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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 01.10.2008
Aktenzeichen: 2 U 110/08
Rechtsgebiete: VVG, HGB


Vorschriften:

VVG § 67
HGB § 475
1. Die Haftung für vermutetes Verschulden verlangt vom Lagerverwalter, dass er darlegen und beweisen muss, dass ein durch die Brandentstehung und Brandausweitung entstandener Schaden an dem Lagergut nicht durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte abgewendet werden können. Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erfordert vom Lagerhalter, dass er sich über die Eignung des Lagerraumes für die Einlagerung von Waren Klarheit verschafft und nur geeignete Räumlichkeiten zur Einlagerung verwendet.

2. Zu den Kardinalpflichten eines Lagerverwalters


Gründe:

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 24. Oktober 2008. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

I.

Die Klägerin nimmt als Sach- und Feuerversicherer ihrer Versicherungsnehmerin, der Firma E.... GmbH & Co. KG, die Beklagte, eine Kühlhaus- und Transportgesellschaft mbH, aus übergegangenem Recht (§ 67 WG) sowie auf Grund gewillkürter Prozessstandschaft auf Schadensersatz in Anspruch. Die VN der Klägerin ist durch ein Brandereignis vom 16.07.2001 ein Schaden dadurch entstanden, dass in dem von der Beklagten betriebenen Kühllager in M. eingelagerte Lebensmittelzusatzstoffe bzw. Enzyme vernichtet wurden. Dieser Schaden ist durch die Klägerin und weitere 6 Versicherungsunternehmen reguliert worden. Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 509.462,89 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Haftung der Beklagten ist nach Grund und Höhe streitig.

Die Klägerin sieht die für den Versicherungsschaden ursächlich gewordene Pflichtwidrigkeit der Beklagten nach Maßgabe ihres Vorbringens insbesondere in folgenden Umständen:

- in einer fehlerhaften Lagerung (zu geringer Abstand zwischen den an der Decke angebrachten Halogenstrahlern und der obersten Lage der Pappkartons mit Lebkuchen in den Regalen 17 und 18);

- in einem nicht verkehrssicheren Zustand der Deckenbeleuchtung (unter anderem Verwendung von Strahlern, die nur für den Außenbereich zugelassen sein sollen);

- in einer formellen und materiellen Baurechtswidrigkeit des von der Beklagten betriebenen Kühlhauses, weil bis zu dem Brandschadensereignis nicht nur Kühlgut sondern auch andere Güter eingelagert gewesen seien, und Anlagen zur Brandverhütung gefehlt hätten (unter anderem Rauchmelder; Sprinkleranlage);

- in einer nach Art und Menge unzulässigen Einlagerung von Wasser gefährdeten und feuergefährlichen Stoffen.

Die Beklagte will demgegenüber eine für den Versicherungsschaden ursächlich gewordene Pflichtwidrigkeit bei der Brandentstehung und Brandausbreitung nach Maßgabe ihres Vorbringens ausschließen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass eine Haftung der Beklagten als Lagerverwalter gemäß § 475 Satz 1 HGB für den der VN entstandenen Schaden an den eingelagerten Waren nicht bestehe. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht führt zutreffend aus, dass wegen der aus § 475 HGB folgenden Haftung für vermutetes Verschulden die Beklagte darlegen und beweisen muss, dass der durch die Brandentstehung und weitere Brandausweitung entstandene Schaden an dem Lagergut der Versicherungsnehmerin nicht durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns abgewendet werden konnte. Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verlangt vom Lagerhalter, dass er sich über die Eignung des Lagerraumes für die Einlagerung von Waren Klarheit verschafft und nur geeignete Räumlichkeiten zur Einlagerung verwendet (BGH VersR, 1986, 1019, 1020; Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21.01.1993 - 6 U 181/92; OLG Hamburg TransportR 2003, 403 f.; OLG Köln, Urteil vom 13.09.2005 - 3 U 40/05 - TransportR 2006, 401). Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme lasse sich ein für den Schaden ursächlich gewordener Pflichtverstoß der Beklagten oder ihrer Erfüllungsgehilfen nicht feststellen. Vielmehr habe die Beklagte den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nach § 475 Satz 1 HGB erbracht. Hiergegen wendet sich die Klägerin, die insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 286 ZPO) angreift.

Das Landgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der Gutachten des Sachverständigen Dr. R., zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine vermeintlich fehlerhafte Lagerung durch einen zu geringen Abstand zwischen den an der Decke angebrachten Halogenglühlampen von 1.000 Watt und der obersten Lage der Pappkartons mit Lebkuchen in den Regalen Nr. 17 und 18 für den Brandausbruch nicht ursächlich geworden ist. Der gerichtliche Sachverständige Dr. R. hat durch verschiedene Versuchsanordnungen belegt, dass selbst bei einer 1.500-Watt-Lampe ohne Schutzglas und Drahtnetz bei einer Bestrahlungsdauer von 34 Stunden und einem Abstand von nur 30 cm ein Feuer an den verwendeten Verpackungen der Kartons der Fa. W. nicht ausgelöst werden konnte (GA 287, 288, B 28/29 Lichtbilder). Tatsächlich betrug der Abstand zwischen der obersten Lage der Kartons und den Halogenstrahlern zwischen 70 und 90 cm. Die im Kühlhaus verwendeten Strahler wiesen zudem nur eine geringere Leistung, nämlich 1.000 Watt auf. Auch durch ein Aufwölben der Kartons konnte eine Brandentstehung nicht ausgelöst werden (vgl. Ergänzungsgutachten). Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen im angegriffenen Urteil wird Bezug genommen.

Nach dem Ergebnis der Begutachtung des Sachverständigen Dr. R. ist am ehesten wahrscheinlich, dass nach Zerplatzen einer Halogenglühlampe heiße Teile derselben auf die Kartonagen gefallen und den Brand ausgelöst haben. Letztlich lässt sich die Brandursache nicht sicher feststellen. Ob die Anbringung eines Drahtnetzes unter den Halogenstrahlern den Eintritt des Brandes hätte verhindern können, bleibt eine Hypothese und ist keineswegs gesichert. Das Landgericht hat zu Recht eine Pflichtverletzung der Beklagten verneint.

Die Berufung rügt zu Unrecht, dass das Landgericht die Kardinalpflicht des Lagerhalters bei Auswahl des Lagerplatzes verkannt habe (BGH VersR 1979, 901 ff., 902). Ein Verstoß gegen Kardinalpflichten des Lagerhalters kann nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte die erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten habe, indem sie die Lampen ohne jeglichen Schutz durch ein Gitter betrieben und das Hochregal Mängel aufgewiesen habe. Für die Beleuchtungsanlage hat sich die Beklagte eines Fachunternehmens bedient, der Fa. G...., die mehrmals jährlich, wenn auch nicht mit Wartungsarbeiten, sondern mit Reparaturarbeiten betraut war. Eine Verletzung der Kardinalpflichten kann auch nicht darin gesehen werden, dass es sich bei dem Kühllager um ein vermeintliches Gemischtwarenlager gehandelt habe und keine Trennung von gefährlichen und nicht gefährlichen Gütern erfolgt ist, insbesondere brandgefährliche Stoffe nicht ordnungsgemäß abgetrennt waren. Nach dem Gutachten Dr. R. hat die Lagerung brandgefährlicher Stoffe keine Auswirkung auf die Entstehung und Entwicklung des Brandes. Die Kartonagen sind sofort in Brand geraten. Die Güter und das Lager waren nach Brandentstehung nicht mehr zu retten.

Das Landgericht führt zutreffend aus, dass die Fa. G... GmbH nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten war. Die Beklagte hat sich dieser Fachfirma nicht bedient, um eine Verbindlichkeit gegenüber der Versicherungsnehmerin aufgrund des Lagervertrages zu erfüllen. Der Angriff der Berufung verfängt nicht.

Schließlich kann eine Verletzung der Kardinalpflichten auch nicht damit begründet werden, dass die Beklagte es über 10 Jahre nicht geschafft habe, einen Mangel an einem Hochregal abzuschaffen. Die nicht richtig funktionierende Automatik des Hochregals war nicht schadensursächlich. Dass regelmäßig aufgrund der kurzen Lebensdauer der Halogenlampen diese ausgetauscht werden mussten, ist ein normaler Vorgang.

Die Beklagte hat nicht gegen Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen verstoßen. Eine Sprinkleranlage war nach Angaben des Sachverständigen Diemtann ungeeignet, um einer Brandentstehung zu begegnen. Nach den Angaben des Sachverständigen D. hätte eine sektoral arbeitende Sprinkleranlage einen Brand nicht mit ausreichend großer Wahrscheinlichkeit wirkungsvoll bekämpfen können. Diese Anlage wäre weder von einem Sachverständigen noch einer Behörde gefordert worden. Eine solche Sprinkleranlage konnte einen Brand systembedingt nicht in seiner unmittelbaren Entstehungsgeschichte erkennen und löschen. Die vermeintlich illegal eingelagerten Waren hatten nicht zum Brandausbruch beigetragen (Anlage B 30). Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass der Beklagte eine etwaige formelle oder materielle Baurechtswidrigkeit nicht deshalb angelastet werden kann, weil sie bis zum Brandereignis nicht nur Kühlgut, sondern auch andere Güter eingelagert hat. Die Stadt M. hat in bauordnungsrechtlicher Hinsicht keine Auflagen gemacht. Im Übrigen ist aufgrund des Gutachtens D. davon auszugehen, dass die Einlagerung von Spraydosen und anderen Produkten weder auf die Brandentstehung noch auf die Brandausweitung Einfluss hatte.

Entgegen der Auffassung der Berufung liegt auch kein offensichtliches, grobes Organisationsverschulden aufgrund mangelhafter Lagerbedingungen vor, für das die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1, 31 BGB einzustehen hätte.

Die Berufung der Klägerin hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 509.462,89 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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