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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 21.05.2001
Aktenzeichen: 13 UF 35/01
Rechtsgebiete: ZPO, BSHG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BSHG §§ 39 f.
BSHG § 91 Abs. 2 Satz 2
BSHG § 40
BGB §§ 1601 f.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Geschäftsnummer: 13 UF 35/01

Verkündet am 21. Mai 2001

in der Familiensache

wegen Kindesunterhalts.

Der 13. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Wolff, Darscheid und Schilz-Christoffel auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des ^Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Westerburg vom 30. November 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der am 12.1972 geborene Kläger ist der Sohn des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Er ist seh- und lernbehindert, seine Mutter ist für ihn als Betreuerin bestellt worden. Der Kläger lebt seit 1990 in der Dorfgemeinschaft E........ in K....... und arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte. Der L..........verband Rheinland leistet für ihn Eingliederungshilfe nach den §§ 39 f. BSHG, die neben den Kosten für die Heimunterbringung und die Werkstatt auch die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beinhaltet. Daneben erhält er einen Barbetrag als Taschengeld in Höhe von 159,30 DM bis einschließlich Juni 1997 und 161,70 DM ab Juli 1997. Der L..........verband Rheinland hat den Beklagten nach Überprüfung seiner Einkommensverhältnisse nicht auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrages für den Kläger in Anspruch genommen.

Mit der Klage hat der Kläger vom Beklagten ab dem 12.7.1997 die Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 1.050 DM bis Juni 1998, 1.100 DM von Juli 1998 bis Juni 1999 und 1.120 DM ab Juli 1999 verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Bedarf des Klägers durch die gewährte Eingliederungshilfe gedeckt sei. Einen zusätzlichen Bekleidungsbedarf müsse er zunächst aus der ihm zustehenden Bekleidungsbeihilfe decken, die Fahrtkosten könne er selbst aus dem zur Verfügung stehenden Barbetrag zahlen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er noch einen monatlichen Unterhalt von 400 DM geltend macht. Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und stützt einen zusätzlichen Bedarf von jedenfalls 400 DM auf seinen Bekleidungsbedarf sowie die Kosten für Heimfahrten.

Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat einen Unterhaltsanspruch des Klägers mit umfassender und zutreffender Begründung zu Recht versagt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt nach den §§ 1601 f. BGB zu, weil sein Bedarf durch die geleistete Eingliederungshilfe gedeckt ist. Der Bedarf eines volljährigen, in einem Heim untergebrachten Kindes richtet sich nach den tatsächlichen durch die Unterbringung entstehenden Kosten (BGH FamRZ 1986, 48, 49). Werden diese vom Träger der Sozialhilfe getragen und kann eine Erstattung vom an sich barunterhaltspflichtigen Elternteil nicht verlangt werden, so ist der Unterhaltsbedarf des Kindes gedeckt (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rn. 148; OLG Hamm, FamRZ 1987, 742). So liegt der Fall hier.

Der Kläger erhält Eingliederungshilfe nach den §§ 39 f. BSHG. In diesen Fällen ist der gesetzliche Forderungsübergang eines Unterhaltsanspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichteten gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG ausgeschlossen, wenn dies eine unbillige Härte bedeuten würde. Das Gesetz konkretisiert den Härtefall in Satz 2, 2. Halbsatz der vorgenannten Vorschrift dahin gehend, dass ein solcher in der Regel bei unterhaltspflichtigen Eltern angenommen werden muss, soweit der Sozialhilfeträger - wie hier - einem Behinderten, einem von einer Behinderung Bedrohten oder einem Pflegebedürftigen nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe für Behinderte (§§ 39 ff. BSHG) oder Hilfe zur Pflege (§§ 68 ff. BSHG) gewährt. Sinn und Zweck der konkretisierten Privilegierung von Eltern pflegebedürftiger Kinder ist es, diese durch die Behinderung ihres erwachsenen Kindes ohnehin schwer getroffenen Eltern in solchen Fällen finanziell zu entlasten, in denen bei typisierender Betrachtungsweise über den täglichen Lebensunterhalt hinaus durch Maßnahmen der Eingliederungshilfe oder erforderliche Pflegekosten besonders hohe Kosten entstehen (Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, § 91 Rn. 134 f.; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, § 91 Nr. 82 f., 90 ff.; BVerwG 56, 220, 223; OLG Hamm, FamRZ 1999, 126, 127). Eine Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Eltern durch den Sozialhilfeträger kommt in einem solchen Fall nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Einsatz öffentlicher Mittel nach dem Interesse und der Anschauung der Allgemeinheit unangemessen und mit dem Anliegen der Sozialhilfe unvereinbar wäre. Dies ist, unabhängig vom Vorliegen sonstiger Voraussetzungen, nur dann denkbar, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil in außerordentlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, was beim Beklagten ersichtlich nicht bejaht werden kann. Scheidet mithin ein Rückgriff des Sozialhilfeträgers wegen Vorliegens einer besonderen Härte aus, so ist die dem Kläger gewährte Eingliederungshilfe als eigenes Einkommen anzurechnen. Damit ist der Unterhaltsbedarf des Klägers gedeckt.

Ein Anspruch in Höhe eines regelmäßigen Mehrbedarfs von 400 DM monatlich ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den vom Kläger behaupteten Bekleidungsbedarf und die Fahrtkosten.

Einen zusätzlichen Kleiderbedarf hat der Kläger schon nicht schlüssig dargelegt. Er hat nach eigenen Angaben einen Anspruch auf Kleiderbeihilfe in Höhe von 700 DM alle zwei Jahre. Diesen Anspruch hat er seit seiner im Jahr 1990 erfolgten Aufnahme in der Dorfgemeinschaft E........ jedoch nicht ausgeschöpft, sondern lediglich 1.445,35 DM bis Mitte September 2000, mithin innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren, geltend gemacht. Unabhängig davon, dass der Kläger zu Recht darauf zu verweisen ist, seinen Bedarf zunächst aus der ihm zustehenden Bekleidungsbeihilfe zu decken, weist seine geringe Inanspruchnahme darauf hin, dass er keineswegs den behaupteten erheblichen Bekleidungsbedarf hat. Der Kläger benötigt infolge seiner Heimunterbringung und der Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt nämlich weniger aufwendige Oberbekleidung, insbesondere Anzüge, als dies bei einem gesunden Erwachsenen der Fall ist, der im Erwerbsleben steht und in anderem Umfang am täglichen Leben und an Freizeitaktivitäten außerhalb eines Heimes teilnimmt. Darüber hinaus kann der Kläger, worauf das Amtsgericht ebenfalls bereits hingewiesen hat, seinen Kleiderbedarf auch bei einer Körpergröße von 1,90 m durchaus zu normalen Preisen "von der Stange" decken, da heute jedes größere Bekleidungsgeschäft über ein entsprechendes Angebot verfügt. Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt, welchen Bedarf er tatsächlich hat. Es fehlt jegliche Auflistung darüber, was im Einzelnen innerhalb eines Jahres zu welchem Preis angeschafft worden ist und notwendig war sowie durch den Anspruch auf Kleiderbeihilfe nicht abgedeckt werden konnte.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch im Hinblick auf einen regelmäßigen Mehrbedarf wegen der Heimfahrten zu seiner Mutter zu. Das Amtsgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger diese Fahrtkosten aus dem vom L..........verband Rheinland monatlich gezahlten Barbetrag von rund 160 DM tragen kann. Der als Taschengeld gezahlte Barbetrag dient zur Abdeckung persönlicher, vom Heim nicht übernommener Bedürfnisse, wie persönliche Hygieneartikel, Süßigkeiten und Ähnliches. Hierfür hat der Kläger aber auch dann noch ausreichende Mittel zur Verfügung, wenn er die Fahrtkosten aus dem Barbetrag zahlt. Nach dem Schreiben der Dorfgemeinschaft E........ vom 17.1.2000 hat der Kläger seine Mutter in der Zeit von Dezember 1998 bis Dezember 1999 insgesamt siebenmal besucht, wobei er teilweise von M..... nach D......... (einfache Fahrt 32 DM) und teilweise von B........ aus (einfache Fahrt 25 DM) gefahren ist. Danach hat er auf den Monat umgelegte Fahrtkosten zwischen 35 und 40 DM, so dass ihm noch ein Taschengeld von rund 120 DM für sonstige vom Heim nicht getragene Bedürfnisse verbleibt. Dies erscheint ausreichend, wie schon das Amtsgericht dargelegt hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger vom L..........verband Rheinland auch die Erstattung der Fahrtkosten für Heimfahrten verlangen könnte.

Nach § 40 BSHG kann einem im Heim oder einer gleichartigen Einrichtung untergebrachten Behinderten nämlich ein Anspruch auf Beihilfe für Besuchsreisen zu Angehörigen zustehen, um den Kontakt mit diesem aufrechtzuerhalten (vgl. BVerwG 35, 99 f.; Fichtner, BSHG, 1999, § 40 Rn. 67 f.).

Die Berufung des Klägers ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.800 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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