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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 27.06.2005
Aktenzeichen: 12 VA 2/04
Rechtsgebiete: EGGVG, ZPO, BVerfGG, HZÜ, StGB, FGG, GWB


Vorschriften:

EGGVG §§ 23 ff
EGGVG § 29 Abs. 1 Satz 2
EGGVG § 29 Abs. 2
ZPO § 328
ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 722
ZPO § 723
BVerfGG § 31
HZÜ § 13 Abs. 1
StGB §§ 73 ff.
FGG § 12
GWB § 98 Abs. 2
1. Die Frage, ob eine Zivil- oder Handelssache i.S. von Art. 1 I HZÜ vorliegt, ist aufgrund einer autonom-staatsvertraglichen Qualifikation zu beantworten. Maßgebend ist, ob bei der Rechtsverfolgung private oder öffentliche Interessen im Vordergrund stehen. Wird eine auf einen Kartellverstoß gestützte Sammelklage nach US-amerikanischem Recht (class action) erhoben, die auch auf die Verpflichtung eines deutschen Unternehmens zur Zahlung von Strafschadenersatz (treble damages) an alle Arzneimittelkonsumenten in den USA gerichtet ist, so handelt es sich nicht um eine Zivil- und Handelssache in diesem Sinne.

2. Hilfsweise stünde der Anordnung der Zustellung dieser Klage im Wege internationaler Rechtshilfe im Inland der Souveränitätsvorbehalt gem. Art. 13 I HZÜ entgegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Sammelklage missbräuchlich erhoben wird, weil sie unter Ausnutzung publizistischen Drucks und der unbegrenzten Höhe des möglichen Strafschadensersatzes nur auf die Erzwingung eines Vergleichs abzielt. Die Offensichtlichkeit des Missbrauchs kann sich daraus ergeben, dass die als extraterritorialer Kartellrechtsverstoß bezeichneten Handlungen im Einklang mit einem Importverbot nach dem Recht der USA stehen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 12 VA 2/04

in dem Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung

wegen der Zustellung einer Sammelklage nach US-amerikanischem Recht im Wege der internationalen Rechtshilfe für das Bezirksgericht Minnesota (USA) aufgrund des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen - HZÜ - vom 15. November 1965 (BGBl. 1977 II S. 1453)

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes, die Richterin am Oberlandesgericht Frey und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach

am 27. Juni 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

A. - I.

1. Der Antragsgegner beabsichtigt die Zustellung einer auf Kartellrechtsverletzungen gestützten Sammelklage (class action) an die Antragstellerin im Wege der internationalen Rechtshilfe für das Bezirksgericht Minnesota (USA) aufgrund des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen - HZÜ - vom 15. November 1965 (BGBl. 1977 II S. 1453). Hiergegen richtet sich der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung.

Die Kläger und Repräsentanten (named plaintiffs) der Sammelklage (im Internet veröffentlicht unter http://front.mnseniors.org/druglawsuit/complaint051904.pdf), auf die sich das Zustellungsbegehren bezieht, wenden sich mit Unterlassungs-, Strafschadensersatz- und Bereicherungsansprüchen dagegen, dass eine Reihe von pharmazeutischen Unternehmen Einfluss auf den Import verschreibungspflichtiger Arzneimittel im kleinen Grenzverkehr aus Kanada in die Vereinigten Staaten nehmen, so dass dortige Bürger, die in Kanada einkaufen wollen, auf den teureren amerikanischen Arzneimittelmarkt zurückverwiesen werden. Als Kläger und Repräsentanten der betroffenen Gruppe treten E..... I......, H... H......, J...... H....., die M...... S..... F......... sowie der P....... D....... C..... Nr. .. H..... and W...... F... im eigenen Namen und für alle noch unbekannten Personen in gleicher Lage auf. E..... I......, H... H......, J...... H..... sind zugleich Mitglieder der M........ S..... F......... mit Sitz in St. P... (M........). Diese ist ein Interessenverband, der sich dem Ziel widmet, seinen betagten Mitgliedern preisgünstige Gesundheitsfürsorge zu verschaffen, insbesondere verschreibungspflichtige Markenarzneimittel. Der P....... D....... C...... Nr. .. H..... and W...... F... hat seinen Sitz in St. C...... im US-Bundesstaat I........ Er ist eine Vereinigung mit dem Ziel, Angestellten und ihren Angehörigen umfassende Gesundheitsfürsorge zu verschaffen. Er trägt die Kosten, die seinen Mitgliedern durch den Kauf von Markenarzneimitteln in den USA entstehen.

Die Beklagten der Sammelklage, die nach dem Klagebegehren als Gesamtschuldner verpflichtet werden sollen, sind Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, nämlich neben der Antragstellerin die P..... Inc. mit Sitz in N.. Y..., die G.... S..... K.... P.. mit Sitz in B........ (G..............), die A.... L.......... Inc. mit Sitz in A..... P.. (I.......), die A....Z.... P.............. P.. mit Sitz in W.......... (D.......), E.. L.... and Company mit Sitz in I........... (I......), die M... & Co. Inc. mit Sitz in W......... S...... (N.. J.....), die N....... AG mit Sitz in B.... (S......) und die W.... P.............. Inc. mit Sitz in C........... (P...........).

Die Antragstellerin ist die Komplementärgesellschaft der B......... I......... GmbH und Co. KG. Diese ist Teil einer Firmengruppe der pharmazeutischen Industrie mit Forschungs- und Produktionsstandorten in Deutschland, in der Schweiz, sowie Vertriebsgesellschaften in Deutschland, der Schweiz, Kanada und den USA. Kerngeschäft der Firmengruppe ist das Erforschen, Entwickeln, Herstellen und Vertreiben von Arzneimitteln. Die Firmengruppe im Ganzen erzielte durch den Vertrieb pharmazeutischer Produkte im Jahre 2004 weltweit Erlöse von 8,16 Milliarden Euro.

Den Hintergrund der Sammelklage bildet das dominierende Thema der Gesundheitspolitik in den Vereinigten Staaten, das auch Gegenstand des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl im Jahre 2004 gewesen ist. Das amerikanische Gesundheitssystem gehört zu den teuersten, aber hinsichtlich der sozialen Absicherung der Bürger zugleich zu den ineffektivsten der Welt. 44 Millionen Amerikaner hatten im Jahre 2003 zumindest zeitweise keine Krankenversicherung; eine noch größere Zahl gilt als unterversichert. Steigende Arzneimittelpreise sind ein wesentlicher Grund für die hohen Gesundheitskosten und die steigenden Versicherungsprämien in der Krankenversicherung. Als sekundäres Handelshemmnis wirkt es sich in den USA aus, dass sämtliche dort zugelassenen Medikamente bei Herstellern gefertigt worden sein müssen, welche von der Gesundheits- und Arzneimittelzulassungsbehörde (Food and Drug Administration) inspiziert wurden und deren Anforderungen entsprechen. Fast alle Industrieländer setzen - wenigstens mittelbar - Höchstpreise für pharmazeutische Produkte fest, auch Kanada. In den Vereinigten Staaten geschieht dies hingegen nicht, so dass verschreibungspflichtige Markenarzneimittel dort 20 - 80 % teurer sind als in Kanada. Die Vereinigten Staaten verbieten grundsätzlich einen privaten Import von Arzneimitteln. Deshalb fordern sie auch die kanadischen Aufsichtsbehörden zum Vorgehen gegen solche Apotheken auf, die sich auf die grenzüberschreitende Versorgung im Versandhandel und im kleinen Grenzverkehr spezialisiert haben. Hinzu kommt, dass Arzneimittelhersteller Pläne geäußert haben, die Versorgung des kanadischen Marktes mit Arzneimitteln auf die Mengen zu beschränken, die mit dem Binnenverbrauch in Kanada erklärt werden kann. Organisationen, wie die M......... S..... F........., fordern schon lange, dass die Regierung der Vereinigten Staaten die Grenzen öffnet und die Einfuhr billigerer Arzneimittel aus dem Ausland zulässt. Sie halten den Import verschreibungspflichtiger Markenarzneimittel durch Konsumenten zum persönlichen Verbrauch "de facto" für erlaubt. Im Jahre 1995 organisierte die M........ S..... F......... eine erste Busreise von US-Bürgern nach Kanada, damit die amerikanischen Konsumenten dort preisgünstig Medikamente einkaufen können. Anfangs war das nur als Demonstration vorgesehen, dann jedoch wurde es wegen des großen Erfolges ständig fortgeführt. Die M........ S..... F......... hat zum Teil Sonderpreise mit Apotheken in Kanada ausgehandelt und sie erreicht inzwischen mit einer eigenen Internet-Apotheke Millionenumsätze.

Die Food and Drug Administration (FDA), hält dagegen die Importe aus dem Nachbarland für illegal im Sinne des Rechts der Vereinigten Staaten. Auch die pharmazeutische Industrie kämpft zunehmend dagegen an. Sie lässt Internetseiten schließen, verschickt Abmahnungen und droht kanadischen Apotheken mit dem Einstellen der Lieferungen. Diese Aktivitäten sind Gegenstand der Sammelklage mit der die Kläger einen durch nicht näher benannte Absprachen (conspiracy) gemeinschaftlich begangenen Verstoß der Beklagten durch diese selbst oder durch ihre Tochterunternehmen gegen das Kartellrecht der Vereinigten Staaten (vgl. dazu allgemein Blechmann/Bernstein, in: von Hahn/Jaeger/Pohlmann/Rieger/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Bd. I. Ausland Teil A USA), insbesondere den Sherman Antitrust Act von 1890 (15 U.S.C. §§ 1 - 7) in Verbindung mit dem Clayton Act von 1914 (15 U.S.C. §§ 12 - 27), geltend machen. Die Kläger führen aus, die Beklagten verhinderten die Einfuhr preisgünstiger Markenarzneimittel aus Kanada durch Konsumenten zum Eigenverbrauch. Sie verhinderten mittelbar durch Unterbindung eines Wettbewerbs auch eine Preissenkung in den Vereinigten Staaten. Soweit sich die Sammelklage (Ziffer 54) konkret auf die Antragstellerin bezieht, wird dieser vorgeworfen, sie habe durch ihre Tochtergesellschaft B......... I........ (Canada) Ltd. am 1. April 2004 neue Lieferbedingungen im Großhandel aufgestellt, die den Verkauf ihrer Produkte an Kaufinteressenten verbiete, von denen der Verkäufer wisse, vermute oder verantwortlich wissen oder vermuten könne, dass sie die Produkte exportieren werden. Diese Lieferbedingungen schlössen das Recht der B......... I........ (Canada) Ltd. ein, die Buchführung der Händler zu prüfen und Einzelverkäufe zu verbieten.

Die Kläger (named plaintiffs) erheben die Klage im eigenen Namen und gemäß Rule 23 der Federal Rules of Civil Procedure der Vereinigten Staaten auch als Repräsentanten einer Gruppe, die dahin definiert wird, dass sie alle natürlichen oder juristischen Personen in den Vereinigten Staaten und ihren Territorien einschließt, welche verschreibungspflichtige Markenarzneimittel gekauft oder dafür bezahlt haben, die von den Beklagten hergestellt oder vermarktet worden sind. Sie begehren ein gerichtliches Verbot der beanstandeten Maßnahmen der Beklagten, ferner den Ersatz der Schäden, die den Mitgliedern der Gruppe durch den Kauf überteuerter Arzneimittel entstanden sind, und die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung (unjust enrichment) der Beklagten. Soweit es um den Schadensersatzanspruch geht, wird dreifacher Strafschadensersatz (treble damages) nach Maßgabe der kartellrechtlichen Vorschriften der Vereinigten Staaten und der US-Bundesstaaten geltend gemacht. Die Kläger beantragen ein gerichtliches Verfahren vor einer Jury.

2. Nach dem Vortrag der Antragstellerin sind fünf weitere inhaltsgleiche Sammelklagen anderer Kläger gegen dieselben Beklagten (C...... L........ W...... F... vs. P..... et al.; D.... S..... vs. P..... et al.; U..... S.... A..... of I...... vs. P..... et al.;B...... vs. P..... et al. und G...... N... vs. P..... et al.) vor dem US District Court for the District of Minnesota erhoben worden. Ein Versuch, die vorliegende Klage an eine Tochtergesellschaft der Antragstellerin mit Sitz in den USA zuzustellen, sei fehlgeschlagen.

II.

Der Antragstellerin ist durch Vorbescheid des Antragsgegners vom 20. Oktober 2004 die Bewilligung der Klagezustellung aufgrund des Rechtshilfeersuchen mitgeteilt worden (Bl. 48 ff. GA). Sie beantragt die gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG.

Sie trägt zur Begründung (Bl. 25 ff.; 156 ff. GA) vor, der Gesamtumsatz der beklagten Unternehmen der pharmazeutischen Industrie habe im Jahre 2003 rund 110 Milliarden US-Dollar betragen. Werde der von den Klägern geltend gemachte Schaden an der behaupteten Preisdifferenz für die Arzneimittel zwischen dem Markt in den Vereinigten Staaten und in Kanada von 20 bis 80 % gemessen, so beziffere sich dieser Schaden im Fall der Verdreifachung (treble damages) auf eine Summe zwischen 66 und 264 Milliarden US-Dollar. Da alle Beklagten als Gesamtschuldner (joint and several liability) in Anspruch genommen würden, bestehe die Gefahr, dass auch sie auf eine Summe in dieser Größenordnung in die Haftung genommen werde, selbst wenn der Marktanteil der Firmengruppe B......... I........ nur einen kleinen Prozentsatz des genannten Umsatzes ausmache. Die Erhebung der Sammelklage verfolge nicht ernsthaft den Zweck, eine gerichtliche Untersuchung und Entscheidung herbeizuführen, sondern vielmehr das Ziel, Druck auf die Beklagten auszuüben, um einen Vergleich (class action settlement) herbeizuführen. Dies geschehe vor dem Hintergrund täglicher Medienberichte über die Verhinderung des Medikamentenimports aus Kanada in die Vereinigten Staaten, die von einer ständigen Diffamierung der pharmazeutischen Industrie begleitet werde. Die Kampagne um Arzneimittelimporte in die Vereinigten Staaten sei auch Gegenstand des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahre 2004 gewesen und von Politikern instrumentalisiert worden, die ein Feindbild aus Ressentiments aufgebaut hätten. Der Druck auf die Beklagten durch die Erhebung der Sammelklage werde weiter dadurch erhöht, dass für die Beklagten auch dann keine Erstattung der Anwaltskosten möglich sei, wenn sie im gerichtlichen Verfahren obsiegen. Jede Partei trage nämlich nach der "american rule" unabhängig von ihrem Erfolg im gerichtlichen Verfahren die entstandenen Kosten selbst. Es bestehe für die Kläger bei der üblichen Vereinbarung von Erfolgshonoraren mit ihren Rechtsanwälten kein Kostenrisiko, während die Beklagten im Falle der Durchführung des Verfahrens beträchtliche Kosten für ihre Rechtsverteidigung aufwenden müssten, ohne eine Kostenerstattung selbst im Fall des Obsiegens erwarten zu können. Dies verletze das Prinzip der prozessualen Waffengleichheit. Die Kosten, die ihr im Fall der Klagezustellung entstünden, beliefen sich nach der Auskunft einer Anwaltskanzlei in den Vereinigten Staaten voraussichtlich auf 100.000 bis 200.000 US-Dollar pro Monat zu Beginn des Verfahrens, auf 200.000 bis 300.000 US-Dollar pro Monat während der Voruntersuchungen (pre-trial discovery) und bei Eingang von Schriftsätzen, sowie 500.000 bis 1.000.000 US-Dollar pro Monat unmittelbar vor und während des gerichtlichen Verfahrens. Im Ganzen sei mit Anwaltskosten alleine für die Hauptbevollmächtigten von 3 bis 6 Millionen US-Dollar zu rechnen, ferner mit Sachverständigenkosten und weitere Kosten für lokal tätige Rechtsanwälte. Die Erfolgsaussichten des gerichtlichen Verfahrens seien auch bei eigentlich anzunehmender rechtlicher Unhaltbarkeit der Klage unwägbar, weil die Jury über die Berechtigung der Klage und die Höhe des geltend gemachten Strafschadens in unüberprüfbarer Weise nach ihrem Ermessen entscheide. Vor diesem Hintergrund sei es bereits im Rechtshilfeverfahren über die Klagezustellung von Bedeutung, dass die Klage offensichtlich unbegründet sei, weil ihre eigenen Ziele gegen gesetzliche Importverbote der Vereinigten Staaten verstießen. Nach den Gesamtumständen werde mit der Sammelklage ein gleichsam erpresserischer Druck auf die Beklagten ausgeübt, um sie ohne Rücksicht auf die Substanzlosigkeit der Klage zum Abschluss eines Vergleiches zu zwingen. Deshalb sei bereits die Erledigung des Zustellungsersuchens abzulehnen. Im Fall einer Klagezustellung würden ihre Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Die Grundrechte seien Teil des ordre public, dessen Verletzung gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ eine Ablehnung der Zustellung gebiete. Die Missbräuchlichkeit der Klageerhebung werde insbesondere daraus deutlich, dass Maßnahmen der beklagten Unternehmen, die darauf abzielten, einem Medikamentenexport von Kanada in die USA entgegenzuwirken, im Einklang mit dem Recht der Vereinigten Staaten stünden. Interessenverbände wünschten nur eine künftige Änderung dieser Rechtslage. Die Sammelklage sei im Rahmen einer im Wahlkampf instrumentalisierten rechtspolitischen Kontroverse erhoben worden und diene dazu, den politischen Streit unter den führenden politischen Parteien auf dem Rücken der beklagten Unternehmen auszutragen. Die Missbräuchlichkeit der Klageerhebung werde weiterhin daraus erkennbar, dass mehrere Sammelklagen erhoben worden seien, obwohl die jeweiligen Kläger bereits durch die Repräsentanten der anderen Sammelklagen vertreten seien. Ferner gehe die Klagebegründung selbst nur davon aus, dass das verfolgte Interesse des Arzneimittelimports aus Kanada in die USA "de facto legal" sei. Nach §§ 331 lit. d, 333, 355 des geltenden Federal food, drug and cosmetic Act sei hingegen der von den Klägern erstrebte Arzneimittelimport ohne besondere Genehmigung bei Strafandrohung verboten. Dieses gesetzliche Verbot werde in der US-amerikanischen Rechtsprechung anerkannt, aber von den Klägern ignoriert. Zudem verstoße das Klagebegehren gegen Völkerrecht, weil die in Anspruch genommene Kartellgesetzgebung der USA und ihrer Bundesstaaten nach dem Territorialitätsprinzip nicht auf Handlungen im Hoheitsgebiet eines Drittstaates angewendet werden könne. Es gehe aber allein um inkriminierte Handlungen der Beklagten in Kanada. Die erstrebte extraterritoriale Anwendung US-amerikanischen Kartellrechts hierauf verletze Art. 13 Abs. 1 HZÜ. Auch der geltend gemachte dreifache Strafschadensersatz (treble damages) sei mit dem deutschen ordre public unvereinbar. Im Fall einer Verurteilung zu einem Schadensersatz in Höhe von vielen Milliarden Dollar, aber auch bei einem Vergleichsabschluss über eine Zahlung von "nur wenigen" Milliarden US-Dollar werde ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Selbst die Verursachung von Verfahrenskosten, namentlich im Rahmen einer auf Ausforschung gerichteten pre-trial discovery ohne dortige gerichtliche Überprüfung ihrer Berechtigung, sei unzumutbar.

Die Antragstellerin beantragt, die Entscheidung des Antragsgegners vom 20. Oktober 2004 über die Bewilligung der Klagezustellung im Wege der internationalen Rechtshilfe aufzuheben und es dem Antragsgegner zu untersagen, das Amtsgericht Bingen am Rhein anzuweisen, die Zustellung durchzuführen, hilfsweise für den Fall, dass eine Zustellungsanweisung bereits getroffen wurde, den Antragsgegner dazu zu verpflichten, das Amtsgericht Bingen am Rhein anzuweisen, die Zustellung nicht durchzuführen (zum Antragswortlaut s. Bl. 26 GA).

Der Senat hat am 22. November 2004 gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der die Vollziehung der Anordnung im Vorbescheid des Antragsgegners einstweilen bis zur Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin in der Hauptsache ausgesetzt wurde (Bl. 140 ff. GA).

III.

Der Antragsgegner verweist auf seinen Vorbescheid vom 20. Oktober 2004 und beantragt die Zurückweisung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung (Bl. 149 GA).

In dem Vorbescheid (Bl. 48 ff. GA) hatte er ausgeführt, die Tatsache, dass in dem Verfahren vor dem Bezirksgericht Minnesota mehrere Besonderheiten des US-amerikanischen Rechts zur Geltung kommen würden, nämlich die fehlende Bezifferung des Klageantrags, die Einreichung einer Sammelklage und die Geltendmachung von Strafschadensersatz, führe nicht zu einem Zustellungshindernis im Sinne von Art. 13 Abs. 1 HZÜ. Nach dem Sinn des Zustellungsübereinkommens sei die Rechtsordnung des ersuchenden Staates grundsätzlich zu respektieren; dies gelte gemäß Art. 13 Abs. 2 HZÜ auch dann, wenn sie von der Rechtsordnung des ersuchten Staates abweiche. Das Zustellungsverfahren im Rahmen internationaler Rechtshilfe sei ein formales Verfahren zur Förderung des ausländischen Prozesses. Es diene zugleich den Interessen des Zustellungsempfängers, der auf diese Weise sichere Kenntnis vom Gegenstand der Zustellung erhalte. Für eine révision au fonds sei dieses Verfahren nicht geeignet. Die Überprüfung der Absichten des Klägers, die dieser mit der Klage verfolge, sei dem erkennenden Gericht vorbehalten. Dieses habe zu prüfen, ob ein Rechtsmissbrauch vorliege. Eine Überprüfung anhand des ordre public sei dem Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach §§ 328, 722, 723 ZPO vorbehalten. Damit werde dem jeweiligen Beklagten ausreichender Rechtsschutz gewährt. Dass sein Vermögen, welches im ersuchenden Staat belegen ist, auf diesem Wege nicht vor einem Zugriff geschützt sei, stelle die Folge der internationalen wirtschaftlichen Betätigung des Zustellungsempfängers dar und sei daher hinzunehmen. Die Tatsache, dass die Höhe der zu erwartenden Klageforderung Ähnlichkeiten mit derjenigen in dem Verfahren aufweise, das Gegenstand der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1138/03 (vgl. BVerfGE 108, 238 ff.) ist, rechtfertige keine andere Betrachtungsweise. Eine Verweigerung der Zustellung begründe die Gefahr, dass andere Vertragsstaaten das Zustellungsübereinkommen im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht mehr anwenden könnten.

In einem ergänzenden Schriftsatz hat der Antragsgegner angemerkt, es sei unerheblich, dass die Antragstellerin geltend mache, sie werde durch eine Klagezustellung in ihren Grundrechten verletzt. Die Bewilligung einer Zustellung im Wege internationaler Rechtshilfe hänge auch nicht von der Höhe der Klageforderung und von einer eventuellen Existenzgefährdung des Zustellungsadressaten ab. Andernfalls müssten ebenso auch Klagen, die zu den deutschen Gerichten erhoben werden, dann als grundrechtswidrig angesehen werden, wenn damit Forderungen geltend gemacht würden, die die wirtschaftliche Existenz der beklagten Partei gefährdeten (Bl. 153, 154 GA).

B.

Der Senat möchte dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung stattgeben. Er sieht sich daran aber gehindert, weil Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte entgegensteht (I.1.), während eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur konkreten Fragestellung bisher fehlt (I.2.). Daher hält er zwei Rechtsfragen (II.), die auch nicht bereits vom Bundesverfassungsgericht mit der Bindungswirkung gemäß § 31 BVerfGG entschieden wurden (III.) für klärungsbedürftig, die er mit Blick auf die konkrete Fallkonstellation im Ergebnis abweichend von der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte entscheiden würde (C.).

I.

1. a) Das OLG Düsseldorf (WM 2003, 1587 ff.) hat in der mit der Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 1138/03 angegriffenen Entscheidung die Ansicht vertreten, die Vorbehaltsklausel des Art. 13 Abs. 1 HZÜ eröffne nicht die Möglichkeit, die Zustellung einer in den USA erhobenen Sammelklage auf Schadensersatzzahlungen wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar an die in Deutschland ansässige beklagte Gesellschaft zu verhindern. Nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ könne ein Zustellungsersuchen nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Dieser Vorbehalt sei bei der Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke nicht mit dem anerkennungsrechtlichen ordre public gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gleichzusetzen. Nach der Präambel des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen solle die gegenseitige Rechtshilfe durch Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung verbessert und sichergestellt werden, dass im Ausland zuzustellende Schriftstücke dem Empfänger rechtzeitig zur Kenntnis gelangen. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass eine deutsche Partei sich wirksam gegen die Klage verteidigen könne. Der Intention des Abkommens würde es widersprechen, die Grundsätze einer innerstaatlichen Rechtsordnung bereits zum Maßstab für die Zustellung zu machen, weil durch eine Prüfung der Klagen auf ihre Vereinbarkeit mit dem ordre public große Verzögerungen eintreten könnten, was zu erheblichen Beeinträchtigungen des internationalen Rechtshilfeverkehrs führen würde. Der Anwendungsbereich des Art. 13 HZÜ sei daher auf besonders gravierende Fälle beschränkt, in denen die Erledigung des Zustellungsersuchens eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Rechtsgrundsätzen der Rechtsordnung des ersuchten Staates mit sich brächte. Diese Grundsätze seien von der Rechtsprechung für die Zustellung amerikanischer Strafschadenersatzklagen entwickelt worden, sie ließen sich jedoch ohne weiteres auf den Fall der Geltendmachung von Schadensersatz mit Sammelklagen übertragen. Mit der hierauf gerichteten Klage werde ebenfalls eine zivilrechtlich begründete Schadenersatzforderung geltend gemacht. Allerdings sei der geltend gemachte Betrag im konkreten Fall schwer nachzuvollziehen. Insoweit sei aber zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks handele und der Ausgang des Verfahrens ungewiss sei. Ob und in welcher Höhe eine Verurteilung erfolge, sei nur eine Spekulation. Allein die theoretische Möglichkeit einer Verurteilung zu einer außergewöhnlich hohen Schadenersatzleistung stelle keinen Verstoß gegen rechtstaatliche Grundprinzipien dar. Die Zustellung bewirke allenfalls eine Gefährdung der finanziellen Interessen der Antragstellerin und zwar auch bei Geltendmachung exzessiv hoher Forderungen. Die Zustellung bewirke lediglich, dass vor einem Gericht der USA eine Klage gegen eine in Deutschland ansässige Partei anhängig werde und im Falle eines Obsiegens der Kläger in das in den USA belegene Vermögen dieser Person vollstreckt werden könne. Ein Vollstreckungszugriff auf das in Deutschland belegene Vermögen sei damit noch nicht eröffnet und könne im Urteilsanerkennungsverfahren verhindert werden. Die Tatsache, dass durch unverhältnismäßig hohe Klageforderungen Druck auf einen Beklagten ausgeübt werden solle, um dessen Vergleichsbereitschaft zu fördern, sei auch der deutschen Rechtspraxis nicht fremd. Dasselbe gelte für den durch die Klageerhebung verursachten Druck im Rahmen einer Pressekampagne. Auch die für eine Prozessführung vor einem amerikanischen Gericht erforderlichen Prozess- und Anwaltskosten stünden dem Zustellungsgesuch nicht entgegen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass sich die Kosten nach amerikanischem Recht nicht nach der Höhe des Streitwertes richteten. Auch die Tatsache, dass die Zustellung der Klage das ausländische Vermögen der Antragstellerin erhöhter Gefährdung aussetze, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Wer im internationalen Wirtschaftsverkehr Handel treibe, müsse das Risiko in Kauf nehmen, dass eine fremde Rechtsordnung auf das in ihrem Hoheitsgebiet belegene Vermögen zugreife. Eine Verletzung fundamentaler Rechtsgrundsätze sei ferner nicht deswegen gegeben, weil die Klage in Form der class action geltend gemacht werde. In Deutschland sei das Institut zwar nicht bekannt; diese Klageform sei aber in den USA zulässig und beeinträchtige nicht unverzichtbare Rechte der Antragstellerin. Eine Schlüssigkeitsprüfung der Klage komme im Zustellungsverfahren nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass nach amerikanischem Recht Klagebegründungen auf ein Mindestmaß reduziert werden könnten und die Bezifferung von Schadenersatzansprüchen ebenso wenig erforderlich sei wie die genaue Beschreibung des Streitgegenstandes, erfolge auch nach deutschen Rechtsvorstellungen keine Schlüssigkeitsprüfung vor der Zustellung einer Klageschrift. Ermittlungen im Zustellungsverfahren würden zu einer dem Sinn und Zweck des Zustellungsübereinkommens zuwiderlaufenden Verzögerung führen (so auch OLG Düsseldorf NJW 1992, 3110, 3111).

b) Das OLG Frankfurt hat allein aus der Tatsache, dass eine Sammelklage (class action) erhoben wurde, nicht auf eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 HZÜ geschlossen (OLG Frankfurt IPRax 1992, 166, 168).

Später hat es ausgeführt, nach Art 13 Abs. 1 HZÜ könne ein Zustellungsersuchen nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Wann die Durchführung eines ausländischen Zustellungsersuchens die Hoheitsrechte und die Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet, sei bisher nicht genau definiert worden (OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 357 ff. mit Anm. Hau ZZPInt 2001, 249 ff.). Bejaht worden sei eine Gefährdung der Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland für das Ersuchen eines ausländischen Gerichts, einem Verfahrensbeteiligten eines inländischen Prozesses ein Prozessführungsverbot zuzustellen (OLG Düsseldorf IPRax 1997, 176 ff.). Die Entstehungsgeschichte des Art. 13 Abs. 1 HZÜ zeige Verbindungslinien zum ordre public auf. Gleichwohl sei es nicht gerechtfertigt, den Begriff der Gefährdung der Hoheitsrechte dem allgemeinen ordre public gleichzusetzen. In Rechtsprechung und Literatur sei immer wieder herausgestellt worden, dass ein Zustellungsersuchen nur dann abgelehnt werden könne, wenn die Zustellung besonders schwere Beeinträchtigungen der Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staates mit sich brächte. Einigkeit bestehe auch darüber, dass die Bewilligung der Zustellung nichts darüber aussage, ob das zu erlassende ausländische Urteil später in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt und vollstreckt werden könne. Keinesfalls dürfe bereits im Rahmen der Zustellungsprüfung eine révision au fond durchgeführt werden. Art 13 HZÜ gebe keinen Anspruch auf vorbeugenden Schutz vor fremden Rechtsinstituten und deren Auswirkungen in fremden Hoheitsgebieten. Mit Recht werde darauf hingewiesen, dass bei der Anwendung des Art. 13 Abs. 1 HZÜ dem supranationalen Charakter der Regelung Rechnung getragen werden müsse. Insoweit sei zu beachten, dass das Zustellungsübereinkommen sicherstellen solle, dass den Empfängern im Ausland zuzustellende Schriftstücke rechtzeitig zur Kenntnis gebracht werden. Würden die Grundsätze der innerstaatlichen Rechtsordnung zum Maßstab für die Zustellung gemacht, so würde der internationale Rechtshilfeverkehr erheblich beeinträchtigt. Letztlich verbessere das Zustellungsübereinkommen die Rechtsstellung inländischer Parteien, indem es sicherstelle, dass diese grundsätzlich nicht im Ausland mit einem Zivilprozess überzogen werden, von dem sie keine Kenntnis haben. Die Zustellung bewirke auch nur eine Gefährdung der finanziellen Interessen des jeweiligen Beklagten, denn ob dieser im Sinne der Klage verurteilt wird, stelle sich erst bei Abschluss des ausländischen Verfahrens heraus.

In einer weiteren Entscheidung hat das OLG Frankfurt (JMBl. HE 2004, 423, 428) ergänzt, auch die Gefahr der Durchführung einer auf Ausforschung des Prozessgegners gerichteten pre-trial discovery nach dem Prozessrecht der Vereinigten Staaten rechtfertige nicht die Versagung der Klagezustellung gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ.

c) Das Kammergericht (OLGZ 1994, 587 ff.) hat entschieden, der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Haager Übereinkommens stehe nicht entgegen, dass es um die Zustellung einer amerikanischen Schadensersatzklage geht, mit der auch ein Strafschadensersatz (punitive damages) geltend gemacht werde. Ein derartiger Strafschadensersatz werde nach dem Recht der Bundesstaaten der USA als weiterer Geldbetrag zum ausgleichenden Schadensersatz zuerkannt, wenn dem Täter als erschwerender Umstand zu einem allgemeinen Haftungstatbestand ein absichtliches, bösartiges oder rücksichtsloses Fehlverhalten zur Last fällt. Dabei stehe die Verhängung regelmäßig im Ermessen des Gerichts. Der Täter solle für sein rohes Verhalten bestraft werden, auch sollten damit mögliche Racheakte des Opfers überflüssig werden. Täter und Allgemeinheit sollten präventiv von einem künftigen sozialschädlichen Verhalten abgeschreckt werden, soweit das bloße Risiko der Kompensationspflicht keine ausreichende Verhaltenssteuerung gewährleistet. Der Geschädigte solle für die auf seinem Einsatz beruhende Rechtsdurchsetzung zur Stärkung der Rechtsordnung belohnt werden. Das Opfer solle eine Ergänzung zu einer als unzureichend empfundenen Schadensbeseitigung erhalten, wobei sich auch eine sonst fehlende soziale Absicherung auswirken könne. Auf dieser Grundlage sei davon auszugehen, dass die beantragte Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Strafschadensersatzes keine Strafe sei, die einer Anwendung des Haager Zustellungsübereinkommens in Zivil- und Handelssachen entgegenstünde. Sei aber das Haager Übereinkommen anzuwenden, so könne nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ die Erledigung eines Zustellungsantrags nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Dieser Vorbehalt sei nicht identisch mit dem ordre public, der bei der Frage einer Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile statuiert sei. Für die Anerkennung und die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Urteils sei darauf abzustellen, ob die Anerkennung zu einem Ergebnis führe, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar sei. Demgegenüber sei die Ablehnungsbefugnis für die Erledigung eines Zustellungsantrages in Art. 13 Abs. 1 HZÜ an schärfere Voraussetzungen geknüpft; die Erledigung könne hiernach nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, "seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden". Auch wenn man in Art. 13 Abs. 1 HZÜ eine Ausgestaltung des ordre public sehen könne, so sei doch gegenüber der Bewertung der Anerkennung eines ausländischen Urteils ein strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen. Dem Zustellungsersuchen könne deshalb nur dann die Erledigung versagt werden, wenn dadurch die Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staates in besonders schwerem Maße beeinträchtigt werden würden. Demgemäß seien die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für die Vollstreckbarerklärung eines US-amerikanischen Schadensersatzurteils wegen "punitive damages" aufgestellt habe (BGHZ 118, 312 ff.), nicht ohne weiteres auf die Möglichkeit der Versagung der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ zu übertragen. Die Klagezustellung bewirke lediglich, dass vor einem Gericht der USA eine Klage gegen eine in Deutschland ansässige Person anhängig werde mit der Folge, dass im Fall des Obsiegens der klagenden Partei das in den USA liegende Vermögen dieser Person vollstreckt werden könne. Anders als bei der Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Urteils seien dadurch Einwirkungsmöglichkeiten auf das Vermögen in Deutschland nicht eröffnet. Ein Vollstreckungszugriff auf das in Deutschland belegene Vermögen der beklagten Partei könne zu einem späteren Zeitpunkt verhindert werden, wenn feststehe, ob und in welcher Höhe sowie aus welchem Rechtsgrund der Beklagte verurteilt sei. Andererseits müsse derjenige, der im internationalen Geschäftsverkehr tätig wird, das Risiko, dass eine fremde Rechtsordnung auf in ihrem Hoheitsgebiet belegenes Vermögen zugreift, in Kauf nehmen. Darüber hinaus widerspreche eine umfassende und zeitaufwendige Prüfung der in dem zuzustellenden Schriftstück enthaltenen Rechtsausführungen dem Sinn und Zweck des Haager Übereinkommens. Dessen Ziel sei es, den umständlichen konsularischen Weg bei Zustellungen durch einen neuen, effektiveren und besseren Übermittlungsweg zu ersetzen. Diese Absicht werde nicht erreicht, wenn im Rechtshilfeverfahren eingehende Prüfungen über die Berechtigung des Klagebegehrens angestellt werden müssten. Hinzu komme im Fall des Strafschadensersatzes, dass dieser regelmäßig nicht der Höhe nach beziffert werde, so dass bloße Vermutungen über eine mögliche spätere Entscheidung des ausländischen Gerichts zu einer Ablehnung der Zustellung von Schriftsätzen führen könnte.

d) Das OLG München (IPRax 1990, 175 ff.) hat angenommen, das Zustellungsübereinkommen sei auch auf eine auf "punitive damages" gerichtete Klage anzuwenden, weil es sich dabei um eine Streitigkeit in Zivil- und Handelssachen handele (§ 1 Abs. 1 HZÜ). Solche Ansprüche seien auch der Sache nach nicht als Strafrecht zu qualifizieren, selbst wenn der Zweck der Zuerkennung von "punitive damages" überwiegend in einer Bestrafung und Abschreckung bestehe. Art. 13 Abs. 1 HZÜ, der einen besonderen Vorbehalt nach den Maßstäben des ordre public international darstelle, stehe der Anordnung der Zustellung der Klage auf "punitive damages" grundsätzlich nicht entgegen.

2. Der Bundesgerichtshof hat sich zu den hier maßgeblichen Fragen der Auslegung und Anwendung von Art. 1 Abs. 1, 13 Abs. 1 HZÜ bisher nicht geäußert. Er hat zur Anerkennung von Urteilen der Gerichte der Vereinigten Staaten über die Zuerkennung von "punitive damages" gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO entschieden, allein die Tatsache, dass einem US-amerikanischen Urteil eine pre-trial discovery vorausgegangen ist, hindere dessen Anerkennung in Deutschland nicht (BGHZ 118, 312, 323 ff.). Es bestünden auch keine allgemeinen Bedenken gegen die Anerkennung US-amerikanischer Zivilurteile deswegen, weil diese gemäß der "american rule" keine Kostenerstattung zugunsten der obsiegenden Partei vorsehen (BGHZ 118, 312, 325 f.). Ein Hindernis für die Urteilsanerkennung folge ferner nicht daraus, dass ein US-amerikanisches Gericht dem Prozessvollmächtigten des obsiegenden Klägers ein Erfolgshonorar von 40% aller eingehenden Schadensersatzleistungen zuspreche (BGHZ 118, 312, 332 ff.). Ein Urteil auf Strafschadensersatz (punitive damages) von nicht unerheblicher Höhe, der neben der Zuerkennung von Ersatz für materielle und immaterielle Schäden pauschal zugesprochen werde, könne in Deutschland aber regelmäßig insoweit nicht für vollstreckbar erklärt werden (BGHZ 118, 312, 334 ff.); denn die Zuerkennung von Strafschadensersatz aufgrund einer zivilrechtlichen Klage Privater verletze das Strafmonopol des Staates.

Aus dieser Entscheidung ergeben sich keine unmittelbaren Hinweise darauf, wie Art. 1 Abs. 1, 13 Abs. 1 HZÜ bei Sammelklagen, die auf Zahlung von "treble damages" gerichtet sind, auszulegen und anzuwenden ist. Jedenfalls ist daraus der Wertungsgedanke zu entnehmen, dass die Zuerkennung reiner Strafschäden mit Blick auf den ordre public Bedenken begegnet.

II.

Die genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte sind mit den maßgeblichen rechtlichen Fragen in der vorliegenden Sache, in der es um eine kartellrechtliche Sammelklage geht, ganz oder teilweise vergleichbar. Die geltend gemachten "treble damages" sind nur ein Sonderfall der "punitive damages". Der Senat teilt die Auffassung der genannten Oberlandesgerichte nur zum Teil und möchte mit Blick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles im Ergebnis von deren Entscheidungen abweichen. Dies löst die Vorlagepflicht nach § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG aus.

Die zur Vorlage führenden Rechtsfragen lauten wie folgt:

1. Ist eine auf einen Kartellrechtsverstoß gestützte Sammelklage nach US-amerikanischem Recht mit einer nahezu uferlos breiten Klägerfront, die auf Verpflichtung eines deutschen Unternehmens zur Zahlung von Strafschadensersatz an alle Arzneimittelkonsumenten in den USA gerichtet ist, eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 HZÜ?

2. Steht - hilfsweise - der Anordnung der Zustellung dieser Klage im Wege internationaler Rechtshilfe der Vorbehalt gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ entgegen, wenn die Sammelklage missbräuchlich erscheint, weil sie auf Herbeiführung eines Vergleichs unter Ausnutzung publizistischen Drucks, ferner unter Ausnutzung der uferlos breiten Klägerfront sowie einer unbegrenzten Höhe des möglichen Strafschadensersatzes gerichtet ist und weil die als Kartellrechtsverstoß bezeichneten Handlungen, die in einem Drittstaat vorgenommen wurden, dem geltenden Gesetzesrecht der Vereinigten Staaten entsprechen?

III.

1. Zu den genannten Fragen (B.II.) finden sich in dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1994 - 1 BvR 1279/94 (BVerfGE 91, 335, 339 ff.) keine im Sinne von § 31 BVerfGG bindenden Aussagen. Dort hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Gewährung von Rechtshilfe durch Zustellung einer Klage, mit der Ansprüche auf Strafschadensersatz nach US-amerikanischem Recht (punitive damages)geltend gemacht werden, nicht die allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit eine Normenkontrolle des Art. 13 Abs. 1 HZÜ vorgenommen und die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bejaht. Die Frage, ob die Zustellung einer Klage selbst dann mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar wäre, wenn das mit der Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstieße, wie sie auch in internationalen Menschenrechtsübereinkommen verankert sind, hat das Bundesverfassungsgericht offen gelassen (BVerfGE 91, 335, 343 ff.). Damit sind in jener Entscheidung die hier interessierenden Fragen zur Auslegung und Anwendung von Art. 13 Abs. 1 HZÜ nicht abschließend entschieden worden.

2. Die maßgebenden Fragen stehen im dem Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 1198/03 zur Entscheidung durch den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts an. In diesem Verfahren ist noch keine Hauptsacheentscheidung ergangen. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht dort eine einstweilige Anordnung erlassen (BVerfGE 108, 238 ff.) und dabei angedeutet, dass die Verfassungsbeschwerde gegen den oben (B.I.1.) genannten Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Juli 2003 - I-3 VA 6/03 (WM 2003, 1587 ff.) jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet ist. Es hat dort ausgeführt, dass das Haager Zustellungsübereinkommen die gegenseitige Rechtshilfe unter den Vertragsparteien dadurch verbessern will, dass die technische Abwicklung der Zustellung vereinfacht und beschleunigt wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die im Ausland zuzustellen sind, ihren Empfängern rechtzeitig zur Kenntnis gelangen. Diese Erwägungen schlössen es grundsätzlich aus, dass die innerstaatliche Rechtsordnung zum Prüfungsmaßstab für die Zustellung gemacht wird. Andernfalls könne die materielle Prüfung des Zustellungsersuchens zu Verzögerungen bei der Zustellung oder wegen der Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Rechtsauffassungen zu einer Vereitelung der Zustellung führen, die durch das Übereinkommen gerade ausgeschlossen werden sollten. Ein Zustellungsersuchen könne nach Art.13 Abs.1 HZÜ jedoch abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Dieser Vorbehalt für die Anwendung ausländischen Rechts werde durch Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Haager Zustellungsübereinkommens eng ausgelegt. So habe auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 91, 335, 340 entschieden, dass die Gewährung von Rechtshilfe durch die Zustellung einer Klage, mit der Ansprüche auf Strafschadensersatz nach US-amerikanischem Recht geltend gemacht werden, in der Regel nicht die allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletze. Die Entscheidung habe jedoch offen gelassen, ob die Zustellung einer solchen Klage mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip zu vereinbaren sei, wenn das mit der ausländischen Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstoße. Im Hauptsacheverfahren sei daher die Frage zu klären, ob diese Grenze in dem zu beurteilenden Fall überschritten sei. Insoweit sei die Bedeutung und Reichweite von Art.13 Abs.1 HZÜ zu klären. Der Abschluss und die Ratifikation des Haager Zustellungsübereinkommens konkretisiere die Entscheidung des Grundgesetzes, dass der von ihm verfasste Staat in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft eingegliedert sei. Das Grundgesetz gebiete damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und Rechtsanschauungen grundsätzlich zu achten, auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmten. Im Hinblick auf das Haager Zustellungsübereinkommen habe sich die deutsche Rechtsordnung für das Recht des ersuchenden Staates geöffnet. Die deutsche öffentliche Gewalt werde für die ersuchende ausländische Behörde tätig, um das in jener Rechtsordnung anhängige Verfahren über die Grenzen der nationalen Hoheitsgewalt hinaus zu fördern. Dies schließe grundsätzlich auch die Zustellung von Klagen ein, die in für die deutsche Rechtsordnung unbekannten Verfahrensarten erhoben worden seien. Diese Respektierungspflicht könne jedoch ihre Grenze dort erreichen, wo die ausländische, im Klageweg geltend gemachte Forderung offenkundig keine substantielle Grundlage habe. Würden Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer offenkundig missbräuchlichen Art und Weise genutzt, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen, könne dies deutsches Verfassungsrecht verletzen. Ein ähnlicher Gedanke habe im Jahre 1999 durch Art.40 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB auch Eingang in das deutsche internationale Privatrecht gefunden. Bei der Prüfung der Frage, ob die beabsichtigte Zustellung gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstößt, sei auch die Ausgestaltung der multilateralen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rechtshilfe zu würdigen. Sie sei dadurch gekennzeichnet, dass die ersuchte Vertragspartei ihre Behörden in den Dienst des ersuchenden Staates stelle, indem Schriftstücke entgegengenommen und die für die innerstaatliche Zustellung erforderlichen Maßnahmen veranlasst würden. Bei der Zustellung handele es sich um einen staatlichen Hoheitsakt, mit dem Gerichtsverfahren einer fremden Rechtsordnung gefördert werden. Verstoße schon die Zustellung einer ausländischen Klage gegen unverzichtbare Grundsätze des freiheitlichen Rechtsstaates, so sei fraglich, ob deutsche Behörden in diesem Fall die Rechtshilfe mit dem Hinweis leisten dürften, der Betroffene habe noch im weiteren Verlauf des Verfahrens die Möglichkeit, den Verstoß zu rügen. Denn bereits aus der Zustellung ergäben sich für den Empfänger Rechtsfolgen, die geeignet seien, ihn in seinen grundrechtlich geschützten Positionen zu beeinträchtigen.

C.

Der Senat ist der Auffassung, dass die auf Kartellrechtsverstöße gestützte Klage gegen Wirtschaftsunternehmen auch mit dem Ziel der Verhängung von Strafschadensersatz keine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 HZÜ ist (I.). Ihre Zustellung verstieße andernfalls auch gegen den Souveränitätsvorbehalt gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ (II.).

Der Senat übersieht bei beiden Aspekten nicht, dass diese Entscheidung dazu führen kann, dass in den Vereinigten Staaten zwar amerikanische Firmen, aber nicht ohne weiteres Unternehmen aus anderen Staaten im Rahmen von Sammelklagen auch auf Strafschadensersatz in Anspruch genommen werden können. Jedoch ist zu beachten, dass sich US-amerikanische Unternehmen mit Blick auf den ruinösen Umfang der Forderungen und der Verfahrenskosten bei Sammelklagen auf Zahlung von Strafschadensersatz gegen Haftpflicht zu versichern pflegen, weil sie mit der "Klageindustrie" (Der Spiegel, Heft 17 vom 19. April 2003) vertraut sind, während sich Unternehmen aus anderen Staaten darauf nicht notwendigerweise einrichten, insbesondere, wenn sie - wie hier - in einem Drittstaat tätig sind und deshalb vor US-Gerichten in Anspruch genommen werden. Die "Klageindustrie" in den Vereinigten Staaten ist durch Rechtsanwälte mit Blick auf Erfolgshonorare von regelmäßig zwischen 30 und 50 % der zugesprochenen Beträge aufgebaut worden. Große Prozesse werden deshalb oftmals von Rechtsanwälten, die sich Mandate selbst suchen, im Eigeninteresse betrieben (vgl. A. Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Gerichte, 2003, S. 11). Sie belastet nach Schätzungen die US-amerikanische Wirtschaft allein aufgrund von Unternehmensklagen jährlich mit 250 Milliarden Dollar, was sich auch auf das Preisniveau am dortigen Markt auswirkt.

Wird die Klagezustellung im vorliegenden Fall für unzulässig erachtet, so beruht dies letztlich auch darauf, dass offensichtlichen Rechtsmissbräuchen, die durch eine Ausnutzung einer Reihe von Rechtsinstituten des US-amerikanischen Rechts betrieben werden (vgl. Prütting, in: FS für Erik Jayme, Bd. 1, 2004, S. 709, 714), nicht in jedem Falle zur Einhaltung des Zwecks des Zustellungsübereinkommens nachgegeben werden muss. Die Wirkungen einer Zustellungsversagung sind daher nur mittelbar einem auch im US-amerikanischen Recht als angreifbar angesehenen (vgl. John C. Coffee, Class wars. The dilemma of the Mass Tort Class Action, 95 Colum.L.Rev. [1995], 1343, 1349) und dort zu Gegenreaktionen in Gesetzgebung (vgl. Class actions fairness act of 2005) und höchstrichterlicher Rechtsprechung (zu punitive damages Supreme Court in re State Farm Mutual Automobile Insurance Company vs. Campbell, 123 S Ct. 1513 [2003]) zwingenden System zuzuschreiben. Die Versagung der Zustellung der Klage im vorliegenden Fall beruht nicht auf einer Nichtanerkennung des fremden Rechtssystems; das allein wäre nach Art. 13 Abs. 2 HZÜ fehlerhaft. Sie beruht vielmehr darauf, dass es darum geht, einen Rechtsmissbrauch im Einzelfall abzuwehren.

Unbeschadet des Bedürfnisses nach einer Beilegung des transatlantischen "Justizkonflikts" (vgl. Hess JZ 2003, 923 ff.) können die deutschen zentralen Behörden und Gerichte nicht ausnahmslos dazu gezwungen sein, US-amerikanische Klagen stets als Zivil- und Handelssachen zu bewerten und sie ohne Anwendung des Souveränitätsvorbehalts gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ zuzustellen, um den Zweck des Staatsvertrages nicht zu gefährden, selbst wenn im Einzelfall der Schwerpunkt der verfolgten Interessen bei funktionaler Betrachtung im Bereich des öffentlichen Rechts liegt und durch die konkrete Klage von den Klägern Systemschwächen zu Zwecken missbraucht werden, die außerhalb des Bereichs dessen liegen, was mit einer Klage rechtsstaatlich verlangt werden kann.

I.

Die Vereinigten Staaten sind nachträglich dem Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen - HZÜ - vom 15. November 1965 (BGBl. 1977 II S. 1453) beigetreten (United States Treaty Bd. 20 S. 361), welches sich dann bereits an dem vom kontinentaleuropäischen Recht geprägten Begriff der Zivil- und Handelssachen orientiert hat. Eine Veränderung des Begriffs der Zivil- und Handelssachen haben die Vereinigten Staaten bei ihrem Beitritt nicht herbeigeführt. Eine Millionen von Klägern zugerechnete Sammelklage nach US-amerikanischem Recht wegen behaupteter Kartellrechtsverstöße, die auch auf Gewinnabschöpfung und Zubilligung von "treble damages" gerichtet ist, stellt keine Zivil- und Handelssache im Sinne des Abkommens dar. Gleiches wurde für "punitive damages" anfangs zum Teil auch von den Zentralen Behörden der Justizverwaltungen der Länder angenommen (Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 30. Dezember 1988 im Vorfeld der Entscheidung des OLG München IPRax 1990, 175 ff. und Bescheid des Niedersächsischen Ministers der Justiz vom 20. Januar 1988 - 9341 E 1 a - A 5-21.468, zit. nach Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, 1995, S. 34), und diese Meinung findet sich zum Teil in der Literatur (vgl. Staudinger/von Hoffmann, BGB, Art. 38 EGBGB Rn. 206, 249, 252g; Schütze WM 1986, 633, 635; Wölki RIW 1985, 530, 532). Davon ist die Rechtsprechung abgerückt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1992, 3110 ff.; KG OLGZ 1994, 587 ff.; OLG München IPRax 1990, 175 ff.), nicht selten aber nur mit dem bei autonom-staatsvertraglicher Qualifikation zu kurz greifenden Hinweis darauf, dass solche Klagen in der US-amerikanischen Terminologie als "civil remedies" bezeichnet werden. Das besagt nicht viel, wenn berücksichtigt wird, dass zumindest die Mehrzahl derjenigen Streitigkeiten, die in Deutschland als verwaltungsrechtliche Sachen angesehen werden, in den USA als Zivilsachen gelten. Indes geht auch ein Teil der Literatur - wiederum meist ohne nähere Bestimmung der Qualifikationsmethode - in verschiedenen Zusammenhängen von der Einordnung dieser Klagen als Zivil- und Handelssachen aus (vgl. Böhmer NJW 1990, 3049, 3051; Koch/Diedrich ZIP 1994, 1830, 1831; Siehr RIW 1991, 705, 708; Stadler IPRax 1992, 147 ff; Stürner ZvglRWiss 81 [1982], 159, 198; Zöller/Geimer ZPO § 328 Rn. 77).

Auch die Rechtsprechung hat indes die Qualifikationsfrage bisher nicht für die vorliegende Konstellation entschieden, in der eine Sammelklage mit der Behauptung von Kartellrechtsverstößen der Beklagten in Rede steht, wofür unter anderem dreifacher Strafschadensersatz (treble damages) wegen eines extraterritorialen Handelns geltend gemacht wird. Bei einer Gesamtbewertung der Umstände ist der Senat der Ansicht, dass hier keine Zivil- und Handelssache vorliegt.

1. Ob eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 HZÜ anzunehmen ist (vgl. Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, 1999, S. 14 ff.), muss aufgrund einer autonom-staatsvertraglichen Qualifikation des in Rede stehenden Instituts entschieden werden (Koch/Diedrich ZIP 1994, 1830, 1831). Dies kann nicht allein nach der Rechtsordnung des ersuchenden Staates oder derjenigen des ersuchten Staates bewertet werden, weil beide Rechtsordnungen sehr verschiedene Vorstellungen von der Einordnung der Klagebegehren haben können und dies zu einem Ungleichgewicht bei der Anwendung oder Nichtanwendung des Abkommens führen kann (Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, S. 72; Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, S. 47). So ist zu beachten, dass ein großer Teil der Klagen, die nach der Vorstellung der deutschen Rechtsordnung verwaltungsrechtlicher Natur sind, in den Vereinigten Staaten dem Zivilrecht zugeordnet werden, weil das US-amerikanische Recht ein gesondertes verwaltungsgerichtliches Verfahren nicht kennt. Die generelle Qualifikation jeder Streitsache, die außerhalb eines Strafprozesses einem gerichtlichen Verfahren unterworfen wird, als Zivil- und Handelssache würde dazu führen, dass der Anwendungsbereich des Abkommens für Rechtsstreitigkeiten aus den Vereinigten Staaten wesentlich breiter wäre als für solche aus der Bundesrepublik Deutschland oder anderen Vertragsstaaten, die auch verwaltungsrechtliche Streitigkeiten von den Zivil- und Handelssachen unterscheiden.

Ein Hinweis auf die alleinige Geltung der Vorbehaltsklausel des § 13 Abs. 1 HZÜ anstelle einer Begrenzung des Anwendungsbereichs des Abkommens nach Art. 1 Abs. 1 HZÜ greift an dieser Stelle als Kompensation für die verschieden große Reichweite des Abkommens in den USA einerseits und in den übrigen Vertragsstaaten andererseits zu kurz. Es geht bei der Ablehnung der Zustellung aufgrund des Rechtshilfeersuchens um einen besonderen Ausnahmefall, bei der Einordnung von Streitsachen als Zivil- und Handelssachen oder andere Angelegenheiten dagegen um eine generelle Frage der Anwendbarkeit des Übereinkommens.

Die Anwendbarkeitsfrage soll aber in den einzelnen Vertragsstaaten tunlichst nicht unterschiedlich bewertet werden. Das würde der Eigenschaft des Abkommens widersprechen. Es ist ein Teil des internationalen Einheitsrechts und dessen Ziel ist auch die Herbeiführung einer möglichst gleichmäßigen Anwendung seiner Bestimmungen. Diese ist nur bei einer autonomen Qualifikation der Begriffsmerkmale zur Bestimmung des Anwendungsbereichs sachgerecht möglich.

Auch eine Doppelqualifikation alternativ nach dem Rechtsverständnis des ersuchten oder des ersuchenden Staates trüge nicht zu einer Vereinheitlichung des Anwendungsfeldes bei. Eine kumulative Doppelqualifikation nach beiden Rechtsordnungen mit der Maßgabe, dass eine Zivil- und Handelssache nur vorliegt, wenn beide beteiligten Rechtsordnungen dies bejahen, würde den Anwendungsbereich des Abkommens dagegen zu sehr einengen (Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, S. 48 f.).

Die autonom-staatsvertragliche Qualifikation ist daher vorzugswürdig. Sie entspricht der üblichen Methode im Bereich des internationalen Einheitsrechts, wie sie etwa auch zu Art. 1 EuGVÜ vom Europäischen Gerichtshof praktiziert wird (vgl. EuGH RIW 1981, 711 f.; IPRax 199, 240 f.; 2003, 528 ff.). Der Begriff "Zivilsachen und Handelssachen" ist nach seiner Rechtsprechung als autonomer Begriff zu verstehen, für dessen Auslegung die Ziele und der Aufbau des Übereinkommens zum einen und die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtssysteme ergebenden allgemeinen Grundsätze zum anderen heranzuziehen sind. Für die Qualifikation im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass sich der Begriff der Zivil- oder Handelssache sowohl nach formellen als auch nach materiellen Kriterien richten kann (Merkt a.a.O. S. 45 f.), die dann unterschiedlich ausfallen können, wenn das erkennende Gericht in Anwendung ausländischen materiellen Rechts zu entscheiden hat, aber dem Verfahrensrecht der lex fori folgen muss. Auch dies spricht für eine autonom-staatsvertragliche Qualifikation. Diese wird zwar durch das Fehlen einer den Vertragsstaaten gemeinsamen gerichtlichen Instanz mit Auslegungskompetenz erschwert. Rechtlich ausgeschlossen ist eine autonome Qualifikation auf rechtsvergleichender Grundlage auch dadurch jedoch nicht.

2. Folgt man diesem Ansatz, dann kann die Abgrenzung von Zivil- und Handelssachen nicht allein danach vorgenommen werden, dass hiervon Strafsachen auszunehmen seien (a.M. OLG München IPRax 1990, 175, 176). Dies entspräche zwar der US-amerikanischen Vorstellung, welche keine Verwaltungsprozesse in dem Sinne kennt, wie sie nach der deutschen Rechtsordnung auch von den Zivil- und Handelssachen zu unterscheiden sind. Die Rechtsvorstellung der nachträglich dem Abkommen beigetretenen Vereinigten Staaten kann aber bei historischer Betrachtung des schon vorher von Rechtsordnungen des kontinentaleuropäischen Rechts staatsvertraglich geprägten Begriffs der Zivil- und Handelssache nicht zu Grunde gelegt werden (vgl. Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, S. 62 f.). Bei autonom-staatsvertraglicher Qualifikation des Begriffs der Zivil- und Handelssache bedarf es einer positiven Bestimmung des Charakters der Rechtsstreitigkeit. Dem entspricht auch der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 HZÜ, der nicht lediglich eine Abgrenzung von Strafsachen fordert, sondern die Feststellung, dass eine Rechtsstreitigkeit "in Zivil- und Handelssachen" vorliegt.

Das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen definiert den Begriff der Zivil- und Handelssache nicht selbst. Aus der Zielsetzung des Abkommens, den zwischenstaatlichen Rechtsverkehr zu erleichtern, kann auch nicht ohne weiteres auf einen weiten Anwendungsbereich der Regelungen geschlossen werden (Merkt a.a.O. S. 54), weil dies einem Zirkelschluss nahe käme. Das Übereinkommen erleichtert die internationale Rechtshilfe, soweit es anwendbar ist. Es ist aber nicht notwendigerweise im Einzelfall anwendbar, weil es den Rechtshilfeverkehr erleichtert. Bei der Abgrenzung von Zivil- und Handelssachen von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ist vor allem von Bedeutung, ob es um einen Ausgleich privater oder öffentlicher Interessen geht (Merkt a.a.O.S. 55 m.w.N.). So wird jedenfalls mehrheitlich in den einzelnen Rechtsordnungen die strafende Reaktion auf fremdes Unrecht als Aufgabe des öffentlichen Rechts angesehen, während der Interessenausgleich zwischen Geschädigten und dem Schädiger als Zivilsache eingestuft wird. Bei Mischformen spricht es für das Vorliegen einer Zivilsache, je mehr der private Interessenausgleich im Vordergrund steht oder sonstige Interessen der Allgemeinheit verfolgt werden, für das Vorliegen einer öffentlichrechtlichen Sache hingegen, je mehr der Sanktionscharakter dominiert oder in sonstiger Weise vorrangig Interessen der Allgemeinheit wahrgenommen werden. Die Abgrenzung der Zivil- und Handelssachen hängt dann davon ab, wo das Schwergewicht der Interessen liegt. Nur wenn dies nicht feststellbar ist, soll im Zweifel von der Anwendbarkeit des Übereinkommens ausgegangen werden.

Die Frage, ob sich Parteien auf der Ebene der Gleichordnung oder im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses gegenüberstehen, ist hingegen bei der autonom-staatsvertraglichen Qualifikation der Streitsache allenfalls von nachrangiger Bedeutung (vgl. Merkt a.a.O. S. 58). Das wird im Fall einer Sammelklage deutlich, die nahezu die Gesamtheit der Verbraucher einer bestimmten Produktart betrifft und insoweit eher die Allgemeinheit repräsentiert als den einzelnen Kläger. Ebenfalls kann die Frage, wer Empfänger von Sanktionsleistungen ist, nur bedingt Aufschluss über die Eigenschaft der Streitsache geben. Denn auch im Strafrecht wird zunehmend ein Opferausgleich angestrebt; erst recht kann im verwaltungsrechtlichen Bereich eine Leistungszuwendung an einen Privaten durch gerichtliche Entscheidungen ausgesprochen werden, ohne dass der Verwaltungsprozess dadurch den Charakter einer Zivilsache erhielte. Schließlich kann die Frage, ob für den Kläger eine Klage- oder Verfolgungspflicht besteht oder die Erhebung der Klage in seinem Ermessen steht, wenig zur Bewertung einer Sache als Zivil- und Handelssache oder aber öffentlich-rechtliche Streitigkeit beitragen; denn auch für das öffentliche Recht bis hin zum strafrechtlichen Opportunitätsprinzip, ist der Verfolgungszwang kein zwingendes Charakteristikum.

3. Für die Frage der Zustellung einer Klage aufgrund eines Rechtshilfeersuchens eines ausländischen Gerichts kann, anders als etwa bei der Anerkennung (vgl. BGHZ 118, 312, 334 ff.) und Vollstreckung eines ausländischen Gerichtsurteils im Inland, ein Ergebnis nur einheitlich bestimmt werden. Eine partielle Zustellung der Klage kommt nicht in Betracht (vgl. Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, S. 79).

Der Senat ist der Auffassung, dass die vorliegende Klage keine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 HZÜ betrifft. Das ergibt sich aus einer Gesamtbewertung verschiedener Kriterien, namentlich (a) der Geltendmachung - auch - von verdreifachtem Strafschadensersatz (treble damages) und zugleich der Forderung nach einer Gewinnabschöpfung, (b) der Operationalisierung aller Verbraucher der pharmazeutischen Produkte der Beklagten als Kläger oder als von diesen vertretene Gruppe (class) im Rahmen der Sammelklage (class action), (c) der Option der Ausforschung der Beklagten im Rahmen der pre-trial discovery und (d) der inhaltlichen Ausrichtung auf eine kartellrechtliche Fragestellung. Aus diesen Aspekten ergibt sich schon jeweils für sich genommen eine Vermischung von privatem und öffentlichem Recht, die aber jedenfalls bei einer Gesamtbewertung einen Schwerpunkt im Bereich des öffentlichen Rechts hat.

a) Treble damages sind ein Sonderfall der richterrechtlich entwickelten "punitive damages" (Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, S. 90 ff.). Sie werden nur in gesetzlich bestimmten Fällen zugesprochen. Begrifflich stellen sie eine dreifache Erhöhung des Kompensationsschadens, der durch eine unerlaubte Handlung verursacht wurde, dar. Ihr Zweck liegt, soweit es um die Erhöhung des eigentlichen Schadens geht, auch in der Bestrafung und Abschreckung (Merkt a.a.O. S. 92 m.w.N.). Systematisch stehen treble damages in engem Zusammenhang mit den Straftatbeständen, in deren Umfeld sie im Recht der US-Bundesstaaten als zusätzlicher Tatbestand geregelt sind. Das gilt gerade auch für die Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen nach dem bundesgesetzlichen Sherman Act in Verbindung mit dem Clayton Act. Der Sherman Act sieht in §§ 1 und 2 eine Bestrafung mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe vor, während der den Sherman Act ergänzende Clayton Act in § 15a die Zuerkennung von treble damages vorsieht. Während im Allgemeinen die Zuerkennung von punitive damages im Ermessen des Gerichts steht, müssen treble damages bei Feststellung einer Kartellrechtsverletzung zuerkannt werden (Merkt a.a.O. S. 91).

Der Strafschadensersatz in Form von treble damages knüpft zwar daran an, dass ein tatsächlicher Schaden beim Geschädigten vorliegt. Insoweit genügt aber schon ein symbolischer Schaden. Daher ist es in der vorliegenden Sache ausreichend, wenn die Kläger und die von ihnen repräsentierten Gruppenmitglieder nach dem Klagevorbringen wegen der Kartellrechtsverstöße dadurch "geschädigt" werden, dass sie Arzneimittel in den Vereinigten Staaten zu den dort üblichen Preisen erwerben müssen, ohne billiger in Kanada einkaufen zu können.

Die Zubilligung dreifachen "Schadensersatzes" und die ausdrücklich im Clayton Act vorgesehene Abweichung von der "american rule" dahin, dass die Kläger auch die Erstattung ihrer Prozesskosten als Schadensersatz verlangen können, dient dazu, die Verfolgung von Kartellrechtsverstößen auf private Initiative zu fördern, um die personell und finanziell überforderten staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu entlasten. Damit werden bei funktionaler Betrachtung vor allem öffentliche Zwecke verfolgt. Die Auskehrung der treble damages an die Geschädigten anstelle einer Anordnung der Zahlung an den Staat spricht zwar im Ansatz für eine zivilrechtliche Natur (vgl. Stürner, in: Grenzüberschreitungen. Beiträge zum Internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit, FS für Peter Schlosser, 2005, S. 967, 968). Dies wird aber zunächst dadurch relativiert, dass der Verurteilte die treble damages nicht steuerlich geltend machen kann, obwohl sonst Geschäftsausgaben absetzbar sind (Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, S. 94). Auch ist die Zuweisung von Schadensersatzleistungen an eine uferlos breite Klägerfront, die im vorliegenden Fall letztlich jeden US-amerikanischen Arzneimittelverbraucher einschließt und damit wesentliche Teile der Gesamtbevölkerung, fast als eine öffentliche Klage zu bezeichnen.

Treble damages sind jedenfalls im Umfang des auf Bestrafung und Abschreckung ausgerichteten Erhöhungsbetrages über den Kompensationsschaden hinaus öffentlich-rechtlicher Natur und insoweit keine Zivil- und Handelssachen. Weil der Erhöhungsbetrag den auf Kompensation gerichteten Schadensersatz übersteigt, ist eine Klage, die auf treble damages gerichtet ist, insoweit mehrheitlich als öffentlich-rechtlich einzustufen.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass neben der Klage auf Kompensation des Schadens zuzüglich der Erhöhung um treble damages die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung erstrebt wird. Auch darin liegt keine Befriedigung der - nach Schadensersatzleistungen - verbleibenden Interessen der Kläger und der von diesen repräsentierten Gruppe, sondern eine Gewinnabschöpfung, die funktional dem (Wertersatz-) Verfall nach §§ 73 ff. StGB des deutschen Rechts vergleichbar ist, mag auch die Auskehrung des Abschöpfungsbetrages an die Gruppe erfolgen, die indes aus allen Verbrauchern, die Arzneimittel der Beklagten erwerben, besteht und einen relevanten Teil der Gesamtbevölkerung darstellt. Insoweit erfolgt die Auskehrung des Gewinns faktisch nahezu an die Allgemeinheit. Der Verfall ist ein dem zivilrechtlichen Bereicherungsausgleich ähnliches Institut ohne Strafzweck (BVerfGE 110, 1, 13 f.); sie ist aber gleichwohl von öffentlich-rechtlichem Charakter. Das hier in Rede stehende Gegenstück des US-amerikanischen Rechts dient dann, wenn der Bereicherungsausgleich und der (dreifache) Schadensersatz zusammentreffen, nicht mehr der Befriedigung der Interessen der Kläger, sondern stellt eine eher im Interesse der Allgemeinheit vorgenommene Art der Gewinnabschöpfung dar.

b) Ebenso wirkt sich die Klageart aus. Die Sammelklage (class action) dient auch dem öffentlichen Interesse, indem sie Anreize zur privaten Rechtsdurchsetzung schafft, weil die Tätigkeit der personell und finanziell nicht ausreichend ausgestatteten Behörden dazu nicht genügt (vgl. H. Schneider, Class Actions - Rechtspolitische Fragen in den USA und Anerkennung in Deutschland, 1999, S. 8 f.). Sie ist eine im US-amerikanischen Zivilprozessrecht vorgesehene Klageart, die dem deutschen Recht fremd ist und im Kartellrecht weithin funktional das behördliche Verfahren ersetzt. Sie führt dazu, dass für ganze Personengruppen u.a. der Schadensersatz einschließlich des Strafschadensersatzes geltend gemacht werden kann, ohne dass die Gruppenmitglieder durch eigene Prozesshandlungen in den Prozess eintreten, namentlich benannt werden und vor Gericht auftreten müssen. Prinzipiell kann die Personengruppe beliebig groß sein, so dass im Ergebnis - wie hier - große Teile der Allgemeinheit in den Prozess einbezogen werden können. Im vorliegenden Fall geht es um alle Verbraucher und Kostenträger des Handels mit Markenarzneimitteln der beklagten führenden pharmazeutischen Unternehmen. Damit ist die Gruppe, die von den Klägern repräsentiert wird, sehr breit gestreut und dürfte einen nicht unerheblichen Teil der US-amerikanischen Bevölkerung betreffen. Insoweit ähnelt die Klage mit ihrer uferlos breiten Klägerfront einer öffentlichen Klage, zumal die Mehrzahl der Kläger nur aufgrund einer rechtlichen Fiktion in diese Prozessrolle gelangt.

Die erhebliche personelle Erweiterung der Klägerseite um die repräsentierte Gruppe hat zahlreiche Auswirkungen, die für die Qualifikation und für die Bewertung der Sammelklage von Bedeutung sind. Zum einen werden auch diejenigen Gruppenmitglieder, die nicht aktiv am Verfahren teilnehmen, in die Wirkungen verfahrensbeendender Vergleiche oder Urteile einbezogen. Selbst Gruppenmitglieder, die kein besonderes eigenes Interesse an der Prozessführung haben, werden vom Verfahren und der Rechtskraftwirkung seiner Beendigung betroffen, solange sie nicht durch eine Prozesshandlung ihren Ausschluss aus der Gruppe herbeiführen. Die Unüberschaubarkeit der Zahl der Gruppenmitglieder führt auch zur anfänglichen Unwägbarkeit der Gesamthöhe des geltend gemachten und im Verurteilungsfall zu zahlenden Schadensersatzes. Dieser kann in der Praxis bei breit gestreuten Sammelklagen eine Höhe erreichen, die letztlich nicht mehr nachvollziehbar erscheint (vgl. Prütting, in: FS für Erik Jayme, Bd. 1, 2004, S. 709, 712). Obwohl mit treble damages - anders als bei den ins Ermessen der Jury gestellten sonstigen punitive damages - immerhin ein fester Multiplikationsfaktor festgelegt wird, bleibt das Klagevolumen bis zur gerichtlichen Entscheidung im Fall einer Sammelklage offen, weil der Basisfaktor noch durch gerichtliche Schätzung ohne Bindung an einen konkreten Antrag der Kläger festzulegen ist.

Die Klage mit unbestimmter Höhe weicht von dem sonst die Zivil- und Handelssachen prägenden Bild einer Klage nach der Parteimaxime ab. Insoweit hat sie wiederum Ähnlichkeit mit einer "öffentlichen Klage". Dieses Bild wird dadurch erweitert, dass eine Entscheidung eines Geschworenengerichts begehrt wird. Dies ist ein in den USA verfassungsmäßig verbürgtes Recht der Kläger (Amendment VII: "In Suits at common law, where the value in controversy shall exceed twenty dollars, the right of trial by jury shall be preserved, and no fact tried by a jury, shall be otherwise reexamined in any Court of the United States, than according to the rules of the common law"). Die Entscheidung über die Berechtigung der Sammelklage - nahezu nur - durch Laienrichter, die schon nach ihrer sozialen Herkunft eher klägerfreundlich (vgl. Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Gerichte, 2003, S. 7) und gegenüber finanziell gut gestellten Beklagten zur großzügigen Bemessung von Schadensersatz geneigt sind (Morisse RIW 1995, 370, 371), ist der kontinentaleuropäischen Vorstellung vom Zivilprozess fremd und sie erinnert aus europäischer Sicht an ein Strafverfahren, weil hier historisch und rechtsvergleichend gesehen alleine Verfahren vor Geschworenengerichten bekannt sind. Die "class action" entfaltet schließlich infolge des potenzierten Schadensersatzbegehrens auch einen erheblichen Abschreckungseffekt, der zu der Strafwirkung der "treble damages" hinzutritt und damit wiederum tendenziell gegen eine Einordnung des Rechtsstreits als Zivil- und Handelssache spricht. Abschreckung ist tendenziell keine Aufgabe des Zivil- und Handelsrechts.

c) Bedeutung für die Bewertung der Klage hat auch die "pre-trial-discovery" nach US-amerikanischem Recht (vgl. dazu Hay, US-Amerikanisches Recht, 2. Aufl., Rn. 183 ff.; Stiefel/Stürner VersR 1987, 829, 830). Im Rahmen der "pre-trial-discovery" wird der Sachverhalt erst nach der Klageerhebung im Parteibetrieb nahezu ohne gerichtliche Intervention geklärt. Die Klageschrift kann hingegen bereits ohne genaue Sachverhaltsschilderung und ohne konkrete Benennung von Beweismitteln eingereicht werden. Die Zulassung der Erhebung unsubstantiierter Klagen zu einem gerichtlichen Verfahren reduziert die Informationsfunktion der Klage und deren Zustellung für die Beklagten. deshalb greift der Hinweis der Rechtsprechung tendenziell zu kurz, dass die Ausführung der Klagezustellung aufgrund des Haager Zustellungsübereinkommens für den Empfänger vorteilhaft sei.

Das klägerfreundliche pre-trial-discovery-Verfahren erlegt dem Beklagten Offenbarungspflichten auch über Geschäftsgeheimnisse auf, die dem europäischen Recht fremd sind und für europäische Unternehmen als Beklagte teuer werden und geschäftsschädigend wirken. Oftmals sind auf Verlangen der Kläger ganze Frachtladungen teilweise ins Englische übersetzter Dokumente in die USA zu befördern, ohne dass dafür im Fall des Obsiegens des Beklagten auch nur eine Kostenerstattung vorgesehen ist. Dabei zielt das pre-trial-discovery-Verfahren auf eine Ausforschung der Beklagten, die dem europäischen Recht jedenfalls in dieser Art unbekannt ist (BGHZ 118, 312, 323 f.). Dass eine Informationsbeschaffung gegen den Willen des Informationsinhabers durchgesetzt wird, ist nach der Vorstellung des deutschen Verfassungsrechts im Wesentlichen nur in Strafverfahren anzutreffen, wo die Durchbrechung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung immer noch eine enge Anbindung an den Verfahrensgegenstand voraussetzt (vgl. BVerfG Beschl. vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02).

d) Unbeschadet des sonstigen Meinungsstreits um die Qualifikation von "punitive damages" wird der Standpunkt, dass jedenfalls "treble damages" nach dem US-amerikanischen Kartellrecht keine Zivil- und Handelssache betreffen, in der Literatur vertreten (vgl. Martiny, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/1, 1984, Rn. 54). Er kann sich darauf stützen, dass das Wettbewerbsrecht im weiteren Sinne sowie das Kartellrecht neben den Interessen des einzelnen Wettbewerbers auch die Interessen der Allgemeinheit an einem funktionierenden Markt schützen. Ist das Kartellrecht insoweit öffentlich-rechtlicher Natur und bildet zugleich die hierauf gestützte "class action" eine prozessuale Form der Durchsetzung öffentlicher Interessen durch Private, welche funktional als "private prosecutors" wirken (vgl. Kötz, in: Homburger/Kötz, Klagen Privater im öffentlichen Interesse, 1975, S. 82; Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, S. 74), dann folgt aus der Kombination dieser Ziele und Wirkungen eine mehrheitliche Qualität der kartellrechtlichen Sammelklage mit dem Ziel der Zuerkennung von Strafschadensersatz als ein im Ganzen eher öffentlich-rechtliches Institut. Kartellrechtliche treble damages haben auch zuvörderst einen präventiven Zweck (Stürner, in: FS für Peter Schlosser, S. 967, 975 ff.) und sie sollen eine verstärkte Motivation Privater zur Verfolgung öffentlicher Zwecke liefern.

4. Liegt bei einer Gesamtbewertung dieser Umstände keine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 HZÜ vor, dann scheidet eine Zustellung der Sammelklage im Rechtshilfeweg aus. Eine formlose Direktzustellung wäre ein völkerrechtswidriger Akt. Das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen ist abschließend (Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"Klagen, S. 29 ff.). Das schließt eine Durchführung des Verfahrens gegen die Antragstellerin in den Vereinigten Staaten mangels Klagezustellung aus, weil nach dem Scheitern der Zustellung an das US-amerikanische Tochterunternehmen ein anderer Weg der Zustellung völkerrechtlich verschlossen ist. Damit entfällt zugleich ein Einwand gegen die Versagung der Zustellung im Rechtshilfeweg, der darauf gestützt wird, dass dies die Durchführung des Gerichtsverfahrens in den USA ohnehin nicht verhindern könne (vgl. Zekoll NJW 2003, 2885, 2887).

II.

Würde die Anwendbarkeit des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen hingegen bejaht, dann wäre der Souveränitätsvorbehalt gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ zu prüfen. Der Respekt vor der fremden Rechtsordnung schließt entgegen der Ansicht des Antragsgegners eine inhaltliche Überprüfung nicht aus, sondern der Souveränitätsvorbehalt zugunsten des ersuchten Staates gebietet diese Prüfung. Die Vorbehaltsklausel wäre gegenstandslos, wenn jede Prüfung ausgeschlossen wäre. Deshalb geht es zu weit, wenn der Antragsgegner ausschließlich auf §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 722, 723 ZPO verweist. Zwar folgt aus dem Zweck des Abkommens einerseits und der Bedeutung des Vorbehalts als Ausnahmetatbestand andererseits, dass die Prüfung auf Evidenzfälle beschränkt ist. Aus dem Text des Übereinkommens ergibt sich auch keine bestimmte Gestaltung des Prüfungsverfahrens, das also dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten überlassen bleibt. Im deutschen Recht kann und muss aber jedenfalls im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG auf eine Beanstandung des betroffenen Zustellungsadressaten eine effektive Überprüfung der Beanstandungspunkte erfolgen (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Insoweit gilt gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG in Verbindung mit § 12 FGG prinzipiell die Instruktionsmaxime; nur ist deren Reichweite durch den auf Kriterien der Zustellungsfrage begrenzten Untersuchungszweck beschränkt, zumal die Kläger des US-amerikanischen Verfahrens, die die Klagezustellung begehren, an diesem Verfahren nicht formell beteiligt sind und insoweit nicht gesondert angehört werden. Es können daher in erster Linie nur die sich aus der Klage und dem Zustellungsersuchen ergebenden Umstände, aber auch allgemeinkundige Aspekte und abstrakt-generell geltende rechtliche Kriterien herangezogen werden. Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall aber schon, dass die Erledigung des Zustellungsersuchens wegen eines offensichtlichen Missbrauchs des Klagerechts abzulehnen ist, weil die Kläger selbst ihr Ziel als nur "de facto legal" bezeichnen, den Beklagten Handlungen in einem Drittstaat zu untersagen und sie dafür zu bestrafen, obwohl diese Handlungen den behaupteten Kartellrechtsverstoß nicht darstellen können, weil dessen Wirkung im Einklang mit einem Importverbot nach US-amerikanischem Arzneimittelrecht steht. Das Ziel der Klage ist danach erkennbar nicht auf die Herbeiführung eines Gerichtsurteils ausgerichtet. Vielmehr zielt die nach rechtlicher Fiktion der Klägerstellung jedes Arzneimittelverbrauchers in den USA von einer uferlos breiten Klägerfront mit unbegrenztem Schadensersatzverlangen erhobene Sammelklage auf die Abpressung eines Vergleichs unter Entfaltung publizistischen Drucks, durch schikanöse Ausforschung der Beklagten im Rahmen einer "pre-trial-discovery" und durch den Zwang zur Aufwendung erheblicher Anwalts- und Sachverständigenkosten ohne Erstattungsmöglichkeit selbst im Fall des Obsiegens der Beklagten. Bei dieser Lage ist nicht erst die Überprüfung eines künftigen Urteils, das voraussichtlich gar nicht ergehen wird, sondern schon die Klagezustellung der maßgebliche Eingriffsakt, der am deutschen ordre public zu messen ist.

1. a) Der Souveränitätsvorbehalt des Art. 13 Abs. 1 HZÜ ist ein Ausnahmetatbestand, der als solcher eng auszulegen ist. Das besagt aber für sich genommen nicht mehr als es auch sonst bei dem allgemeinen Vorbehalt des ordre public anzunehmen ist. Auch der ordre public ist ein Ausnahmetatbestand zur allgemeinen Anerkennung der Wirkungen des im Einzelfall anwendbaren fremden Rechts im Inland. Freilich ist die Vorbehaltsklausel durch die Bedeutung und den Zweck des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen akzentuiert. Die staatsvertraglich vereinbarte Regel der Durchführung der Klagezustellung auf ein Rechtshilfeersuchen beruht auf einer völkervertraglichen Bindung und einem durch den Vertragsschluss im Allgemeinen erklärten Souveränitätsverzicht. Sie drückt die Respektierung der fremden Rechtsordnung aus (vgl. BVerfGE 108, 238, 247 f.). Der Souveränitätsvorbehalt des Art. 13 Abs. 1 HZÜ fordert andererseits zugleich auch eine Respektierung der Rechtsordnung des ersuchten Staates ein, wenn diese durch einen offensichtlichen Rechtsmissbrauch in Frage gestellt wird. Daraus ergibt sich, dass einerseits grundsätzlich aus Respekt vor dem ersuchenden Staat dessen Zustellungsersuchen rasch und ohne vermeidbare Erschwerung des Verfahrens auszuführen ist; andererseits kann der ersuchte Staat ausnahmsweise aufgrund der Vorbehaltsklausel die Respektierung seiner eigenen Interessen einfordern. Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs des Klagerechts durch Parteien eines gerichtlichen Verfahrens müssen aufgrund wechselseitiger völkervertraglicher Treueverpflichtungen der beteiligten Vertragsstaaten prinzipiell dazu führen, dass schon der ersuchende Staat das Zustellungsersuchen im Missbrauchsfall nicht ohne eine Kontrolle an den anderen Vertragsstaat richtet, wo sie ihm möglich ist. Erfolgt gleichwohl im Missbrauchsfall ein Zustellungsersuchen, dann hat der ersuchte Staat das Recht, dem Missbrauch entgegenzutreten. Dies darf nur scheinbar nach dem Wortlaut der Norm nicht allein zum Schutze subjektiver Rechte der Zustellungsadressaten geschehen, weil Art. 13 Abs. 1 HZÜ begrifflich auf die Gefährdung der Hoheitsrechte des ersuchten Staates abstellt. Der Schutz subjektiver Rechte im Rahmen der Verteidigung der staatlichen Souveränität ist jedoch auch nach einem völkervertraglichen Teilverzicht aufgrund eines Vorbehalts Teil der im Kern erhalten gebliebenen Souveränität des ersuchten Staates und binnenstaatlich durch Schutzrechte der Bürger gegenüber dem Staat geboten. Die staatliche Souveränität artikuliert nicht nur Gemeinwohlinteressen, sondern sie bildet auch einen Schutzschild für den einzelnen Staatsbürger als Teil dieses Gemeinwesens (Stürner, in: FS für Nagel, 1987, S. 446, 454 f.).

Zustellungsersuchen sind nach allem grundsätzlich auszuführen, aber nicht um jeden Preis. Im Fall offensichtlichen Missbrauchs des Klagerechts besteht für den deutschen Staat bei einem an ihn gerichteten Zustellungsersuchen auch gegenüber dem Zustellungsempfänger aufgrund seiner Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip eine Schutzpflicht, soweit der Zustellungsempfänger bereits durch die Klagezustellung in besonders einschneidender und unverhältnismäßiger Weise in seinen Rechtspositionen gefährdet wird (vgl. Greger, in: Erlanger FS für Schwab S. 331, 336 f.). Insoweit geht die Ansicht des Antragsgegners fehl, die Grundrechte der Antragstellerin seien für die Frage, ob die Erledigung des Zustellungsersuchens abgelehnt werden kann, ohne Belang. Dies entspricht nicht der Grundrechtsbindung der Zentralen Behörde (zu deren Prüfungskompetenz Greger, a.a.O. S. 334 ff.; a.M. Rothe RIW 2003, 859, 860) und der Gerichte im Verfahren gemäß §§ 23 ff. EGGVG (Art. 1 Abs. 3 GG; vgl. allgemein dazu BVerfGE 7, 198, 206). Die Grundrechte sind geradezu der Kern des deutschen ordre public (Koch/Diedrich ZIP 1004, 1830, 1832).

Die völkervertragliche Pflicht zur Respektierung der Rechtsordnung des ersuchenden Staates erreicht ihre Grenze dort, wo die ausländische, im Klageweg geltend gemachte Forderung offenkundig keine substantielle Grundlage hat und auch dort, und wo die Klage verfahrensfremden Zwecken dient. Werden Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer offenkundig missbräuchlichen Art und Weise genutzt, um mit publizistischem Druck und mit dem Risiko einer Verurteilung in einem unverhältnismäßigen Umfang einen Marktteilnehmer gefügig zu machen, so verletzt dies im Einzelfall deutsches Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 108, 238, 248; krit. Peter Huber, in: FS für Erik Jayme, 2004, Bd.I S. 561, 568 f.).

b) Die Verletzung von deutschem Verfassungsrecht ist ein typischer Fall (vgl. Art. 6 Satz 2 EGBGB) des Verstoßes gegen den deutschen ordre public (Art. 6 Satz 1 EGBGB; vgl. BVerfGE 31, 58, 72 ff.; 92, 26, 49), aber keine abschließende Konstellation. Auch außerhalb des Bereiches der Grundrechtsverletzungen kann der deutsche ordre public eingreifen. Der verfahrensrechtliche ordre public ist freilich nicht schon dann verletzt, wenn das ausländische Recht von zwingenden Vorschrift des deutschen Prozessrechts abweicht, sondern nur dann, wenn das Urteil auf Grund eines Verfahrens ergangen ist oder ergehen soll, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (BGHZ 48, 327, 331; 53, 357, 359 f.). Darüber hinaus kann der Souveränitätsvorbehalt des Art. 13 Abs. 1 HZÜ auch dann eingreifen, wenn Völkerrecht verletzt wird (vgl. BVerfGE 63, 343, 371 f.).

Nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 HZÜ kann die Erledigung eines Zustellungsantrages nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. In dieser Wortwahl unterscheidet sich die Bestimmung von anderen ordre-public-Klauseln des deutschen Rechts (vgl. Art. 6, 40 Abs. 3 EGBGB; § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Dies ist aber durch die Tatsache zu erklären, dass es sich um eine staatsvertragliche Regelung handelt, deren Fassung aus dem in den Vertragssprachen gehaltenen Text ins Deutsche übertragen wurde. Die binnenstaatlichen Formulierungen von ordre public-Klauseln wählen demnach andere Begriffe, ohne notwendigerweise einen anderen Regelungsgehalt zu erhalten. Nähere Prüfung der staatsvertraglichen Praxis und der Entstehungsgeschichte der konkreten Regelung zeigt, dass es hier um eine Bestimmung geht, die den "ordre public international" zum Gegenstand hat (Merkt, Abwehr von "punitive damage"-Klagen, S. 126 ff.). Eine Unterscheidung in einen engeren zustellungsrechtlichen und einen weiteren anerkennungsrechtlichen ordre public ist nicht geboten (vgl. Stadtler JZ 1995, 718, 720). Einschränkungen in der Prüfungsdichte ergeben sich nicht aus dem sachlichen Gehalt der ordre public-Klausel, sondern vielmehr aus der Eigenart des Zustellungsverfahrens bei der Erfassung der Tatsachengrundlagen einer Überprüfung der zuzustellenden Klage und des damit zu fördernden ausländischen Gerichtsverfahrens anhand des ordre public. Im Zustellungsverfahren kann hiernach keine abschließende Prüfung dazu vorgenommen werden, ob das Klagebegehren, das nach dem binnenstaatlichen Verfahrensrecht des ersuchenden Staates erst im gerichtlichen Verfahren nach der Zustellung sachlich geprüft werden soll, im Ergebnis der Rechtsanwendung gegen unverzichtbare Grundsätze des innerstaatlichen Rechts des ersuchten Staates verstößt. Das würde eine in das Zustellungsverfahren vorgezogene Sachprüfung erfordern, die von den Zentralen Behörden und den im Zustellungsverfahren um Rechtsschutzgewährung ersuchten Gerichten nicht in jedem Fall umfassend geleistet werden kann. Das Zustellungsverfahren kennt formale Rechtshandlungen und rechtliche Prüfungen begrenzten Umfangs, aber auch kein kontradiktorisches Verfahren. Es ist deshalb für eine abschließende Prüfung der formellen und materiellen Berechtigung der Klage unter Wahrung der Rechte der (künftigen) Prozessbeteiligten nicht geeignet. Prüfungsgegenstand nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ kann deshalb in erster Linie nur der Inhalt der zuzustellenden Klageschrift samt Anlagen sein. Die Prüfung kann allerdings auch auf allgemeinkundige Tatsachen und abstrakt-generelle Regeln des in- und ausländischen Rechts zurückgreifen. Auf dieser Grundlage gestattet das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen nur eine Evidenzkontrolle. Diese ist andererseits geboten, weil der Souveränitätsvorbehalt des Art. 13 Abs. 1 HZÜ sonst leer liefe.

Im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG ist zudem für das vom Zustellungsempfänger angerufene Gericht zu beachten, dass es Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu gewähren hat. Diese Norm enthält ein Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 97, 298, 315; 107, 395,401 ff.; 110, 77, 85), zu denen auch die Klagezustellung im Rechtshilfeweg gehört. Art. 19 Abs. 4 GG begründet nicht die subjektive Rechtsposition, die im gerichtlichen Verfahren geschützt werden soll; er setzt sie vielmehr voraus (BVerfGE 96, 100, 114). Ein subjektives Recht der Antragstellerin kann sich hier jedoch aus Art. 13 Abs. 1 HZÜ in Verbindung mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG ergeben. Insoweit ist auch im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes zu beachten.

2. Die Klagezustellung verstößt nach diesem Maßstab im vorliegenden Fall nicht schon deshalb gegen den Souveränitätsvorbehalt gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ, weil das US-amerikanische Verfahren aufgrund der "class action" und sein Ziel, den zahllosen Klägern auch einen unbegrenzt möglichen Strafschadensersatz zuzuerkennen, dem deutschen Recht fremd sind (Art. 13 Abs. 2 HZÜ). Eine Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland ist aber deshalb anzunehmen, weil das Ziel der im Inland zuzustellenden Klage gegen ein deutsches Unternehmen nicht in der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung, sondern in der Ausübung von Druck zur Herbeiführung eines Vergleichs mit hoher Abfindungssumme trotz erkennbarer Unhaltbarkeit des Klagegrundes besteht. Deshalb ist nicht erst die Anerkennung des ausländischen Urteils in Frage zu stellen, sondern schon das Betreiben des Verfahrens mit der Klagezustellung im Rechtshilfeweg zu unterbinden. Die Offensichtlichkeit des Rechtsmissbrauchs folgt daraus, dass die Kläger ihre Zielsetzung des privaten Arzneimittelimports aus Kanada selbst als nur "de facto legal" bezeichnen, während dieser Import mit dem geltenden US-amerikanischen Recht, das ein Importverbot aufstellt, unvereinbar ist. Die Internetveröffentlichung der Klage im nicht anonymisierten Volltext vor ihre Zustellung an die Beklagten durch die Kläger fügt sich in das Bild des von einer Medienkampagne begleiteten Rechtsmissbrauchs ein. Bei dieser Sachlage ist die angestrebte Sanktionierung eines extraterritorialen Handelns der Antragstellerin, das sogar im Einklang mit dem US-amerikanischen Arzneimittelimportverbot steht, auch dann, wenn mittelbare Rechtswirkungen auf den binnenstaatlichen Markt in den Vereinigten Staaten geltend gemacht werden, missbräuchlich, weil es sich der Sache nach gegen das US-amerikanische Recht mit dessen Importverbot wendet. Die in ihrer Substanz unhaltbare Klage versucht dabei, die Missbrauchsanfälligkeit der Rechtsinstitute einer Sammelklage (class action), der "american rule" über das Fehlen einer Anwaltskostenerstattung, der Möglichkeit der Geltendmachung von Strafschadensersatz im Kartellrecht (treble damages) und der Drohwirkung der auf Ausforschung gerichteten Voruntersuchung mit einer Verpflichtung zur Offenlegung von internen Unterlagen (pre-trial discovery) auszunutzen. Die Missbrauchsabsicht wird ergänzend daran deutlich, dass gleich mehrere Sammelklagen wegen derselben Vorwürfe gegen die Beklagten erhoben wurden, obwohl grundsätzlich jede Sammelklage alle Betroffenen in gleicher Lage einbezieht.

a) Die Erhebung einer Sammelklage ist nicht schon für sich genommen anhand des Souveränitätsvorbehalts gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ zu beanstanden. Sie liefert hier aber in der konkreten Konstellation einen nicht unerheblichen Teilaspekt des Rechtsmissbrauchs. Die uferlose Breite der Klägerfront im vorliegenden Fall entfaltet schon für sich genommen beträchtliche Wirkung (vgl. Hirte VersR 2000, 148, 149 f.).

Die Sammelklage bewirkt, dass die von benannten Klägern (named plaintiffs) erhobene Klage auch für unbenannte und unbekannte Mitglieder der Gruppe von Personen gilt, die sich in vergleichbarer Lage befinden und nach einer allgemeinen Publikation der Klage nicht ihren gerichtlichen Ausschluss aus der Gruppe erwirken. Da im vorliegenden Fall alle Käufer und Kostenträger beim Erwerb von Arzneimitteln der Mehrzahl von führenden Unternehmen der pharmazeutischen Industrie in den USA angesprochen werden, beläuft sich die unbekannte Zahl der Kläger auf viele Millionen US-Bürger. Jeder dieser Kläger kann für sich genommen nur einen begrenzten Schaden durch Erwerb überteuerter Arzneimittel geltend machen; in ihrer Zusammenfassung durch die Sammelklage erreicht der insgesamt für die Gruppe geltend gemachte Schaden, an dem allein die Rechtsanwälte ein Erfolgshonorar von regelmäßig 30 - 50 % für sich beanspruchen, eine unüberschaubare Höhe. Dies kann ohne weiteres eine Summe von mehreren Milliarden US-Dollar erreichen und sie wird bei einer Verpflichtung der Beklagten zum Ausgleich von Strafschadensersatz verdreifacht (treble damages). Dabei ist die Unwägbarkeit des Anspruchsumfangs mangels eines bezifferten und in der Höhe bindenden (ne ultra petita) Antrags kein Schutz für die Beklagten, sondern dies bewirkt eine bedrohliche Lage (vgl. Oberhammer IPRax 2004, 40, 43). Der Einwand in der Rechtsprechung der anderen Oberlandesgerichte, der Umfang der künftigen Verurteilung steht bei Klagezustellung noch nicht fest und bilde deshalb kein Zustellungshindernis, geht insoweit fehl.

Die Sammelklage vermag einerseits den Betroffenen, die mit Blick auf den jeweils für sie entstandenen Schaden kaum in prozessökonomischer und effektiver Weise mit ihrem Rechtsschutzbegehren durchdringen würden, eine Durchsetzungsmacht zu verleihen, die ihre Prozessführung attraktiv erscheinen lässt. Andererseits ist die Durchsetzungsmacht der zahllosen Kläger mit Blick auf den in pauschalierender Weise der Gruppe zuzusprechenden "damage award" derart überhöht, dass sie den Beklagten wegen ihrer Existenz bedrohenden Größe und Unwägbarkeit kaum rechtsstaatlich angemessene Reaktionsmöglichkeiten belässt (vgl. Greiner, Die Class Action im US-amerikanischen Recht und deutscher Ordre Public, 1998, S. 208 ff.). Das Prozessführungsrisiko wird dabei auch im Fall einer substanzlosen Klage nicht etwa dadurch beseitigt, dass ein Misserfolg solcher Klagen durch zuverlässige Rechtsanwendung und effektive Gegenkontrolle der gerichtlichen Entscheidung in einem Instanzenzug garantiert werden könnte. Vielmehr ist im Jury-System der US-amerikanischen Gerichte (vgl. Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, S. 233 ff.) das erstinstanzliche Entscheidungsergebnis schwer prognostizierbar. Die class action zielt hier auch nur auf die Erzwingung eines Vergleichs, nicht auf eine der genauen Schadenskompensation dienende gerichtliche Entscheidung zur Durchsetzung greifbarer subjektiver Rechte. Sie wirkt schon damit unverhältnismäßig.

b) Das Verlangen nach dem Ausspruch eines verdreifachten Strafschadensersatzes (treble damages) ist mit dem deutschen ordre public unvereinbar (Staudinger/von Hoffmann, BGB, Art. 38 EGBGB Rn. 206, 249, 252; Merkt, Abwehr der Zustellung von "punitive damages"-Klagen, S. 160; Stiefel/Stürner VersR 1987, 829, 844). Dies ist nicht erst im Urteilsanerkennungsverfahren, sondern schon im Verfahren über die Klagezustellung beachtlich (vgl. Greger, in: Erlanger FS für Schwab, S. 331, 340 f.).

Treble damages dienen, wenngleich mit anderer Gewichtung im Ansatz ebenso wie punitive damages (vgl. zu deren Funktion Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, S. 60 ff.), der Bestrafung des Schädigers, der Abschreckung, der Belohnung des Klägers (de facto vorrangig seines Rechtsanwalts) für die Klageerhebung im öffentlichen Interesse und der Ergänzung eines möglicherweise unzureichenden kompensatorischen Schadensersatzes (Stürner, in: FS für Peter Schlosser, S. 967, 969 ff., 975 ff.). Ein Schwerpunkt liegt bei den kartellrechtlichen treble damages in der wettbewerbsrechtlichen Prävention, die dem deutschen Recht als legitimer zivilrechtlicher Sanktionszweck fremd ist (Stürner a.a.O. S. 967, 980). Aber auch der immer noch begleitend vorhandene Strafcharakter (Merkt a.a.O. S. 159) begründet eine Verletzung des deutschen ordre public (vgl. für punitive damages BGHZ 118, 312, 334 ff.). Strafsanktionen auf Betreiben privater Kläger im zivilrechtlichen Verfahren verstoßen gegen das Strafmonopol des Staates. Ist die Sanktionshöhe bei der Erhebung einer Sammelklage letztlich unbegrenzt, so werden auch das Bestimmtheitsgebot für Strafsanktionen (vgl. zur Vermögensstrafe (vgl. BVerfGE 105, 135, 152 ff.) und das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Treble damages sind ferner mit dem Grundgedanken des Verbots einer Bereicherung des Geschädigten im deutschen Schadensersatzrecht unvereinbar (vgl. Stiefel/Stürner VersR 1987, 829, 838). Der zu gewährende Schadensausgleich wird im deutschen Schadensersatzrecht begrenzt durch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das besagt, dass der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht "verdienen" soll (vgl. BGHZ 154, 395, 398). Dieser Gedanke wurzelt letztlich insoweit im Rechtsstaatsprinzip, als der Rechtsfrieden durch den Schadensersatzprozess hergestellt werden soll. Eine übermäßige Kompensation von Schäden ist nicht dazu geeignet, die Akzeptanz der Entscheidung herbeizuführen. Die Zubilligung eines über die Schadenskompensation um ein Mehrfaches hinausgehenden Zahlungsanspruchs erscheint insoweit rechtsstaatswidrig (vgl. BGHZ 118, 312, 338; Merkt a.a.O. S. 148 ff.).

c) Drohende Ausforschung der Antragstellerin in der so genannten pre-trial-discovery liefert wiederum einen Teilaspekt des Rechtsmissbrauchs (vgl. Greger, in: Erlanger FS für Schwab, S. 331, 344).

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Frage, ob und inwieweit im Rechtshilfeweg auch eine Beweiserhebung für das ausländische Verfahren im Inland durchgesetzt werden kann, grundsätzlich gesonderter Beurteilung bei einem diesbezüglichen späteren Rechtshilfeersuchen unterliegt. Dafür stellt Art. 12 Abs. 1 Buchst. b HBÜ einen gleich lautenden Souveränitätsvorbehalt dahin auf, dass das Ersuchen nur insoweit abgelehnt werden kann, als der ersuchte Staat die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Das schließt grundsätzlich eine vorweggenommene Bewertung der künftig möglichen pre-trial-discovery im Zustellungsverfahren aus. Jedoch kann bei der Prüfung, ob eine Klagezustellung zu versagen ist, weil die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich erfolgt, die weitere Konsequenz der nachfolgenden Ausforschung der Beklagten ein unselbständiger Detailaspekt im Rahmen einer Gesamtwürdigung sein.

In diesem Sinne ist zu beachten, dass eine "pre-trial-discovery" für sich genommen nicht den deutschen ordre public verletzt (BGHZ 118, 312, 323 ff.; a.M. Schütze WM 1979, 1174, 1175). Das kann aber dann der Fall sein, wenn die Ausforschung über den Verfahrensgegenstand hinausgeht. Nach deutschem Verfassungsrecht verletzt es auch in Verfahren mit Instruktionsmaxime das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung, wenn ihm gegen seinen Willen Informationen abgenommen werden, deren Erfassung nicht für Zwecke des konkreten Verfahrens benötigt werden (vgl. BVerfG Beschl. vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02). So kann es aber in der "pre-trial-discovery" liegen. Dort wird durch die gegnerischen Parteien, die das Verfahren nahezu ohne gerichtliche Kontrolle betreiben, regelmäßig die Beantwortung telefonbuchdicker Fragenkataloge verlangt, ferner die Herausgabe interner Informationen und Unterlagen in größtem Umfang. Eine thematische oder quantitative Begrenzung findet kaum statt, weil nach US-amerikanischem Recht auch die Suche nach Spurenansätzen gestattet wird. Eine Auslagenerstattung für den Aufwand, den der Prozessgegner betreiben muss, ist auch dann nicht vorgesehen, wenn Wagenladungen von Unterlagen, zum Teil in einer Übersetzung ins Englische, an den Gerichtsort expediert werden müssen. Eine solche Art der Ausforschung, die im Anschluss an die Erhebung unsubstantiierter Klagen erfolgt, ist dem deutschen Verfahrensrecht fremd. Während die Substantiierungslast für deutsche Kläger dem Rechtsmissbrauch vorbeugen soll und insoweit aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens aufgestellt wird (vgl. Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, 1976, S. 112 ff.), lädt die Möglichkeit der Erhebung unsubstantiierter Klagen mit anschließender Ausforschung der beklagten Partei nach dem US-amerikanischen Prozessrecht zum Rechtsmissbrauch ein. Diese Missbrauchsanfälligkeit ist zwar nicht per se ein Grund, den deutschen ordre public als verletzt anzusehen (vgl. BGHZ 118, 312, 323 f.); sie kann aber im Einzelfall den Hintergrund eines konkreten Rechtsmissbrauchs bilden, der zum Eingreifen des Souveränitätsvorbehalts nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ führt.

d) Besondere Bedeutung hat im vorliegenden Fall ein weiterer Aspekt, der der Klage das Gepräge als Rechtsmissbrauch verleiht. Die Inanspruchnahme extraterritorialer Rechtsprechungsgewalt verletzt im konkreten Fall das Territorialitätsprinzip und ist daher auch völkerrechtswidrig. Sie verleiht bereits der Klagezustellung erhebliche rechtliche Bedeutung, weil ihr im Fall der Extraterritorialität eine zuständigkeitsbegründende Wirkung zukommen kann, die andernfalls nicht bestünde (vgl. Koch/Diedrich ZIP 1994, 1830).

Die Kläger wollen die Antragstellerin, welche ihren Sitz in Deutschland hat, wegen eines Verhaltens ihrer kanadischen Tochtergesellschaft auf kanadischem Hoheitsgebiet in den USA auf Schadensersatz, Gewinnabschöpfung und Unterlassung weiterer Handlungen in Kanada in Anspruch nehmen. Damit wird eine deutsche Gesellschaft wegen extraterritorialer Handlungen in einem Drittstaat vor einem US-amerikanischen Gericht verklagt. Dieses Begehren kann im konkreten Fall nicht durch Klagezustellung im Inland als Hoheitsakt gefördert werden, weil es die Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 13 Abs. 1 HZÜ gefährdet.

Extraterritoriale Ausübung von Rechtsprechungsgewalt ist nicht per se wegen Verletzung des Territorialitätsgrundsatzes völkerrechtswidrig. Sie wird nicht nur vom US-amerikanischen Wettbewerbsrecht in Anspruch genommen, sondern sie liegt etwa auch der deutschen Regelung des § 98 Abs. 2 GWB zugrunde, der dem Auswirkungsprinzip folgt, wobei allerdings nicht lediglich theoretische Auswirkungen der extraterritorialen Handlung auf den innerstaatlichen Wettbewerb genügen (vgl. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 159). Das US-amerikanische Antitrust-Recht nach der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court folgte nur zunächst dem Ansatz, dass extraterritoriale Handlungen, die nach dem Recht des Handlungsortes rechtmäßig sind, nicht dem US-amerikanischen Recht und der dortigen Jurisdiktion unterliegen (American Banana Co. vs. United Fruit Co., 213 U.S. 347, 29 S.Ct. 511, 53 L.Ed. 826 [1909]). Später wurde dies in Fällen eingeschränkt, in denen sich die extraterritoriale Handlung als Einfuhrbeschränkung in die Vereinigten Staaten auswirkt (U.S. vs. Sisal Sales Corp., 274 U.S. 268, 7 S.Ct. 592, 71 L.Ed. 1042 [1927]). Dies ist nun ständige Rechtsprechung, die den innerstaatlichen Erfolg extraterritorialer Handlungen der inländischen Handlung gleichsetzt (U.S. vs. Aluminium C. of America, 148 F.2d 416 [2d Cir. N.Y. 1945]). Neben der Inlandswirkung wird dabei aber auch geprüft, ob ein "true and direct conflict" vorliegt, also eine Abweichung des US-amerikanischen Rechts von dem Recht des Staates, in dem die wettbewerbsbeschränkende Handlung vorgenommen wurde. Das trifft hier nicht zu.

Im vorliegenden Fall geht es darum, dass die Importbeschränkung, welche durch die behauptete Handlung der Tochtergesellschaft der Antragstellerin in Kanada zum Nachteil des US-amerikanischen Marktes bewirkt wird, sogar im Einklang mit dem Arzneimittelimportverbot des US-amerikanischen Rechts steht. Die Einfuhr von verschreibungspflichtigen Medikamenten durch US-Bürger aus Kanada in die Vereinigten Staaten ist auch nach dem US-amerikanischen Recht verboten und nach dem Klagevorbringen nur aufgrund einer rechtspolitischen Wunschvorstellung "de facto legal". Wird dieser dem geltenden Gesetzesrecht widersprechende Wunsch im Klageweg unter Ausnutzung der Schwächen der Institute der "class action", der "pre-trial-discovery", der "treble damages" sowie einer erhebliche Medienkampagne mit dem Ziel verfolgt, die beklagten Unternehmen zu Vergleichsabschlüssen zu zwingen, so verletzt dieser Rechtsmissbrauch die Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland, soweit es um die Klagezustellung an ein deutschen Unternehmen im Inland geht.

Ende der Entscheidung

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