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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 2 U 1200/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 437 Nr. 3
BGB § 440
BGB § 346
BGB § 348
BGB § 320
BGB § 323
Ein erheblicher Sachmangel eines Pferdes liegt vor, wenn es bei Übergabe an einem nicht heilbaren gutartigen Geschwulst an der linken Schilddrüse (Hypothyreose) leidet, welche eine Unterfunktion der Schilddrüse und damit einhergehend eine deutlich eingeschränkte Verwendbarkeit als Reitpferd zur Folge hat.
Gründe:

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO, Oberlandesgericht Koblenz, 2. Zivilsenat vom 05.03.2007

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 26. März 2007. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an den Kläger 3.920,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.200,- € seit dem 01.09.2004 und aus weiteren 720,- € seit 04.11.2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe der Stute LEB.-Nr. 339016895, geb. am 16.06.1995. Des Weiteren hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Stute ...., geb. am 16.06.1995, in Verzug befindet und er verpflichtet ist, für die Zeit des Annahmeverzuges dem Kläger die für die Aufbewahrung und Erhaltung der in Ziffer 2. genannte Stute entstehenden Kosten zu ersetzen.

Dem Kläger steht gemäß § 437 Nr. 3, 440, 323, 346 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 3.200,--€, Zug um Zug gegen Rückgewähr des gekauften Pferdes (§§§ 348, 320, 323 BGB) zu. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung, gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. G., angenommen, dass das gekaufte Pferd bereits zum Zeitpunkt der Übergabe am 26.12.2003 (Gefahrübergang) mit einem erheblichen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB behaftet war. Nach den von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. litt das Pferd zum Zeitpunkt des Kaufes (24.12.2003) an einem nicht heilbaren gutartigen Geschwulst an der linken Schilddrüse, welche eine Unterfunktion der Schilddrüse und damit einhergehend eine deutlich eingeschränkte Verwendbarkeit als Reitpferd zur Folge hat. Der Sachverständige hat im Einzelnen dargelegt, dass er aufgrund der Untersuchungen des Pferdes am 08.06. und 23.06.2004 zu der Überzeugung gelangt ist, dass es sich bei dem festgestellten Geschwulst um ein solches handelt, welches sich bereits über Jahre entwickelt haben muss. Die Untersuchungsergebnisse sprechen eindeutig gegen eine erst nach Übergabe erfolgte Entstehung des Tumors im Rahmen eines akuten entzündlichen Prozesses. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass sich bei seinen Untersuchungen eindeutig ergeben hat, dass die linke Schilddrüse aufgrund ihrer Veränderung nicht mehr in der Lage ist, Hormone zu produzieren. Nachdem es sich bei dem Geschwulstwachstum um einen langsam fortschreitenden Prozess handelt, der erst zu einem späten Zeitpunkt dazu führt, dass nicht mehr im normalen Umfang Hormone ausgeschüttet werden, spricht auch dies dafür, dass der Tumor bereits länger vorhanden sein muss. Die verminderte Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen geht zwangsläufig einher mit einer verminderten Leistungsfähigkeit bzw. Belastbarkeit des Tieres.

Diese vom Sachverständigen erhobenen Befunde begründen auch zur Überzeugung des Senats einen erheblichen Sachmangel des Pferdes im Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger.

Die von der Berufung vorgebrachten Angriffe gegen die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung überzeugen nicht. Die Berufung bezieht sich auf die Stellungnahme des Stallarztes des Beklagten, Dr. L., vom 25.08.2006 (GA 175), der Einwände gegen das gerichtliche Gutachten erhebt. Der Zeuge Dr. L. bezweifelt im Hinblick auf die unterschiedliche Ausprägung der Schilddrüse, dass ein Tumor vorliege. Er beanstandet, dass der gerichtliche Gutachter im Rahmen seiner Untersuchung keine Ultraschalluntersuchung vorgenommen habe. Dies hätte erlaubt, gezielt eine Biopsie durchzuführen. Hier sei blind eingestochen worden, um Fett und Bindegewebe zu finden. Die entnommene Blutprobe zur Bestimmung einer Hormonanalyse sei nicht maßgebend, da diese von Natur aus mit vielen Fehlerquellen behaftet sei. Die Berufung meint, es liege allenfalls ein Schönheitsfehler vor, der jedoch keinen erheblichen Sachmangel rechtfertige.

Die von der Berufung geführten Angriffe überzeugen nicht. Der Sachverständige Dr. G. hat nicht nur eine äußerlich Untersuchung, sondern darüber hinaus auch eine Feinbiopsie durchgeführt und eine Blutprobe entnommen. Eine entzündliche Veränderung konnte ausgeschlossen werden. Demgegenüber ergab sich für das Schilddrüsenhormon T4 ein Wert deutlich unterhalb der Referenzgrenze. Zur Absicherung hat der Sachverständige am 23.06.2004 eine Nachuntersuchung durchgeführt mit 2 Blutentnahmen, einmal vor und einmal nach der intravenösen Gabe von fünf Einheiten (1E) TSH. Bei einer intakten Schilddrüsenfunktion hätte die TSH-Gabe zu einem Anstieg des T4-Wertes um das 3-fache führen müssen. Demgegenüber kam es im vorliegenden Fall zu keinem nachweisbaren Anstieg des T4-Wertes.

Nach den eindeutigen Feststellungen des Sachverständigen Dr. G. litt das Pferd bereits zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges unter einer primären Hypothyreose, d.h., einer Krankheit, welche zu Abgeschlagenheit, Leistungsabfall, Kreislaufinsuffizienzen und Abwehrschwäche führt und sich stark negativ auf die Leistungsfähigkeit von Reitpferden auswirkt. Dementsprechend hat der Sachverständige auch lediglich einen ideellen Wert, welcher sich am doppelten Schlachtpreis orientieren lasse, in Ansatz gebracht.

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Schilddrüsenschwellung schon vor dem 24.12.2003 vorgelegen habe.

Der Senat hat angesichts der eindeutigen Angaben des gerichtlichen Sachverständigen keinen Anlass ein Obergutachten einzuholen (§ 412).

Die von dem Zeugen Dr. L. vorgenommenen Bewertungen, mit denen sich das Landgericht bereits auseinandergesetzt hat, sind nicht geeignet, die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen in Frage zu stellen.

Die Berufung macht zu Unrecht geltend, der gerichtliche Sachverständige Dr. G. habe hinsichtlich des bereits bei Gefahrübergang bestehenden Gesundheitszustandes des Pferdes nur Vermutungen angestellt. Ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs sei veterinär-medizinisch nicht belegt. Für eine Rückdatierung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bei Pferden seien Verlaufsuntersuchungen bei dieser Tiergattung erforderlich. Solche Verlaufsuntersuchungen seien bei Pferden nie durchgeführt worden. Die Entstehung einer Schilddrüsenschwellung könne auch durch die Verwendung bestimmter Futtermittel kurzfristig beeinflusst werden. Er habe sich mit den Ursachen für den von ihm erhobenen Befund nicht näher auseinandergesetzt, weshalb in seinem Gutachten, Literaturstellen bzw. Nachweise nicht enthalten seien. Es könne deswegen auch nicht nachvollzogen werden, warum die Umfangsvermehrung der Schilddrüse bei Gefahrübergang bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit vorgelegen habe. An den Gegenbeweis, dass der Mangel bei Gefahrübergang noch nicht vorgelegen habe, seien keine übertriebenen Anforderungen zu stellen.

Der gerichtliche Sachverständige Dr. G. hat entgegen der Auffassung der Berufung nicht nur Vermutungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Pferdes zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs angestellt, sondern hat aufgrund seiner vorgenommenen Untersuchungen dargelegt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Schilddrüsenschwellung schon vor dem 24.12.2003 vorgelegen habe. Der Kläger hat damit im Sinne des § 286 ZPO den vollen Beweis dafür erbracht, dass das Pferd an einer Fehlfunktion der Schilddrüse litt, was einen erheblichen Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs darstellte. Auf die Beweislastregeln des § 476 BGB, die unter Berücksichtigung der Verweisung in § 90 a S. 3 BGB auch auf den Kauf eines Pferdes entsprechend anzuwenden sind (BGH NJW 2006, 2250) und die Möglichkeiten des Gegenbeweises (BGH, aaO; NJW 2004, 434) kommt es demnach nicht an.

Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass ein Nacherfüllungsverlangen nicht erforderlich war. Soweit die Berufung vorträgt, der Kläger habe es versäumt, dem Beklagten die Gelegenheit zu geben, den Mangel zu beheben, was operativ problemlos möglich gewesen wäre, hat der Sachverständige dargelegt, dass die Hypothyreose beim erwachsenen Pferd oft klinisch inapperent sei. Der Senat ist davon überzeugt, dass der schlechte Gesundheitszustandes des Pferdes durch eine Operation nicht hätte behoben werden können (§ 286 ZPO).

Ende der Entscheidung

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