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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 12 U 1717/05
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO, WeinG 1994


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
StGB § 17
StGB § 263 Abs. 1
ZPO § 56 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
WeinG 1994 § 27
WeinG 1994 § 43 Abs. 2
WeinG 1994 § 48
Die Parteifähigkeit jeder am Rechtsstreit beteiligten Partei gehört zu den Prozessvoraussetzungen. Behauptet eine Partei, sie sei nicht parteifähig, so muss die Darlegung von Tatsachen erwartet werden, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dasss die Behauptung richtig sein könnte. In diesem Fall erfolgt die gerichtliche Nachprüfung im Freibeweisverfahren.

Eine Person, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat wegen einer unerlauten Handlung vor dem Gericht oder Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden. Der Ort des schädigenden Ereignisses ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgort. Der Handlungsort ist überall da gegeben, wo der Täter eine auf die Tatbeständsverwirklichung gerichtete Tätigkeit vorgenommen hat. Das kann bei Übermittlung der Willenserklärung bei einer Telekommunikation an dem Ort der Fall sein, an dem die Kundgabe optische oder akustisch wahrgenommen wird. Erfolgsort ist beim Inverkehrbringen von verkehrsunfähigem Wein auch der Lagerungs- und Verarbeitungsort.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hängt nicht vom Endergebnis desSchadensersatzprozesses ab. Es genügt, dass eine unerlaubte Handlung schlüssig behauptet wird und ihr Nachweis mit Blick auf die angebotenen Beweise nicht von Vornherein ausgeschlossen erscheint.

Die Frage der Konkurrenz vertraglicher und deliktischer Ansprüche ist nach der lex fori zu entscheiden. Das deutsche Recht kenn "non cumul".


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 1717/05

Verkündet am 25.06.2007,

in dem Rechtsstreit

wegen eines Schadensersatzanspruches aus unerlaubter Handlung.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richterin am Oberlandesgericht Frey und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischen- und Teilurteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bad Kreuznach vom 3. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin bestellte am 20. Dezember 2000 bei der Handelsagentur U...-M... 200.000 Liter Sektgrundwein der Beklagten für 40 spanische Peseten pro Liter. Die Handelsagentur bestätigte die Bestellung am gleichen Tag, wobei die Klägerin als Käuferin und die Beklagte als Verkäuferin bezeichnet wurde. Das Schreiben wurde von Bevollmächtigten der Klägerin, der Beklagten und der Handelsagentur unterzeichnet. Die Weinlieferung erfolgte im Zeitraum von Februar bis Juni 2001. Im März 2002 wurde eine Probe vom Landesuntersuchungsamt beanstandet, weil darin 182 mg/l D-Äpfelsäure als weinfremder Stoff enthalten seien. Nach weiteren Untersuchungen erklärte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier verschiedene von der Klägerin aus dem Sektgrundwein der Beklagten hergestellte Cuvées für nicht verkehrsfähig und verbot deren Vermarktung als Wein oder Sekt. Auch ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das Inverkehrbringen wurde abgelehnt.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten wegen der verdorbenen Cuvées Schadensersatz in Höhe von 214.550,26 Euro nebst Zinsen. Sie hat geltend gemacht, diese habe dem Sektgrundwein die D-Äpfelsäure als Konservierungsmittel zugesetzt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat bestritten, dem Wein D-Äpfelsäure hinzugefügt zu haben. Sie hat außerdem ihre Parteifähigkeit und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat nach Einholung einer Auskunft des Max Planck-Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht in H... durch Teil- und Zwischenurteil der Kammer für Handelssachen vom 3. November 2005 die Klage für unzulässig erklärt, soweit diese auf vertragliche Ansprüche gestützt ist. Es hat die Klage zugleich aber für zulässig erachtet, soweit diese auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten gestützt wird. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Deliktsklage sei nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben. Insoweit sei es ausreichend, dass die Klägerin einen Deliktsanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB schlüssig vorgetragen habe. Die Parteifähigkeit der Beklagten folge aus den Ausführungen des Max Planck-Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht. Konkrete Einwände dagegen habe die Beklagte nicht erhöben.

Gegen dieses Teil- und Zwischenurteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, soweit darin die Klage wegen deliktsrechtlicher Ansprüche für zulässig erachtet wurde. Ziel des Rechtsmittels ist die Klageabweisung auch in diesem Teil. Die Beklagte bemängelt die Feststellung ihrer Parteifähigkeit durch das Landgericht aufgrund der Auskunft des Max Planck-Institutes damit, dass die Auskunft von einem Assistenten und nicht von einem Hochschullehrer erteilt worden sei. Die Annahme des Landgerichts treffe auch nicht zu, dass sie keine inhaltlichen Einwendungen gegen die Parteifähigkeit erhoben habe. Vielmehr habe das Gericht die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer rechtsfähigen Genossenschaft letztlich nicht positiv festgestellt. Es fehle insbesondere an ihrer Eintragung in ein Genossenschaftsregister. Bei der Annahme, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Deliktsklage sei gegeben, sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein schlüssiger Klägervortrag der die Zuständigkeit begründenden Tatsachen vorliege. Insbesondere zum Betrugsvorsatz fehle ein Sachvortrag mit Tatsachenangaben zur inneren Tatseite des behaupteten Delikts. Die Deliktsklage sei auch nach der aus dem französischen Recht stammenden und in Spanien ebenfalls befolgten Lehre vom "non cumul" nicht neben einer auf vertragliche Ansprüche gestützten Schadensersatzklage zulässig. Hinsichtlich einer unerlaubten Handlung liege der Handlungsort als Anknüpfungspunkt der Zuständigkeitsbestimmung in Spanien. Auch der Erfolgsort als alternativer Anknüpfungspunkt verweise auf Spanien, weil eine Rechtsgutsverletzung gegebenenfalls dort eingetreten sei. Der Deliktsanspruch der Klägerin sei schließlich nicht schlüssig dargetan, weil nicht mitgeteilt worden sei, von welchem der acht Tankzüge des Lieferanten die einzige noch vorhandene Rückstellprobe stamme. Soweit von weiteren Proben die Rede sei, bleibe unklar, was damit gemeint sei. Die festgestellte D-Äpfelsäure könne auch aus Fruchtsaftrückständen in den Tankzügen des Transporteurs stammen, so dass die Verursachung des Äpfelsäureanteils in den Cuvées der Klägerin ihr nicht zugerechnet werden dürfe. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die D-Äpfelsäure erst bei der Herstellung der Cuvées nach monatelanger Lagerung des Sektgrundweins durch die Klägerin selbst als Konservierungsmittel eingebracht worden sei.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen. Sie verweist darauf, dass die Beklagte selbst schon früher in anderen Fällen in Spanien vor dortigen Gerichten geklagt habe und verklagt worden sei. Danach könne nicht vom Fehlen der Parteifähigkeit ausgegangen werden. Der Betrugstatbestand sei im Inland verwirklicht worden, so dass auch hier der internationale Gerichtsstand für die Deliktsklage gegeben sei. Das folge unter anderem aus der Übersendung von Anstellproben an die Weinhandelsagentur U.... Diese seien nur deshalb nicht auf D-Äpfelsäure untersucht worden, weil dazu kein Anlass bestanden habe. Beistellproben, die den Tankzügen mitgegeben wurden, seien bis auf eine Probe nach Ablauf von sechs Monaten vernichtet worden. Die übrig gebliebene Probe trage die Bezeichnung der Beklagten und der Klägerin, eine Nummer, die Weinbezeichnung und eine Mengenangabe. Die versiegelte Probe stehe zum Beweis der Äpfelsäurebeibringung durch die Beklagte zur Verfügung. Von derselben Weinpartie sei im Ermittlungsverfahren auch die Rohsektprobe genommen worden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts verweist der Senat nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

1. Das Landgericht ist zu Recht von der Parteifähigkeit der Beklagten ausgegangen. Die rechtliche Existenz und damit die Parteifähigkeit jeder an einem Rechtsstreit beteiligten Partei gehört zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. BGHZ 134, 116, 118; 159, 94, 98). § 56 Abs. 1 ZPO verpflichtet die Gerichte aber nicht dazu, stets eine umfassende Überprüfung aller Prozessvoraussetzungen vorzunehmen. Sie haben in dieser Hinsicht lediglich einen "Mangel" von Amts wegen zu berücksichtigen. Für die Prozessfähigkeit ist entschieden, dass im allgemeinen von deren Vorhandensein auszugehen und eine Überprüfung nur dann angezeigt ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass Prozessunfähigkeit vorliegen könnte (vgl. BGHZ 86, 184, 189). Behauptet eine Partei, sie sei prozessunfähig, so muss die Darlegung von Tatsachen erwartet werden, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Behauptung richtig sein könnte (vgl. BGHZ 18, 184, 189 f.; BGH WM 1986, 58, 59). Für die Frage der Parteifähigkeit gilt im Kern dasselbe (vgl. BGHZ 159, 94, 99). Ist die Beklagte in Prozessen in Spanien als Partei aufgetreten und hat sie auch regelmäßig Verträge im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr geschlossen, dann ist von ihrer rechtlichen Existenz auszugehen. Nach Auskunft des Leiters des Genossenschaftsregisters in T... ist sie in das dortige Genossenschaftsregister eingetragen, hat ihren Sitz in V... und verfolgt den Gesellschaftszweck der Erzeugung, Lagerung, Abfüllung und Vermarktung von Wein. Alles spricht für die Rechtsfähigkeit der Beklagten. Bei dieser Sachlage genügt das schlichte Bestreiten einer Eintragung nicht. Auch das bisherige Beweisverfahren zur Prüfung der Parteifähigkeit ist nicht zu beanstanden, denn hier gilt Freibeweis (vgl. BGHZ 110, 294; 143, 122, 124; BGH NJW 1999, 1059, 1060). Danach ist die Auskunft über die Eintragung in das Genossenschaftsregister verwertbar. Sie ist nach Ansicht des Senats auch so aussagekräftig, dass es weiterer Ermittlungen von Amts wegen nicht bedarf. Auch die Rechtsauskunft des Max Planck-Instituts in H... musste deshalb nicht von einem Hochschullehrer erteilt werden. Dass sie inhaltlich zu beanstanden sei, ist nicht ersichtlich.

2. Die Annahme der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für deliktsrechtliche Ansprüche der Klägerin gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO im angefochtenen Urteil ist nicht zu beanstanden. Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann danach in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Das ist hier vor den deutschen Gerichten der Fall. Anders als im Fall von BGHZ 98, 263, 275, wo der importierte Wein sofort zurückgesandt worden war, waren die Täuschung und das Inverkehrbringen im vorliegenden Fall nicht nur im Ausland erfolgt, sondern jedenfalls auch im Inland.

a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften legt den Begriff der "unerlaubten Handlung" und der "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist", autonom und weit aus. In diesem Gerichtsstand sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (vgl. EuGH NJW 2002, 3617, 3618). Der Ort des schädigenden Ereignisses im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, das heißt der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (vgl. BGHZ 167, 91, 98). Demgemäß gelten bei Distanzdelikten, bei denen der Ort der Handlung und der des Erfolgseintritts verschieden sind, beide alternativ als Tatort. Der Handlungsort kann in Deutschland gesehen werden, wenn es auf den Zugang der Willenserklärung ankommt, die eine konkludente Täuschung im Sinne des Betrugstatbestands enthält. Handlung im Sinne des Betrugstatbestands ist nicht die Weinverfälschung und die Absendung der Waren an den Abnehmer, sondern die Täuschung des Käufers über die Verkehrsfähigkeit des Produkts, das tatsächlich einen weinfremden Inhaltsstoff aufweist, der rechtlich zur Verkehrsunfähigkeit führt. Der an erster Stelle als Anknüpfungspunkt für die internationale Gerichtszuständigkeit für Deliktsklagen genannte Handlungsortist überall da gegeben, wo der Täter gehandelt, das heißt eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit vorgenommen hat. Das kann bei Übermittlung der Willenserklärung im Rahmen einer Telekommunikation auch an dem Ort der Fall sein, an dem eine Kundgabehandlung optisch oder akustisch wahrgenommen werden kann. Die Übersendung der Anstellprobe und die Abgabe eines Verkaufsangebots durch die Beklagte nach Deutschland unter konkludenter Vortäuschung der Tatsache, dass der zu erwerbende Wein keine weinfremden Inhaltsstoffe aufweise, reichen deshalb zur Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte aus, wenn die Klägerin hier von den Erklärungen der Beklagten Kenntnis erlangt hat.

Außerdem liegt auch der Erfolgsort im vorliegenden Fall in Deutschland. Beim Inverkehrbringen (§ 2 Nr. 18 WeinG 1994) von verkehrsunfähigem Wein (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 27, 43 Abs. 2, 48 WeinG) droht der Umsatzausfall durch Unmöglichkeit des Absatzes des verkehrsunfähigen Weins als Wein oder - nach Verarbeitung - als Schaumwein auch am Lagerungs- und Verarbeitungsort. Selbst der Betrugstatbestand (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB) ist ein gestreckter Tatbestand, der vom Eingehungsbetrug beim Vertragsabschluss bis zum Erfüllungsbetrug durch Erbringung der vertraglichen Leistungen ohne genügende Kompensation reicht. Der Abschluss eines Kaufvertrages alleine erfüllt die Voraussetzungen eines Eingehungsbetrugs allerdings noch nicht, wenn der durch Täuschung zu Stande gekommene Vertrag nur zur Leistung Zug-um-Zug verpflichtet (vgl. BGH NStZ 1998, 45; NStZ-RR 2005, 180). Insoweit kommt es hier auf die Leistungserbringung an, die in Deutschland erfolgt ist.

Art. 5 Nr. 3 EuGVVO knüpft auch an den Ort des realisierten oder drohenden Schadenseintritts an. Unabhängig davon, ob zivilrechtlich ein Versendungskauf vorlag, ist der Ort des Schadenseintritts im Sinne der internationalen Zuständigkeitsregelung für die auf Betrug und Inverkehrbringen von verkehrsunfähigem Wein gestützte Deliktsklage auch in den Lager- und Verarbeitungsräumen der Klägerin zu sehen, die den angelieferten Sektgrundwein zu Sekt verarbeiten und danach mit Gewinn verkaufen wollte. Der Ort des drohenden oder realisierten Schadenseintritts ist damit im Inland anzusiedeln, zumal die Verkehrsfähigkeit der Cuvées zuletzt auch von einem Verwaltungsakt der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung abhängig war.

b) Die internationale Zuständigkeit für eine Deliktsklage ist allerdings nur dann gegeben, wenn ein deliktsrechtlicher oder dem Delikt gleichgestellter Anspruch schlüssig behauptet wurde (vgl. BGHZ 98, 263, 273) und das tatsächliche Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzungen zumindest möglich erscheint (vgl. OLG Frankfurt ZIP 2006, 2385, 2386 f.). Die Zuständigkeit hängt dagegen nicht von dem Endergebnis des Prozesses ab, dass eine unerlaubte Handlung wirklich vorliegt. Es genügt, dass eine Rechtsverletzung schlüssig behauptet wird und diese mit Blick auf die Beweismöglichkeiten nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 167, 91, 98). Das ist hier der Fall.

Ein schlüssiger Klagevortrag, aus dem sich ein Betrug im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB ergibt, liegt vor. Die Klägerin hat behauptet, sie habe dem Wein und den daraus hergestellten Cuvées keine D-Äpfelsäure zugesetzt. Diese stamme nach der Mengenangabe der Untersuchungsergebnisse und nach der Zweckbestimmung des Zusatzes von D-Äpfelsäure als künstlich hergestelltes Konservierungsmittel auch nicht vom Transporteur der acht Weinpartien. D-Äpfelsäure sei vielmehr von der Beklagten verwendet worden. War diese behauptete bewusste Hinzufügung eines Inhaltsstoffes nach dem Vortrag der Klägerin beim Kauf auch nicht mitgeteilt worden, so lag darin eine konkludente Täuschung über die Hinzufügung eines biochemisch weinfremden und weinrechtlich unzulässigen Inhaltsstoffes beim Vertragsabschluss vor, die einen entsprechenden Irrtum bei der Klägerin ausgelöst hat. Die Vermögensverfügung im Sinne des Betrugstatbestands bestand schon im Vertragsabschluss (Eingehungsbetrug), aber auch in der Abnahme des Weines und der Bezahlung des Kaufpreises (Erfüllungsbetrug). Der Vermögensschaden der Klägerin liegt in der Zahlung des Kaufpreises für ein minderwertiges, nicht als Wein oder Schaumwein verkehrsfähiges Produkt, also in der Vermögensminderung ohne ausreichende Kompensation. Für alles lag gegebenenfalls ein entsprechender Vorsatz vor, weil die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin bei dessen Gesamtschau in Kenntnis der weinrechtlichen Bedeutung der Zufügung des weinfremden Inhaltsstoffes gehandelt hatte. Die Absicht einer ungerechtfertigten Bereicherung lag bei dieser Sachlage auf der Hand und bedurfte keiner besonderen Erwähnung; denn der Verkauf eines verkehrsunfähigen Sektgrundweins als verkehrsfähiges Produkt zum entsprechenden Preis läuft auf das Ziel hinaus, sich zu bereichern, obwohl ein Anspruch auf die durch Täuschung herbeigeführte Zahlung des Kaufpreises nicht gerechtfertigt ist. Auf das Motiv der konkreten Weinverfälschungshandlung kommt es für die innere Tatseite des Betruges nicht an. Die Rechtswidrigkeit der Gesamttat wird sodann durch die Tatbestandserfüllung indiziert. Auch die Schuld der Verantwortlichen der Beklagten steht bei dieser Sachlage außer Frage. Für einen unvermeidbaren Verbotsirrtum, der nach § 17 StGB die Schuld ausschließen würde, ist nichts ersichtlich, zumal im grenzüberschreitenden Weingroßhandel die Einholung von Rechtsauskünften möglich und zumutbar war. An der schlüssigen Darlegung des Betruges besteht demnach kein Zweifel.

Ob die vorhandenen Indizien einen ausreichenden Beweis liefern, ist für die Frage der Zulässigkeit der Deliktsklage nicht abschließend zu prüfen. Es besteht zumindest die Möglichkeit des Beweises aufgrund der Indizien. Die verbliebene Rückstellprobe gestattet gegebenenfalls den Nachweis, dass schon vor dem grenzüberschreitenden Transport D-Äpfelsäure im Sektgrundwein vorhanden war und nach Lage der Dinge dann nur von der Beklagten hinzugefügt worden sein kann. Die Eigenschaft der D-Äpfelsäure als weinfremder Inhaltsstoff und dessen Eignung als Konservierungsmittel lassen einen möglichen Rückschluss auf den Zweck des Zusatzes als Motiv zu, das ungeachtet seiner rechtlichen Irrelevanz für bestimmte Tatbestandsmerkmale gegebenenfalls immerhin ein Indiz für die Täterschaft und die Tat liefert. Die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Proben erlauben weitere Beweisschlüsse. Schließlich sind gegebenenfalls Randindizien aus dem früheren Verhalten der Verantwortlichen der Beklagten bei der Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise zu beachten. Aus alle kann in der Gesamtschau gegebenenfalls auf die Merkmale des äußeren und des inneren Deliktstatbestands geschlossen werden. Die an dieser Stelle ausreichende Möglichkeit des Vollbeweises eines Betrugs besteht also. Im Übrigen wäre auch das noch leichter feststellbare Inverkehrbringen eines verkehrsunfähigen Weines nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 27, 43 Abs. 2, 48 WeinG 1994 ausreichend dargetan.

3. Die Frage der Konkurrenz vertraglicher und deliktischer Ansprüche (vgl. Alfred Knetsch, Das Verhältnis von Vertrags- und Deliktsrecht. Darstellung der französischen Doktrin zum Prinzip des "non cumul" mit kritischem Ausblick auf das deutsche Recht, 1975; Niggemann RIW/AWD 1991, 372, 377 f.) ist nach der lex fori zu entscheiden. In der Begründung zur Neuregelung des deutschen internationalen Deliktsrechts findet sich kein Hinweis darauf, welcher Rechtsordnung die Frage der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung zu entnehmen ist (vgl. Koch VersR 1999, 1453, 1460). Unter der Geltung des früheren deutschen internationalen Privatrechts entschied die Rechtsprechung die Konkurrenzfrage sogar bei einheitlich ausländischen Vertrags- und Deliktsstatut stillschweigend nach der deutschen lex fori (vgl. BGH VersR 1961, 518; krit. Koch a.a.O.; s.a. Huber IPRax 1996, 91, 93). Daran hat die Neufassung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch nichts geändert. Erst recht ist die Frage der Zulässigkeit eines Deliktsanspruches neben einem vertraglichen Anspruch auch unter der Geltung des neuen Kollisionsrechts dann, wenn der Deliktsanspruch nach deutschem Recht zu beurteilen ist, nach der lex fori zu beantworten. Nach dem deutschen materiellen Recht, das kein Gebot des "non cumul" kennt, verdrängt ein vertraglicher Anspruch den deliktischen Anspruch aber nicht (vgl. Gsell NJW 2004, 1913, 1915; Wagner, in: MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 823 Rn. 126).

III.

Eine Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren hat hier bereits zu erfolgen (vgl. OLG Karlsruhe Urt. vom 28. März 2006 - 8 U 218/05). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision ist kein Raum, weil ein Zulassungsgrund nach § 543 ZPO nicht vorliegt. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung. Die maßgeblichen Rechtsfragen können anhand des Gesetzes und bisheriger Rechtsprechung mit hinreichender Klarheit entschieden werden. Eine Konstellation wie im Urteil des OLG Karlsruhe vom 9. Februar 2007 - 13 U 132/06, wo ein Massendelikt im grenznahen Raum in Rede stand, liegt hier nicht vor.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt 214.550,26 Euro.

Ende der Entscheidung

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