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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 07.05.2001
Aktenzeichen: 12 U 1912/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839 Abs. 1 S. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 12 U 1912/99

Verkündet am 7. Mai 2001

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und den Richter am Landgericht Lambert auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer -- Einzelrichterin -- des Landgerichts Koblenz vom 22. November 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Am 10. August 1998 nachmittags war auf der BAB 3 in Fahrtrichtung F........ im Bereich der Abfahrt D... ein Pkw auf einen liegen gebliebenen Lkw aufgefahren und auf der rechten Fahrbahnseite zum Stehen gekommen.

Nachdem die Autobahnpolizei die Unfallstelle hatte räumen lassen, befuhr der Kläger mit seinem neu erworbenen, am 20. Juli 1998 erstmals zugelassenen Pkw BMW Z 3 die rechte Fahrspur der Autobahn hinter einem Lkw. Ca. 150 m vor der Abfahrt D... bemerkte er auf dem Standstreifen einen dort (noch) stehenden Polizeiwagen mit eingeschaltetem Blaulicht und Warnhinweis "Stau".

Der Kläger hat vorgetragen, unmittelbar danach habe er sich in einer Wolke aus Staub, Glassplittern und kleinen Splittsteinen wiedergefunden, die von dem vor ihm fahrenden Lkw hochgewirbelt worden seien. Dadurch sei sein Wagen verschmutzt worden und habe im Bereich der Motorhaube, der Windschutzscheibe und der vorderen Scheinwerfer zahlreiche steinschlagartige Beschädigungen erhalten.

Der Kläger legt dem beklagten Land zur Last, dessen Polizeibeamte hätten die Unfallstelle pflichtwidrig für den Verkehr freigegeben, obwohl diese nicht oder jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang gesäubert worden sei. Eine Reinigung der Unfallstelle mit einem einfachen Kehrbesen sei, da Glassplitter und Splitt auch in Unebenheiten und Ritzen der Fahrbahn hätten gelangen können, nicht ausreichend gewesen. Vielmehr hätte die Autobahnmeisterei herbeigerufen werden müssen, die über "entsprechendes Spezialgerät" verfüge.

Der Kläger macht Reparatur-, Gutachter- und Pauschalkosten von insgesamt 3.330,39 DM (Bl. 5 d. A.) geltend.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es bestreitet die Schadensschilderung des Klägers und die unfallbedingte Verursachung der in dem Sachverständigengutachten genannten Schäden. Die Unfallstelle sei durch den herbeigerufenen Abschleppunternehmer im Auftrag der Polizei ordnungsgemäß abgestreut und gründlich abgekehrt worden; dabei seien auch der Splitt und die Glaspartikel entfernt worden. Danach sei die Fahrbahn wieder sauber und uneingeschränkt befahrbar gewesen. Ein Einsatz der Autobahnmeisterei sei nicht erforderlich gewesen. Ohnehin müsse der Kläger damit rechnen, dass durch einen vorausfahrenden Lkw Verunreinigungen der Fahrbahn hochgeschleudert werden können; darauf müsse er sich von vornherein durch Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zum Lkw einstellen.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 5. Juli 1999 (Bl. 45 -- 46 d. A.) zur Reinigung der Unfallstelle Zeugenbeweis erhoben (gemäß Sitzungsniederschrift vom 25. Oktober 1999 -- Bl. 58 -- 65 d. A.) und sodann die Klage durch Urteil vom 22. November 1999 abgewiesen (Bl. 71 -- 78 d. A.).

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagebegehren uneingeschränkt weiterverfolgt und sich insbesondere gegen die Annahme des Landgerichts wendet, es sei von einer ausreichenden Reinigung der Unfallstelle auszugehen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Dabei kann letztlich unentschieden bleiben, ob die hier allein in Betracht kommende Amtshaftung (Art. 34 GG mit § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB) des beklagten Landes für die behauptete Pflichtverletzung seiner Polizeibeamten von vornherein bereits im Hinblick darauf ausscheidet, dass die angeblich den Fahrzeugschaden auslösenden Glassplitter und Splittteile nur deshalb auf der Fahrbahn vorhanden waren, weil zuvor ein Pkw auf einen Lkw aufgefahren war. Dann kommt zwar auch für die hier in Rede stehenden schädlichen Folgeauswirkungen grundsätzlich eine Haftung der Halter der genannten Fahrzeuge und ihrer Haftpflichtversicherer als eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. d. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht, die den Amtshaftungsanspruch wegen polizeilicher Pflichtverletzung ausschließen kann (vgl. LG Bielefeld, Urt. v. 27. 06. 1996 -- 22 O 40/96). Die Grundsätze über den Wegfall des Verweisungsprivilegs im allgemeinen Straßenverkehr (BGHZ 68, 217) und bei Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Straßenverkehrssicherungspflicht (BGHZ 75, 134) sind hier nicht anwendbar. Die Polizeibeamten sind zur allgemeinen Gefahrenabwehr als einer originär hoheitlichen polizeilichen Aufgabe tätig geworden, die ihren Grund nicht in einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hat, die jedermann trifft, sofern er nur einen Verkehr eröffnet. Daran kann sich auch dann nichts ändern, wenn im Einzelfall mit der Ausübung der polizeilichen Pflicht zur Wiederherstellung des ungehinderten und gefahrlosen Verkehrsflusses Maßnahmen veranlasst und durch einen beauftragten Abschleppunternehmer ausgeführt werden, die sich teilweise den Aufgaben des allgemein Verkehrssicherungspflichtigen annähern (vgl. auch BGHZ 91, 48, 53/54). Ob in ganz besonderen Ausnahmefällen, etwa bei behördlicher oder personeller Identität der Zuständigkeiten für die Erfüllung beider Aufgabenbereiche etwas anderes gelten könnte, kann offen bleiben.

2. Denn jedenfalls sieht der Senat eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der mit der Unfallhindernisentfernung befassten Polizeibeamten nicht als erwiesen an.

a) Fraglich erscheint bereits, ob die wenigen punktförmigen Lack- und Glasanritzungen überhaupt einer angeblich unterbliebenen oder unzulänglichen Reinigung der Unfallstelle zugeordnet werden können. Die Auffassung, der Kläger versuche offensichtlich einen anderweitig entstandenen Schaden auf das beklagte Land abzuwälzen, stützt dieses auf die Aussagen der Zeugen, die übereinstimmend eine besenreine Räumung der Unfallstelle bekundet haben, und darauf, der Kläger habe zwar die polizeilichen Zeugen P..... und L..... noch im Bereich der Unfallstelle auf Schäden durch aufgewirbelte Partikel angesprochen, diesen aber nach deren Aussagen trotz Aufforderung keine Schäden am Fahrzeug zeigen können, also keinen konkreten Kratzer oder sonstige Schäden. Auch wenn das Fahrzeug mit Staub bedeckt gewesen sei, hätten die vom Sachverständigen in seinem Gutachten genannten Schäden auffallen müssen. Denn so schmutzig sei das Auto nicht gewesen; es sei nur mit Feinstaub überzogen gewesen. Namentlich der Zeuge P..... hat betont, er könne "felsenfest" behaupten, dass die jetzt geltend gemachten Schäden damals noch nicht vorhanden gewesen seien.

b) Der Senat verkennt nicht, dass wegen des Staubauftrags die Möglichkeit der Verdeckung einzelner der punktförmigen Schadstellen nicht völlig auszuschließen ist, der Kläger sich immerhin gleich nach dem Vorfall bei der Polizei gemeldet und die Beauftragung des Sachverständigen einschließlich der Besichtigung des Wagens durch diesen bereits einen Tag nach dem Unfall erfolgt sind. Das spricht dafür, dass zumindest einzelne der Schadstellen bei dem nur 3 Wochen alten und entsprechend wenig gefahrenen Wagen des Klägers in Zusammenhang mit dem Fahren im Bereich der streitigen Unfallstelle entstanden sind. Daraus lässt sich indes entgegen der Auffassung der Berufung kein Rückschluss auf eine ganz unterlassene oder doch nur unzulänglich erfolgte Säuberung der Unfallstelle herleiten. Der von der Polizei mit der Räumung der Unfallstelle beauftragte Abschleppunternehmer Wolf hat glaubhaft bekundet, dass er die aus dem verunfallten Pkw ausgelaufene Flüssigkeit mit Bindemittel abgestreut und nach dem Aufladen des Unfallwagens im Zusammenhang mit der Entfernung aller auf der Fahrbahn liegenden Teile auch das abgestreute Mittel mit einem Hartborstenbesen abgekehrt und in ein mitgeführten Behältnis entleert habe. Das haben auch die beiden Polizeibeamten bestätigt. Danach wurde die Fahrbahn erst wieder für den Verkehr freigegeben, nachdem die Polizeibeamten sich davon überzeugt hatten, dass die Straße ordentlich bzw. sauber durch den Zeugen W... abgefegt war. Wenn der Kläger meint, dass die Reinigung mit einem Hartborstenbesen nicht ausreichend gewesen sei, da nachher noch "Massen von Kleinteilen, Bindemitteln und Glassplittern umher gewirbelt worden seien", und die Einschaltung der Autobahnmeisterei zwecks Einsatzes eines Spezialgerätes für erforderlich erklärt, das auch die in Unebenheiten und Ritzen des Straßenbelags gelangten Splitt- und Glaspartikel entfernen könne, so ist dem nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass nun der Partikelanfall offensichtlich aufgebauscht wird und noch in der Vorinstanz an erster Stelle von Staub und dann erst von Glassplittern und kleinen Splittsteinen die Rede war, lässt sich der behauptete "Massenanfall" auch nicht durch die in einem kleinen Tütchen zu den Akten gereichten angeblich aus Verfangstellen am Fahrzeug gesicherten millimeterkleinen Glas- und Splittpartikeln herleiten. Vielmehr bleibt die vom Polizeibeamten Langer ausdrücklich angesprochene Möglichkeit, dass trotz der üblichen und ordnungsgemäßen Abkehrung des Unfallstellenbereichs Reste im Teerbelag liegen bleiben, der zur Verhinderung von Wasserglätte rauh ist. Dies gilt erst recht, wenn eine Fahrbahn nicht mehr neu ist -- hier wurde die Fahrbahndecke nach weiteren winterbedingten Schäden im Jahr darauf erneuert -- also naturgemäß eine gewisse Ritzenbildung aufweist. Dann kann beim Zusammentreffen ungünstiger Umstände durch die Sog- und Aufwirbelwirkung breiter Lkw-Reifen ein nachfolgendes Fahrzeug, zumal wenn es wie hier keinen ausreichenden Abstand zum Lkw einhält, von solchen Partikeln getroffen werden. Wenn der Kläger betont, es seien "zahlreiche" Steinschlagspuren im Bereich der Motorhaube, der Windschutzscheibe und der vorderen Scheinwerfer entstanden, so ergibt sich dies so schon nicht aus den von ihm selbst eingeholten Sachverständigengutachten. Dort sind nur relativ wenige Schadstellen markiert, wobei auch nur ein und nicht beide Scheinwerfer betroffen sind, und diese auch insgesamt nur "als Bagatellschaden gewertet" worden. So verständlich auch der Ärger eines Autobesitzers über einen solchen Bagatellschaden an einem fast noch neuen Fahrzeug ist, so ändert er doch nichts an seiner prozessualen Obliegenheit, den Polizeibeamten eine konkrete schuldhafte Amtspflichtverletzung nachzuweisen. Wenn diese eine seit Jahren bewährte Abkehrung der Unfallstelle veranlassen und auf ihre ordnungsgemäße Durchführung hin kontrollieren, so erfüllen sie damit grundsätzlich die verkehrserforderliche Sorgfalt. Die Anforderungen daran würden -- von besonderen Fällen abgesehen -- überspannt werden, wenn man eine Fahrbahndeckensäuberung nach Art einer porentiefen Staubsaugerreinigung fordern würde. Es ist allgemein bekannt, dass sich auf Fahrbahnen immer irgendwelche Steinchen und ähnliche Kleinpartikel befinden, die verkehrsbedingt aufgewirbelt werden und Kleinstschäden an Lack oder Verglasung verursachen können. Dies ist in einer gewissen Toleranzbreite auch unter Berücksichtigung des Zustandes der Fahrbahn und der örtlichen Verhältnisse, hinzunehmen. Jeder Kraftfahrer kennt dieses Risiko und kann es, was vor allem bei Erkennen eines voraus fahrenden Lkw nützlich ist, durch Einhalten eines ausreichenden Abstands entweder eliminieren oder zumindest weitgehend minimieren.

c) Ob der Kläger eine gewisse Quote seines Bagatellschadens von den Haftpflichtversicherern der unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge ersetzt verlangen kann, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Dem Kläger ist unbenommen, die nach den Hinweisen des Senats wohl schon ins Auge gefasste Prüfung dieser Frage nunmehr vorzunehmen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens, der zugleich auch Wert der Beschwer des Klägers ist, wird auf 3.330,39 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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