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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 27.01.2003
Aktenzeichen: 14 W 15/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 485
ZPO § 494 a
1. Die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen, also auch Sachverständigenkosten) sind gerichtliche Kosten des Hauptsacheverfahrens - Bestätigung von OLG Koblenz JurBüro 80, 553 und JurBüro 90, 59 -.

2. Soweit die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Beweisverfahrens von der Identität der Parteien und des Streitstoffs abhängt, ist nicht auf den prozessualen Streitgegenstand abzustellen, entscheidend ist vielmehr, ob die Beweissicherung einen Prozessbezug hat, also ein notwendiger Bestandteil des Hauptsacheverfahrens ist.


Oberlandesgericht Koblenz BESCHLUSS

Aktenzeichen: 14 W 15/03

In Sachen

wegen Kostenfestsetzung

hier: Kosten des Beweisverfahrens als gerichtliche Kosten des Hauptverfahrens

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Menzel und Weller am 27. Januar 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Mainz vom 14.11.2002 geändert:

Nach dem bei dem Landgericht Mainz am 11.10.2001 geschlossenen Vergleich werden die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 664,24 € (1.299,15 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2002 (Antragstellung) festgesetzt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert: 664,24 €) hat der Beklagte zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin (Pächterin eines Grundstückes) hat gegen den Beklagten (Unterpächter) ein Beweisverfahren eingeleitet mit dem Ziel, den Zustand einer Halle sowie die Kosten für deren Renovierung und die Instandsetzung von Glasflächen sachverständig festzustellen. Der Gegenstandswert für diesen Antrag ist festgesetzt auf 61.096,41 DM (Beschluss vom 05.03.2001 in 1 OH 42/00 LG Mainz).

Das im Verfahren eingeholte Gutachten verhält sich - mangels Sachkunde des Sachverständigen im Übrigen - nur über die Renovierungskosten, die mit 36.406,51 DM beziffert wurden.

Die Klägerin ist im Beweisverfahren mit Kosten in Höhe von 2.210,80 DM für das Gutachten und 387,50 DM für das Gericht belastet worden.

Im Verfahren hier hat die Klägerin 60.000,-- DM gegen den Beklagten eingeklagt und dazu vorgetragen, im Hinblick auf die Mängel der Halle - Glasschaden laut Kostenvoranschlag 24.689,90 DM und Renovierungskosten nach Gutachten im Beweisverfahren 36.406,51 - habe sie sich im Zuge der Rückgabe des Grundstückes mit der Eigentümerin auf eine Minderung von 60.000,-- DM verständigt, die ihr der Beklagte zu ersetzen habe. Der Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt.

Die Parteien haben sodann im Termin vom 11.10.2001 einen Vergleich geschlossen, mit dem sich der Beklagte zur Zahlung von 30.000,-- DM verpflichtet hat. Die Kosten des Rechtsstreits haben sie gegeneinander aufgehoben.

Den Antrag der Klägerin vom 03.09.2002, die Kosten für Gericht und Gutachten im Beweisverfahren zu 1/2 gegen den Beklagten festzusetzen, hat die Rechtspflegerin mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.11.2002 abgelehnt mit der Begründung, es fehle an einer Identität der Streitgegenstände von Beweisverfahren und Hauptverfahren.

II.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und hat Erfolg.

Nach der Legaldefinition des § 92 Abs. 1, Satz 2 ZPO fallen bei Kostenaufhebung die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. Nur wegen gerichtlicher - nicht außergerichtlicher - Kosten kommt daher eine Erstattung in Betracht. Das bedeutet, dass dem Antrag der Klägerin entsprochen werden muss, wenn und soweit die Kosten des Beweisverfahrens gerichtliche Kosten des Hauptverfahrens sind.

1. Der Senat hat für das frühere Beweissicherungsverfahren mit der damals herrschenden Auffassung entschieden, dass die Sachverständigen- und Gerichtskosten "Prozessvorbereitungskosten" seien, mithin außergerichtliche Kosten des Hauptsacheprozesses (JurBüro 1980, 553 und DAR 1987, 379). Er hat diese Auffassung teilweise, jedenfalls für den Fall einer vereinbarten Kostenaufhebung im Hauptverfahren aufgegeben und für diese spezielle Fallgestaltung eine Kostenerstattung zugelassen (JurBüro 1990, 59 sowie Senat vom 13.07.1993 in 14 W 451/93).

Für das 1991 neu gestaltete "Selbständige Beweisverfahren", das viel stärker in den nachfolgenden oder sogar parallel verlaufenden Hauptsacheprozess eingebunden ist, schließt sich der Senat nun ausdrücklich der überwiegenden Auffassung an, wonach die Gerichts- und Sachverständigenkosten des Beweisverfahrens generell als gerichtliche Kosten des Hauptsacheprozesses zu behandeln sind. Die enge Verknüpfung der Beweiserhebung mit der Hauptsache - vgl. §§ 485 Abs. 1, 486 Abs. 1, 493 Abs. 1 ZPO; § 37 Nr. 3 BRAGO - rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung nicht mehr (OLG Karlsruhe, Rpfleger 1996, 375; Zöller-Herget ZPO, 23. Aufl. § 91 Rn 13, "Selbständiges Beweisverfahren"). Da diese Auffassung noch immer umstritten ist, und die Festsetzung hiervon abhängt, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu (§ 574 Abs. 2, Nr. 2. ZPO).

2. Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin sind die der Klägerin in dem Beweisverfahren erwachsenen Kosten auch solche des Hauptverfahrens. Nicht nur die Parteien, sondern auch die "Streitgegenstände" der beiden Verfahren sind identisch.

Der Begriff des Streitgegenstandes ist nicht im technisch prozessualen Sinne zu verstehen. So ist es z.B. unerheblich, wenn der Antragsteller die behaupteten Mängel, die er im Wege der Beweissicherung klären lässt, nicht zum Gegenstand einer Klage macht, sondern gegen den vom Antragsgegner erhobenen Anspruch einwendet (Zöller- Herget a.a.O.; Senat in 14 W 660/01 vom 18.10.2001 und ständig, OLG Hamm MDR 2000, 790). Maßgeblich erscheint dem Senat, mit welcher Zielrichtung das Beweisverfahren betrieben wurde, ob diese eindeutigen Bezug zu dem zu erwartenden Prozess aufweist, zu dem es dann gekommen ist (Senat in 14 W 54/94 vom 10.02.1994). Ein solcher Prozessbezug ist anzunehmen, wenn das Hauptsacheverfahren eine konsequente Fortführung des Beweisverfahrens darstellt. Auch dies ist im Einzelnen umstritten (Nachweise bei Zöller-Herget a.a.O.), gebietet die Zulassung der Rechtsbeschwerde(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Ein solcher Prozessbezug ist hier insgesamt gegeben. Die Klägerin hat mit dem Beweisverfahren den Zustand des Mietobjektes im Hinblick auf Glasschäden, die vom Beklagten unterlassenen Reparaturen und den Beseitigungsaufwand feststellen lassen (Verfahrenswert 61.096,41 DM). Zu einer Beweiserhebung ist es dann zwar nur zu den Reparaturkosten gekommen, die mit 36.406,51 DM beziffert wurden, das ist aber nicht entscheidend. Denn zur Begründung des mit dem Hauptverfahren verfolgten Schadensersatzanspruchs hat sich die Klägerin - wie im Beweisverfahren - auf das Sachverständigengutachten und auf den zum Glasschaden vorgelegten Kostenvoranschlag berufen. Dies stellt sich als konsequente Fortführung des schon mit dieser Zielrichtung eingeleiteten Beweisverfahrens dar, obgleich dazwischen geschaltet die Einigung mit der Grundstückseigentümerin über die Höhe der Wertminderung durch die Mängel liegt. Denn diese Einigung war offensichtlich an der Antragstellung und Begründung des Beweisverfahrens orientiert, indem man die Wertminderung dem Beseitigungsaufwand (Gutachten und Voranschlag) gleichgesetzt hat. Deshalb ist die Identität der Streitgegenstände gegeben, und der Beschwerde hinsichtlich der Festsetzung von 1/2 der Sachverständigen- und Gerichtskosten stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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