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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 28.09.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 216/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 261
StPO § 267
Leitsatz:

Zur Beweiswürdigung bei Wiedererkennen des Täters anhand eines Lichtbildes


Geschäftsnummer: 2 Ss 216/00 2040 Js 22594/99 StA Koblenz

In der Strafsache

gegen

F. B.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt O. -

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Henrich

am 28. September 2000 einstimmig gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO

beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. Mai 2000 mit den zugrundeliegenden Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen der Tat vom 25. Februar 1999 verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und im Maßregelausspruch aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Mayen hat den Angeklagten durch Urteil vom 1. September 1999 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von noch 1 Jahr und 6 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Koblenz durch Urteil vom 15. Mai 2000 mit der Maßgabe verworfen, dass die Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis auf 1 Jahr bemessen wurde. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die Revision hat teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1.

Die Revision ist entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen der Tat vom 15. März 1999 richtet. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler ergeben.

2.

Hinsichtlich der Tat vom 25. Februar 1999 hat die Revision einen jedenfalls vorläufigen Erfolg. Insoweit hält die Beweiswürdigung einer Überprüfung nicht stand. Zur Überführung des Angeklagten, der die Ausführung der Tat bestritten hat, hat das Landgericht ausgeführt:

"Was die Fahrt am 25. Februar 1999 angeht, stützt sich die Kammer auf die glaubhaften Bekundungen der Zeugin H.. Diese hat angegeben, den Angeklagten während ihrer Fahrt zur Dienststelle nach Mayen auf der Hauptstraße in V. am Steuer des vorgenannten Fahrzeugs gesehen zu haben. Der Angeklagte sei ihr mit dem Fahrzeug, auf dem ein Hundeschlitten festgemacht gewesen sei, entgegen gekommen. Das Fahrzeug habe sich in einem Abstand von 20 m zu dem Anwesen befunden, das von dem Angeklagten bewohnt werde. Die Zeugin habe die Straße mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h befahren.

Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die Zeugin H. den Angeklagten B. zutreffend als Fahrer des Fahrzeuges erkannt hat. Zwar war der Angeklagte der Zeugin bis zu diesem Zeitpunkt persönlich nicht bekannt. Die Zeugin hatte indes in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamtin einige Zeit zuvor eine Halterfeststellung hinsichtlich des ihr vom Ansehen bereits bekannten und zudem optisch sehr auffälligen Fahrzeugs gemacht. Dabei hatte sie zum einen festgestellt, dass das Fahrzeug auf den Angeklagten B. zugelassen war und zum anderen erfahren, dass B. keine Fahrerlaubnis hatte.

Als sie das Fahrzeug am 25. Februar 1999 auf der Hauptstraße in V. erkannte, schaute sie daher gezielt auf den Fahrer des Fahrzeuges. Dazu hatte sie ausreichend Gelegenheit, da sie nach ihren Bekundungen das Fahrzeug in einer Distanz von etwa 50 bis 80 m erstmals bemerkt hatte und beide Fahrzeuge keine hohe Geschwindigkeit einhielten. Auf ihrer Dienststelle in Mayen angekommen schaute sich die Zeugin in einer dort vorliegenden Akte mit erkennungsdienstlichen Unterlagen ein Lichtbild des Angeklagten Bokkemühl an, auf dem sie diesen als Fahrer des von ihr beobachteten Fahrzeugs sicher wieder erkannte.

Zwar vermochte die Zeugin in der Hauptverhandlung nicht mehr zu sagen, ob auf dem Lichtbild - einer Schwarz-Weiß-Aufnahme - der Angeklagte B. einen Bart trägt, daraus ergeben sich für die Kammer jedoch keine Zweifel, dass die Zeugin den Angeklagten auf dem Lichtbild zutreffend als die Person identifiziert hat, die sie zuvor als Fahrer des ihr entgegenkommenden Fahrzeuges beobachtet hatte."

Diese Ausführungen werden den in revisionsrechtlicher Hinsicht an die Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters, dessen ureigene Aufgabe es ist, sich von der Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten eine Überzeugung zu verschaffen. Das Revisionsgericht hat die Entscheidung des Tatrichters grundsätzlich hinzunehmen, kann sie aber unter anderem darauf überprüfen, ob sie lückenhaft ist und ob die persönliche Gewissheit des Tatrichters auf einer objektiven Grundlage beruht (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26; Identifizierung 6). Insoweit hat die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bestimmte Anforderungen an die Urteilsgründe bzw. die richterliche Überzeugungsbildung gestellt:

a)

Hat der Tatrichter im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos die Überzeugung erlangt, dass der Betroffene und die abgebildete Person identisch sind, so müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (BGH NZV 1996, 157). Dies kann durch eine Bezugnahme auf das in den Akten befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO geschehen; sieht der Tatrichter von dieser Bezugnahme ab, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (BGH aaO.). Die Überzeugung davon, dass der Betroffene mit dem Fahrzeugführer identisch ist, kann der Tatrichter nicht allein auf Aussagen von Zeugen stützen, die den Betroffenen auf dem Radarfoto wiedererkannt haben; vielmehr muss er im Rahmen der Beweiswürdigung darlegen, welchen Eindruck er selbst über die Identität der dort abgebildeten Person mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen gewonnen hat (OLG KÖln VRS 94, 112).

b)

Zur Identifizierung eines Tatverdächtigen durch einen Zeugen ist grundsätzlich eine Wahlgegenüberstellung oder eine Wahllichtbildvorlage durchzuführen. Dem Zeugen dürfen nicht nur der Tatverdächtige oder sein Bild allein präsentiert werden (vgl. BGH NStZ 1982, 342; OLG Köln, StV 1986, 12 mwN.). Einer Einzelgegenüberstellung oder Einzellichtbildvorlage kommt regelmäßig ein geringerer Beweiswert zu als einer ordnungsgemäßen Wahlgegenüberstellung bzw. Wahllichtbildvorlage (BGH aaO.; OLG Stuttgart, Die Justiz 1997, 378). Konnte ein Zeuge einen ihm vorher unbekannten Täter anlässlich der Tat nur kurze Zeit beobachten, darf sich der Tatrichter nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss anhand objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat (OLG Köln, StV 1994, 67).

Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass sich die Strafkammer nicht mit der subjektiven Gewissheit der Zeugin H. zufriedengeben durfte. Die Zeugin hatte den Angeklagten nur kurz gesehen. Es ist durchaus denkbar, dass sich bei ihr aufgrund der Haltereigenschaft des Angeklagten eine Erwartungshaltung, es müsse sich bei ihm um den Täter handeln, bildete und sich diese Erwartungshaltung bei der Identifizierung anhand des Lichtbildes auswirkte. Deshalb war die Strafkammer gehalten, die Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin in objektiver Hinsicht zu überprüfen. Hierzu hätte sie sich das Lichtbild des Angeklagten vorlegen lassen und Feststellungen dazu treffen müssen, ob es überhaupt zu einer Identifizierung des Angeklagten geeignet ist. Darüberhinaus war in den Urteilsgründen zu erörtern, anhand welcher Merkmale die Zeugin den Angeklagten überhaupt wiedererkannt hatte. Ebenso bedurfte es näherer Ausführungen dazu, warum sich der Umstand, dass die Zeugin in der Hauptverhandlung nicht mehr zu sagen vermochte, ob der Angeklagte auf dem Lichtbild einen Bart trägt, nicht auf die Überzeugungsbildung auswirkte; dies ist ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar.

Schließlich ist die Beweiswürdigung auch deshalb lückenhaft, weil das Urteil keine Ausführungen dazu enthält, ob die Zeugin den Angeklagten auch in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat. Zwar kommt einem wiederholten Wiedererkennen in der Hauptverhandlung nur ein eingeschränkter Beweiswert zu (BGHR StPO § 261, Identifizierung 12; BGHSt 16, 204). Jedoch wäre ein eventuelles Nicht-Wiedererkennen des Angeklagten, sofern er sein äußeres Erscheinungsbild inzwischen nicht erheblich verändert haben sollte, ein Umstand, der gegen die Zuverlässigkeit der früheren Identifizierung durch die Zeugin sprechen könnte (BGH, StV 1997, 454).

Der aufgezeigte Begründungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aufgezeigten Umfang. Da die Voraussetzungen für eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts nicht gegeben sind, ist die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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