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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 12 U 446/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 242
BGB § 894
Die Verpflichtung des Grundstückseigentümers zur Erbringung der Leistungen, auf welche eine Reallast gerichtet ist, muss von seiner schuldrechtlichen Verpflichtung unterschieden werden. Bezieht sich die Reallast auf eine bezifferte Kaufpreisforderung und ist eine weiter gehende Forderung aufgrund einer Wertsicherungsklausel nur Gegenstand eines durch Vormerkung gesicherten Anspruchs auf Erweiterung der Reallast, dann umfasst die Realllast in ihrer bisherigen Ausgestaltung nicht automatisch auch den Forderungsteilbetrag aufgrund der Wertsicherungsklausel. Die Reallast und der durch Vormerkung gesicherte Anspruch auf Erweiterung ihres Umfangs sind zunächst verschiedene Rechtspositionen. Unterbleibt eine Erweiterung der Reallast und wird die Stammforderung erfüllt, dann erlischt das dingliche Recht. Das Rechtsschicksal des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs afugrund der Wertsicherungsklausel bleibt davon unberührt. Ein Zurückbehaltungsrecht des Forderungsinhabers gegenüber dem Grundbuchberichtigungsanspruch besteht nicht.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 446/04

Verkündet am 26.06.2006,

in dem Rechtsstreit

wegen eines Grundbuchberichtigungsanspruches.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richter am Oberlandesgericht Weller und Dr. Eschelbach auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Widerbeklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. März 2004 wird zurückgewiesen.

Der Widerbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Widerbeklagte darf die Vollstreckung durch die Widerkläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Widerkläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten in zweiter Instanz nur noch um den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch der Widerkläger auf Grundbuchberichtigung durch Löschung einer Reallast.

Die Widerkläger hatten durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 18. Juli 1989 nebst Änderungsvertrag vom 1. September 1989 von der Erblasserin M... S..., deren Alleinerbe der Widerbeklagte ist, Grundstücke in V... zum nominellen Kaufpreis von 358.000 DM erworben. Unter Anrechnung einer Grundschuld, die zuletzt mit 86.414,62 DM valutierte, und von Mietzinszahlungen, die die Erblasserin an die Widerkläger erbrachte, sollte der Restkaufpreis in monatlichen Raten von 2.263 DM gezahlt werden. Die Widerkläger sollten aber auch zu einer vorzeitigen Ablösung des Restkaufpreises berechtigt sein. Zusätzlich wurde hinsichtlich der Monatsraten des Kaufpreises eine Wertanpassungsklausel für den Fall der Veränderung des Indexes der Lebenshaltungskosten um mehr als 20 Punkte vereinbart. Zur Sicherung des festgelegten Kaufpreises wurde die streitgegenständliche Reallast bestellt und am 13. November 1989 im Grundbuch eingetragen. Hinsichtlich der Wertsicherungsklausel wurde eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Änderung des Inhalts der Reallast, die sich aus einer Neufeststellung des Kaufpreises nach der Wertanpassungsklausel ergeben könnte, bewilligt und im Grundbuch eingetragen. Eine Änderung der Reallast wurde danach aber nicht vollzogen.

Das Landgericht hat in seinem Urteil vom 12.3.2004 festgestellt, dass die Widerkläger die vereinbarten Raten zum Restkaufpreis über acht Jahre hinweg zahlten und außerdem am 20. November 1990 eine Sonderzahlung von 20.000 DM erbrachten. Es hat daher der Widerklage auf Bewilligung der Löschung der Reallast stattgegeben, weil die Reallast nur der Sicherung des festgelegten Kaufpreises gedient habe und diese Verpflichtung "unstreitig" erfüllt worden sei.

Hiergegen wendet sich der Widerbeklagte mit der Berufung, mit der er die Abweisung der Widerklage erstrebt. Er trägt vor, die Erfüllung des Anspruchs auf Zahlung des Restkaufpreises sei nicht unstreitig gewesen. Die Erblasserin habe ein Gutachten des Sachverständigen A... vorgelegt, das eine restliche Verbindlichkeit festgestellt habe. Das Landgericht habe auch in einem Hinweisbeschluss vom 10. Januar 2003 (Bl. 84 GA) festgehalten, dass sich eine Erhöhung des Restkaufpreises durch die Wertsicherungsklausel ergeben könne "mit der Folge eines möglicherweise noch offenen Restkaufpreises". Er habe daher nicht damit rechnen müssen, dass das Landgericht im Urteil eine andere Auffassung vertreten würde. Das Gericht habe insoweit seine Hinweispflicht verletzt. Gegenüber dem Grundbuchberichtigungsanspruch der Widerkläger stehe ihm jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines noch offenen Restkaufpreisanspruches zu.

Die Widerkläger beantragen die Zurückweisung der Berufung. Sie verweisen darauf, dass der Widerbeklagte die Unrichtigkeit einer tatbestandlichen Feststellung geltend mache, aber beim Landgericht keine Tatbestandsberichtigung beantragt habe. Die Feststellung, dass die vereinbarten Kaufpreisraten "unstreitig" gezahlt worden seien, sei bindend und auch in der Sache richtig. Das Vorbringen des Klägers zu einer Restschuld sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Erhöhung der Ratenbeträge aufgrund der Wertsicherungsklausel sei nicht Gegenstand der Reallast gewesen. Im Kaufvertrag sei zwar eine durch die Vormerkung gesicherte Anpassungsoption enthalten gewesen; diese sei aber unstreitig nicht realisiert worden. Vielmehr sei bei der Erbringung der Sonderzahlung von 20.000 DM vereinbart worden, dass mit der letzten Ratenzahlung der Kaufpreisanspruch insgesamt erfüllt sei. Diese Vereinbarung sei von ihnen schriftlich gegenüber der Erblasserin bestätigt worden. Der Widerbeklagte bestreite zu Unrecht mit Nichtwissen, dass dieses Schreiben der Erblasserin zugegangen sei. Auf den im Verlauf des Prozesses erlassenen Hinweisbeschluss des Landgerichts könne sich der Widerbeklagte nicht berufen, weil der Stand zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend sei.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens nimmt der Senat auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug. Wegen der Feststellungen des Landgerichts verweist er gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Widerkläger haben einen Anspruch gegen den Widerbeklagten auf Berichtigung des Grundbuches gemäß § 894 BGB durch Löschung der Eintragung der Reallast.

1. Eine Reallast (§§ 1105, 1111 BGB), wie sie hier vorliegt, ist nicht von Gesetzes wegen auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt; sie ist vererblich, soweit nicht die Leistung an eine bestimmte Person gesondert zur Bedingung gemacht wurde (vgl. OLG Köln OLG-Report Köln 1994, 62, 63; Wilke, in: Lambert-Lang/Tropf/ Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, 2. Aufl., Teil 6 Rn. 157). Daher konnte sie dem Widerbeklagten als Rechtsnachfolger der Erblasserin M... S... zustehen, allerdings nur in dem Umfang, in dem sie bei Eintritt des Erbfalles bestanden hatte. Insoweit sind die vertraglich geschuldeten Leistungen auf den Grundstückskaufpreis jedoch "unstreitig" schon zu Lebzeiten der Erblasserin erbracht worden. Dadurch ist die Reallast erloschen und das Grundbuch unrichtig geworden.

Dass jedenfalls der nominelle Kaufpreis ohne Berücksichtigung von Änderungen aufgrund der Wertsicherungsklausel oder einer etwaigen Verzinsung bestimmter Kaufpreisraten gezahlt ist, war schon in der Klageschrift zugestanden und später nicht in Abrede gestellt worden. Auf Änderungen der Ratenhöhe oder des Grundstückskaufpreises im Ganzen bezieht sich die Reallast nicht. Ihr Erlöschen wegen der vollständigen Erbringung des Kaufpreises im gesicherten Umfang bleibt deshalb von dem Streit der Parteien um eventuelle Restforderungen des Widerbeklagten aufgrund der Wertsicherungsklausel oder einer eventuellen Verpflichtung der Widerkläger zur Verzinsung einzelner Kaufpreisraten unberührt. Die Reallast ist sukzessive mit der Erbringung der dafür bestimmten Leistungen, bei Erfüllung der letzten Rate aber auch im Ganzen erloschen (vgl. Preissmann, Die Reallast, 1995, S. 218).

Die Haftung des Grundstückseigentümers auf Erbringung der Leistungen, auf welche die Reallast gerichtet ist, muss von der mit der Reallast verbundenen schuldrechtlichen Verpflichtung, die hier auch Gegenstand einer gesondert anhängigen Zahlungsklage ist, unterschieden werden. Die Reallast ist in ihrer Entstehung und ihrem Bestand davon unabhängig (vgl. OLG Hamm MittBayNot 1998, 348, 349). Eine Reallast als dingliches Recht und die gesicherte Forderung können durchaus verschiedenen Umfang haben (vgl. OLG Köln OLG-Report Köln 1994, 62, 63). Auch der Anspruch auf Erweiterung der monatlichen Ratenzahlungen und der durch Vormerkung gesicherte Anspruch auf Erweiterung des Umfangs der bestehenden Reallast ist rechtlich etwas anderes als die bisher eingetragene Reallast, die nur der Sicherung des festgelegten Kaufpreises in der ursprünglichen Höhe diente. Nach der für die Inhaltsbestimmung maßgeblichen Eintragungsbewilligung sollten die fest vereinbarten monatlichen Raten, die im Vertrag vom 1. September 1989 mit 2.263 DM bestimmt worden waren, gesichert werden. Gegenstand der Reallast waren dagegen nicht eventuelle Änderungen, die sich aufgrund einer Neufestsetzung der monatlichen Raten bei einer Änderung des Indexes der Lebenshaltungskosten um mindestens 20 Punkte ergeben konnten. Dafür war vielmehr eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Änderung der bisherigen Reallast bewilligt und eingetragen worden. Die Unterscheidung zwischen der Reallast und dem durch Vormerkung gesicherten Anspruch auf Erweiterung des Umfangs der Reallast in der Grundbucheintragung und in der Umschreibung bei der Eintragungsbewilligung macht deutlich, dass es sich um verschiedene Positionen handelt. Die Reallast selbst ist eine einheitliche Rechtsposition, der ihrerseits auch nicht zwei verschiedene Rangstufen im Grundbuch zugewiesen werden können (vgl. BGHZ 156, 274, 277). Die hier gesondert bestellte Vormerkung wäre zudem gegenstandslos, wenn der Anspruch auf Kaufpreisänderung nach der Wertsicherungsklausel sogleich durch die Reallast gesichert worden wäre. Der Wortlaut der Grundbucheintragung und der Eintragungsbewilligung gäbe hier auch keinen Hinweis darauf, dass eine Doppelsicherung gewollt war; deshalb kann offen bleiben, ob diese überhaupt rechtlich möglich gewesen wäre. Der Wortlaut der Erklärungen ist vielmehr aus der Sicht eines objektiven Empfängers zu verstehen. Insoweit ist er eindeutig und einer - erweiternden - Auslegung nicht zugänglich. Dass die Reallast von Rechts wegen schon von Anfang an auf die Monatsraten mitsamt der Erhöhungsklausel hätte erstreckt werden können (§ 1105 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.; vgl. dazu BT-Drucks. 13/10334, S. 42; s.a. BayObLG Rpfleger 1981, 106 f.), besagt nicht, dass dies entgegen dem Wortlaut von Grundbucheintragung und Eintragungsbewilligung tatsächlich geschehen ist.

Eine Umschreibung der Vormerkung ist nicht erfolgt. Eine insoweit denkbare Zusammenführung der dinglichen Rechtspositionen, die bisher auf zwei verschiedenen Rangstellen in Abteilung II des Grundbuches geführt werden, zu einer einheitlichen Reallast ist nicht vorgenommen worden. Damit ist der Gegenstand der bisherigen Reallast, die mit Rang vor der Vormerkung eingetragen worden ist, auch nicht nachträglich verändert worden. Deren Änderung hätte der Einigung der Parteien und der Eintragung im Grundbuch bedurft (§§ 837, 877 BGB). Daran fehlt es.

Ein Zurückbehaltungsrecht des Widerbeklagten hinsichtlich der Buchposition besteht nicht, weil es dem Widerbeklagten gerade diejenige Sicherung gewähren würde, die nach sachenrechtlichen Regeln wegen Erlöschens des Sicherungsgegenstands nicht mehr besteht (vgl. BGH NJW 1988, 3260, 3261 f.). Das Zurückbehaltungsrecht gegenüber einem Grundbuchberichtigungsanspruch ist auch im Übrigen nach § 242 BGB begrenzt (vgl. OLG Rostock Beschl. vom 29. Mai 2006 - 6 U 230/00). Wurde der durch Vormerkung gesicherte Anspruch auf Erweiterung der Reallast jahrelang nicht genutzt, so kann nach Treu und Glauben nun nicht mit Erfolg gegenüber dem Anspruch auf Grundbuchberichtigung durch Löschung der Reallast ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden, das gerade den Inhalt des durch Vormerkung gesicherten Anspruches betrifft. Insoweit bietet auch die Vormerkung zur Sicherung des Anspruches auf Erweiterung der Reallast dem Widerbeklagten keinen Schutz gegen den Wegfall der Reallast durch vollständige Zahlung des Grundstückskaufpreises im Umfang der bisherigen Sicherung. Über das sonstige Rechtsschicksal der Vormerkung hat der Senat nicht zu entscheiden; das ist hier nicht Streitgegenstand.

2. Eine Verletzung von Hinweispflichten durch das Landgericht liegt nicht vor. Zwischen der Annahme des Landgerichts, es könne eine Restkaufpreisforderung aufgrund der Wertsicherungsklausel bestehen, aber die Reallast sei erloschen, besteht wegen der Abstraktheit der dinglichen Rechtsposition kein Widerspruch. Eine Abkehr des angefochtenen Urteils von dem vorherigen Hinweisbeschluss liegt deshalb schon in tatsächlicher Hinsicht nicht vor. Zudem haben bereits die Widerkläger dargelegt, dass die Reallast eventuelle Änderungen des nominellen Grundstückskaufpreises nicht sichert. Eines zusätzlichen gerichtlichen Hinweises bedurfte es danach nicht mehr.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 712 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt. Der Bundesgerichtshof hat schon entschieden, dass die Reallast ein einheitliches dingliches Recht ist, das nicht auf mehrere Rangpositionen verteilt werden kann (BGHZ 156, 274, 277 f.). Daraus folgt auch, dass die Reallast und eine gesondert eingetragene Vormerkung verschiedene Rechtspositionen darstellen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.116,39 Euro festgesetzt (vgl. Bl. 286 GA). Der Streitwert der Klage auf Löschung einer Reallast bemisst sich grundsätzlich nach § 9 ZPO. Bestand zur Zeit der Klageerhebung das Bezugsrecht nicht mehr, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse an der Löschung der Belastung, das nach § 3 ZPO zu schätzen ist (vgl. OLG Frankfurt OLG-Report Frankfurt 1993, 47 f.). Insoweit ist der Umfang der Ansprüche, deren sich der Widerbeklagte berühmt, maßgebend.

Ende der Entscheidung

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