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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 03.12.2003
Aktenzeichen: 2 Ss 322/03
Rechtsgebiete: WaffG


Vorschriften:

WaffG § 53 I a.F.
Eine halbautomatische Selbstladewaffe i.S.d. § 53 I 1 Nr. 3 a Buchstaben a) und b) WaffG a.F. verliert ihre Eigenschaft als halbautomatische Waffe nicht schon allein dadurch, dass sie infolge eines Mangels vor Abgabe eines Schusses jeweils von Hand nachgeladen werden muss, sofern dieser Mangel jederzeit ohne besondere Schwierigkeiten mit allgemein gebräuchlichem Werkzeug behoben und die Waffe alsdann ihrer Bauart entsprechend wieder als halbautomatisch eingesetzt werden kann. Das Urteil muss im Falle eines Schuldspruchs wegen § 53 I 1 Nr. 3 a Buchstaben a) und b) WaffG a.F. erkennen lassen, ob und mit welchen konkreten Mitteln der Angeklagte tatsächlich in der Lage gewesen wäre, den die halbautomatische Funktionsweise der Waffe aufhebenden Mangel ohne Schwierigkeiten selbst zu beseitigen.
Geschäftsnummer: 2 Ss 322/03 2090 Js 41428/02 - 2 a Ls - StA Koblenz

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

In der Strafsache

wegen nicht erlaubten vorsätzlichen Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm u.a. hier: Revision des Angeklagten

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Mertens

am 3. Dezember 2003 einstimmig (§ 349 Abs. 4 StPO) beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Montabaur vom 25. Juli 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Montabaur zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Montabaur hat den Angeklagten am 25. Juli 2003 wegen vorsätzlichen Erwerbs und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm sowie wegen vorsätzlichen Führens einer solchen in Tateinheit mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung zuvor in anderer Sache verhängter Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einer weiteren von einem Jahr und 10 Monaten verurteilt. Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"An einem nicht mehr näher feststellbaren Tag im Sommer 2000 - jedenfalls vor dem 26.07.2000 - fand der Angeklagte auf einer Baustelle eine Tasche, in der sich eine Automatikpistole der Marke Browning Kaliber 9 mm nebst 16 Bleipatronen befand. Der Angeklagte behielt die gefundenen Gegenstände für sich, wobei ihm bewusst war, dass es sich dabei um eine Schusswaffe im Sinne des Waffengesetzes handelte. Am 26.07.2000 begab er sich auf das Gelände der Berufsbildenden Schule in Montabaur, wo er insgesamt dreimal auf ein Metallschiebetor schoss. Das Tor wurde durch die Schüsse durchlöchert. Da die Waffe nach jedem Schuss eine Ladehemmung hatte, d.h. von Hand nachgeladen werden musste, zerlegte der Angeklagte sie um den 02.01.2001 in seiner Wohnung in ihre Einzelteile, um den Grund des Defektes festzustellen. Als er diese wieder zusammensetzte, löste sich ein Schuss, der zunächst auf den Fußboden traf und von dort aus gegen die gläserne Balkontür und sodann gegen die Zimmerdecke prallte. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Wohnung die Zeugin A. N. sowie der Zeuge K. anwesend. Noch am selben Abend zerlegte der Angeklagte die Waffe wieder in ihre Einzelteile, verpackte sie in kleine Zementsäckchen und warf diese auf zwei verschiedenen Baustellen jeweils in Müllcontainer."

Die Eigenschaft der Waffe als halbautomatische Selbstladewaffe i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a Buchstaben a und b WaffG a.F. hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Nach den Ausführungen des Sachverständigen PHK Ko., denen sich das Gericht in vollem Umfang anschließt, handelte es sich bei der vom Angeklagten aufgefundenen Waffe der Marke Browning, Kaliber 9 mm, um eine halbautomatische Selbstladewaffe im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3 a, a) in Verbindung mit 28 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 1 WaffG.

Nach der Einlassung des Angeklagten habe die Schusswaffe zwar eine Zuführschwierigkeit dergestalt gehabt, dass die Patrone sich nach jeweils einem Schuss die Aufladerampe hinauf verklemmt habe. Die Waffe habe daher von Hand nachgeladen werden müssen. Diese Störung habe indes den Charakter dieser Schusswaffe als halbautomatische Selbstladewaffe nicht beseitigt. Von einer halbautomatischen Selbstladewaffe könne nämlich auch dann gesprochen werden, wenn der Defekt mit allgemein gebräuchlichem Werkzeug behebbar sei. Vorliegend sei der Lauf ohne spezielles Werkzeug austauschbar gewesen. Dazu sei der Angeklagte, der schließlich nach seiner eigenen Einlassung die Waffe selbst zerlegt habe, durchaus in der Lage gewesen."

Gegen das Urteil hat der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts Revision eingelegt, mit der er namentlich geltend macht, das Amtsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen einer halbautomatischen Selbstladewaffe ausgegangen.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache einen jedenfalls vorläufigen Erfolg. Die von dem Amtsgericht für das Vorliegen einer halbautomatischen Selbstladewaffe gegebene Begründung ist lückenhaft. Zuzustimmen ist dem Gericht vom Ansatz her darin, dass die in die tatsächliche Gewalt des Angeklagten gelangte und damit von ihm erworbene (§ 4 Abs. 1 WaffG a.F.) sowie später auch geführte (§ 4 Abs. 4 WaffG a.F.) Schusswaffe nicht allein deshalb ihre Eigenschaft als halbautomatische Waffe verlor, weil sie in Folge einer Ladehemmung (S. 7 UA) bzw. einer Zuführschwierigkeit (S. 8 UA) nach der Abgabe eines Schusses jeweils von Hand nachgeladen werden musste, während die Besonderheit einer halbautomatischen Schusswaffe gerade darin besteht, dass vor jedem einzelnen Schuss lediglich der Abzug zu betätigen ist (vgl. Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, WaffG, § 1 Rdn. 29). Denn eine halbautomatische Waffe liegt trotz ihrer die Halbautomatikfunktion beeinträchtigenden oder aufhebenden Mängel so lange vor, als diese jederzeit ohne besondere Schwierigkeiten mit allgemein gebräuchlichem Werkzeug behoben werden können und die Waffe alsdann ihrer Bauart entsprechend wieder als halbautomatische eingesetzt werden kann (vgl. Steindorf, a.a.O., Rdn 23 und 32; BayObLG in NStE 1989, Nr. 2 zu § 28 WaffG; BGH in NStZ 1985, 367; so jetzt auch Anlage 1 Abschnitt 1 Nr. 2.2.3 zu § 1 Abs. 4 WaffG n.F.). Jede andere Auslegung würde der Umgehung der auf der größeren Gefährlichkeit halbautomatischer Selbstladekurzwaffen begründeten schärferen Strafandrohung des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a Buchstaben a und b WaffG a.F. Vorschub leisten (vgl. Steindorf, a.a.O., § 53 Rdn. 7; BGH, a.a.O.).

Von diesen Grundsätzen ist zwar auch das Amtsgericht ausgegangen. Den insoweit lückenhaften Feststellungen ist indes nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen, ob und mit welchen konkreten Mitteln der Angeklagte tatsächlich in der Lage gewesen wäre, den die halbautomatische Funktionsweise der Waffe aufhebenden Mangel ohne Schwierigkeiten selbst zu beseitigen. Das Amtsgericht beschreibt diesen Mangel so, dass die Waffe nach jedem Schuss "eine Ladehemmung" bzw. "eine Zuführschwierigkeit" dergestalt gehabt habe, "dass die Patrone sich nach jeweils einem Schuss die Aufladerampe hinauf verklemmt habe" und das Nachladen daher von Hand habe erfolgen müssen. Dieser Defekt sei mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen behebbar gewesen. Vorliegend sei der Lauf ohne spezielles Werkzeug austauschbar gewesen, wozu der Angeklagte durchaus in der Lage gewesen sei (S. 7/8 UA). Diese Begründung ist waffentechnisch so nicht nachvollziehbar, da die Verklemmung einer Patrone die Aufladerampe hinauf mit dem Zustand des Laufs einer Waffe nicht ohne weiteres in erkennbarem kausalen Zusammenhang steht. Dass im konkreten Fall spezielle Mängel des Laufs für die Verklemmung der Patrone und den damit einhergehenden Wegfall der halbautomatischen Arbeitsweise ursächlich gewesen wären, so dass es zu deren Wiederherstellung allein des Austausches des Laufs bedurft hätte, ist dem Urteil jedenfalls nicht zu entnehmen. Der Senat vermag demzufolge nicht zu überprüfen, ob das Amtsgericht zu Recht von einer halbautomatischen Selbstladewaffe ausgegangen ist.

Lückenhaft sind auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Das Amtsgericht begründet den Vorsatz des Angeklagten damit, dass ihm "bewusst war", dass es sich bei den von ihm gefundenen Gegenständen "um eine Schusswaffe i.S.d. Waffengesetzes handelte" (S. 7 UA). Diese Feststellung reichte für die Annahme vorsätzlicher Begehungsweise i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a Buchstaben a und b WaffG a.F. indes nicht aus. Denn der Vorsatz des Angeklagten musste sich hierbei auch auf eine vorhandene oder jedenfalls ohne besondere Schwierigkeiten wieder herstellbare halbautomatische Funktion der erworbenen und geführten Schusswaffe beziehen.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Wegen der Einheitlichkeit der Tat hatte sich die Aufhebung auch auf den im Übrigen nicht zu beanstandenden Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Sachbeschädigung zu erstrecken (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 353 Rdn. 7). Gemäß § 354 Abs. 2 StPO hat der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Montabaur zurückverwiesen.

Für den Fall einer neuerlichen Verurteilung nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a Buchstaben a und b WaffG a.F. weist der Senat daraufhin, dass auch der Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern war. Die von dem Amtsgericht angenommene geminderte objektive Gefährlichkeit der Waffe aufgrund der gerade die halbautomatische Funktionsweise beeinträchtigenden Störung (S. 9 UA) hätte Anlass geboten, die Möglichkeit eines minderschweren Falles nach § 53 Abs. 1 S. 2 WaffG a.F. mit der sich daraus ergebenden milderen Strafandrohung (vgl. Steindorf a.a.O., Rdn. 12) zumindest zu erörtern. Das Erfordernis der Bildung einer einzigen oder einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe hing davon ab, ob das Urteil des Amtsgerichts Montabaur in der Sache 2040 Js 20215/98 vom "19.10.2000" oder vom "19.10.2001" datierte. Die angefochtene Entscheidung nennt widersprüchlich beide Jahreszahlen (S. 10 UA).

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Ende der Entscheidung

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