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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 13 UF 623/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Den Anspruch auf Schadensersatz oder ungerechtfertigte Bereicherung wegen Zahlungen aufgrund eines unwirksamen Prozessvergleichs ist im Ausgangsverfahren geltend zu machen (im Anschluss an BGH NJW 1999, 2903). Nach rechtskräftigem Abschluss des nach Anfechtung des Prozessvergleichs fortgesetzten Ausgangsverfahrens ist eine Klage auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich unzulässig.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftsnummer: 13 UF 623/08

Verkündet am 25. März 2009

in der Familiensache wegen Trennungsunterhalts (Rückforderung)

Der 13. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Peters, den Richter am Oberlandesgericht Haupert und die Richterin am Oberlandesgericht Schilz-Christoffel auf die mündliche Verhandlung 04. März 2009

für Recht erkannt: Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Koblenz vom 18.September 2008 abgeändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen. Gründe: I. Die Ehe der Parteien ist seit 08.07.2007 rechtskräftig geschieden. Im Verfahren 20 F 612/02 AG Koblenz hatte die Klägerin Trennungs- und Kindesunterhalt geltend gemacht. Hier wurde im Termin vom 24.07.2003 ein Vergleich geschlossen. Dabei hatte die Beklagte nicht offenbart, dass sie außer ihren Einkünften aus einer Halbtagstätigkeit ab April 2003 weitere Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 400,00 € erzielte.

Nachdem der Kläger hiervon erfahren hatte, focht er durch Schreiben vom 01. September 2004 den Vergleich wegen arglistiger Täuschung an und erhob Abänderungsklage (20 F 131/04 - AG Koblenz), die in 1. Instanz Erfolg hatte, aber auf die Berufung der Beklagten durch Senatsurteil vom 16. Januar 2006 (13 UF 814/04) als unzulässig abgewiesen wurde mit der Begründung, die Unwirksamkeit des Vergleichs sei im Ausgangsverfahren geltend zu machen. Jenes sei aufgrund der Unwirksamkeit des Prozessvergleichs nicht beendet, denn die infolge der Anfechtung materielle Unwirksamkeit führe auch zur Unwirksamkeit des Vergleichs als Prozessbeendigungsvertrag. Im Ausgangsverfahren 20 F 612/02, das daraufhin fortgeführt wurde, wurde der jetzige Kläger dann durch Urteil des Amtsgerichts vom 26.07.2007 verurteilt, Trennungsunterhalt bis einschließlich März 2003 zu zahlen, die weitergehende Klage wurde - wegen Verwirkung - abgewiesen. Durch Senatsurteil vom 10.03.2008 (13 UF 550/07) wurde der vom jetzigen Kläger zu zahlende Betrag noch ermäßigt, weil insoweit der Anspruch bereits erfüllt sei. Mit vorliegender am 30.12. 2005 eingegangener und am 20.01.2006 zugestellter Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung von für die Zeit von April 2003 bis August 2004 gezahlten Unterhaltsbeträgen (je 491,00 €) sowie von verauslagten Vollstreckungskosten in Höhe von 186,66 €, insgesamt 8.533,66 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht gab der Klage durch das angefochtene Urteil vom 18.09.2008 statt mit der Begründung, dem Kläger stehe ein entsprechender Anspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) zu. Die Beklagte habe einen Prozessbetrug begangen und dementsprechend für den Schaden einzustehen, der dem Kläger hierdurch entstanden sei und der dem geleisteten Unterhalt, sowie den aufgewandten Vollstreckungskosten entspreche. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt, im Wesentlichen mit der Argumentation, das Amtsgericht habe zu Unrecht angenommen, der Tatbestand des Betruges sei erfüllt. Sie habe nach der damals maßgebenden Rechtsprechung davon ausgehen dürfen, die von ihr ausgeübte Nebentätigkeit sei überobligatorisch, das hieraus erzielte Einkommen also nicht unterhaltsrelevant. Zumindest aber habe das Amtsgericht übersehen, dass, auch wenn sie ihren Nebenverdienst offenbart hätte, sich immer noch ein Unterhaltsanspruch von 360,00 € ergeben hätte. Der Schaden habe also höchstens 150,00 € pro Monat betragen. Der Kläger hält das Urteil des Amtsgerichts für zutreffend und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Hilfsweise beantragt er, den jetzigen Antrag in einen solchen auf Fortsetzung des Ursprungsverfahrens umzudeuten und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. II.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts hat Erfolg.

Die Klage ist unzulässig. Der Geltendmachung des Anspruchs im vorliegenden Verfahren ist treuwidrig.

Beide Parteien gingen - nach der Entscheidung des Senats vom 16. Januar 2006 (13 UF 814/04) - davon aus, die Unwirksamkeit des Vergleichs sei durch Fortführung des Ursprungsverfahrens geltend zu machen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und, soweit ersichtlich, der inzwischen nahezu einhelligen Auffassung in der Literatur (vgl. etwa BGH NJW 1999, 2903, mit zahlreichen Nachweisen; Musielak/Lackmann ZPO, 6. Aufl. Rn 21 zu § 794; Zöller/Stöber ZPO 27. Aufl. Rn 15a zu § 794).

Diese Auffassung hat ihren Grund zunächst darin, dass ein nichtiger Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ausgangsverfahrens geführt hat und daher einer neuen Klage, jedenfalls soweit mit ihr das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiterverfolgt werden soll, der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegenstehen würde (BGH a.a.O.). Zum anderen hat die Auffassung den Vorzug, dass ein zweiter Prozess um die Wirksamkeit des Vergleichs vermieden wird, dass bereits erhobene Beweise alsbald benutzt werden können, dass in der Mehrzahl der Fälle die Richter, die mit dem Prozessstoff vertraut sind und an dem Vergleich mitgewirkt haben, über den Bestand des Vergleichs entscheiden (BGHZ a.a.O m.w.N.). Hieraus hat der Bundesgerichtshof zunächst die Folgerung gezogen, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage, wenn die rechtliche Unwirksamkeit eines Prozessvergleichs durch die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits geklärt werden könne (BGH NJW 1971, 467, 468). Im Senatsurteil vom 16. Januar 2006 - 13 UF 814/04 - wird diese Rechtsprechung auf die Abänderungsklage angewandt. Der Bundesgerichtshof verneint "in Fortführung dieser Rechtsprechungsgrundsätze das Rechtsschutzbedürfnis für eine neue Klage auf Rückforderung der aufgrund eines - behauptet - nichtigen Vergleichs erbrachten Leistungen jedenfalls dann, wenn diese, wie im Streitfall, ausschließlich die durch den Vergleich auf eine neue Grundlage gestellte Klageforderung des Ursprungsverfahrens betreffen" (BGH NJW 1999, 2903; vgl auch Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl. Rn 15a zu § 794; Musielak/Lackmann ZPO, 6. Aufl. Rn 21 zu § 794). Zwar sei die Rückforderung der erbrachten Leistungen gegenüber der Ursprungsforderung ein anderer Streitgegenstand. Sie beruhe auf einem anderen Klagegrund, nämlich der behaupteten Unwirksamkeit des Prozessvergleichs. Dies bedeute jedoch, dass die Entscheidung in der Sache in gleicher Weise wie eine Weiterverfolgung der ursprünglichen Klageforderung von der Wirksamkeit des Vergleichs abhänge und dass die gegen ein Rechtsschutzbedürfnis für eine neue Klage sprechenden Erwägungen in vollem Umfang auch hier gälten. Trotz der formalen Verschiedenheit der Streitgegenstände sei die Rückforderung das "Spiegelbild" der ursprünglichen Klageforderung, die unlösbar in das Prozessrechtsverhältnis des Ursprungsverfahrens eingebettet sei. Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlte also der im Januar 2006 zugestellten Klage das Rechtsschutzbedürfnis, denn der Rückforderungsanspruch hätte im Ausgangsverfahren 20 F 612/02 geltend gemacht werden können und müssen. Dieses wurde erst durch das Senatsurteil vom 10.03.2008 (13 UF 550/07) beendet. Nun wird man nach Beendigung des Verfahrens 13 UF 550/07 kaum mehr davon sprechen können, für die Klage fehle noch das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Forderung, deren materiellrechtliches Bestehen unterstellt, kann nun nicht mehr in jenem Prozess geltend gemacht werden. Wenn jedoch die Partei die Möglichkeit hatte und, wollte sie nicht die Abweisung als unzulässig riskieren, sogar gehalten war (BGH NJW 1999, 2903), eine Forderung in einem bereits laufenden Prozess gelten zu machen, drängt sich die Frage auf, ob es im Ermessen der Partei liegt, einfach den Ausgang dieses Prozesses abzuwarten (oder wie hier: den bereits rechtshängigen Rückforderungsprozess nicht weiter zu betreiben), um dann in einem neuen Verfahren eben jene Forderung anhängig zu machen. Dies würde den Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses, wie ihn der BGH in der o.g. Entscheidung entwickelt hat, konterkarieren. Dessen Sinn ist es, den Zugang zu den Gerichten (nur) dann zu garantieren, wenn die Partei nicht auf anderem, einfacheren Wege ihr Ziel erreichen kann. Die am Prozessrechtsverhältnis beteiligten Parteien haben den Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten, der als allgemeines Prinzip auch für den Zivilprozess gilt. Prozessuale Möglichkeiten dürfen nicht missbräuchlich ausgenutzt werden (vgl. grundsätzlich: Stein/Jonas/ Brehm, ZPO, 22. Aufl. Rn 221 ff., Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. Rn 17 zu § 242). Das bedeutet nun allerdings nicht, dass im Zivilprozess ohne Weiteres auf diesen Grundsatz zurückgegriffen werden kann. Er ist nur anwendbar, wenn es um prozessuale Verstöße geht und wenn keine vorrangigen Regelungen eingreifen. Materiellrechtliche Treuwidrigkeiten etwa, die im Prozess erfolgen, haben auch nur materiellrechtliche Wirkung (Brehm, a.a.O., Rn 223 ff.). Im Übrigen sind aber die regelmäßig unter § 242 BGB subsumierten Fallgruppen auch im Prozess einschlägig (etwa: Schikaneverbot, venire contra factum proprium, Verwirkung, Rechtsmissbrauch). Hier hat der Kläger die prozessuale Situation, bei der nicht mehr auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis abgestellt werden kann, in treuwidriger Weise erlangt, indem das vorliegende Verfahren zunächst im Hinblick auf das Verfahren 20 F 612/02 = 13 UF 570/07 nach der Sitzung vom 06.07.2006 nicht mehr betrieben und erst Ende 2007 - zunächst formal - wieder aufgenommen wurde, um dann nach Beendigung jenes Verfahrens, in dem die Forderung an sich hätte geltend gemacht werden müssen, diese hier weiter zu verfolgen. Insoweit ist jedoch in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass auch die Geltendmachung verfahrensrechtlicher Rechte den Grundsätzen von Treu und Glauben unterliegt und dass diese verwirkt werden können mit der Folge, dass sie nicht mehr ausgeübt werden dürfen. Diese Verwirkung setzt einen längeren Zeitraum voraus, währenddessen die Möglichkeit der Einleitung von Verfahrensschritten bestand. Diese Möglichkeit muss dem Berechtigten bewusst gewesen sein. (Thüringer Oberverwaltungsgericht , Beschluss vom 16.12.2008 -2 EO 228/08 - juris). Der positiven Kenntnis steht es regelmäßig gleich, wenn die fragliche Streitfrage in der höchstrichterliche Rechtsprechung seit längerem geklärt ist. Das war hier der seit der oben zitierten BGH Entscheidung der Fall (vgl. Musielak/Lackmann ZPO, 6. Aufl. Rn 21 zu § 794; Zöller/Stöber ZPO 27. Aufl. Rn 15a zu § 794). Zudem war der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung in der Senatsentscheidung 13UF 814/04 nochmals deutlich gemacht worden. Wenn der Kläger gleichwohl über zumindest zwei Jahre hin nicht die Konsequenzen hieraus gezogen hat, so bleibt die bereits ursprünglich wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässige Klage auch weiterhin aus dem Gesichtspunkt der prozessualen Verwirkung unzulässig.

Der Hilfsantrag kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Ausgangsverfahren 20 F 612/02 - AG Koblenz durch das Senatsurteil vom 10.03.2008 (13 UF 550/07) endgültig beendet wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711,713 ZPO. Der Senat lässt die Revision zu, weil die Frage bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob - in Konsequenz von BGH NJW 1999, 2903 - die mangels Rechtsschutzbedürfnisses ursprünglich unzulässige Rückforderungsklage unzulässig bleibt, wenn der Ausgangsprozess beendet ist, in dem die Forderung ursprünglich über einen längeren Zeitraum hätte geltend gemacht werden können und müssen. Streitwert: 8.533,66 €

Ende der Entscheidung

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