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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 2 U 1428/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 281
BGB § 424 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BGB § 424 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
BGB § 434
BGB § 437 Nr. 3
1) Der Bausstoffhändler trägt gegenüber einem Fachunternehmen für Estrichbau nicht das Verwendungsrisiko für ein Leichtestrichsystem. Verweist der Bausstoffhändler die Estrichfirma an einen Fachberater des Herstellers, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, ein falsches Estrichsystem empfohlen zu haben. Dem Baustoffhändler unterliegt keine Untersuchungspflicht. Ein Verschulden der Herstellerin ist dem Baustoffhändler nicht zuzurechnen, da diese nicht Erfüllungsgehilfin des Baustoffhändlers ist (in Anknüpfung an BGHZ 177, 224 = Urteil vom 15.07.2008 - VIII ZR 211/07 - NJW 2008, 2837).

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 19. Juni 2009. Der Senat regt zur Vermeidung weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung an.


Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen Lieferung eines mangelhaften Leichtestrichsystems.

Die Klägerin betreibt ein Estrichunternehmen. Im Jahre 2002 beauftragte die Altenpflegeheim D. GmbH und Co. KG die Klägerin mit der Ausführung von Estricharbeiten. Aufgrund statischer Probleme konnte ein Zementestrich oder ein Anhydritestrich nicht verwendet werden. Aus diesem Grund wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die einen Baustofffachhandel betreibt. Diese brachte das von der Streithelferin, der Firma W. GmbH, hergestellte Leichtestrichsystem X-DRY ins Gespräch. Zur weiteren Abklärung vermittelte die Beklagte einen Kontakt zwischen dem Architekten der Bauherrin und dem Fachberater der Streithelferin bzw. der mit dieser kooperierenden Firma B. GmbH (Großhändlerin). Dieser Fachberater empfahl nach Besichtigung das Leichtestrichsystem X-DRY für die konkrete Örtlichkeit. Die Ausschreibung, die ursprünglich einen Zementestrich bzw. Anhydritestrich vorsah, wurde durch den Architekten dahingehend geändert, dass das X-DRY Leichtestrichsystem Verwendung finden sollte. Die Klägerin erwarb daraufhin das Estrichsystem bei der Beklagten, die dieses über die Firma B. GmbH bezog, und baute es vor Ort ein.

Nach Fertigstellung des Objekts zeigten sich Mängel. Insbesondere kam es zu spürbaren Verformungen und Rissbildungen im Linoleumbelag auf der gesamten Fußbodenfläche, auf der der Estrich eingebracht worden war. Die Klägerin wurde daraufhin von der Bauherrin gerichtlich in Anspruch genommen (Landgericht Koblenz - 4 0 93/04), wobei der Beklagten von Seiten der Klägerin der Streit verkündet wurde. In diesem Rechtsstreit erstattete der Sachverständige G. unter dem 01.06.2005 sowie 11.10.2005 (Blatt 123 ff. GA 4 0 93/04) gutachterliche Stellungnahmen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Die Klägerin wurde in der Folge zur Zahlung eines Vorschusses nach §§ 631, 633, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 und 3 BGB in Höhe von 92.225,00 € verurteilt.

Nach gesonderter Vereinbarung mit der Bauherrin führte die Klägerin im Anschluss die Estrichsanierungsarbeiten durch. Die im Zuge der Nachbesserung entstandenen Kosten einschließlich der Mangelfolgeschäden sind Gegenstand der Klage.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte müsse für die infolge der Verwendung des Estrichsystems aufgetretenen Mangelerscheinungen einstehen. Sie behauptet, der Fachberater der Streithelferin habe den Einbau des Estrichsystems vor Ort fachlich begleitet.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 178.425,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 178.425,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.01.2008.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

1) Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch wegen eines Sachmangels aus §§ 434, 437 Nr. 3, 280, 281 BGB verneint. Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 424 Abs. 1 S. 1 BGB). Soweit eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wurde, ist die Sache gemäß § 424 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet bzw. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Die Parteien haben bezüglich des gelieferten Leichtestrichsystems keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Die Klägerin behauptet weder eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien noch trägt sie einen Sachverhalt vor, aus dem auf den Schluss einer konkludenten bzw. stillschweigenden Vereinbarung geschlossen werden kann. Das gelieferte Material weist in Bezug auf seine generelle Eigenschaft als Baustoff - entgegen der Auffassung der Berufung (BB 3, GA 98) - keine Sachmängel auf. Die Problematik besteht hier vielmehr darin, dass der verwendete Leichtestrich für das konkrete Bauvorhaben mit dem gewählten Aufbau des Bodens ungeeignet war. Die Parteien streiten im Kern darüber, ob die Beklagte hierfür verantwortlich ist.

Eine Haftung der Beklagten kommt auch nicht nach § 434 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht. Voraussetzung für eine Haftung ist, dass die Parteien bei Vertragsschluss die Eignung für eine bestimmte Verwendung vorgesehen haben. Hieran fehlt es bereits, da zwischen den Parteien eine Verwendungszweckabrede nicht getroffen wurde. Die Beklagte hat hierzu zwar in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2008 (GA 59) erklärt, dass sie gegenüber dem Architekten das Leichtestrichsystem ins Gespräch gebracht habe und diesen an einen Fachberater der Firma W. bzw. der mit dieser kooperierenden Firma B. verwiesen habe. Der Mitarbeiter der Herstellerfirma habe dann mit dem Architekten die Ausschreibung, die ursprünglich einen anderen Estrich vorgesehen habe, geändert und die Baumaßnahmen vor Ort begleitet. Danach wäre eine Verwendungszweckabrede allenfalls zwischen der Beklagten und dem Architekten getroffen worden, nicht aber mit der Klägerin.

Ungeachtet dessen trägt das Verwendungsrisiko grundsätzlich der Käufer. Dieses Verwendungsrisiko hat sich vorliegend zum Nachteil der Klägerin realisiert. Der Sachverständige G. hat hierzu in seinem Gutachten in dem Verfahren 4 O 93/04 ausgeführt, dass zwischen der Leichtestrich- und Druckverteilschicht ein Haftverbund nicht gegeben war. Die Zusammensetzung der Lastverteilungsschicht führte zu Schwindspannungen. Nach Bekundungen des Sachverständigen war es gar nicht möglich, einen sicheren Haftverbund zwischen dem Leichtestrichsystem und der zementär gebundenen Druck-/Lastverteilschicht herzustellen, was dadurch bedingt sei, dass der Leichtestrich keine Oberflächenfestigkeit erreichen könne, wie dies von einer Betondecke zur Aufnahme von einem zementgebundenen Estrich verlangt werden müsse. Es wäre nicht zu Mangelerscheinungen gekommen, wenn man auf den Leichtestrich statt der zementär gebundenen Druck-/Lastverteilschicht einen calciumsulfatgebundenen Fließestrich in einer Dicke von mindestens 15 mm verlegt hätte.

Das Landgericht hat auch nicht in verfahrensfehlerhafter Weise ein Beweisangebot der Klägerin übergangen, weil über das Bestreiten der fehlenden Systemtauglichkeit kein Beweis erhoben worden ist (BB 6, GA 101). Der Sachverständige G. hat sich zu der Frage der Systemtauglichkeit des verwendeten Estrichsystems geäußert. Danach ist für das konkrete Bauvorhaben der falsche Estrich verwendet worden. Der Leichtestrich selbst war aber nicht generell ungeeignet oder in seiner Zusammensetzung mangelbehaftet. Es liegt keine unzureichende Sachaufklärung durch das Landgericht vor.

2) Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch auch daran scheitern lassen, dass die Beklagte eine etwaige Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte. Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass es sich bei der Klägerin um ein Fachunternehmen für die Ausführungen von Estricharbeiten handelt, bei der Beklagten nur um eine Baustoffhändlerin. Zwar hat die Beklagte gegenüber dem Architekten der Bauherrin das Leichtestrichsystem ins Gespräch gebracht und den Kontakt zu dem Fachberater der Streithelferin bzw. der mit dieser kooperierenden Firma B. GmbH vermittelt. Das Leichtestrichsystem wurde erst nach Absprache mit dem Fachberater der Herstellerfirma, der über ein höheres Fachwissen verfügt als die Beklagte als Baustoffhändlerin, bestellt. Verweist die Beklagte die Klägerin an einen Fachberater des Herstellers des Leichtestrichsystems, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, der Klägerin ein falsches Estrichsystem empfohlen zu haben. Der Beklagten obliegt als Baustoffhändlerin auch keine Untersuchungspflicht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.09.2004 - 12 U 144/02 - OLGR 2004, 465 = MDR 2005, 135; OLG Düsseldorf, - Urteil vom 31.01.2008 - 8 U 184/06 - NJW-RR 2008, 1282). Ein Verschulden der Herstellerin ist der Beklagten nicht zurechnen, da diese nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten ist (BGHZ 177, 224 = Urteil vom 15.07.2008 - VIII ZR 211/07 - NJW 2008, 2837; BGHZ 48, 118).

3) Der Klägerin steht auch kein Schadensersatz wegen Verletzung einer aus einem selbständigen Beratungsvertrag resultierenden Pflicht zu. Ein selbständiger, neben dem Kaufvertrag stehender Beratungsvertrag kommt zwischen Käufer und Verkäufer nur ausnahmsweise zustande. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die beratende Tätigkeit des Verkäufers nach Inhalt, Umfang, Intensität und Bedeutung für den Käufer so sehr verselbständigt hat, dass sie gewissermaßen als andersartige, auf eigener rechtlicher und tatsächlicher Grundlage beruhende Aufgabe des Verkäufers erscheint und als vertragliche Verpflichtung eigener Art neben dem Kaufvertrag steht. Liegen diese besonderen Voraussetzungen vor, tritt die Beratung als gleichwertige, wenn auch unter Umständen unentgeltliche oder jedenfalls nicht besonders vergütete Leistung des Verkäufers neben die Pflicht zur Übergabe der Kaufsache und zur Eigentumsverschaffung (BGH Urteil vom 23.07.1997 - VIII ZR 238/96 - NJW 1997, 3227; Urteil vom 23.06.1999 - VIII ZR 84/89 - NJW 1999, 3192). Indem die Beklagte die Klägerin an einen Fachberater der Herstellerfirma verwiesen hat, dieser den Architekten hinsichtlich der Verwendung des Leichtestrichsystems beraten und die Ausführung der Estricharbeiten vor Ort begleitet hat, hat die Beklagte deutlich zu verstehen gegeben, dass sie keine eigene verantwortliche Beratungstätigkeit hinsichtlich der Verwendung des Produkts ausüben wollte (vgl. zu der Problematik der Produktbeobachtungspflichten und Pflichten eines Verkäufers auch Senatsurteil vom 03.11.2005 - 2 U 1487/04 - OLGR 2006, 358 = VersR 2007, 73).

4) Das Landgericht hat auch zu Recht einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer unselbständigen kaufvertraglichen Nebenpflicht zur Beratung verneint. Wer sich an den nicht mit dem Hersteller identischen Verkäufer wendet, kann von dem Verkäufer nicht die Sachkunde voraussetzen, die der Hersteller hat. Mit der Vermittlung an den Fachberater der Herstellerfirma hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sie selbst auch nicht als vertragliche Nebenpflicht zum Kaufvertrag eine Beratung übernehmen wollte.

Eine Verletzung der Hinweispflicht des Landgerichts ist nicht ersichtlich. Auch liegt keine Überraschungsentscheidung vor.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahrenauf 178.425,57 € festzusetzen.

Koblenz, den 27.05.2009

Ende der Entscheidung

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