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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.05.2001
Aktenzeichen: 12 U 196/00
Rechtsgebiete: ZPO, StVO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
StVO § 3 Abs. 1 Satz 4
BGB § 254
BGB § 228
BGB § 904
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 12 U 196/00 6 O 221/96 LG Mainz

Verkündet am 14. Mai 2001

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und den Richter am Landgericht Lambert auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer -- Einzelrichterin -- des Landgerichts Mainz vom 21.12.1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Verkehrsunfall vom 26.6.1995 in Anspruch, bei dem ein von ihm geführtes und gewerblich genutztes Leasingfahrzeug Opel Combo zu Schaden gekommen ist. Die Beklagte war Halterin eines Pferdes, das in der fraglichen Nacht aus seiner Koppel entwich und auf die Autobahn A63 geriet. Hier kam es zu einer Massenkarambolage, in deren Verlauf der Kläger schließlich unter Benutzung des Abblendlichtes mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h in die Unfallstelle hineinfuhr und mit der linken Seite seines Fahrzeuges die rechte vordere Karosserieecke des Fahrzeuges des geschädigten Gr... streifte. Das vom Kläger geführte Fahrzeug erlitt hierbei einen Totalschaden.

Der Kläger hat die Beklagte erstinstanzlich auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 16.922,05 DM in Anspruch genommen. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Betrages kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen werden (Bl. 219 und 220 GA).

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Schlussforderung aus dem Leasingvertrag in Höhe von 10.394,98 DM und der geltend gemachten dreizehn Leasingraten zu je 524,52 DM abgewiesen (Bl. 224 GA) und dem Kläger im Übrigen einen Betrag von 6.679,40 DM auf Basis einer Mitverschuldensquote des Klägers von 1/3 zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der hiermit seinen Anspruch auf Zahlung vollen Schadensersatzes auf Basis einer Verschuldensquote der Beklagten von 100 % unter Einschluss der vorgenannten Zahlungen auf den Leasingvertrag weiterverfolgt.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I. Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ein Mitverschulden des Klägers von 1/3 anspruchsmindernd berücksichtigt hat, verweist der Senat zunächst gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts. Das Berufungsvorbringen gestattet keine abweichende Entscheidung.

Der Kläger muss sich gemäß § 254 BGB ein Mitverschulden in Höhe von 1/3 anspruchsmindernd zur Anrechnung bringen lassen, da er gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen hat. Wie der Kläger auch in seiner Berufungsbegründung einräumt, stellte sich die vor ihm liegende Autobahn als "Trümmerfeld" dar. Gerade dies hätte ihm Veranlassung geben müssen, seine Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren und die Unfallstelle nicht mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h zu durchqueren. Insbesondere war es auch geboten, das Fernlicht zur Unfallzeit einzuschalten.

Gegen denjenigen, der im Dunkeln auf ein unbeleuchtetes Hindernis auffährt, spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins (BGH, VersR 63, 1026; BGH NJW 84, 50; VRS 87, 249), vorausgesetzt, das Hindernis befand sich schon bei Annäherung auf der Fahrbahn (BGH NZV 89, 265). Es steht hier fest, dass sich die vorher verunglückten Fahrzeuge, insbesondere das Fahrzeug des Geschädigten Gr..., schon auf der Fahrbahn befanden und der Kläger sich hierauf einstellen konnte und mußte.

Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass im weiteren Verlauf des Geschehens auch noch ein weiterer, von hinten herannahender Pkw Mercedes Benz (Pkw Ge...) in die Unfallstelle hineingefahren ist. Wenn der Kläger geltend macht, es sei zur Abwendung einer Kollision mit dem von hinten heranfahrenden Pkw Mercedes erforderlich gewesen, die Unfallstelle zu durchqueren, so vermag ihn dies weder aus dem Gesichtspunkt des so genannten rechtmäßigen Alternativverhaltens noch aus dem Gesichtspunkt des Notstandes gemäß §§ 228, 904 BGB zu entlasten.

Zwar werden Schäden, die auch bei rechtmäßigem Verhalten des Schädigers entstanden wären, nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst. Auch für § 254 BGB gilt, dass die Zurechnung durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird (Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 254 Rn. 15). Unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens bedeutet dies, dass ein Mitverschulden dann nicht in Ansatz zu bringen ist, wenn der Schaden auch bei normgerechtem Verhalten des Geschädigten in vollem Umfang eingetreten wäre.

Voraussetzung ist aber, dass der Mitverschuldende beweist, dass der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre (BGH 120, 287). Dieser Nachweis ist jedoch im vorliegenden Fall nicht geführt. Zwar ist es denkbar, dass der Kläger möglicherweise bei einer Vollbremsung vor dem auf der Fahrbahn befindlichen und sich über eine Strecke von 130 m hinziehenden Trümmerfeld durch von hinten herannahende Fahrzeuge selbst in Mitleidenschaft gezogen worden wäre, denn unstreitig ist nach dem Kläger ein weiterer Pkw Mercedes Benz (Pkw des Geschädigten Ge...) mit dem auf der Fahrbahn liegenden Kadaver des Pferdes der Beklagten kollidiert und hat sich über eine Distanz von 80 m überschlagen. So hat auch der Sachverständige H........ in seinem Gutachten ausgeführt (Bl. 86 GA), dass sich der bei der vorgegebenen Unfallkonstellation sicherste Platz in der Tat meist möglichst weit hinter der Unfallstelle befinde. Insoweit bestand durchaus Veranlassung, sich möglichst hinter der Unfallstelle in Sicherheit zu bringen. Dem Kläger kann mithin nicht vorgeworfen werden, nicht vor der Unfallstelle angehalten, sondern diese durchfahren zu haben. Allerdings bestand für ihn durchaus die Möglichkeit, wie es auch der Sachverständige H........ ausgeführt hat, die Unfallstelle mit deutlich verringerter Geschwindigkeit und vor allen Dingen unter Einschaltung des Fernlichtes und der Warnblinkanlage zu durchfahren. Der Sachverständige H........ hat ausgeführt, dass es dem Kläger auch möglich gewesen wäre, beim Durchfahren der Unfallstelle seine Geschwindigkeit so weit zu reduzieren, dass eine Kollision mit dem Fahrzeugwrack des Unfallbeteiligten Gr... vermieden worden wäre. Soweit der Kläger mithin zur Rechtfertigung seines Verhaltens in der Berufungsbegründung behauptet hat, dass es für ihn lediglich die Handlungsalternativen Anhalten vor der Unfallstelle oder Durchfahren derselben mit 100 km/h gegeben habe, so vermag dem der Senat nicht zu folgen. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass es auch beim Durchfahren der Unfallstelle mit deutlich verringerter Geschwindigkeit und unter Benutzung von Fernlicht und Warnblinkanlage zwangsläufig zu einer Beschädigung seines Fahrzeuges gekommen wäre.

Der Kläger kann sich mithin auch nicht auf einen Notstand berufen, da die Gefahr auch auf andere Weise, als das Durchfahren der Unfallstelle mit 100 km/h, abzuwenden gewesen wäre.

Das Landgericht hat deshalb in der angefochtenen Entscheidung einer Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagten zu Recht angenommen. Eine weitere Verschiebung dieser Haftungsverteilung zugunsten des Klägers ist mithin nicht gerechtfertigt.

II. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht dem Kläger auf die geltend gemachten Schäden lediglich einen Betrag in Höhe von 6.679,40 DM zugesprochen.

Hinsichtlich der Zahlungen des Klägers in Höhe von 10.394,89 DM auf die Schlussrechnung des Leasingvertrages vom 25.4.1996 (Bl. 8 ff. GA) und zur Begleichung der ausstehenden dreizehn Leasingraten in Höhe von insgesamt 6.818,76 DM steht dem Kläger aus Rechtsgründen allerdings kein Anspruch zu. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung (Bl. 224 GA).

Die Ansprüche des Klägers auf Ersatz der Sachverständigenkosten, der Standgebühren, der Abschleppkosten und der Auslagenpauschale sind durch die Zahlung des Versicherers der Beklagten in Höhe von 1.000 DM und 594,27 DM am 14.6. bzw. 27.8.1996 unter Berücksichtigung der Haftungsquote bereits ausgeglichen.

Ein den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 6.679,40 DM übersteigender Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der dem Kläger durch die Verwendung des Mercedes-Busses entstandenen Kraftstoff- und Betriebsmehrkosten steht dem Kläger nicht zu. Das Landgericht hat auch insoweit mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist, einen weiteren Anspruch des Klägers verneint.

Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auszuführen, dass ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB dann in Betracht kommt, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergreifen würde (Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 254 Rn. 32). Im vorliegenden Fall drohte ein erheblicher Schaden, da die Kraftstoff- und Betriebskosten des als Ersatz für den unfallbeschädigten Pkw eingesetzten Mercedes-Busses diejenigen des beschädigten Opel Combo erheblich überstiegen. Der Kläger musste darüber hinaus von Anfang an damit rechnen, dass er einen Teil seines Schadens selbst tragen mußte und dass die Aufwendungen hierfür den Schaden, der ihm durch den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts entstehen könnte, um ein Vielfaches übersteigen würden (OLG München, VersR 84, 1054). Denn immerhin wurde gegen den Kläger wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall ermittelt. So wurde er am 24.7.1995 (Bl. 99 BA) zur Beschuldigtenvernehmung geladen. Der Kläger hat auch insoweit einen Anwalt mandatiert (Bl. 100 BA). Hat der Kläger schließlich ohnehin seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen, so hätte dies unter den gegebenen besonderen Umständen bereits im Juli 1995 unter Zubilligung einer auch vom Landgericht in Ansatz gebrachten Überlegungsfrist von drei bis vier Wochen erfolgen müssen. Insoweit rechtfertigt die Nichtinanspruchnahme der Vollkaskoversicherung ausnahmsweise den Vorwurf eines Mitverschuldens gemäß § 254 BGB.

Dem Kläger gereicht aber auch insoweit ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB zum Vorwurf, als er die am 20.10.1995 (Bl. 106 GA) erbrachte Zahlung des Versicherers der Beklagten in Höhe von 7.000 DM auf den Fahrzeugschaden nicht zur Ablösung des Leasingvertrages oder zur Neubeschaffung eines Fahrzeuges eingesetzt hat. Der genannte Betrag ist auch nicht an den Leasinggeber des Klägers gelangt, was aus dessen Schreiben vom 25.4.1996 (Bl. 9 GA) folgt. Hiernach wurde der Kläger aufgefordert, die Versicherungsleistung an den Leasinggeber zur Zahlung anzuweisen. Es ist nicht vorgetragen, warum der genannte Betrag nicht zur Ersatzbeschaffung eines Fahrzeuges oder Ablösung des Leasingvertrages verwendet wurde. Zwar ist der genannte Betrag erst am 20.10.1995 zur Anweisung gelangt. Aus dem außergerichtlichen Schriftverkehr zwischen dem Rechtsanwalt des Klägers und der Versicherung der Beklagten (Bl. 70 ff. d.A.) folgt indessen, dass die verzögerte Regulierung zumindest auch auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen war. Aus einem Schreiben der Versicherung der Beklagten vom 11.7.1995 (Bl. 70 ff. GA) geht nämlich hervor, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt weder den ihm zugesandten Versicherungsfragebogen zurückgesandt noch sonst eine schriftliche Schadenshergangsschilderung an die Versicherung der Beklagten eingereicht und diese die weitere Regulierung ausdrücklich davon abhängig gemacht hatte. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist mithin der nach dem 30.9.1995 entstandene Schaden auf das Mitverschulden des Klägers zurückzuführen und daher nicht ersatzfähig.

Soweit der Kläger nunmehr in der Berufungsbegründung (hypothetische) Berechnungen seines Rückstufungsschadens anstellt, vermag der Senat hieraus nicht zu entnehmen, dass ein derartiger Rückstufungsschaden nunmehr geltend gemacht wird. Dieser wäre konkret zu berechnen. Ein in die Zukunft gerichteter Feststellungsantrag wurde nicht gestellt.

Zu den geltend gemachten Finanzierungskosten in Höhe von 3.170,25 DM fehlt es an jeglichem Vortrag, wofür der Kredit aufgenommen werden musste. Dies folgt auch nicht aus den vorgelegten Kontoauszügen (Bl. 252 ff. GA), die darüber hinaus aus den Jahren 1998 und 99 datieren.

Entgegen dem Berufungsvorbringen (Bl. 249 und 250 GA) des Klägers hat das Landgericht dem Kläger auch nicht den Ersatz von zusätzlich täglich 45 km Fahrleistung im Zusammenhang mit der so genannten "Taunus-Tour" versagt (Bl. 225 oben, Abs. 2 GA). Abgewiesen hat das Landgericht eine tägliche weitere Fahrleistung von 45 km insoweit, als der Kläger keinen Nachweis dafür erbracht habe, den Mercedes-Bus zu Hause nicht abstellen zu dürfen. Hierzu fehlt es weiterhin an einem schlüssigen Sachvortrag. Schließlich sind die Ausführungen des Klägers hinsichtlich des geltend gemachten zusätzlichen Zeitaufwandes (Bl. 251 GA) unsubstantiiert, worauf bereits die Beklagte in der Berufungserwiderung hingewiesen hat (Bl. 273 GA). Bei einem Selbständigen stellt nicht bereits der Wegfall der Arbeitskraft als solcher, sondern erst die negative Auswirkung des Ausfalls der Arbeitsleistung im Vermögen des Verletzten einen Schaden im haftungsrechtlichen Sinne dar, so dass der Unternehmer nicht abstrakt einen Schaden in Höhe des Gehaltes einer gleichwertigen Ersatzkraft geltend machen kann. Die Kosten einer Ersatzkraft sind zu erstatten, wenn nachgewiesen wird, dass der Geschäftsgewinn, der sonst erzielt worden wäre, durch Einstellung einer Ersatzkraft verringert wurde (Becker/Böhme Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 20. Auflage Anm. D 125). Die vorerwähnten Grundsätze, die bei unfallbedingter Verletzung eines Selbständigen anzuwenden sind, können auch Geltung beanspruchen, wenn ein Unternehmer Ersatz für seinen Zeitaufwand zur Schadensbeseitigung beansprucht. Zu einer konkreten, durch das Zeitversäumnis verursachten Gewinneinbuße hat der Kläger aber nichts vorgetragen.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 zurückzuweisen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.242,65 DM festgesetzt. Dem entspricht die Beschwer des Klägers.



Ende der Entscheidung

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