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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 2 U 1389/08 (1)
Rechtsgebiete: HWiG, BGB


Vorschriften:

HWiG § 3 a.F.
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 311 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 1
1) Eine kreditgebende Bank ist bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen nur unter ganz besonderen Voraussetzungen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft verpflichtet. Sie muss in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer haben (in Anknüpfung an BGH Urteil vom 20.03.2007 - XI ZR 414/04 - NJW 2007, 2396; BGHZ 159, 294, 316; 161, 15, 20; BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04 - WM 2006, 1194, 1199).

2) Zu den Aufklärungspflichten bei einem institutionalisierten Zusammenwirken der Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts.

3) Zur Sittenwidrigkeit der Kaufpreiszahlung bei einer zu sanierenden Altbauwohnung (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 6.7.2007 - V ZR 274/06).


Gründe:

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufungen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufungen beider Parteien haben auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 28. Mai 2009. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und sowohl einen Zahlungsanspruch als auch einen Feststellungsanspruch verneint.

Der Anspruch auf Rückzahlung von 87.179,98 € Zug um Zug gegen Rückgabe der gekauften Eigentumswohnung kann nicht auf § 3 HWiG a.F. gestützt werden. Das Landgericht hat mit Recht die Voraussetzungen einer Haustürsituation verneint, weil der Kläger nicht durch eine solche zur Abgabe seiner Willenserklärung auf Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden ist. Das Beratungsgespräch hat am 13.5.1998 in der Wohnung des Klägers stattgefunden, der notarielle Kaufvertrag ist am10.6.1998 geschlossen worden und der Darlehensvertrag schließlich am 24.6.1998. Zwischen dem Beratungsgespräch und dem Abschluss des Darlehensvertrages haben über 6 Wochen gelegen, so dass der Kläger nicht durch eine Uberrumpelungssituation im Rahmen eines Haustürgeschäfts zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden ist. Darüber hinaus war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages der notarielle Kaufvertrag hinsichtlich der Eigentumswohnung bereits geschlossen. Es fehlt an einem qualifizierten Kausalzusammenhang zwischen Überraschungswirkung und Abgabe der Willenserklärung zur Herbeiführung des Darlehensvertrages (vgl. BGH NJW 1994, 262, 265; Bt-Drs. 10/2876, S. 12). Dies alles wird von der Berufung nicht angegriffen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Urteil kann Bezug genommen werden.

Die Berufung rügt ohne Erfolg die Verletzung des materiellen Rechts und Verkennung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den sog. Schrottimmobilien unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 20.03.2007 - XI ZR 414/04 - NJW 2007, 308, 314 = WM 2007, 876). Es bestehen weder Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt., 818 Abs. 1 BGB) noch Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss (Culpa in contrahendo, §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Aufklärungs- und Hinweispflichten bezüglich des finanzierten Geschäfts können sich daher nur aus den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen sowohl an den Bauträger als auch an einzelne Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (BGH Urteil vom 20.03.2007 - XI ZR 414/04 - NJW 2007, 2396; BGHZ 159, 294, 316; 161, 15, 20 sowie BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04 WM 2006, 1194, 1199 m.w.N.).

Der BGH hat im Interesse des effektiven Verbraucherschutzes bei der Rückabwicklung von Krediten seine Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten der kreditgebenden Banken ergänzt.

Nach dieser Rechtsprechung können sich die Anleger in Fällen des institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04 - WM 2006, 1194, 1200 f.)

Es sind vorliegend keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kaufpreis für die Eigentumswohnung sittenwidrig erhöht war noch dass die Beklagte als finanzierende Bank Kenntnis hiervon hatte. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in institutionalisierter Weise mit der Bauträgerin oder der Vermittlerin, der P. GmbH, bzw. deren Mitarbeiter J. zusammengewirkt hätte. Weder Bauträger noch Vermittlerin waren in irgendeiner Weise in die Betriebsorganisation der Beklagten eingebunden. Auch ist nicht von einem konkreten Wissensvorsprung der Beklagten im Hinblick auf die Kenntnis eines überhöhten Kaufpreises der Eigentumswohnung auszugehen. Bei den vom Vermittler in Aussicht gestellten Renditeerwartungen handelt es sich nicht um Tatsachen, die entweder wahr oder unwahr sind, sondern um Prognosen und Einschätzungen in die Zukunft, die sich realisieren können oder nicht. Oftmals haben diese den Charakter von bloßen Anpreisungen. Im Übrigen führt die Berufung selbst aus, dass der Vermittler J. Mieten von 10,--€/qm für L. im Jahre 1998 für real hielt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Vermittler J. den Kläger über den zu erzielenden Mietzins arglistig getäuscht hätte und die Beklagte sich dies gemäß § 123 Abs. 2 BGB zurechnen lassen müsste.

Entgegen den Ausführungen der Berufung hat der Kläger zudem keine Tatsachen vorgebracht, aus denen ersichtlich ist, dass sowohl die Bauträgerin als auch die Beklagte den wahren Wert der Immobilie gewusst hätten. Das Landgericht hat zu Recht, den Vortrag des Klägers zur sittenwidrigen Kaufpreisüberhöhung als unschlüssig behandelt. Eine Pflicht der Bank zur Aufklärung über die Unangemessenheit des Kaufpreises, die grundsätzlich nicht einmal den Verkäufer trifft (BGH, Urteil vom 14.03.2003 - V ZR 308/02 - WM 2003, 1686, 1688) kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es - bedingt durch eine versteckte Innenprovision oder aus anderen Gründen - zu einer so wesentlichen Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert kommt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss. Das ist nach ständiger Rechtsprechung erst dann der Fall, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (vgl. etwa BGH vom 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, WM 2004, 521, 524, vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02 - WM 2004, 1221, 1225 und vom 16. Mai 2006 _ XI ZR 6/04, WM 2006, 1194, 1200). Ein den Substantiierungsanforderungen genügender Vortrag zu einem entsprechenden Minderwert der erworbenen Wohnung erfordert die Darlegung konkreter, dem Beweis zugänglicher Angaben zu den wertbildenden Faktoren der erworbenen Wohnung (BGH, Urteil vom 12. November 2002 _ XI ZR 3/01 WM 2003, 61, 62; Urteil vom 13.03.2007 - XI ZR 159/05). An dieser Darlegung fehlt es.

Bei dem Erwerb einer umfangreich zu sanierenden Altbauwohnung handelt sich um einen Vertrag, der sowohl kaufvertragliche als auch werkvertragliche Elemente aufweist. Die Kaufpreiszahlungspflicht des Erwerbers ist nur dann sittenwidrig überhöht, wenn das vom Bauträger geschuldete Gesamtpaket, bestehend aus dem Kaufpreisanteil für den Grundstücksanteil und die Altbausubstanz, sowie der für die Sanierung vorgesehene Werklohnanteil anstößig überhöht ist (BGH, Urteil vom 6.7.2007 - V ZR 274/06). Eine anstößige Höhe des Werklohnanteils, hier Sanierungskosten von 233.027,--DM, kann nur anhand des Bauleistungsverzeichnisses des Bauträgers in Verbindung mit den Einzelpreisen dargelegt werden. Der Kläger hätte daher anhand der Einzelpreise der einzelnen Baugewerke darlegen müssen, inwieweit eine Überteuerung gegenüber den angemessenen und ortsüblichen Baupreisen für Sanierungen vorlag. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. Der Verweis auf eine Stellungnahme des Gutachterausschusses der Stadt L., ohne Angaben detaillierter Bewertungsfaktoren _ genügt nicht. Die Kammer hatte bereits mit Hinweis vom 04.06.2008 auf die Problematik hingewiesen (GA 46 ff.).

Hinsichtlich der angeblich versteckten Innenprovision in dem Sanierungsanteil von 233.027,--DM (118.994,53 €) verweist das Landgericht zu Recht darauf, dass die Angaben des Klägers hierzu im Verlaufe des Rechtsstreits wechseln (17, 5 %; GA 57, 30 %, GA 6 und 40 %, GA 73). Aus den variablen Angaben des Klägers lassen sich keine Rückschlüsse auf den Wert eine Immobilie oder eine bevorstehende Wertsteigerung ziehen.

Letztlich kommt es auf vorgenannte Aspekte bereits deshalb nicht entscheidend an, da der Kläger den Darlehensvertrag erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages abgeschlossen hat. Die Beklagte hätte den Beklagten nicht mehr rechtzeitig auf die Gefahren, die aus dem notariellen Vertrag resultieren, insbesondere in Bezug auf die Höhe des Sanierungsaufwandes von 233.027,--DM, warnen können. Ohne Abschluss des Darlehensvertrages hätte der Kläger seine finanziellen Verpflichtungen aus dem notariellen Vertrag nicht erfüllen können.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 107.179,88 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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