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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 27.11.2000
Aktenzeichen: 13 UF 192/00
Rechtsgebiete: BGB, BSHG
Vorschriften:
BGB § 1601 ff. | |
BSHG § 91 Abs. 2 S. 2 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 13 UF 192/00 40 F 447/99 AG Koblenz
Verkündet am 27.November 2000
Nürnberg, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in der Familiensache
wegen Kindesunterhalts aus übergegangenem Recht.
Der 13. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und auf die mündliche Verhandlung vom 16.Oktober 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - vom 01.März 2000 teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 38.299,20 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 13.12.1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 23 % und die Beklagte 77 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 57.000 DM abwendet, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.300 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Vorlage einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank erbracht werden.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
I.
Die Beklagte ist die Mutter des am 12.06.1955 geborenen schwerstbehinderten Sohnes, der bis Anfang März 2000 in ihrem Haushalt gelebt hat und von ihr versorgt und gepflegt worden ist. Der Sohn leidet seit seiner Geburt an einer Hirnschädigung, infolge derer es zu einer ausgeprägten körperlichen Behinderung und psychischen Beeinträchtigung, wie u.a. einem Schwachsinn mittleren Grades mit gravierender Sprachbehinderung gekommen ist. Er sitzt im Rollstuhl und ist in allen Lebensbereichen auf die Hilfe Anderer angewiesen. Nach einem Gutachten der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz bedarf er der gänzlichen physischen Versorgung als auch der psychischen Betreuung und Beaufsichtigung.
Die Klägerin hat dem Sohn der Beklagten seit dem 01.01.1983 - neben Hilfe zur Pflege und Krankenhilfe - laufend Hilfe zum Lebensunterhalt in wechselnder Höhe gewährt und die Beklagte in der Vergangenheit auf Rückzahlung der mit Bescheiden vom 29.05.1984 und 21.08.1984 auf sie übergeleiteten Unterhaltsansprüche in Anspruch genommen. In hierüber geführten Rechtsstreiten ist die Beklagte insoweit zur Zahlung der übergeleiteten Unterhaltsansprüche für die Zeit vom 01.01.1986 bis 28.07.1989 (AG Koblenz 18 F 126/90, BGH XII ZR 164/91), vom 02.12.1989 bis 31.12.1990 (AG Koblenz 40 F 326/94, OLG Koblenz 13 UF 683/95) und vom 01.01.1991 bis 31.12.1993 (AG Koblenz 40 F 286/97, OLG Koblenz 13 UF 482/98) verurteilt worden.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche für die Zeit vom 01.01.1994 zum 30.11.1999 in Höhe eines Gesamtbetrages von 50.021,55 DM geltend. Die Parteien streiten über die Frage, ob eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen Vorliegens einer unbilligen Härte im Sinne des § 91 Abs.2 Satz 2 BSHG ausgeschlossen ist.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und das Vorliegen einer unbilligen Härte unter Berufung auf die zuletzt ergangene Entscheidung des Senats (13 UF 482/98) verneint. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die an ihrer Rechtsauffassung festhält und weiterhin die Klageabweisung begehrt.
II.
Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Unterhaltsansprüche des Sohnes sind für die Zeit ab Verrentung der Beklagten nur noch teilweise auf die Klägerin übergegangen.
Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, dass der volljährige Sohn der Beklagten, der aufgrund seiner schweren Behinderung nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1601 ff. BGB gegen seine Mutter - die Beklagte - hat; der Vater ist verstorben. Nicht umstritten ist auch, dass sich dieser (bürgerlich-rechtliche) Unterhaltsanspruch unter Berücksichtigung des der Beklagten zu belassenden Selbstbehalts auf die von der Klägerin errechneten Beträge von monatlich 961,32 DM in der Zeit vom 01.01.1994 bis zum 30.04.1995, monatlich 810,31 DM in der zeit vom 01.05.1995 bis zum 31.12.1995 und monatlich 610,31 DM in der Zeit vom 01.01.1996 bis zum 30.11.1999 beläuft. Ein gesetzlicher Forderungsübergang auf die Klägerin, die in der vorgenannten Zeit laufend Hilfe zum Lebensunterhalt (vom 1.1.1994 bis 30.11.1994 in geringerer, ab dem 1.12.1994 in einer den Unterhaltsanspruch jeweils übersteigenden Höhe) geleistet hat, findet gemäß § 91 BSHG in der ab 27.Juni 1993 geltenden Fassung für die Zeit ab Verrentung der Beklagten am 01.05.1995 jedoch nur noch teilweise statt.
Gemäß § 91 Abs.2 Satz 2 BSHG ist der gesetzliche Forderungsübergang des Anspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen nämlich ausgeschlossen, wenn dies eine einbillige Härte bedeuten würde. Das Gesetz konkretisiert dies in Satz 2, 2.Halbsatz der vorgenannten Vorschrift dahingehend, dass ein Härtefall in der Regel bei unterhaltspflichtigen Eltern angenommen werden muss, soweit der Sozialhilfeträger einem Behinderten, einem von einer Behinderung Bedrohten oder einem Pflegebedürftigen nach Vollendung des 21.Lebensjahres Eingliederungshilfe für Behinderte (§5 39 ff BSHG) oder Hilfe zur Pflege (§§ 68 ff BSHG) gewährt. Diese, der allgemeinen Härteregelung (Satz 2, 1.Halbsatz) grundsätzlich vorgehende besondere Härteklausel gilt allerdings nur bei den vorgenannten bestimmtem Hilfen in besonderen Lebenslagen, nicht aber, wenn und soweit der Sozialhilfeträger andere Leistungen, wie hier die Hilfe zum Lebensunterhalt, gewährt. Sinn und Zweck der im 2.Halbsatz konkretisierten Privilegierung von Eltern pflegebedürftiger Kinder ist es, diese durch die Behinderung ihres erwachsenen Kindes ohnehin schwer getroffenen Eltern in solchen Fällen finanziell zu entlasten, in denen bei typisierender Betrachtungsweise über den täglichen Lebensunterhalt hinaus durch Maßnahmen der Eingliederungshilfe oder erforderliche Pflegekosten besonders hohe Kosten entstehen (Oesterreicher/Schelter/Kuntz, BSHG, § 91 Rdnr. 134 f; Fichtner/Schaefer, BSHG, § 91 Rdnr.44 ff; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, § 91 Rdnr. 82 f, 90 ff; BVerwG 56, 223; BVerwG NJW 93, 150; OLG Hamm FamRZ 1999, 126, 127). Demgegenüber entstehen durch den laufenden Lebensunterhalt, deren Deckung die Klägerin vorliegend Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt hat, keine solchen zusätzlichen Kosten, Eltern auch ihren volljährigen Kindern - ggfls. lebenslang - Unterhalt nach den §§ 1601 ff BGB schulden, wenn diese außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Die Hilfe zum Lebensunterhalt, die hier für den volljährigen Sohn J nur deshalb gezahlt worden ist, weil die Beklagte ihre (Bar-)Unterhaltspflicht nicht erfüllt hat, ist deshalb auch eine unterhaltsabhängige Leistung, die grundsätzlich unabhängig vom Bestehen einer Behinderung gewährt wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Eltern bei einer Heimunterbringung ihres Kindes nicht wegen der Kosten des Lebensunterhalts in Anspruch genommen werden können und insoweit bei einer Heimunterbringung (kostenmäßig) privilegiert werden, während Eltern, die ihr Kind zuhause pflegen und betreuen, für dessen Lebensunterhalt aufzukommen haben. Diese unterschiedliche Behandlung beruht darauf, dass der Gesetzgeber die Kosten des Lebensunterhalts bei einer Heimunterbringung in § 27 Abs.3 BSHG ausdrücklich der Hilfe in besonderen Lebenslagen zugeordnet hat, für die eine (im Übrigen eingeschränkte) Einsatzpflicht der Eltern nur in der Zeit der Minderjährigkeit der Kinder in Betracht kommen kann (§ 28 BSHG). Auch wenn diese unterschiedliche Behandlung als unbefriedigend erscheinen mag und fraglich ist, ob die finanzielle Heranziehung von Eltern, die die Bürde der häuslichen Pflege ihres volljährigen behinderten Kindes auf sich nehmen, mit den Zielen der §§ 3 a, 7 Satz 2, 69 BSHG vereinbar ist, wonach der offenen Hilfe Vorrang gebührt, der Zusammenhalt der Familien und deren Kräfte zur Selbsthilfe gefördert und gefestigt werden sollen sowie Hilfe zur Pflege möglichst in Pflege durch nahe stehende Personen erfolgen soll, Sind die Gerichte nicht befugt, die in § 91 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BSHG ausdrücklich nur für die Eingliederungshilfe und die Hilfe zur Pflege in einem Heim getroffene Regelung auch auf die Fälle der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt zu erstrecken. Es liegt vielmehr im Ermessen des Gesetzgebers, ob und ggfls. inwieweit und in welcher Richtung (Inanspruchnahme oder Nichtinanspruchnahme) er eine Anpassung regelt (BVerwG FEVS Bd.49/1999, 529, 531 f; BVerwG NJW 1993, 150, 151; anders AG Bergheim im Urteil vom 01.10.1998 - 61 F 193/98 -; Leitsatz abgedr. in FamRZ 1999, 1025).
Der gesetzliche Übergang des Unterhaltsanspruchs ist vorliegend allerdings wegen der allgemeinen Härteregelung des § 91 Abs.2 Satz 2 1.Halbs. BSHG teilweise für die zeit ab Verrentung der Beklagten ausgeschlossen.
Der Begriff der unbilligen Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. was unter dem (allgemeinen) Begriff Härte zu verstehen ist, unterliegt den sich wandelnden Anschauungen der Gesellschaft; was in früheren Zeiten im Rahmen des Familienverbundes als selbstverständlicher Einsatz von Familienmitgliedern angesehen und gefordert wurde, wird heute vielfach als Härte empfunden (BVerwG 41, 26, 28; 58, 209, 211 ff). Bei der Auslegung des sozialhilferechtlichen Härtebegriffs ist deshalb zunächst zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber Härtevorschriften regelmäßig nur deswegen einfügt, weil er mit den Regelvorschriften zwar einem dem Gesetz zugrunde liegenden typischen Sachverhalt gerecht werden kann, nicht aber dem atypischen. Für die Bestimmung der Härte kommt es deshalb darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften des Gesetzes zu einem diesen Leitvorstellungen nicht entsprechenden Ergebnis führen würde, wenn also durch die Inanspruchnahme - hier: der Beklagten für die ihrem Sohn geleistete Hilfe zum Lebensunterhalt - soziale Belange vernachlässigt werden müssten (BVerwG 22, 149; Fichtner a.a.O., Rdnr.41 f; Oesterreicher a.a.O, Rdnr.131; Schellhorn a.a.O., Rdnr.86; Schellhorn in EuR 1993, 261, 267). Kriterien für das Vorliegen einer Härte sind danach u. a. die Dauer und Höhe der bisherigen Unterhaltsbelastung, die Betreuung und Pflege des Hilfeempfängers durch den Unterhaltsverpflichteten vor dem Eintreten der Sozialhilfe über das Maß seiner Unterhaltspflicht hinaus, das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit sowie Umfang der Selbständigkeit bzw. Abhängigkeit im lebenspraktischen Bereich, die Höhe des Einkommens, das Alter des Unterhaltsberechtigten und ein eventueller Rentenbezug des Unterhaltsverpflichteten (Schellhorn, FuR 1993, 261, 266; OLG Köln FamRZ 1997, 53).
Gemessen, daran liegt eine unbillige Härte ab dem 01.05.1995 vor mit der Folge, dass der Beklagten ein Einsatz ihres den (angemessenen) Selbstbehalt übersteigenden Einkommens nur noch teilweise zugemutet werden kann.
Die heute 69 Jahre alte Beklagte befindet sich seit dem 01.05.1995 im Ruhestand; sie bezieht seitdem eine Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und eine Zusatzrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Höhe von zusammen 2.733,71 DM, nach Abzug der von der Klägerin anerkannten Belastungen in Höhe von bereinigt 2.410,31 DM. Über weitere Einkünfte oder Vermögen, insbesondere auch Grundvermögen, verfügt sie nicht, so dass bei ihr jedenfalls keine außergewöhnlich guten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse - wie auch schon während der Zeit ihrer Erwerbstätigkeit - gegeben sind. Im Zeitpunkt ihrer Verrentung hatte die Beklagte ihren damals fast 40 Jahre alten Sohn seit seiner Geburt gepflegt und versorgt, wobei sie teilweise die Mithilfe von Familienangehörigen bzw. nahe stehenden Personen (zunächst die Großmutter, später ihren Lebensgefährten) in Anspruch genommen hat, weil sie selbst (die Ehe mit dem Kindesvater ist bald nach der Geburt des behinderten Sohnes geschieden worden) arbeiten gegangen ist, um den Lebensunterhalt für sich und auch den Sohn sicherzustellen. Dadurch hat sie über lange Jahre eine erhebliche Doppebelastung auf sich genommen, indem sie neben ihrer Erwerbstätigkeit jede freie Minute dem behinderten Kind gewidmet und ihr ganzes Leben auf dieses abgestellt hat sowie daneben der Allgemeinheit Sozialhilfeleistungen erspart hat, die andernfalls für sie und den Sohn zur Deckung des Lebensbedarfs hätten aufgebracht werden müssen. Soweit die Klägerin vor dem hier maßgeblichen Stichtag der Verrentung Hilfe zum Lebensunterhalt für den Sohn geleistet hat, hat die Beklagte diese Zahlungen in Höhe der auf die Klägerin übergeleiteten und übergegangenen Unterhaltsansprüche erstattet bzw. muss sie für die Zeit vom 01.01.1994 bis 30.04.1995 aufgrund der vorliegenden Entscheidung zahlen. Im Hinblick auf die erhebliche Betreuungsbedürftigkeit des Sohnes, der in allen Lebensbereichen (u.a. Ankleiden, waschen, Toilettenbesuch, Essen) auf fremde Hilfe angewiesen ist und sich infolge der geistigen Behinderung nicht allein beschäftigen kann, vielmehr der Überwachung und Beaufsichtigung bedarf, hat die Beklagte bis zu ihrem 63.Lebensjahr (Verrentung) jedenfalls viele Jahre überobligationsmäßig gearbeitet und sich weit über das Maß ihrer Unterhaltspflicht hinaus um den behinderten Sohn gekümmert. Die von ihr und ihrem Lebensgefährten freiwillig zu ihrer Entlastung erbrachten Pflegeleistungen sind in der Vergangenheit bedarfsdeckend (im Jahr 1990 mit einem monatlichen Betrag von 835 DM; vgl. OLG Koblenz - 13 UF 683/95) auf den Barunterhaltsbedarf des Sohnes angerechnet worden. Die Beklagte hat damit vor ihrer Verrentung in bereits fortgeschrittenem Alter für den volljährigen behinderten Sohn im Vergleich zu Eltern eines gesunden Kindes deutlich mehr als 10 Jahre länger Barunterhalt (wenn davon ausgegangen wird, dass ein Studium mit 27 Jahren abgeschlossen ist) und mehr als 20 Jahre länger Betreuungs- und vor allem umfangreiche Pflegeleistungen erbracht, die für ein gesundes Kind nicht anfallen. Mit dem Eintritt in den Ruhestand hat die mit erheblicher körperlicher und nervlicher Beanspruchung einhergehende Versorgung und Pflege ihres Sohnes in dem hier maßgeblichen Zeitraum weiter geleistet und nicht die Früchte ihres Ruhestands genossen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allgemein die Spannkraft und Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter nachlässt und die Beklagte bei Eintritt in den Ruhestand aufgrund der besonderen psychischen und körperlichen Belastung gesundheitlich angeschlagen war. Wenn die Beklagte neben der gleichwohl weiter erbrachten aufopferungsvollen häuslichen Pflege des Sohnes im Ruhestand auch noch den vollen (bürgerlich-rechtlichen) Barunterhaltsanspruch in Höhe des ihren Eigenbedarf übersteigenden Betrages übernehmen soll, wird sie in einem so weit über das übliche Maß hinausgehenden Umfang belastet, dass dies eine unbillige Härte im Sinne des § 91 Abs.2 Satz 2 1.Halbs. BSHG darstellt.
Das Vorliegen eines (allgemeinen) Härtefalles führt vorliegend jedoch nicht dazu, dass ein Forderungsübergang auf die Klägerin ab dem 01.05.1995 überhaupt nicht mehr stattfindet. Umfang und Dauer der ungewöhnlichen Belastung der Beklagten sind vielmehr bei der Quote zu berücksichtigen, zu der ein Einsatz ihres Einkommens zugemutet wird (vgl. OVG Lüneburg, FamRZ 1994, 1430). Unter Abwägung aller vorgenannten Kriterien hält es der Senat vorliegend für angemessen, der Beklagten ein Drittel ihres über den angemessenen Eigenbedarf hinausgehenden Einkommens zu belassen, wodurch ihr eine gewisse Entlastung im Ruhestand zuteil wird. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 91 Abs.2 Satz 2 BGB und den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe ist ihr der Einsatz der verbleibenden zwei Drittel des Einkommensüberhangs weiterhin zuzumuten und nicht wegen Vorliegens einer unbilligen Härte ausgeschlossen.
Der Senat war nicht daran gehindert, das Vorliegen einer unbilligen Härte selbst zu überprüfen, nachdem durch die zum 27.Juni 1993 in Kraft getretene Neufassung des § 91 BSHG der Anspruchsübergang nicht mehr durch eine im Ermessen des Sozialhilfeträgers stehende Überleitungsanzeige (Verwaltungsakt) erfolgt, sondern der Unterhaltsanspruch als Folge der Gewährung von Sozialhilfe kraft Gesetz auf den Träger der Sozialhilfe übergeht. Durch diese Neuregelung des Übergangs von Unterhaltsansprüchen würde auch der bis dahin gespaltene Rechtsweg vereinheitlicht und obliegt es jetzt dem zuständigen Zivilgericht, sowohl die Härteregelung des § 91 Abs.2 Satz 2 BSHG als auch die Voraussetzungen des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs nach den §§ 1601 ff BGB zu prüfen (Scheuhorn BSHG, a.a.O., Rdnr.7; Eichhorn/Fergen, Praxis der Soziahlhilfe, 3.Aufl., S.1176 Ziff.6; OLG Oldenburg, FamRZ 1996, 625, 627).
Die Beklagte hat ihrem Sohn nach der nicht bestrittenen Berechnung und Auflistung der Klägerin in der Zeit vom 01.01.1994 bis zum 30.04.1995 Unterhalt in Höhe von insgesamt (zumindest) 14.854,50 DM geschuldet, der in dieser Höhe auf die Klägerin übergegangen ist. Für die Zeit ab dem 01.05.1995 bis zum 30.11.1999 beläuft sich der über den angemessenen Selbstbehalt hinausgehende Einkommensüberhang der Beklagten, den die Klägerin wegen der darüber hinausgehenden Sozialhilfezahlungen in voller Höhe beansprucht, auf insgesamt 35.167,05 DM. Dieser Betrag ist im Hinblick auf das Vorliegen einer unbilligen Härte bei voller Inanspruchnahme der Beklagten um ein Drittel, mithin um 11.722,35 DM, zu kürzen, so dass für die Zeit des Ruhestandes nur ein Teilbetrag von 23.444,70 DM und für den gesamten hier geltend gemachten Zeitraum ein Betrag von 38.299,20 DM auf die Klägerin übergegangen ist.
Eine darüber hinausgehende Herabsetzung des von der Beklagten aus übergegangenem Recht zu zahlenden Unterhalts ergibt sich nicht daraus, dass sie wegen der Erhöhung des ihr zu belassenden Selbstbehalts nur geringeren Unterhalt nach den §§ 1601 ff. BGB schulden würde. Der Senat bemisst den angemessenen Selbstbehalt unterhaltspflichtiger Eltern gegenüber volljährigen Kindern in ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an die als Orientierungshilfe herangezogenen Richtlinien der Düsseldorfer Tabelle, wonach dieser mit einem Pauschalbetrag von 1.600 DM bis zum 31.12.1995 und 1.800 DM ab dem 01.01.1996 angenommen wird. Soweit für die übrigen Unterhaltsverhältnisse des Verwandtenunterhalts derartige Richtlinien fehlen und in der Rechtsprechung der Selbstbehalt unterhaltspflichtiger Kinder gegenüber ihren Eltern teilweise mit anderen Beträgen angenommen wird, sieht der Senat keinen Anlass, hier von den üblichen pauschalierten Selbstbehaltsätzen abzuweichen.
Der Berufung der Beklagten war deshalb im vorgenannten Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr.10, 711, 108 ZPO.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, wann eine unbillige Härte im Sinne des § 91 BSHG bei Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt anzunehmen ist, bisher nicht vorliegt.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.021,55 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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