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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.07.2005
Aktenzeichen: 12 U 702/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 139 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB §§ 249 ff
BGB § 249 Satz 2 a.F.
BGB § 249 Abs. 2 Satz 2 n.F.
EGBGB Art. 229 § 8 Abs. 1
Eine Hinweispflicht besteht für das Gericht nicht schon deshalb, weil es im Urteil von einem Vergleichsvorschlag abweichen will, nachdem weiterer Parteivortrag erfolgt ist. Übersteigt bei der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten der nach einem Schadensgutachen erforderlichte Reparaturaufwand den Fahrzeugwert, dann kann Ersatz dieses Aufwands nur verlangt werden, wenn der Geschädigte sein Integritätsinteresse nachweist. Liegt keine sach- und fachgerechte Reparatur vor, dann kann eine fiktive Schadensabrechnung nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands erfolgen. Voraussetzung für eine weiter gehende Forderung ist ferner, dass der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur in nennenswertem Umfang weiter benutzt. Sein Integritätsinteresse entfällt, wenn nach einer Billigreparatur alsbald ein Verkauf des Fahrzeugs stattfindet.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 U 702/04

Verkündet am 11.07.2005,

in dem Rechtsstreit

wegen eines Schadensersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richterin am Oberlandesgericht Frey und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers zu 1) gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche, in zweiter Instanz nur noch um solche des Klägers zu 1), aus einem Verkehrsunfall, der sich am 26. Oktober 2002 auf der Bundesstrasse ... bei M.... zugetragen hat.

Der Kläger zu 1) fuhr mit seinem Pkw VW Passat aus Richtung N.......... kommend in Richtung M..... Die Klägerin zu 2) war Beifahrerin. Der Versicherungsnehmer der Beklagten in der Haftpflichtversicherung H..... J.... B... kam mit seinem Pkw VW Polo entgegen, geriet ins Schleudern und kam auf die Fahrbahn des klägerischen Fahrzeugs, mit dem er kollidierte. Durch den Aufprall wurden die Airbags im VW Passat der Kläger ausgelöst. Gleichwohl erlitten die Kläger leichte Verletzungen. Der Kläger zu 1) trug eine 4 x 5 cm Hautfläche umfassende Verbrennung am linken Unterarm davon, ferner eine HWS-Distorsion und eine Prellung des linken Schultergelenks. Die Beklagte zahlte deshalb vorgerichtlich an den Kläger zu 1) ein Schmerzensgeld von 500 Euro. Auf den Fahrzeugschaden des Klägers zu 1) zahlte die Beklagte 9.196,55 Euro, die sie aus einem gutachterlich geschätzten Wiederbeschaffungswert von 14.396,55 Euro abzüglich eines Restwertes von 5.200 Euro errechnete. Der Kläger zu 1) macht einen weiter gehenden Fahrzeugschaden geltend, weil das Fahrzeug - in Eigenregie mit Hilfe eines fachkundigen Verwandten - repariert worden sei. Aufgrund einer Auflage des Landgerichts hat der Kläger zu 1) unter dem 2. April 2004 unstreitig gestellt, dass das Fahrzeug am 22. Februar 2003 an V..... H......... verkauft wurde (Bl. 95 GA).

Der Kläger zu 1) hat behauptet, sein Fahrzeug sei sach- und fachgerecht repariert und danach von ihm weiter benutzt worden. Das gehe schon daraus hervor, dass er das Fahrzeug Ende 2003 nochmals dem privat beauftragten Sachverständigen H......... vorgeführt habe, der danach unter dem 25. März 2003 bestätigt habe, dass "keine offensichtlichen Restunfallspuren vorhanden" seien. Wenn er nur für einen Teil der Ersatzteile Rechnungen vorgelegt habe, so beruhe dies darauf, dass die Ersatzteile für die Firma G...... GmbH beschafft worden seien und diese die Ersatzteilrechnungen für eigene Umsatzsteuernachweise benötige. Die von ihm reklamierte Abrechnung nach Maßgabe der vom Sachverständigen bestimmten Reparaturkosten ohne Abzug des Restwerts sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 154, 395 ff. sachgerecht. Danach könne er bei durchgeführter Reparatur die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten ohne Abzug des ermittelten Restwertes ersetzt verlangen, wenn der Aufwand bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes betrage. Nur hilfsweise sei sein Schadensersatzanspruch auf den Wiederbeschaffungswert ohne Abzug des Restwertes zu begrenzen. Die Kläger zu 1) und zu 2) haben ferner geltend gemacht, ihre jeweiligen immateriellen Schäden seien von der Beklagten nicht angemessen ausgeglichen worden.

Der Kläger zu 1) hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn

- 6.115,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. November 2002, weitere

- 409,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2002, ferner weitere

- 200 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 8. April 2003 zu zahlen.

Die Klägerin zu 2) hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 211,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 8. April 2003 zu zahlen. Dies ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Die Beklagte hat beantragt, die Kläger mit ihren Klagen abzuweisen. Sie hat die Durchführung einer sach- und fachgerechten Reparatur des Fahrzeugs des Klägers zu 1) bestritten. Aus der Tatsache der Veräußerung des Fahrzeugs am 22. Februar 2003 an einen Dritten ergebe sich, dass die behauptete Vorstellung des Fahrzeugs im reparierten Zustand durch den Kläger zu 1) bei dem privat beauftragten Sachverständigen Ende März 2003 nicht stattgefunden habe (Bl. 90 GA). Aus den Ersatzteilrechnungen ergebe sich, dass gegenüber der Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen eine Differenz von 70 % bestehe. Bei dieser Sachlage sei weder vom Nachweis einer fachgerechten Reparatur noch vom Bestehen eines Integritätsinteresses an der weiteren Fahrzeugeigenbenutzung, welches die vom Kläger gewünschte Abrechnungsweise hätte rechtfertigen können, zu bejahen sei. Die vorgerichtlich durchgeführte Abrechnung auf Totalschadenbasis sei alles, was der Kläger zu 1) beanspruchen könne. Die Schmerzensgeldforderungen der Kläger seien in angemessenem Umfang erfüllt worden.

Das Landgericht hat durch Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer vom 10. Mai 2004 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin zu 2) ein weiteres Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen. Der Kläger zu 1) habe - eine fachgerechte Reparatur seines Fahrzeugs unterstellt - sein Integritätsinteresse nicht hinreichend dargelegt. Es sei vielmehr durch den anfangs verschwiegenen Fahrzeugverkauf widerlegt. Damit sei die Rechtsprechung im Sinne von BGHZ 154, 395 ff. nicht anwendbar. Die Reparatur sei im Dezember 2002 und Januar 2003 durchgeführt worden; spätestens sechs Wochen danach sei der Fahrzeugverkauf erfolgt. Der Kläger zu 1) habe nicht einmal behauptet, dass er in der Zwischenzeit das Fahrzeug benutzt habe. Es bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer, weil er den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs nicht behauptet habe. Die immateriellen Schäden des Klägers zu 1) seien ausreichend abgegolten. Nur der Klägerin zu 2) sei ein weiterer Betrag zuzuerkennen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers zu 1), mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter verfolgt. Er meint, es liege ein Überraschungsurteil vor, nachdem das Landgericht zuvor noch einen Vergleichsvorschlag unterbreitet habe, der jedenfalls seiner hilfsweise dargelegten Schadensberechnung gefolgt sei. Auch in der Sache sei das Urteil zu beanstanden. Die Reparaturkosten nach der gutachterlichen Kalkulation seien höher als der Wiederbeschaffungswert. Bei dieser Sachlage könne er die kalkulierten Reparaturkosten ohne Abzug des Restwerts ersetzt verlangen. Nach Durchführung der Reparatur, die das Landgericht unterstellt habe, sei bis zum Beweis des Gegenteils vom Vorliegen eines Integritätsinteresses auszugehen. Darüber, wie lange ein Geschädigter nach der Reparatur das Fahrzeug behalten müsse, um sein Integritätsinteresse nachzuweisen, bestehe keine klare Regel. Er habe das Fahrzeug nach der Reparatur bis zum Verkauf "selbstverständlich" weiter genutzt (Bl. 138 GA). Nach dem Verkauf habe er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben; daher könne er auch den Mehrwertsteuerbetrag verlangen. Auf die gegenteilige Annahme habe das Landgericht zu Unrecht nicht vorab hingewiesen. Die Schmerzensgeldforderung sei mit Blick auf die Verbrennung, die er neben anderen Beeinträchtigungen erlitten habe, nicht genügend kompensiert worden.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Die Verletzung einer Hinweispflicht sei nicht anzunehmen. Die Frage des Integritätsinteresses sei heftig umstritten gewesen und durch die gerichtliche Auflage zur Offenlegung des Fahrzeugsverkaufs sei das Problem klargestellt gewesen. Bei dieser Sachlage habe das Gericht nicht darauf hinweisen müssen, dass es im Urteil vom Ergebnis seines vorherigen Vergleichsvorschlags abweichen werde. Dies gelte auch deswegen, weil sie, die Beklagte, anschließend das Prozessverhalten des Klägers zu 1), der den Verkauf des Fahrzeugs über lange Zeit hinweg im Prozess verschwiegen hatte, beanstandet habe. Das Berufungsvorbringen, das Fahrzeug sei nach der Reparatur zugelassen gewesen und habe "sicherlich nicht ungenutzt und unzugelassen in der Garage" gestanden, sei symptomatisch für ein insgesamt unsubstantiiertes Vorbringen zum Integritätsinteresse. Die Ausführungen zum Schmerzensgeldanspruch seien nicht weiterführend.

Der Kläger zu 1) hat repliziert (Bl. 149 f. GA). Die Beklagte rügt die Verspätung des weiteren Vorbringens (Bl. 151 f. GA).

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Wegen der Feststellungen des Landgerichts nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Prüfungsrahmen des § 529 Abs. 1 ZPO nicht zu beanstanden.

1. Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde nicht verletzt.

Eine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestand für das Landgericht nicht; eine solche Pflicht kann folglich nicht verletzt worden sein. Der gerichtliche Vergleichsvorschlag war schon deshalb nicht gleichbedeutend mit einer Festlegung auf ein Resultat, weil in einem Vergleich, wenn er zustande kommt, ein gegenseitiges Nachgeben liegt. Die Beklagte hatte hier zudem nach dem Vergleichsvorschlag des Gerichts weiteren Vortrag gehalten, den das Gericht berücksichtigen musste (Art. 103 Abs. 1 GG). Wenn das Gericht danach im Ergebnis anders entschieden hat, als es im Vergleichsvorschlag votiert hatte, dann ist dies keine Überraschungsentscheidung. Über die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung waren die Parteien nicht im Unklaren; der Kläger zu 1) fühlt sich nur vom Ergebnis der Entscheidung überrascht; das ist aber kein Grund zur Annahme der Verletzung einer Hinweispflicht. Auch aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich hier nicht - über dessen einfachrechtliche Ausprägung in § 139 ZPO hinaus - etwas anderes. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar auch aus dem Gebot rechtlichen Gehörs nach Art.103 Abs.1 GG das Verbot von Überraschungsentscheidungen abgeleitet. Die Verfahrensbeteiligten dürfen danach weder vom Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung an sich (BVerfGE 34, 1, 7 f.) noch von deren tatsächlichem (BVerfGE 84, 188,190 f.) oder rechtlichem (BVerfGE 86, 133,144f.) Inhalt überrascht werden. Einer gerichtlichen Entscheidung dürfen nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde gelegt werden, zu denen sich die Parteien äußern konnten. Der sachverhalts- und tatsachenbezogenen Äußerung als Voraussetzung der Gehörsgewährung ist die Möglichkeit zur Äußerung zur Rechtslage gleichgestellt (BVerfGE 60, 175,210; 64, 125,134; 86, 133,144; 98, 218,263). Dem Beteiligten muss die Möglichkeit gegeben werden, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Dabei kann es in besonderen Fällen geboten sein, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zu Grunde legen will. Dies gilt aber nur dann, wenn auch eine sorgfältige Partei hiermit nicht rechnen kann. Das ist schon dann nicht der Fall, wenn der Prozessgegner einen Standpunkt einnimmt, dem das Gericht in seiner Entscheidung letztlich folgt. So liegt es hier.

Das Thema des Integritätsinteresses des Klägers zu 1) an seinem Fahrzeug war schon zuvor ausführlich erörtert worden und es stand im Mittelpunkt des Rechtsstreits; davon konnte der Kläger zu 1) nicht überrascht werden. Die Beklagte hatte auch nach dem Vergleichsvorschlag den Klägervortrag nochmals ausführlich bemängelt (Bl. 74 ff. GA); damit war der Kläger zu 1) auch auf dieses Problemfeld hingewiesen worden, das vom Gericht im Urteil zu prüfen war.

Dasselbe gilt für die Frage der Berechtigung einer Umsatzsteuerforderung. Diese Frage war von den Parteien thematisiert worden.

Sind demnach alle Fragen tatsächlicher und rechtlicher Art, die der Fall aufwirft, vorab thematisiert worden, so liegt allein in einem von einer Partei so nicht vorhergesehenen Entscheidungsergebnis noch keine Überraschungsentscheidung.

2. Auch in der Sache ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Seine Auffassung, dass der Kläger zu 1) bei fiktiver Schadensberechnung lediglich Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands - also des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwerts - verlangen könne, trifft zu (a). Richtig ist nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. ferner die Annahme des Landgerichts, der Kläger könne ohne Nachweis nicht die Umsatzsteuer ersetzt verlangen (b). Schließlich ist seine Bewertung des Umfangs des Schmerzensgeldanspruchs im Prüfungsumfang des § 529 Abs. 1 Nr. 1ZPO nicht zu beanstanden (c).

a) Dass die verlangten Kosten erforderlich sind, hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen (vgl. Rixecker, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., 1. Teil Kap. 1 Rn. 11). Daran fehlt es hier.

Bei der Frage, welchen Aufwand der Geschädigte für die Reparatur seines Fahrzeugs ersetzt verlangen kann, ist zum einen das Verhältnis der Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zu berücksichtigen; zum anderen ist zu bedenken, dass regelmäßig nur die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs sein Integritätsinteresse befriedigt. Deshalb steht es mit den Grundsätzen des Schadensrechts im Einklang, dass dem Geschädigten, der eine Reparatur nachweislich durchführt, die zur Instandsetzung erforderlichen Kosten zuerkannt werden können, die den Wiederbeschaffungswert bis zu 30% übersteigen. Allerdings kann ein solcher Integritätszuschlag nur verlangt werden, wenn die Reparaturen fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt werden, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (vgl. BGH NJW 2005, 1110, 1111 mit Anm. Freyberger NZV 2005, 231 ff.; Heß NZV 2005, 246 f.; Lemcke RuS 2005, 175 ff.). Repariert der Geschädigte sein Fahrzeug nicht - nachweisbar - fachgerecht oder nur unvollständig, so beweist er gegebenenfalls zwar durch die Weiternutzung des unvollständig reparierten Fahrzeugs sein Interesse an der Mobilität. Dieses kann aber im Allgemeinen durch die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs in vergleichbarer Weise befriedigt werden. Hingegen kommt in einem solchen Fall dem für den fraglichen Zuschlag maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte besonderen Wert auf das vertraute Fahrzeug lege, weil dieses zuverlässig und gut gewartet sei, was er im Falle eines Gebrauchtwagenkaufs unter Umständen missen müsste, schon keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Übersteigt der nach dem Schadensgutachten erforderliche Reparaturaufwand den Fahrzeugwert, dann kann Ersatz dieses Reparaturaufwands auch nur verlangt werden, wenn der Geschädigte durch eine qualifizierte Reparatur sein Integritätsinteresse nachweist. Entspricht die Reparatur - soweit feststellbar - diesen Anforderungen nicht, so kann eine fiktive Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands erfolgen; der Wiederbeschaffungsaufwand besteht dabei aus dem Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes des Fahrzeugs. Ein darüber hinausgehender Schadensausgleich ließe das Gebot der Wirtschaftlichkeit und das Verbot der Bereicherung außer Acht (BGH NJW 2005, 1110, 1111).

Insofern liegt der vorliegende Fall in einem entscheidenden Punkt anders als in dem vom Kläger zu 1) herangezogenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. April 2003 - VI ZR 393/02 (BGHZ 154, 395 ff.). Das hat die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verdeutlicht (BGH NJW 2005, 1110, 1111). In seiner früheren Entscheidung, die auch noch zu § 249 Satz 2 BGB a.F. ergangen war, hatte der Bundesgerichtshof angenommen, dass Qualität und Umfang der Reparatur so lange keine Rolle spielen, als die geschätzten Reparaturkosten zwar den Wiederbeschaffungsaufwand, also den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, nicht aber den Wiederbeschaffungswert übersteigen (BGHZ 154, 397, 400). In einem solchen Fall kann der Geschädigte grundsätzlich nach den zur Schadensbehebung erforderlichen Kosten abrechnen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt und selbst weiter nutzt. Dann ist auch der Restwert nicht abzuziehen, weil er sich im Rahmen einer solchen Schadensberechnung lediglich als hypothetischer Rechnungsposten darstellt. Demgegenüber ist eine grundlegend andere Betrachtungsweise in Fällen wie dem vorliegenden geboten, in dem die für eine Schadensbehebung erforderlichen Kosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs übersteigen. Zwar steht es dem Geschädigten auch in solchen Fällen frei, in welcher Weise er den Schaden beseitigen will. Doch können dem Geschädigten Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte - nachweisbar - wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt. Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt, den die Beklagte hier schon vorgerichtlich abgerechnet hatte. Voraussetzung für die darüber hinaus gehende Mehrforderung des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers zu 1) ist, dass eine sach- und fachgerechte Reparatur, wie sie im Schadensgutachten zu Grunde gelegt wurde, tatsächlich erfolgt ist und er das Fahrzeug danach in nennenswertem Umfang selbst weiter benutzt hat, ohne sogleich den Verkauf und die Ersatzbeschaffung zu beabsichtigen. Zu beiden Aspekten fehlt ein ausreichender Tatsachenvortrag und Nachweis durch den Kläger zu 1).

Allein die Vorstellung des reparierten Fahrzeugs bei dem privat beauftragten Schadenssachverständigen mit der Folge einer groben Besichtigung und der Feststellung, dass "keine offensichtlichen Restunfallspuren" mehr vorlägen, ist jedenfalls dann kein ausreichender Beweis des Vorliegens einer dem vorherigen Schadensgutachten entsprechend durchgeführten Reparatur, wenn die tatsächliche Reparatur - auch bei fachmännischer fremder Hilfe - in "Eigenregie" durchgeführt wurde und nur ein geringer Teil der vom Sachverständigen veranschlagten Ersatzteile durch Einkaufsrechnungen belegt ist. Das Beweisangebot des Klägers zu 1) auf Vernehmung des sachverständigen Zeugen H......... hierzu (Bl. 65 GA) reicht bei dieser Sachlage nicht aus, weil es nicht mehr ergeben könnte, als die bereits urkundenbeweislich belegte Feststellung jenes Sachverständigen, dass bei Grobsichtung "keine offensichtlichen Restunfallspuren" mehr vorlägen. Ein aussagekräftigeres Sachverständigengutachten zur Qualität der tatsächlich durchgeführten Reparaturarbeiten kann nach Veräußerung des Fahrzeugs nicht mehr eingeholt werden. Die beweisrechtlichen Folgen dieser Lage hat der Kläger zu 1) zu tragen.

Ein Integritätsinteresse des Klägers zu 1) an dem unfallbeschädigten Fahrzeug, das nach den genannten Grundsätzen die von ihm gewünschte Schadensersatzberechnung in einem zusätzlich erforderlichen Punkt rechtfertigen könnte, das aber bei einer Not-, Billig- oder Teilreparatur entfällt (Rixecker, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, Teil 1 Kap. 3 Rn. 27 m.w.N.), ist nicht substantiiert dargelegt worden. Davon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen und dagegen ist im Prüfungsumfang des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO durch den Senat nichts zu erinnern.

Die bloße Behauptung der ordnungsgemäßen Durchführung der Reparatur allein ist noch nicht gleichbedeutend mit dem Vortrag von Umständen, aus denen sich ein Interesse des Klägers zu 1) an der weiteren Eigennutzung des Fahrzeugs ergeben könnte. Es gibt keinen Erfahrungssatz dafür, dass eine Fahrzeugreparatur nur deshalb vorgenommen wird, um das Auto danach selbst weiter zu benutzen. Eine Fahrzeuginstandsetzung kann auch die Vorbereitung zu einem alsbaldigen Verkauf sein, der indes einen Verlust des Integritätszuschlags zur Folge hat (vgl. Christian Huber, Das neue Schadensersatzrecht, 2003, § 1 Rn. 394 ff.). Auch ein Anscheinsbeweis dafür, dass eine Reparatur zur anschließenden Fahrzeugbenutzung durch den bisherigen Halter dient, existiert nicht. Das Landgericht hat zudem nicht nur aus der Tatsache, dass das Fahrzeug - bei einer im Sachvortrag auch nur grob umrissenen Reparaturzeit - rund sechs Wochen nach der Reparatur verkauft wurde, ein Argument gegen die Absicht des Klägers zu 1) zur weiteren Eigennutzung des Fahrzeugs nach der Reparatur entnommen. Es hat ferner der Tatsache Indizbedeutung beigemessen, dass der Kläger den Fahrzeugverkauf im Prozess zunächst über lange Zeit hinweg verschwiegen und diesen erst aufgrund einer gerichtlichen Auflage offen gelegt hat. Gegen diese Bewertung ist nach dem Maßstab des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nichts zu erinnern, zumal der Kläger zu 1) auch im Berufungsverfahren keine konkreten Umstände genannt hat, die auf ein anderes Ergebnis hindeuten könnten. Sein pauschales Vorbringen, er habe "selbstverständlich" das Fahrzeug nach der Reparatur weiterbenutzt und das Fahrzeug habe "sicherlich nicht ungenutzt und unzugelassen in der Garage" gestanden, ergibt keine konkreten Hinweise auf eine andere Sachlage. Auch dieses Vorbringen genügt nicht der (sekundären) Darlegungslast des Klägers zu 1), die dadurch akzentuiert wird, dass immerhin relativ kurze Zeit nach der Reparatur tatsächlich ein Fahrzeugverkauf stattgefunden hat und das Fahrzeug zuvor zeitweise nicht zugelassen gewesen war. Hat der Kläger zu 1) auch den tatsächlich erfolgten Fahrzeugverkauf im Prozess lange verschwiegen, so wäre er gehalten gewesen, seine Absicht das Fahrzeug weiter zu benutzen näher zu begründen. An ausreichendem Vorbringen dazu fehlt es.

b) Der Verkehrsunfall hat sich nach dem 31. Juli 2002 ereignet. Die Ersatzpflicht der Beklagten bestimmt sich folglich gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach den Vorschriften der §§ 249 ff BGB in der Fassung des 2. Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674). Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist (vgl. Rixecker, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, Teil 1 Kap. 3 Rn. 42). Das wäre durch Rechnungen zu belegen gewesen, die eine Mehrwertsteuerforderung ausweisen. Daran fehlt es. Da der Kläger in erster Instanz sogar eine tatsächliche Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs nicht behauptet hat, besteht gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB kein Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Mehrwertsteuer (BGH NJW 2005, 1110, 1111). Der zweitinstanzliche Vortrag ist unsubstantiiert und nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

c) Die weiter gehende Schmerzensgeldforderung ist nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat im Einklang mit der Sach- und Rechtslage entschieden und namentlich die Verbrennungswunde des Klägers zu 1) nicht übersehen.

Unbeschadet der verschiedenen Verletzungsarten (Verbrennungswunde 2. Grades [Bl. 58 GA], HWS-Distorsion ohne unfallbedingten Bandscheibenprolaps [Bl. 79 GA], Prellung des linken Schultergelenks), die zu einer rund einwöchigen Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu 1) (vom 26. Oktober bis 3. November 2002) geführt haben (Bl. 59 GA), ist bei der Gesamtbewertung anzunehmen, dass es sich im Ganzen im Vergleich zu sonst vorkommenden Körperverletzungen durch Verkehrsunfälle um leichtere Verletzungen handelt, die nur ein Schmerzensgeld in der von der Beklagten erfüllten Höhe rechtfertigen.

Konkrete Angaben zu Umfang und Heilung der Verbrennungswunde, die ein weiteres Schmerzensgeld rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Schwere Verbrennungen wären solche 3. oder 4. Grades; dies liegt nicht vor. Ob innerhalb der leichteren Verbrennungsstufen mit den typischen Folgen der Rötung, von Schmerzen, einer Schwellung oder Blasenbildung eine solche des Grades 2a (oberflächliche dermale Verbrennung) oder des Grades 2b (tiefe dermale Verbrennung) vorgelegen hat, ist nicht dargetan; der Kläger zu 1) hat nur allgemein auf eine "Verbrennungswunde II. Grades" und deren Ausdehnung von 4 x 5 cm verwiesen (Bl. 8 GA). Eine oberflächliche dermale Verbrennung (Grad 2a) ist durch eine Schädigung lediglich der obersten Hautanteile charakterisiert, so dass eine spontane Heilung ohne Narbenbildung möglich ist. Die tiefe dermale Verbrennung (Grad 2b) heilt auch unter günstigen Umständen nur unter Narbenbildung ab. Für die Schmerzensgeldbemessung wäre je nach Wundgestaltung und Heilungsverlauf unter Umständen diese Unterscheidung von Bedeutung. Der Kläger zu 1) hat aber dazu keine näheren Angaben gemacht und - im Gegensatz zur krankengymnastischen Therapie seiner behaupteten Wirbelsäulenverletzung - insoweit auch keine ärztlichen Bescheinigungen vorgelegt. Deshalb kann hier nur eine leichtere Verbrennung zu Grunde gelegt werden, die zusammen mit den anderen leichten Verletzungen (HWS-Distorsion, Prellungen) im Ganzen nur ein Schmerzensgeld von 500 Euro rechtfertigt.

Das Berufungsvorbringen, das sich auf die Behauptung einer nicht angemessenen Höhe des gezahlten Schmerzensgeldes beschränkt, rechtfertigt auch im Übrigen keine andere Entscheidung. Jedenfalls die festgestellte "iniitiale Osteochondrose C2/C3, C4/C5 und C5/C6" (Bl. 79 GA) ist ein unfallunabhängiger Vorschaden. Unter einer Osteochondrose versteht man eine Veränderung des Bandscheibenknorpels mit einer begleitenden Reaktion des Wirbelkörpers, die typischerweise im Röntgenbild als eine Höhenminderung des Bandscheibenraumes erscheint und regelmäßig auf Verschleiß beruht. Dass dieser Befund hier im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehe, hat der Kläger zu 1) auch mit seinen ergänzenden Darlegungen (Bl. 80 f. GA) gegenüber dem bestreitenden Vorbringen der Beklagten (Bl. 88 GA) nicht substantiiert behauptet. Die Behauptung einer Reihe von Therapiesitzungen durch eine Krankengymnastin (Bl. 81, 84 ff. GA) besagt nichts über die Ursache der behandelten Beeinträchtigungen und über die Erforderlichkeit der Therapiemaßnahmen. Für die Entscheidung über die Schmerzensgeldbemessung über die vorgerichtliche Zahlung von 500 Euro hinaus ist dies auch nicht ausschlaggebend.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits durch BGH NJW 2005, 1110 f. entschieden.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.725,28 festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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