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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 06.11.2002
Aktenzeichen: 14 W 663/02
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO, BGB, PflVG, AKB


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 100
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 133
BGB § 157
PflVG § 3 Nr. 9
AKB § 7

Entscheidung wurde am 27.02.2003 korrigiert: Rechtsgebiete und Vorschriften geändert, Stichworte, Rechtskraft und amtlichen Leitsatz hinzugefügt
1. Der Kostenfestsetzungsrechtspfleger muß das Sitzungsprotokoll auslegen und darf nicht an seinem formalen Wortlaut haften (hier: Klagerücknahme gegen einen von 3 Streitgenossen mit anschließender Verlesung des ursprünglichen Klageantrags gegen alle drei Streitgenossen).

2. Im Kfz. - Haftpflichtprozess darf dann nicht von der alleinigen Kostenlast des neben Fahrer und Halter verklagten Versicherers ausgegangen werden, wenn eine Person irrtümlich als Halter in Anspruch genommen wurde.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 14 W 663/02

In Sachen

wegen Kostenerstattung

hier: Kostenerstattungsanspruch von Streitgenossen bei unterschiedlichem Prozessausgang

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Weller als Einzelrichter

am 6. November 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. Juli 2002 aufgehoben.

2. Die Sache wird zu umfassender Neubescheidung der Kostenausgleichungsanträge der Parteien an das Landgericht Bad Kreuznach zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat (Wert: 295,02 €)

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben.

Gründe:

Die Klägerin hat aus einem Verkehrsunfall die gegnerische Fahrerin ( Beklagte zu 1 ), den vermeintlichen Halter ( Beklagter zu 2 ) und die Haftpflichtversicherung ( Beklagte zu 3 ) auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die drei Beklagten hatten einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten.

Zwei Tage vor der ersten mündlichen Verhandlung des Landgerichts ( Bl. 59 GA ) nahm die Klägerin ihre Klage gegen den vermeintlichen Halter durch Fax zurück ( Bl. 59 GA ). In der Sitzungsniederschrift heißt es einleitend, dass der Prozessbevollmächtigten der drei Beklagten die ( Teil - ) Klagerücknahme "vorgelegt" wurde.

Anschließend stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den zuvor angekündigten ursprünglichen Klageantrag.

Hiernach heißt es im Protokoll:

"Der Klägervertreter erklärt Klagerücknahme hinsichtlich des Beklagten zu 2). Die Beklagtenvertreterin stellt insoweit Kostenantrag."

Im späteren Urteil hat die Einzelrichterin die gesamten außergerichtlichen Kosten des Zweitbeklagten der Klägerin auferlegt und im Übrigen die Kosten nach Quoten verteilt.

Im nunmehr angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist die Rechtspflegerin davon ausgegangen, im Innenverhältnis der Beklagten entfalle auf jeden Streitgenossen ein Kostenanteil, der seiner jeweiligen Prozessbeteiligung entspreche. Zu Gunsten des Zweitbeklagten hat sie dabei auch eine ( anteilige ) Verhandlungsgebühr festgesetzt.

Das beanstandet die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde unter Hinweis auf die vorterminliche Klagerücknahme. Der Zweitbeklagte habe nicht verhandelt.

Das Rechtsmittel hat einen vorläufigen Erfolg. Die Sache musste unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu umfassender Neubescheidung der Kostenausgleichungsanträge an das Landgericht zurückverwiesen werden.

Die Auffassung der Rechtspflegerin, auch der Zweitbeklagte habe mündlich verhandelt, ist nur auf den ersten Blick richtig. Prozessuale Erklärungen sind unter Beachtung der für Willenserklärungen gültigen allgemeinen Vorschriften auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Dabei ist auf das erkennbar Gemeinte abzustellen.

Das ergibt hier folgendes: Als die Klagerücknahme vom 11. Juli 2001 an selben Tag bei dem Landgericht einging, war noch nicht mündlich verhandelt worden. Die Rücknahme war daher wirksam, ohne dass es der Zustimmung des Zweitbeklagten bedurfte (§ 269 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.). Der gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der drei Beklagten wurde die Teilklagerücknahme zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2001 mitgeteilt. Bei dieser Sachlage kann die nachfolgende Antragstellung nur dahin verstanden werden, dass die Klägerin unter Beachtung der wirksamen Klagerücknahme die noch verbleibenden Anträge (gegen die Beklagten zu 1 und 3) aus dem Schriftsatz vom 4. April 2001 stellte. Die Annahme, die Klägerin habe die soeben wirksam zurückgenommene Klage unmittelbar anschließend neu erheben wollen, um sie sofort ein zweites Mal zurückzunehmen, ist völlig fernliegend. Diese Auslegung der Sitzungsniederschrift haftet zu sehr am reinen Wortlaut des Protokollierten, ohne auf das erkennbare Gewollte abzustellen.

Bei der Neubescheidung der Kostenfestsetzungsanträge ist daher davon auszugehen, dass für den Zweitbeklagten eine Verhandlungsgebühr nicht entstanden ist, so dass insoweit ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin ausscheidet.

Im Übrigen wird die Rechtspflegerin folgendes beachten müssen:

Sind Streitgenossen am Ausgang des Verfahrens unterschiedlich beteiligt und haben Sie deshalb verschieden hohe Erstattungsquoten, muss getrennt abgerechnet werden. Dabei ist eine Aufteilung der Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten notwendig. Im Regelfall entfällt auf jeden Streitgenossen ein gleich hoher Kostenanteil. Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Streitgenossen sind dabei die bis dahin entstandenen Kosten maßgeblich.

Für den Kfz - Haftpfichtprozess ist jedoch in der Senatsrechtsprechung anerkannt, dass bei einem gemeinsamen Anwalt der obsiegende Streitgenosse vom Gegner nur insoweit Kostenerstattung verlangen kann, als er im Innenverhältnis der Streitgenossen untereinander für die Anwaltskosten tatsächlich aufzukommen hat ( vgl. Senat in JurBüro 1986, 919 ff m. w. N. ). Beim Kfz- Haftpflichtversicherer, dem Führer des Automobils und letztlich dem Halter des Fahrzeuges ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Versicherer die gesamten Anwaltskosten, mithin auch die des Fahrers und des Halters zu begleichen hat (ebenso OLG Zweibrücken 1. Zivilsenat in JurBüro 1988, 354-356).

Andere Oberlandesgerichte meinen dagegen, trotz der fehlenden Kostenhaftung im Innenverhältnis der Streitgenossen könne der allein obsiegende Halter 1/3 der gemeinsamen Anwaltskosten festsetzen lassen ( OLG Karlsruhe 13. Zivilsenat, Beschluss vom 11. Januar 1994, Az: 13 W 225/93 in ZfSch 1994, 103-104 = Rpfleger 1994, 316 = NZV 1994, 363 = JurBüro 1994, 684-685 = Schaden-Praxis 1994, 229-230 = Justiz 1994, 366-367; OLG Karlsruhe 3. Zivilsenat, Beschluss vom 22. April 1996, Az: 3 W 36/96 in Justiz 1997, 21-22 = VRS 92, 1-3 (1997); OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. November 1977, Az: 8 W 438/76 Justiz 1978, 73-73 ).

Auf diese Streitfrage kommt es hier jedoch deshalb nicht an, weil der Zweitbeklagte, gegen den die Klage zurückgenommen wurde, nicht Halter des Fahrzeuges war. Zwischen ihm und dem beklagten Kfz - Haftpflichtversicherer bestehen keinerlei Rechtsbeziehungen, so dass im vorliegenden Fall auch nach der zitierten Rechtsprechung des Senats davon auszugehen ist, dass der Zweitbeklagte im Innenverhältnis der Streitgenossen einen seiner rechnerischen Prozessbeteiligung entsprechenden Kostenanteil zu tragen hat.

Zum Zeitpunkt der Klagerücknahme war auf Beklagtenseite eine 10/10 Prozessgebühr entstanden, die nach § 6 BRAGO auf 16/10 erhöht war. Mithin schuldet der Zweitbeklagte seinem eigenen Prozessbevollmächtigten im Innenverhältnis 16/30 der Prozessgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer und Kostenpauschale. Diesen Betrag wird die Rechtspflegerin zugunsten des Zweitbeklagten gegen die Klägerin festsetzen müssen, um sodann die verbleibenden Kosten der beiden übrigen Beklagten entsprechend der Kostenquote im Urteil auszugleichen.

Die von der Rechtspflegerin in der angefochtenen Entscheidung angestellten Vergleichsberechnungen sind damit überflüssig. Eine abschließende Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren ist nicht möglich, weil der ( eingeschränkte ) Umfang des Kostenerstattungsanspruchs des Zweitbeklagten Auswirkungen auf den Erstattungsanspruch der übrigen Beklagten hat, denen daher vor der gebotenen umfassenden Neufestsetzung rechtliches Gehör gewährt werden muss.

Die Entscheidung zu den gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 8 GKG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen ( § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n. F. ), weil die aufgezeigte Streitfrage ( Berücksichtigung des Innenverhältnisses der Streitgenossen im Kfz. - Haftpflichtprozess ) hier nicht entscheidungserheblich ist. Der Zweitbeklagte war nicht Fahrzeughalter.

Ende der Entscheidung

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