abs. 1
Der Führer eines Fahrzeuggespanns, der durch verkehrswidriges Verhalten auf der Autobahn Ladung verliert und dadurch ein Hindernis auf beiden Fahrspuren in dieselbe Fahrtrichtung bildet, haftet für einen dadurch verursachten Auffahrunfall. Der Zurechnungszusammenhang wird nicht vollständig dadurch unterbrochen, dass der Lkw-Fahrer am Unfallort Absicherungsmaßnahmen trifft, indem er die Warnblinkanlage des Lkws in Gang setzt und ein Warndreieck aufstellt. Auch ein Mitverschulden des auf die verlorene Ladung auffahrenden Kraftfahrers hebt den Zurechnungszusammenhang nicht auf. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit gilt auch nicht schon dann, wenn der Auffahrende ohne Fahrerlaubnis gefahren ist und auf die Warnsignale des Lkw-Fahrers nicht reagiert hat. Dies und eine Verletzung der Gurtanlegepflicht begründen aber eine Mithaftung.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1262/03

Verkündet am 07.03.2005

in dem Rechtsstreit

wegen eines Schadensersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 11. September 2003 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten zu 1) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Januar 2003 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass

a)die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner dazu verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen Schäden, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom 17. Dezember 1999 gegen 02.30 Uhr auf der Bundesautobahn A .. in der Gemarkung B....... entstanden sind oder noch entstehen, zu 30 % zu ersetzen,

b)die Beklagten zu 1) und 3) dazu verpflichtet sind, dem Kläger die künftigen immateriellen Schäden aus demselben Ereignis bei Beachtung einer Mithaftungsquote des Klägers von 70 % zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

3. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich wie folgt:

1. Von den Kosten des Verfahrens in erster Instanz haben der Kläger 73,60 %, die Beklagten zu 1) und 3) 23,90 % als Gesamtschuldner und der Beklagte zu 2) 2,50 % zu tragen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 59,40 %, die Beklagten zu 1) und 3) 36,75 % als Gesamtschuldner und der Beklagte zu 2) 3,85 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für alle Parteien jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 17. Dezember 1999 gegen 02.30 Uhr auf der Bundesautobahn A .. in der Gemarkung B....... auf gerader und ebener Strecke bei trockener Fahrbahn zugetragen hat. Der Kläger war - trotz mehrfach erteilten Fahrverbots - als Führer eines Pkw Toyota Hiace auf einer Lieferfahrt von Arzneimitteln unterwegs. Zuvor befuhr mit etwa 90 km/h der Erstbeklagte mit einem Lastzug der Zweitbeklagten als Fahrzeughalterin, bestehend aus einem Daimler-Benz-Actros-Lkw nebst Anhänger, der bei der Drittbeklagten gegen Haftpflicht versichert war, diese Autobahnstrecke. Der Erstbeklagte kam wegen Übermüdung nach rechts von der Fahrbahn ab auf den Randstreifen, erschrak dadurch und lenkte nach links, wodurch der Lkw in einen instabilen Fahrzustand geriet. Dann konnte der Erstbeklagte, der zur Vermeidung eines Aufpralls auf die Mittelleitplanke wieder nach rechts gegenlenken musste, nicht mehr verhindern, dass der Anhänger in Höhe einer Brücke über die Autobahn bei Kilometer 8,5 ausbrach und seine Ladung in Form von mehreren Tonnen Papier auf Holzpaletten auf der gesamten Breite der Fahrbahn und auf einer Länge von etwa 100 m verstreute. Das Papier häufte sich dort bis zu 80 cm hoch an. Das Fahrzeuggespann blieb schließlich liegen, wobei der Lkw auf dem Seitenstreifen stand, während der Anhänger in die Fahrbahn hineinragte. Der Erstbeklagte schaltete die Warnblinkanlage am Lkw ein und stellte rund 500 m vor der verstreuten Papierladung ein Warndreieck auf, als der Kläger herannahte. Der Kläger fuhr gleichwohl in die verstreute Papierladung hinein, verlor dadurch die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidierte mit dem Anhänger des Lastzuges. Sein Beifahrer S...... wurde getötet. Der Kläger wurde schwer verletzt. Er erlitt einen Bruch des ersten Lendenwirbels, einen Hüftpfannenbruch, eine Beckenringfraktur, einen Schienbeinkopfbruch mit Ausriss des vorderen Kreuzbandes, eine Kniegelenksluxation mit Bänderrissen, ein Schädelhirntrauma und eine Risswunde am linken Ohr. Er ist auf Dauer zum Teil auf einen Rollstuhl angewiesen und kann sich sonst nur mühsam über geringe Strecken mit Gehstützen bewegen.

Der Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts Alzey vom 12. März 2001 - 3129 Js 29383/99 Ls - (Bl. 277 ff. BA) wegen fahrlässiger Tötung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt; die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, ihm innerhalb einer Sperrfrist von fünf Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der Kläger hat in erster Instanz eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 100 % angenommen und die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, nicht unter 50.000 Euro, nebst Zinsen verlangt sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle seine künftigen materiellen und immateriellen Schäden gefordert. Er hat ausgeführt, der Erstbeklagte habe den Erstunfall verursacht und verschuldet. Dieser habe danach die Unfallstelle objektiv nicht ausreichend abgesichert, so dass der Zurechnungszusammenhang zu dem zweiten Unfall nicht unterbrochen worden sei.

Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt. Sie haben angenommen, der Erstbeklagte habe nach dem Erstunfall genügende Sicherungsmaßnahmen ergriffen, weshalb der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erstunfall und dem Unfall des Klägers unterbrochen worden sei. Der Kläger sei mit überhöhter Geschwindigkeit ohne Bremsmanöver in die sichtbar auf der Fahrbahn verstreute Lkw-Ladung hinein gefahren. Sein Verschulden werde dadurch unterstrichen, dass er mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vorbestraft gewesen und mit einem Fahrverbot belegt worden sei, das auch zur Unfallzeit gegolten habe.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 11.9.2003 abgewiesen (Bl. 56 ff. GA). Es hat ausgeführt, durch die Sicherungsmaßnahmen des Erstbeklagten sei der Zurechnungszusammenhang zwischen der schuldhaften Verursachung des Lkw-Unfalls und dem Auffahrunfall des Klägers unterbrochen worden. Der Erstbeklagte habe alles Erforderliche getan, um Folgeunfälle zu verhindern. Er habe nicht nur die Warnblinkanlage am Lkw angeschaltet und ein Warndreieck aufgestellt, sondern dem Kläger auch Winkzeichen gegeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der sich nunmehr eine Mithaftungsquote von 50 % anrechnen lässt, in diesem Umfang die erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt, aber neben einem Schmerzensgeldbetrag von jetzt mindestens 25.000 Euro nun auch eine Schmerzensgeldrente von 150 Euro monatlich fordert; wegen der Anträge wird auf Bl. 80/81 GA Bezug genommen. Der Kläger meint, die Absicherungsmaßnahmen hätten mit Blick darauf, dass die Papierladung auf der gesamten Fahrbahn über beide Fahrspuren hinweg verstreut gewesen sei, nicht ausgereicht. Deshalb sei nicht von einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs auszugehen.

Die Beklagten sind der Berufung entgegengetreten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens verweist der Senat auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze. Wegen der Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf dessen Urteil Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin T......, des Zeugen F..... sowie durch Befragung des schon im Strafverfahren als Sachverständiger tätig gewesenen Dipl. Ing. W....... H........ als sachverständiger Zeuge und als Sachverständiger. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2005 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache zum Teil Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner auf Ersatz seiner unfallbedingten Schäden aus §§ 823, 847 BGB a.F., § 3 Nr. 1 PflVersG, soweit es um materielle Schäden geht, auch aus §§7, 17, StVGunter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 30 : 70 % zu Lasten des Klägers. Die Zweitbeklagte haftet im gleichen Umfang, aber nur für den materiellen Schaden des Klägers. Eine Deliktshaftung der Zweitbeklagten als Fahrzeughalterin ist nicht dargetan. Dem Kläger ist ein Schmerzensgeldkapital von 20.000 Euro zuzubilligen, aber keine Schmerzensgeldrente.

1. Der Erstbeklagte hat den Auffahrunfall schuldhaft verursacht. Der Zurechnungszusammenhang ist durch die Sicherungsmaßnahmen nach dem Erstunfall nicht unterbrochen worden.

Der Führer eines Fahrzeugsgespanns, der durch verkehrswidriges Verhalten auf der Autobahn und anschließendes Schleudern ein gefährliches Hindernis begründet, haftet grundsätzlich für einen dadurch verursachten Auffahrunfall. Davon ist dem Grunde nach auch hier auszugehen. Der Erstbeklagte hat den Erstunfall grob fahrlässig verschuldet. Er ist mit 90 km/h zu schnell gefahren, weil sein Lastzug nur 80 km/h fahren durfte; zudem war der Erstbeklagte übermüdet, was bei der Unfallzeit gegen 02.30 Uhr ein erhöhtes Unfallrisiko begründete. Das war aus dem urkundlich verwertbaren schriftlichen Sachverständigengutachten des Dipl. Ing. H........ im Strafverfahren und aus dem gegen den Kläger ergangenen Strafurteil hervorgegangen und ist hier unstreitig. Insoweit lag eine schuldhafte Pflichtverletzung des Erstbeklagten vor. Diese hat auch zu dem Auffahrunfall geführt.

Der objektive Zurechnungszusammenhang ist nicht durch die Sicherungsmaßnahmen, die der Erstbeklagte unternommen hat, unterbrochen worden, mag dieser auch subjektiv das ihm in der konkreten Lage noch Mögliche zur Verhinderung des Auffahrunfalls getan haben. Für die Frage der objektiven Zurechnung oder der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs kommt es nicht auf ein Verschulden des Erstverursacher an. Auch das Mitverschulden des Klägers hebt den Zurechnungszusammenhang hier nicht vollständig auf. Es ist zwar anerkannt, dass ein adäquater Zusammenhang dann fehlt, wenn der Geschädigte in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGHZ 103, 113, 119); BGH NJW 2004, 1375, 1376; dann gilt das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. So liegt der Fall hier aber nicht. Es ist ein Mitverschulden des Klägers anzunehmen, das seine Ansprüche reduziert, ihnen aber nicht dem Grunde nach die Basis entzieht.

Die Verantwortlichkeit des Verursachers eines Erstunfalls für Folgeunfälle kann entfallen, wenn alle objektiv erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen worden sind und der Nachfolgende nur dadurch zu Schaden kommt, dass er diese Maßnahmen nicht beachtet (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1979, 1013). So lag es hier aber zur Zeit des unmittelbar nachfolgenden Zweitunfalls nicht. Der Erstbeklagte hat nach dem Erstunfall Sicherungsmaßnahmen ergriffen. Jedoch waren diese Maßnahmen objektiv nicht ausreichend, um die Unfallstelle hinreichend zuverlässig abzusichern. Deshalb ist der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erstunfall und dem Auffahrunfall des Klägers nicht insgesamt dadurch unterbrochen worden, dass der Erstbeklagte das Warnblinklicht am Lkw eingeschaltet hatte und ein Warndreieck aufstellte sowie durch Winken auf die Lage aufmerksam zu machen versuchte. Bei der gegebenen Sachlage, die durch die vollständige Sperrung der Autobahn auf beiden Richtungsfahrspuren mit der mehrere Tonnen Papier umfassenden Ladung nebst Holzpaletten gekennzeichnet war, konnte objektiv eine ausreichende Absicherung der Unfallstelle so nicht erreicht werden. Das Warnblinklicht am Lkw wies vor allem auf das auf dem Randstreifen abgestellte Fahrzeug hin; es machte aber nicht ebenso, wie etwa eine Straßensperrung nach entsprechender vorheriger Ankündigung, eindeutig darauf aufmerksam, dass die gesamte Fahrbahn versperrt war. Zudem war dadurch objektiv nicht unmissverständlich darauf hingewiesen worden, dass - in Fahrtrichtung gesehen - schon vor dem liegen gebliebenen Lkw auf einer Länge von rund 100 m die Ladung auf der gesamten Fahrbahn verstreut war. Auch das Warndreieck auf dem Randstreifen entfaltete objektiv nur eine begrenzte Warnfunktion in diesem Sinne. Im Ergebnis dasselbe gilt für Winkzeichen, die der Erstbeklagte nach seiner Darstellung gegeben hatte. Auch damit wurde zwar allgemein auf eine Gefahrenlage aufmerksam gemacht, aber nicht objektiv ausreichend auf eine vollständige Versperrung der Fahrbahn auf beiden Fahrspuren. Ein die Vollsperrung der Autobahn in einer Fahrtrichtung auf beiden Fahrspuren ausreichend kennzeichnender Hinweis kann vom rechten Fahrbahnrand aus alleine kaum gegeben werden, jedenfalls nicht durch ein Warndreieck und Winkzeichen.

2. Den Kläger trifft aber ein Mitverschulden, das anspruchsmindernd wirkt.

a) Indes ist nicht festzustellen, dass er die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen (BGHZ 117, 337, 341 f.) überschritten hatte. Der Sachverständige Dipl. Ing. H........ hat in seinem urkundenbeweislich verwertbaren Gutachten, das im Strafverfahren eingeholt worden war, die Fahrgeschwindigkeit des Klägerfahrzeugs vor dem Aufprall anhand des Beschädigungsbildes auf 115 - 145 km/h eingegrenzt (Bl. 100, 102 BA). Mangels Bremsspuren und anderer aussagekräftiger Hinweise ist eine weitere Präzisierung der Geschwindigkeitsfeststellungen nicht möglich. Also kann nicht positiv festgestellt werden, dass die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h von ihm überschritten wurde.

b) Der Kläger hat aber seine Sorgfaltspflichten verletzt und dadurch den Unfall mitverschuldet. Ein Fahrzeugführer darf zum einen bei Dunkelheit auch auf der Autobahn grundsätzlich nur so schnell fahren, dass er innerhalb einer überschaubaren Strecke anhalten kann (vgl. OLG Köln NZV 1993, 271). Der Kraftfahrer hat gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 3 StVO seine Fahrweise so einzurichten, dass er auch in der Dunkelheit vor auf der Straße liegen gebliebenen Kraftfahrzeugen oder anderen Hindernissen, selbst wenn sie unbeleuchtet sind, rechtzeitig anhalten kann. Erst recht muss er vor einer - wenngleich hier nicht umfassend - abgesicherten Unfallstelle angemessen reagieren, insbesondere die Fahrgeschwindigkeit deutlich herabsetzen. Das hat der Kläger nicht getan, zumal die verlorene Ladung weißen Papiers auf gerader Fahrstrecke bei trockenem Wetter für ihn erkennbar gewesen wäre (Bl. 101 BA). Das hat der Sachverständige Dipl. Ing. H........ bei seiner mündlichen Befragung durch den Senat nochmals erwähnt. Dass der Kläger sein Tempo verringert hätte, was die Beklagten bestreiten, hat er selbst nicht dargelegt. Bremsspuren waren auf der trockenen Fahrbahn nicht festzustellen, wenngleich diese nur bei einem starken Abbremsen vor der verlorenen Papierladung gezeichnet worden wären. Die Warnzeichen des Erstbeklagten hätten auch dann zum frühzeitigen Abbremsen Anlass geboten, wenn sie nicht ausreichend waren, um den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang insgesamt zu unterbrechen. Ein eingeschaltetes Warnblinklicht hat nicht nur die Funktion, Kollisionen des nachfolgenden Verkehrs mit dem das Warnblinklicht aussendenden Fahrzeug zu verhindern. Vielmehr gibt eine eingeschaltete Warnblinkanlage auch den Hinweis auf Gefahren im Straßenbereich, die nicht von diesem Pkw ausgehen. Wenn diese Möglichkeit gegeben ist, muss der nachfolgende Verkehr seine Geschwindigkeit sogleich so weit herabsetzen, dass er einer plötzlich auftretenden Fahrtbehinderung wirksam begegnen kann (vgl. OLG Köln Schaden-Praxis 1996, 307 ff.). Hier kam hinzu, dass der Erstbeklagte ein Warndreieck aufgestellt und zusätzlich Winkzeichen gegeben hatte. Darauf hätte der Kläger reagieren müssen; dass er dies jedenfalls nicht in ausreichendem Maße getan hat, begründet, wenngleich es die Haftung der Beklagten nicht aufhebt, jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden.

c) Der Senat geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon aus, dass der Kläger nicht angegurtet war und dadurch seine schweren Verletzungen mitverschuldet hat. Das geht aus den Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. H........ in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervor. Dieser hat, auch anhand von Lichtbildern vom Unfallfahrzeug, nachvollziehbar erläutert, dass die Fahrertür nach seinem eigenen Eintreffen am Unfallort verklemmt war und von ihm nicht geöffnet werden konnte. Die Beifahrerseite des Fahrzeugs war vollständig zertrümmert, wodurch der Beifahrer getötet wurde. Der Kläger, der nach dem Unfall auf der Fahrbahn lag, konnte nach Lage der Dinge nur nach vorn durch die zertrümmerte Windschutzscheibe aus dem Fahrzeug geschleudert worden sein. Dass der korpulente Kläger - bei nach vorn gerutschter Ladung - von Helfern aus dem Seitenfenster gezogen wurde, schließt der Senat aus. War er demnach aber aus dem Fahrzeug geschleudert worden, so spricht das gegen eine vorhandene Gurtsicherung. Die Annahme, der Kläger sei nicht angegurtet gewesen, wird auch dadurch unterstrichen, dass auf den vom Sachverständigen erläuterten Lichtbildern hinter der Fahrertür ein aufgerollter Sicherheitsgurt zu sehen war. Diese Positionierung wäre nach Auslösen des beim Unfall in Funktion befindlichen Gurtstraffers nicht zu erwarten gewesen. Ins Bild eines Hinausschleuderns des Klägers durch den Unfall passt schließlich die Bemerkung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe heute noch Narben auf de Rücken, deren Ursache er sich nicht erklären könne. Bei einer Gesamtschau aller Umstände besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass der Kläger nicht angegurtet gewesen war.

d) Bei Abwägung aller Umstände des konkreten Falles ist es angemessen, von einer Haftungsverteilung von 30 : 70 zu Lasten des Klägers auszugehen. Dabei ist berücksichtigt, dass der Erstbeklagte den Erstunfall grob fahrlässig verursacht hatte, indem er übermüdet und zu schnell gefahren. Der Erstbeklagte hat den Zurechnungszusammenhang mit dem Folgeunfall nicht unterbrochen, aber durch seine Sicherungsmaßnahmen den Grad seines Verschuldens hierfür reduziert. Der Kläger hat den Auffahrunfall mitverursacht, indem er die Warnsignale unbeachtet gelassen hat. Er durfte wegen eines Fahrverbots eigentlich gar kein Kraftfahrzeug führen, tat dies aber doch und war dabei nicht angegurtet. In der Gesamtschau folgt daraus ein überwiegendes Mitverschulden des Klägers.

3. a) Bei der Schmerzensgeldbemessung kommt es auf die Mithaftungsquote von Rechts wegen nicht an. Hier steht die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes im Vordergrund. Insoweit fallen die erheblichen Verletzungen des Klägers ins Gewicht. Er erlitt einen Bruch des ersten Lendenwirbels, einen Hüftpfannenbruch, eine Beckenringfraktur, einen Schienbeinkopfbruch mit Ausriss des vorderen Kreuzbandes, eine Kniegelenksluxation mit Bänderrissen, ein Schädelhirntrauma und eine Risswunde am linken Ohr. Dadurch hat er dauernde körperliche Beeinträchtigungen zu ertragen. Die von den Beklagten pauschal bestrittenen Verletzungen und deren Folgen sind durch den fachärztlichen Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F........ vom 29. Mai 2001 (Bl. 8 ff. GA) sowie das auszugsweise vorgelegte Gutachten des ambulanten OP- und Laserzentrums R........ vom 22. März 2002 (Bl. 12 f. GA) hinreichend belegt. Der Kläger ist auf Dauer auf Gehhilfen angewiesen und kann sich auch damit nur in einem sehr begrenzten räumlichen Umfang bewegen; davon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen, zu der der Kläger im Rollstuhl erschien, den er nur für begrenzte Gehwege verlassen konnte.

Andererseits kann bei der Anwendung des § 847 BGB a.F. nicht ganz außer Betracht bleiben, dass dem Schmerzensgeld im Sinne jener Vorschrift - wenngleich nachrangig - auch eine Genugtuungsfunktion zukommen soll (BGHZ 18, 149, 157; 128, 117, 120), die hier weitgehend entfällt. Der Erstbeklagte hat den Erstunfall freilich durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt. Andererseits hat er danach Sicherungsmaßnahmen ergriffen, um einen Folgeunfall zu verhindern. Bei einer Gesamtbewertung liegt auf Seiten des Erstbeklagten danach nur noch ein geringeres Verschulden hinsichtlich des Folgeunfalls vor. Der Kläger selbst muss sich vorhalten lassen, dass er trotz wiederholten Fahrverbots das Fahrzeug geführt hat; das reduziert die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruches. Die strafrechtliche Sanktionierung des Klägers fällt hingegen nicht erheblich ins Gewicht (vgl. für die Genugtuungsfunktion nach Sanktionierung des Schädigers BGHZ 128, 117, 124), sie bezieht sich vor allem auf den Tod des Beifahrers. Anspruchsmindernd wirkt indes das Mitverschulden des Klägers durch unzureichendes Abbremsen des Fahrzeugs trotz verschiedener Warnhinweise und durch Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes. Nach Lage der Dinge ist das Hinausschleudern des Klägers aus dem Fahrzeug durch den Aufprall, weil er nicht angegurtet war, eine wesentliche Ursache für die konkret erlittenen Verletzungen. Dies wird andererseits dadurch relativiert, dass der Kläger wohl auch dann, wenn er angeschnallt gewesen wäre, nicht unverletzt geblieben wäre. Die Ladung des Fahrzeugs war nach den Lichtbildern, die der technische Sachverständige Dipl. Ing. H........ vorgelegt und erläutert hat, bis in den Bereich des Fahrersitzes verrutscht und hat zusätzliche Verletzungen hervorrufen können. Der angelegte Sicherheitsgurt selbst verursacht freilich im Allgemeinen nur sehr selten weitere Verletzungen (vgl. BGHZ 74, 25, 31 f.). Ein Hinausschleudern des Unfallopfers aus dem Fahrzeug wegen Verletzung der Gurtanlegepflicht ist dagegen typischerweise besonders dazu geeignet, nachhaltige Verletzungen hervorzurufen. Insoweit fällt auch das Mitverschulden des Klägers durch Verstoß gegen § 21a Abs. 1 StVO ins Gewicht.

Bei Abwägung aller Umstände hält der Senat ein Schmerzensgeldkapital von 20.000 Euro für angemessen.

b) Eine Schmerzensgeldrente kommt neben einem Kapitalbetrag in der Regel nur bei schwersten Dauerschäden in Betracht, unter denen der Verletzte immer wieder neu leidet (vgl. BGHR BGB § 847 Schmerzensgeldrente 1). Unbeschadet der nicht unerheblichen Verletzungen des Klägers ist hier kein Fall der schwersten Schädigung in diesem Sinne gegeben. Auch die Reduzierung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs durch das Mitverschulden des Klägers und die Relativierung des Verschuldens des Erstbeklagten infolge seiner Warnmaßnahmen spricht gegen die Angemessenheit einer Schmerzensgeldrente.

4. Die Feststellungsklage ist zulässig und im Umfang der genannten Haftungsquote von 30 : 70 begründet, wobei auch hinsichtlich der Zweitbeklagten anzunehmen ist, dass diese allein für künftige materielle Schäden des Klägers haftet. Außerdem ist klarzustellen, dass der Feststellungsanspruch hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 1) und 3) für immaterielle Schäden nur künftige derartige Schäden umfasst. Da es dem Kläger wegen einer nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung zunächst nicht möglich war, den materiellen Schaden zu beziffern, konnte er auch insoweit Feststellungsklage erheben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 543 Abs. 2 ZPO). Auch BGH NJW 2004, 1375 f. steht nicht entgegen, weil es hier um eine Totalversperrung der Autobahn und kurzfristig Absicherungsmaßnahmen geht; so lag jener Fall nicht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 39.000 Euro festgesetzt (Schmerzensgeldkapital 25.000 Euro, Schmerzensgeldrente 9.000 Euro, Feststellungsanträge 5.000 Euro).

Ende der Entscheidung

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