Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 28.05.2001
Aktenzeichen: 13 UF 727/00
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 1587 o Abs. 2 S. 3
BGB § 1587 o Abs. 1
BGB § 1587 o Abs. 2
BGB § 1587 c Nr. 2
BGB § 1587 c Nr. 3
BGB § 1587 c Nr. 1
BGB § 1587 c
BGB § 242
BGB §§ 1569 ff.
BGB § 1587 Abs. 2
HGB § 89
ZPO § 97 Abs. 1
GKG § 17 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 13 UF 727/00

Verkündet am 28. Mai 2001

in der Familiensache

wegen Versorgungsausgleichs als Scheidungsfolgesache.

Der 13. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Wolff, Darscheid und Schilz-Christoffel auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen Ziffer 2. (Versorgungsausgleich) des Urteils des Amtsgerichts - Familiengerichts - Linz vom 3.11.2000 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.416,96 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien sind inzwischen rechtskräftig geschiedene Eheleute. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht haben sie am 16.10.2000 einen Scheidungsfolgenvergleich geschlossen, in dem sie u.a. auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet haben. Das Amtsgericht hat die hierfür gemäß § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB erforderliche Genehmigung versagt, den Versorgungsausgleich durchgeführt und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 118,08 DM vom Versicherungskonto der Antragsgegnerin auf dasjenige des Antragstellers übertragen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, hilfsweise die Genehmigung der Vereinbarung vom 16.10.2000 begehrt.

Das Rechtsmittel ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, in der Sache führt es nicht zum Erfolg.

Der Versorgungsausgleich ist weder nach § 1587 c Nr. 2 BGB noch nach § 1587 c Nr. 3 BGB oder der Auffangklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB auszuschließen.

Der Antragsteller hat (unstreitig) weder eigene Versorgungsanwartschaften treuwidrig aufgegeben (Nr. 2) noch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt (Nr. 3). Auch für die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB fehlt es vorliegend bei einer Gesamtwürdigung der beiderseitigen Verhältnisse an ausreichenden Gesichtspunkten. Die Anwendung dieser Härteregelung kommt nur in Betracht, wenn auf Grund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 59. Aufl., § 1587 c Rnr. 4 m.w.N.). Allgemeine Billigkeitserwägungen reichen insoweit nicht aus, vielmehr sind Härtefälle nur in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen zuzulassen, wobei bei der Abwägung ein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei § 242 BGB (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O.). Danach greift die Härteregelung hier nicht ein.

Soweit der Antragsteller, der während der gesamten Ehezeit als selbständiger Versicherungsvertreter tätig war, keine (freiwilligen) Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung erbracht hat, entsprach dies der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien und hat auch nicht dazu geführt, dass die Antragsgegnerin während der Ehezeit so erheblich höhere Rentenanwartschaften erworben hat, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint. Obwohl die Antragsgegnerin vier Jahre jünger ist als der Antragsteller, wird sie auch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs noch über die höheren Rentenanwartschaften verfügen (846,65 DM - 793,23 DM), so dass sich nicht feststellen lässt, dass der Versorgungsausgleich ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zu Lasten der Ausgleichsschuldnerin zur Folge hätte. Die während der Ehezeit angesparten (Kapital-) Lebensversicherungen des Antragstellers bestehen inzwischen nach den überzeugenden und glaubhaften Angaben des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die von der Antragsgegnerin insoweit nicht bestritten werden, nicht mehr, sondern sind zur Rückführung von Verbindlichkeiten verwendet worden, so dass auch von der Vermögenslage her keine Besserstellung des Antragstellers festzustellen ist. Von daher kommt ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c BGB nicht in Betracht.

Daran ändert auch nichts, dass die Parteien am 16.10.2000 vor dem Familiengericht eine Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs getroffen haben. Die hierfür gemäß § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB erforderliche Genehmigung hat das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht versagt.

Die Genehmigung einer gemäß § 1587 o Abs. 1 BGB geschlossenen Vereinbarung soll nach Abs. 2 S. 4 dieser Vorschrift nur verweigert werden, wenn unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich die vereinbarte Leistung nicht zur Sicherung des Berechtigten für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt. Das Gesetz geht danach grundsätzlich von dem Fall aus, dass die Parteien anstelle der gesetzlichen Ausgleichsregelung eine andere Leistung vereinbaren, nicht aber entschädigungslos auf den Ausgleich verzichten (vgl. BGH, NJW 1987, 1768; OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, 1377). Dies hat das Amtsgericht zutreffend gesehen. Unter der vereinbarten Leistung ist allerdings nicht alleine eine solche zu verstehen, die gezielt an die Stelle der unterlassenen Ausgleichung von Versorgungsanrechten treten soll, sondern das Gesetz hat eine Gesamtbewertung dessen im Auge, was die Ehegatten einander im Zusammenhang mit der Scheidung unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung zugestehen (vgl. BGH, NJW 1982, 1463; NJW 1994, 580).

Vorliegend steht dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs keine andere Leistung der ausgleichspflichtigen Antragsgegnerin gegenüber. So hat sie weder einen Betrag an den Antragsteller bezahlt noch auf eine ihr (möglicherweise) zustehende Forderung verzichtet. Soweit nach dem Wortlaut der Vereinbarung vom 16.10.2000 der Verzicht auf die Versorgungsansprüche verknüpft worden ist mit einem Verzicht sowohl auf Zahlung nachehelichen Unterhalts als auch auf Zugewinnausgleichsansprüche liegt auch hierin keine angemessene Gegenleistung. Dem Unterhaltsverzicht kommt keine ins Gewicht fallende Bedeutung zu, weil Unterhaltsansprüche nach den §§ 1569 ff. BGB ohnehin nicht in Betracht kommen. Die Antragsgegnerin, die weder krank ist noch minderjährige Kinder zu betreuen hat, war während der Ehe durchgängig - bis auf eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit - erwerbstätig und erzielte zuletzt Einkünfte von monatlich brutto rd. 4.000 DM. Es ist davon auszugehen, dass sie auch jetzt über ein entsprechendes Erwerbseinkommen verfügt und ihr eheangemessener Bedarf hierdurch vollständig gedeckt ist. Auch Zugewinnausgleichsansprüche bestehen nicht, da weder die Antragsgegnerin noch der Antragsteller in der Ehe einen Zugewinn erwirtschaftet haben. Zwar verfügte der Antragsteller bei Ehezeitende über mehrere Kapitallebensversicherungen. Diesen standen jedoch erhebliche Verbindlichkeiten (bei der P Versicherung und der kasse) in mindestens gleicher Höhe gegenüber. Dies folgt schon daraus, dass die Lebensversicherungen inzwischen aufgelöst und die bestehenden Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Versicherungsagentur des Antragstellers aufgenommen worden waren, damit (teilweise) zurückgeführt worden sind. Das hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vom 30.4.2001 nachvollziehbar und überzeugend geschildert. Die ungünstige Vermögenslage des Antragstellers wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller noch kurz vor der Trennung der Parteien einen von diesem benötigten Betrag von 25.000 DM (darlehensweise ?) zur Verfügung stellen musste. Der Antragsteller hat damit offensichtlich keine Gegenleistung für seinen Verzicht erhalten. Unter diesem Gesichtspunkt kommt deshalb eine Genehmigung der Vereinbarung vom 16.10.2000 nicht in Betracht.

Allerdings ist Sinn des Erfordernisses der gerichtlichen Genehmigung nach § 1587 o Abs. 2 BGB zu verhindern, dass der sozial schwächere Ehegatte bei einer Vereinbarung unter dem Druck der Scheidungssituation übervorteilt wird. Dagegen soll hierdurch die Vertragsfreiheit der Ehegatten nicht weiter eingeschränkt werden, wenn die Erfüllung dieser Schutzfunktion gesichert ist (vgl. BGH, NJW 1994, 580). Deshalb ist insoweit auch von Bedeutung, ob es der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht bedarf, um für den verzichtenden Ehegatten den Grundstock einer eigenständigen Versorgung für das Alter und für den Fall der Erwerbsunfähigkeit zu legen, oder ob ein Ehegatte auf ihm an sich zustehende Versorgungsanrechte im Hinblick auf Umstände verzichtet, die im Rahmen der Härteregelung des § 1587 c Nr. 1 BGB zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, NJW 1987, 1768). Letzteres ist vorliegend - wie bereits ausgeführt - nicht der Fall. Aber auch aus dem ersten Gesichtspunkt kommt eine Genehmigung hier nicht in Betracht.

Dies folgt schon daraus, dass die Kapitallebensversicherungen des Antragstellers inzwischen aufgelöst worden sind und dieser mithin insoweit über keine Alterssicherung mehr verfügt. Dies ist zwar nach dem Ende der Ehezeit i.S. des § 1587 Abs. 2 BGB, aber noch während des Laufs des Ehescheidungsverfahrens geschehen; außerdem bestanden die abgelösten Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Endes der Ehezeit bereits und waren u.a. mit den aufgelösten Lebensversicherungen abgesichert. Hinzu kommt, dass die Beiträge zu den Lebensversicherungen ausweislich des Schreibens der P vom 19.5.1999 zu 100 bzw. 50 % von den P-Versicherungsanstalten finanziert wurden. Deshalb bestand zu allen Versicherungen eine Abtretung zu Gunsten der P-Versicherungsanstalten und sollte der vorhandene Rückkaufswert bei einem Ausscheiden des Antragstellers aus den Diensten der P in Höhe des durch die P-Versicherungsanstalten finanzierten Anteils auf einen etwaigen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 HGB angerechnet werden. Zudem war das Bezugsrecht zu Gunsten des Antragstellers nach den Angaben der P widerruflich. Damit ist die in der Ehe durch die Kapitallebensversicherungen geschaffene Altersvorsorge des Antragstellers mit der Alterssicherung der Antragsgegnerin nicht vergleichbar. Bei Fortbestand der Ehe wäre der Antragsteller trotz des Verlustes seiner Lebensversicherungen aus den Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin mitversorgt gewesen. Ihm diesem Vorteil zu erhalten, entspricht dem Sinn des Versorgungsausgleichs, die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte auf beide Ehegatten gleichmäßig zu verteilen (vgl. BGH, NJW 1987, 1768).

Der Versorgungsausgleich ist deshalb durchzuführen, wie das Amtsgericht es in dem angefochtenen Urteil rechtlich und rechnerisch zutreffend und von den Parteien unbeanstandet getan hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert folgt aus § 17 a GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück