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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 19.10.1998
Aktenzeichen: 14 W 707/98
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 32 I
§ 32 I BRAGO

Prozessgebühr des Beklagten bei Klagerücknahme-Kenntnis

Endet der Auftrag des Beklagtenanwaltes infolge einer Klagerücknahme, so tritt die Ermäßigung auf eine 5/10 Prozessgebühr (§ 32 I BRAGO) nur ein, wenn der Anwalt vor Einreichung der Klageerwiderung von der Klagerücknahme Kenntnis hatte oder hätte haben müssen (Anschluss an Senat 14 W 11/94; ungenau Hartmann KostG, 28. Aufl., § 32 Rdnr. 34 beim Zitat des Senates JurBüro, 91, 76, da Rechtsmittelinstanz).

OLG Beschluß 19.10.1998 14 W 707/98 rechtskräftig: 08.10.1999


4 O 231/98 LG Trier

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Bischof sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Menzel und Weller am 19. Oktober 1998 beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortigen Beschwerden der Parteien gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Trier vom 8. September 1998 werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 1.300 DM.

Gründe:

Nachdem die Klage durch einen am Freitag, dem 3. Juli 1998, bei Gericht eingegangenen Schriftsatz zurückgenommen worden war, meldeten sich am Dienstag, dem 7. Juli 1998, die Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit einem Klageabweisungsantrag. Durch Beschluss vom 23. Juli 1998 hat das Landgericht sodann den Klägern die Kosten des Rechtsstreits auferlegt (§ 269 Abs. 3 ZPO).

Die im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldete volle Prozessgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss festgesetzt und ausgesprochen, dass die beiden Kläger nach Kopfteilen hälftig haften.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde beanstanden die Kläger, dass wegen der Klagerücknahme allenfalls eine hälftige Gebühr nach § 32 BRAGO erstattungsfähig sei. Der Beklagte begehrt mit seiner Anschlussbeschwerde eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung der beiden Kläger.

Beide Rechtsmittel sind zulässig, aber nicht begründet.

Nach §§ 31 Abs. 1 Ziffer 1, 32 Abs. 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt für das Betreiben des Geschäfts, wozu bereits die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügt, eine 10/10-Prozessgebühr, die sich allerdings auf 5/10 ermäßigt, wenn der Auftrag endet, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz mit einem Sachantrag bei Gericht einreicht.

Endet der Auftrag des Beklagtenanwalts infolge Klagerücknahme, so tritt die Ermäßigung jedoch nur dann ein, wenn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten von der Klagerücknahme vor Einreichung seines Schriftsatzes Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Denn durch die Klagerücknahme endet das gebührenrechtliche Grundverhältnis des gegnerischen Anwalts zu seinem Auftraggeber nicht ohne weiteres. Vielmehr gilt der Auftrag nach §§ 674, 675 BGB jedenfalls so lange als fortbestehend, bis der Rechtsanwalt von dem Erlöschen Kenntnis erlangt oder das Erlöschen kennen muss (vgl. VGH Baden-Württemberg AnwBl 1997, 625; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 595; OLG Köln JurBüro 1986, 1197; OLG Karlsruhe MDR 1997, 107 jeweils m.w.N.). Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist der Rechtspfleger bei seiner Entscheidung vom 8. September 1998 zutreffend ausgegangen. Auch seine Auffassung, der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigten hätten bei Einreichung des Klageabweisungsantrages die Klagerücknahme nicht gekannt, ist nicht zu beanstanden.

Denn die vom 3. Juli 1998 datierende Klagerücknahme ist zwar noch am selben Tag vom stellvertretenden Kammervorsitzenden mit Angabe der Uhrzeit (13.00 Uhr) und dem Vermerk "sofort" zwecks Zustellung an den Prozessgegner zur Geschäftsstelle gegeben worden (Bl. 42 GA). Wegen der freitags verkürzten Arbeitszeit ist die Sache dann jedoch erst am 6. Juli 1998 zur Kanzlei des Landgerichts gelangt, welche die Klagerücknahme noch am selben Tag an den Beklagten abgesandt hat. Als sie dort am darauf folgenden Tag einging, war der Klageabweisungsantrag der Beklagtenanwälte bereits formuliert und bei Gericht eingereicht. Das entnimmt der Senat der anwaltlichen Versicherung vom 17. August 1998 (Bl. 56 GA). Nach alledem endete hier der Auftrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht vor der Einreichung des den Sachantrag auf Klageabweisung enthaltenden Schriftsatzes vom 7. Juli 1998. § 32 Abs. 1 BRAGO ist daher auf die vorliegenden Fallgestaltung nicht anzuwenden.

Richtig ist allerdings, dass der erkennende Senat in der Kommentierung bei Hartmann (Kostengesetze 27. Aufl. Rn. 34 zu § 32 BRAGO) für die Ansicht zitiert wird, in derartigen Fällen erhalte der Rechtsanwalt nur eine halbe Prozessgebühr. Indes liegt dem dort bemühten, in JurBüro 1991, 76 abgedruckten Senatsbeschluss eine Fallgestaltung zugrunde, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist. Denn seinerzeit ging es um ein Revisionsverfahren und die Frage, ob der Prozessgegner des Revisionsführers vor Formulierung eines Antrags bei späterer Rechtsmittelrücknahme für einen vorsorglich formulierten Zurückweisungsantrag die volle Prozessgebühr vom Revisionsführer erstattet bekommt.

Darum geht es jedoch vorliegend nicht. Denn dem Beklagten war am 2. Juli 1998 die Klageschrift mit konkreten Sachanträgen zugestellt worden, verbunden mit der gerichtlichen Aufforderung, binnen zwei Wochen im schriftlichen Vorverfahren seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Vor diesem Hintergrund bestand Veranlassung, dass sich seine Prozessbevollmächtigten alsbald mit einem Klageabweisungsantrag meldeten.

Die sofortige Beschwerde der Kläger war daher zurückzuweisen.

Gleiches gilt für das Rechtsmittel des Beklagten. In der gerichtlichen Kostengrundentscheidung vom 23. Juli 1998 ist eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung der beiden Kläger nicht angeordnet. Sie haften daher nach dem Grundsatz des § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopf teilen. Diese gerichtliche Entscheidung darf vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geändert werden.

Die gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens mussten den Klägern auferlegt werden, weil das Beschwerdebegehren des Beklagten verhältnismäßig geringfügig war und keine besonderen Kosten veranlasst hat (§ 92 Abs. 2 ZPO).

Dementsprechend hat der Senat den Beschwerdewert auf insgesamt 1.300 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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