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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 06.08.2001
Aktenzeichen: 2 Ss 116/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 316
StPO § 261
Zum Vorsatz bei Trunkenheitsfahrten (Anschluss an OLG Koblenz [1. Strafsenat], Beschluss vom 19. April 2001 - 1 Ss 295/00).
Geschäftsnummer: 2 Ss 116/01

In der Strafsache

wegen Trunkenheit im Verkehr

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in der Sitzung vom 6. August 2001, an der teilgenommen haben:

Richter am Oberlandesgericht Pott als Vorsitzender, Richter am Oberlandesgericht Mertens, Richter am Oberlandesgericht Henrich als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt S. als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, Rechtsanwalt Sch., M., als Verteidiger, Amtsinspektor B. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 27. Dezember 2000 wird als unbegründet auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

I.

Der Strafrichter beim Amtsgericht Mainz hat den Angeklagten am 27. Dezember 2000 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat er ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von zwei Jahren und neun Monaten zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bestimmt.

Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

"Der Angeklagte fuhr am Samstag, den 9. September 2000 gegen 0.50 Uhr mit dem PKW Marke VW-Golf, amtliches Kennzeichen: MZ von M.-G. nach B., wo er in der B. Straße auf dem Parkplatz der Gaststätte "T." hinter dem Steuer sitzend von der Polizei angetroffen wurde. Vor Antritt der Fahrt hatte er eine größere Menge alkoholischer Getränke in Form von Weinschorle und Schnäpsen zu sich genommen, so dass er fahruntüchtig war, was er zumindest billigend in Kauf nahm. Die dem Angeklagten um 2.15 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,32 Promille."

Die Einlassung des Angeklagten wird wie folgt wiedergegeben:

"Der Angeklagte räumt die getroffenen Feststellungen glaubhaft ein. Er macht geltend, er habe "Stress" mit seiner Lebensgefährtin gehabt. Deshalb sei es zu der Fahrt unter Alkoholeinfluss gekommen."

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Das als Sprungrevision (§ 335 Abs. 1 StPO) statthafte und zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte eine Verletzung der dem Gericht gemäß § 244 Abs. 2 StPO obliegenden Aufklärungspflicht geltend macht, ist bereits unzulässig. Die Aufklärungsrüge ist nur dann wirksam erhoben, wenn die Revision die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen; ferner muss angegeben werden, welche Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 45. Auflage, § 244 Rdn. 81). Hieran fehlt es. Die Revision führt lediglich aus, das Amtsgericht hätte Feststellungen "bezüglich der Frage, ob Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorlag", treffen müssen. Zu welchem Ergebnis die Beweiserhebung geführt hätte, wird nicht mitgeteilt.

2.

Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg.

a)

Der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr hält rechtlicher Nachprüfung stand. Rechtsfehlerfrei hat der Strafrichter festgestellt, dass der Angeklagte objektiv im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat. Erörterungswürdig ist lediglich der zur inneren Tatseite angenommene Vorsatz sowie die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten.

Die Annahme des zur Begründung des Vorsatzes erforderlichen Bewußtseins des Angeklagten über seine alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit stützt sich, wie der Gesamtzusammenhang des Urteils erkennen lässt, zunächst auf das Ergebnis der knapp 1 1/2 Stunden nach Fahrtbeendigung dem Angeklagten entnommenen Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration von 2,32 Promille ergeben hat. Zwar reicht die Höhe der Blutalkoholkonzentration allein grundsätzlich nicht aus, die Überzeugung vorsätzlichen Handelns zu vermitteln. Denn es gibt jedenfalls aus medizinischer Sicht keinen wissenschaftlichen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein Kraftfahrer bei einer hohen Blutalkoholkonzentration seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit stets kennt oder jedenfalls für möglich hält. Es entspricht den Erkenntnissen der Rechtsmedizin, dass selbst hohe Blutalkoholkonzentrationen zum Verlust zutreffender Selbsteinschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit führen können mit der Folge, dass der Täter die bei ihm objektiv vorliegende alkohohlbedingte Fahrunsicherheit nicht mehr wahrnimmt (vgl. Henschel DAR 1993, 449). Ungeachtet dieser Möglichkeit entspricht es jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jedem Kraftfahrer die mit dem Konsum von Alkohol verbundenen negativen Auswirkungen auf seine Fahrtüchtigkeit bekannt sind. Deshalb ist bei einer weit über dem Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Alkoholkonzentration im Blut des Täters der Schluss auf zumindest bedingt vorsätzliches Handeln ohne weiteres naheliegend. Ergeben sich in einem solchen Fall keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen entlastender, den indiziellen Beweiswert der Blutalkoholkonzentration mindernder Umstände, ist es nicht rechtsfehlerhaft, auf dieses Indiz die Annahme vorsätzlichen Handelns zu stützen (vgl. Urteil des 1. Strafsenats vom 19. April 2001 - 1 Ss 295/01 -).

Vorliegend stellt die sehr hohe Blutalkoholkonzentration des Angeklagten - 2,32 Promille knapp 1 1/2 Stunden nach der Tat - ein gewichtiges auf Vorsatz hindeutendes Indiz dar. Das Indiz wird bestätigt durch die Einlassung des Angeklagten, der die getroffenen Feststellungen, also auch die zur subjektiven Tatseite, "glaubhaft" eingeräumt hat. An diese Feststellung des Tatrichters ist der Senat im Revisionsverfahren gebunden. Mit der anderweitigen Behauptung, das Geständnis des Angeklagten habe sich nur auf den objektiven Tatbestand und die Höhe der Blutalkoholkonzentration bezogen, kann der Angeklagte nicht gehört werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 261 Rdn. 38 a). Für den Strafrichter bestand auch keine Veranlassung, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses in Zweifel zu ziehen. Denn der Angeklagte ist in drei Fällen einschlägig vorbestraft. Hieraus folgt, dass ihm die Wirkung, die übermäßiger Alkoholgenuss auf seine Fahrtüchtigkeit hat, bekannt ist. Dabei ist es unerheblich, dass zwei einschlägige Vorverurteilungen bereits aus den Jahren 1977 und 1981 datieren. Denn zuletzt war er erst am 24. März 1998, also nur rund 2 1/2 Jahre vor der hier abgeurteilten Tat, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt worden, und zwar zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten. Jedenfalls durch diese Verurteilung war das Bewußtsein des Angeklagten, das zuvor durch den Zeitablauf möglicherweise eine Trübung erfahren hatte, erneut geschärft worden. Hinzu kommt, dass der Angeklagte auch nach dem rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise in Betracht komme, offenbar keine Angaben gemacht hat, die geeignet gewesen wären, den Vorwurf vorsätzlichen Handelns zu entkräften. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise ist deshalb nicht zu beanstanden.

Auch ansonsten tragen die getroffenen Feststellungen die Verurteilung. Insbesondere bedurfte es entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft keiner Angaben dazu, wann die Trunkenheitsfahrt des Angeklagten geendet hat. Der Strafrichter hat festgestellt, dass der Angeklagte gegen 0.50 Uhr von M.-G. nach B. fuhr. Die ihm um 2.15 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,32 Promille. Legt man - im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit - die für ihn günstigsten Abbauwerte zugrunde (0,2 Promille pro Stunde zzgl. eines einmaligen Sicherheitszuschlages von 0,2 Promille), errechnet sich eine Blutalkoholkonzentration von maximal 2,8 Promille zur Tatzeit. Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB wegen einer alkoholbedingten krankhaften seelischen Störung kommt in der Regel jedoch erst bei einem Wert ab 3 Promille in Betracht. Die Annahme verminderter Schuldfähigkeit ist deshalb nicht zu beanstanden, zumal der Angeklagte offensichtlich alkoholgewöhnt ist und sich selbst nicht darauf berufen hat, schuldunfähig gewesen zu sein.

b)

Auch der Strafausspruch ist nicht zu beanstanden. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Strafrichter von der Möglichkeit, den Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 StGB zu mildern, keinen Gebrauch gemacht hat. Denn der Tatrichter kann von der Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB absehen, wenn der Angeklagte den Zustand seiner verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB schuldhaft herbeigeführt hat, obwohl er von seiner Neigung zur Begehung von Straftaten nach Alkoholgenuss wusste (vgl. OLG Koblenz, VRS 76, 424). Dies war vorliegend im Hinblick auf die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten zweifellos der Fall. Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Strafrichter die alkoholbedingte Enthemmung nicht strafmildern berücksichtigt hat.

Schließlich hat das Amtsgericht eine günstige Sozialprognose rechtsfehlerfrei verneint. Der Angeklagte ist innerhalb laufender Bewährungszeit erneut einschlägig straffällig geworden. Zuvor hat er innerhalb laufender Bewährungszeit drei Straftaten begangen, wegen deren er jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden ist. Die Prognose des Strafrichters, der Angeklagte werde sich die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung nicht zur Warnung dienen lassen und weiterhin straffällig werden, liegt im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Ermessens und ist deshalb nicht zu beanstanden.

Keinen Rechtsfehler lassen letztendlich der Entzug der Fahrerlaubnis sowie die Verhängung der Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis (§§ 69, 69 a StGB) erkennen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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