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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 25.05.2001
Aktenzeichen: 2 Ss 136/01
Rechtsgebiete: BKatV, BKat


Vorschriften:

BKatV § 2 I Nr. 4
BKat Nr. 34.1
BKat Nr. 34.2
Leitsatz:

Zur Frage eines qualifizierten Rotlichtverstoßes bei Missachtung einer Baustellenampel.


2 Ss 136/01 3826 Js 25968/00 -50 OWi- StA Mainz

In der Bußgeldsache

wegen Rotlichtverstoßes

hat der 2. Strafsenat - Senat für Bußgeldsachen - des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Pott und Henrich sowie die Richterin am Landgericht Schmitz am 25. Mai 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 26. Januar 2001 im Rechtsfolgenausspruch einschließlich des Berichtigungsbeschlusses vom 3. April 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Mainz zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als offensichtlich unbegründet verworfen.

Gründe:

Mit Urteil vom 26. Januar 2001 hat das Amtsgericht Mainz gegen den Betroffenen wegen eines fahrlässig begangenen Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 250 DM verhängt und ihm auf die Dauer eines Monats untersagt, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Verkehr zu führen. Das Fahrverbot sollte Wirksamkeit erlangen, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Wochen seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils. Mit Beschluss vom 3. April 2001 hat das Amtsgericht den Tenor "wegen eines offensichtlichen Schreibversehens" dahin "berichtigt", dass es anstelle von vier "Wochen" richtigerweise vier "Monate" heißen müsse.

Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 27. Juli 2000 gegen 12.20 Uhr in O. die F.-E.-Straße (B 9) in Richtung M.. In Höhe des Anwesens Nr. 110 war die rechte Fahrbahn infolge einer sogenannten Wanderbaustelle gesperrt und an beiden Baustellenenden mit einer Wechsellichtzeichenanlage versehen. Obgleich die in seine Fahrtrichtung aufgestellte Anlage bereits seit mehreren Sekunden Rotlicht zeigte, passierte der Betroffene diese, nachdem er zuvor mit "erhöhter Geschwindigkeit" links an den vor der Ampel wartenden Fahrzeugen vorbeigefahren war. Bei Anwendung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte er das Rotlicht erkennen können.

Gegen das Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts geltend macht.

Das Rechtsmittel erweist sich gegen den Schuldspruch als offensichtlich unbegründet (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 und 3 StPO).

Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hat es jedoch einen zumindest vorläufigen Erfolg. Das Amtsgericht hat bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße und bei der Anordnung des Fahrverbots auf das Vorliegen eines so genannten qualifizierten Rotlichtverstoßes i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. Nr. 34.2 BKat abgestellt, wonach bei Rotlichtverstößen, bei denen die Rotlichtphase bereits länger als eine Sekunde gedauert hat, in der Regel eine Geldbuße von 250 DM und ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen ist. Die rechtliche Bewertung als qualifizierter Rotlichtverstoß wird von den bisherigen Feststellungen indes nicht getragen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKatV erfasst nur besonders schwerwiegende Rotlichtverstöße. Hierunter fällt nach der amtlichen Begründung (VkBl 91, 702, 704) zum einen die Missachtung des Rotlichts unter konkreter Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer (Nr. 34.1 BKat). Zum anderen unterstellt der Verordnungsgeber in Fällen, in denen die Rotlichtphase schon länger als eine Sekunde gedauert hat (Nr. 34.2 BKat), in der Regel eine abstrakte Gefährdung, weil sich der Querverkehr, insbesondere auch Fußgänger, nach dieser Zeit bereits im Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden kann (vgl. OLG Oldenburg in Zfs 1995, 75, 76; OLG Köln in VRS 98, 389, 391).

Von letzterem konnte hier angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalles indes nicht ausgegangen werden. Denn die Wechsellichtzeichenanlage, deren Rotlicht der Betroffene missachtete, war - soweit den Urteilsfeststellungen zu entnehmen - ausschließlich zur Regelung des Verkehrs im nur einspurig befahrbaren Baustellenbereich eingerichtet. Die typischerweise mit einer Missachtung des länger als eine Sekunde andauernden Rotlichts verbundene abstrakte Gefährdung etwaigen Querverkehrs und damit der Regelfall der Nr. 34.2 BKat kam damit von vorne herein nicht in Betracht (vgl. OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Köln in DAR, 1994, 249; OLG Düsseldorf in NZV 1995, 35; OLG Koblenz - Beschluss vom 11. April 1994 - 1 Ss 96/94 -).

In anderen Fällen ist die Nichtbeachtung einer auch seit mehr als einer Sekunde Rotlicht zeigenden Ampel aber nicht ohne weiteres als besonders grobe Pflichtverletzung, die regelmäßig die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigen würde, anzusehen. Ein in der Intensität vergleichbar grober Verstoß liegt vielmehr nur dann vor, wenn das Fehlverhalten des Verkehrsteilnehmers aufgrund der konkreten Gegebenheiten zu einer erheblichen Gefährdung anderer führen konnte (vgl. OLG Hamm in NZV 1994, 369). Hierzu hätte es vorliegend indes weiterer Feststellungen wie etwa zur Länge der einspurigen Fahrstrecke, zur Dauer und zur möglichen gegenseitigen Abstimmung der jeweiligen Rot-Grün-Phasen beider Ampeln, zum Vorhandensein und zur Beeinträchtigung etwaigen Gegenverkehrs sowie zur Breite und zur Übersichtlichkeit der benutzbaren Fahrspur bedurft (vgl. OLG Oldenburg a.a.O.).

Gemäß § 79 Abs. 6 OWiG hat der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Mainz zurückverwiesen.

Ende der Entscheidung

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