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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.11.2005
Aktenzeichen: 12 U 1591/04
Rechtsgebiete: ZPO, StVO, StVG


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
StVO § 2 Abs. 2
StVO § 3 Abs. 1
StVG § 17
Ein Geständnis kann nur angenommen werden, wenn sich die Parteien mindestens in einer mündlichen Verhandlung über eine Frage tatsächlicher Art einig waren.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1591/04

Verkündet am 28.11.2005

in dem Rechtsstreit

wegen eines Schadensersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und Dr. Eschelbach auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 8. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall, der sich am 21. November 1999 gegen 13.40 Uhr in B... auf der bis zu 8,10 m breiten (Bl. 86 GA) T... Strasse ereignet hat. Es geht um die Kollision eines Schulbusses mit einem Lkw im Begegnungsverkehr in einer 90-Grad-Kurve der abknickenden Vorfahrtstrasse. Der Kläger fuhr mit seinem mit etwa 15 Schulkindern besetzten Omnibus in Richtung K..., der Erstbeklagte mit dem bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versicherten Lkw in die Gegenrichtung. Im Kurvenbereich, in dem der Kläger die Innenkurve, der Erstbeklagte die Außenkurve befuhr, stießen die Fahrzeuge so zusammen, dass ihre jeweils vordere linke Fahrzeugkante getroffen wurde und im Übrigen eine Streifkollision stattfand. Der Schaden des Klägers wurde vorgerichtlich zu 50 % ausgeglichen, mit der Klage hat dieser den Rest geltend gemacht und dazu vorgetragen, der Erstbeklagte habe den Unfall allein verschuldet, weil er seine Fahrspur nicht eingehalten habe. Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 7.968,07 Euro nebst Zinsen beantragt.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und angenommen, der Kläger habe den Unfall verschuldet, weil er seine rechte Fahrspur wegen der Größe des Busses zwangsläufig nicht eingehalten habe und daran gemessen zu schnell gefahren sei. Der vom Erstbeklagten geführte Lkw sei hingegen "normal rechts" gefahren.

Das Landgericht hat Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben und auf dieser Grundlage eine Haftungsquote von 80 : 20 zugunsten des Klägers angenommen. Dementsprechend hat es dem Kläger mit seinem Urteil vom 8. Dezember 2004 weitere 4.786,96 Euro nebst Zinsen zuerkannt. Das Landgericht hat dazu ausgeführt, der Augenzeuge S... U... habe bekundet, der Lkw sei nach links geraten und habe dabei den Bus "erwischt"; das habe der Erstbeklagte nach dem Unfall auch eingeräumt. Aus dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. B... gehe hervor, dass die Kollisionsgeschwindigkeit für den Bus 18 km/h, für den Lkw 26 km/h betragen habe. Das sei zwar für den Kläger zu schnell gewesen, weil dessen Bus bauartbedingt in der Kurve die Mittellinie habe überschreiten müssen. Indes treffe die Beklagten der höhere Mithaftungsanteil.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Die Beklagten gehen dabei davon aus, dass der gerichtliche Sachverständige angenommen habe, eine Überschreitung der Fahrbahnmitte durch den Bus des Klägers sei "bauartbedingt notwendig" gewesen. Die Berufung bemängelt auf dieser Grundlage die rechtliche Wertung des Landgerichts, ferner dessen Beweiswürdigung hinsichtlich der Aussage des Zeugen U..., der zu Unrecht Beweiswert beigemessen worden sei, sowie die Haftungsverteilung, die allenfalls die Betriebsgefahr des klägerischen Busses berücksichtige, aber einem Mitverschulden des Klägers nicht Rechnung trage.

Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil. Sie verweisen darauf, dass das Landgericht zu ihrem Nachteil nicht einmal bewertet habe, dass der Erstbeklagte vor dem Unfall "in die Lieferscheine geblickt" habe und deshalb nach links geraten sei. Zudem sei die Aussage des Zeugen U... glaubhaft und aussagekräftig. Schließlich sei er, der Kläger, ganz auf seiner Fahrspur gefahren.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Wegen der Feststellungen des Landgerichts nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das landgerichtliche Urteil ist jedenfalls im Ergebnis nicht zum Nachteil der Beklagten fehlerhaft. Es geht vielmehr von einem Mitverschulden des Klägers aus, das aber tatsächlich nicht nachweisbar ist.

Eine Überschreitung der Fahrbahnmitte durch den Kläger steht nicht fest; sie ist bei Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise eher auszuschließen. Dann aber ist eine Verletzung von §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 StVO bei einer Fahrgeschwindigkeit des Busses von etwa 18 km/h nicht anzunehmen.

Der Kläger hatte in der Klageschrift nicht in Abrede gestellt, dass der von ihm geführte Bus "bauartbedingt" die Fahrbahnmitte überschritten habe (Bl. 3, 48 GA); später hat er dies nach ergänzenden eigenen Untersuchungen vor Ort bestritten. Diese Tatsache ist damit vom Kläger nicht in beweiserheblicher Weise eingeräumt worden. Gegenstand eines Geständnisses können nur Behauptungen der Gegenseite sein. Eine für die eigene Partei ungünstige Behauptung kann zwar dadurch zum Geständnis werden, dass sie von der Gegenseite aufgegriffen und zum Bestandteil ihres Vortrages gemacht wird. Die Geständniswirkungen treten in diesem Fall aber erst dann ein, wenn der Gegner die Behauptung zu seiner eigenen macht; bis dahin kann sie frei widerrufen werden (BGH NJW 1978, 884, 885). Ein Geständnis kann nur dann angenommen werden, wenn sich die Parteien mindestens in einer mündlichen Verhandlung über eine Frage tatsächlicher Art einig waren (BGHR ZPO § 288 Abs. 1 Vorbringen, widerrufenes). Das ist hier nicht der Fall. Daher durfte das Landgericht entgegen einer Bemerkung der vor einem Richterwechsel zunächst zuständig gewesenen Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2004 (Bl. 98 GA) nicht die Tatsache als zugestanden ansehen, dass der Kläger mit dem Bus in der Kurve auf die Gegenfahrbahn geraten sei. Dies hat es im angefochtenen Urteil auch zu Recht nicht mehr betont. Es hat aber dem von ihm eingeholten verkehrstechnischen Sachverständigengutachten entnommen, dass eine geringfügige Überschreitung der Fahrbahnmitte durch den Bus des Klägers in der Kurvenfahrt anzunehmen sei. Das trifft índes nicht zu.

Das Gutachten des Sachverständigen Dr. B... ist davon ausgegangen: "Der Bus konnte grundsätzlich dicht an der Mittellinie entlang um die Kurve gefahren werden" (Bl. 126 GA). So hat auch der vom Kläger privat beauftragte Sachverständige H... das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verstanden (Bl. 146, 147 GA). Freilich hat der gerichtliche Sachverständige auch nicht positiv ausgeschlossen, dass eine geringfügige Überschreitung der Fahrbahnmitte durch den Bus des Klägers in der Kurvenfahrt erfolgt sein könne. Spuren, die darauf hindeuten könnten oder diese Annahme widerlegen würden, sind aber nicht vorhanden. Bis zum Eintreffen der unfallaufnehmenden Polizeibeamten waren die Fahrzeuge bereits aus der Kollisionsposition entfernt worden. Glassplitter auf der Fahrbahn waren überwiegend beseitigt und im Übrigen von zahlreichen Fahrzeugen überfahren worden, so dass auch die Lage eines Splitterfeldes nicht mehr in aussagekräftiger Weise rekonstruiert werden kann. Es sind aber andere Indizien vorhanden, die zur Überzeugung des Senats hinreichend dafür sprechen, dass der Erstbeklagte und nicht der Kläger mit seinem Fahrzeug die Fahrbahnmitte überschritten und dadurch den Unfall verschuldet hat.

Der Zeuge U... hat ausgesagt, er sich sicher, dass der Bus "ganz auf seiner Seite" gewesen sei. Der Lkw sei hingegen "nach links geraten". Das habe der Erstbeklagte auch gegenüber dem Zeugen eingeräumt (Bl. 99 GA). Die Angabe, dass der Bus "auf seiner Seite" gefahren sei, hat der Zeuge konstant gemacht, denn seien Ausführungen im Bußgeldverfahren (8013 Js 14611/00 OWi StA Trier) besagen dasselbe (Bl. 11 BA). Es ist nicht ersichtlich, dass der Zeuge ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits verfolgt. Auch andere Glaubwürdigkeitsbedenken sind nicht ersichtlich. Die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen steht ebenfalls nicht aufgrund konkreter Anhaltspunkte in Frage. Dass der Zeuge U... angegeben hat, der Lkw sei etwa 15 Meter hinter dem Bus zum Stehen gekommen, gibt keinen Anlass zu durchgreifenden Bedenken. Dies kann dem Umstand geschuldet sein, dass das Fahrzeug noch vor dem Eintreffen der Polizei in diese Position gebracht wurde, um die Unfallstelle für den weiteren Verkehr passierbar zu machen. das erklärt einen möglichen Erinnerungsfehler in der Zeugenaussage, der nur einen Randaspekt betrifft und der Glaubhaftigkeit der Kernpunkte nicht entgegensteht. Auch der Kläger hatte den unfallaufnehmenden Polizeibeamten gesagt, der Erstbeklagte habe ihm gegenüber eingeräumt, unaufmerksam gewesen zu sein; denn er habe in die Lieferscheine gesehen, die auf dem Beifahrersitz im Führerhaus seines Lkws gelegen hätten (Bl. 1 BA). Das ist - unbeschadet der späteren Parteistellung dieser Auskunftsperson - immerhin eine Angabe, die nicht nur den Eindruck des Zeugen U... bestätigt, dass der Erstbeklagte mit seinem Fahrzeug nach links geraten sei, sondern die dafür auch eine nachvollziehbare Erklärung liefert. Zudem hat der Zeuge S... ausgesagt, der Bus habe nach dem Unfall "auf seiner Fahrbahn" gestanden (Bl. 97 GA). All das deutet bei der Gesamtschau auf einen Fahrfehler des Erstbeklagten und das Fehlen eines Verschuldens des Klägers hin.

Als ein - wenngleich für sich genommen schwaches - Indiz kommt die Angabe des Zeugen S... hinzu, er sei unmittelbar nach dem Unfall an dem in der Kollisionsposition stehenden Lkw des Erstbeklagten mit seinem Fahrzeug rechts vorbeigefahren. Ein solches Fahrmanöver ist nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B... möglich (Bl. 127 GA). Ist es nach der Zeugenaussage anzunehmen, dann kann auch daraus indiziell gefolgert werden, dass das Fahrzeug des Erstbeklagten in der Kollisionsposition relativ weit links zum Stehen gekommen ist.

Bei einer Gesamtbewertung aller Umstände ist davon auszugehen, dass der Erstbeklagte nach links geraten ist und dadurch den Unfall verschuldet hat. Eine Überschreitung der Fahrbahnmitte durch den Kläger ist hingegen nicht feststellbar. Ein Mitverschulden des Klägers ist damit nicht nachweisbar. Die Mithaftung des Klägers in Höhe von 20 % ist nach allem jedenfalls nicht als zu gering veranschlagt; denn mit Blick auf das Verschulden des Erstbeklagten rechtfertigt auch die Betriebsgefahr des Busses des Klägers im Rahmen der Gewichtung nach § 17 StVG kein den Beklagten günstigeres Ergebnis.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt 4.786,96 Euro.

Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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