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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 2 U 1509/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
Eine Bürgschaft ist nicht unter dem Aspekt "unwirksame Mithaftung vermögensloser Familienangehöriger wegen angeblich krasser Überforderung" sittenwidrig, wenn die Bürgin Gesellschafterin der Hauptschuldnerin (GmbH) ist und die Bürgschaft zudem auch nicht in emotionaler Verbundenheit mit einem Familienangehörigen, sondern dem späteren Lebensgefährten übernommen wurde, die Bürgin zudem durch die Vermietung der Geschäftsräume an die Hauptschuldnerin eigene wirtschaftliche Interessen an dem Fortbestand der GmbH hat.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 1509/06

Verkündet am 6. Dezember 2007

in dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich, den Richter am Oberlandesgericht Künzel und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mainz - Einzelrichterin - vom 17. Oktober 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 66.467,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung aus einer Bürgschaft in Anspruch.

Die Beklagte übernahm mit Erklärung vom 30.06.1998 gegenüber der Raiffeisenbank B. eG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Betrag von DM 130.000,00 (66.467,94 €) zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Bank gegen die xyz GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin, GA 21 f.). Die Beklagte war damals Gesellschafterin dieser Gesellschaft.

In der Bürgschaftserklärung wurden unter Ziffer 2. aus dem vorformulierten Satz "die Bürgschaft ist zeitlich nicht begrenzt" die Worte "nicht begrenzt" ausgestrichen und die Worte "befristet bis 31.12.1999" eingefügt, so dass der ganze Satz nunmehr lautet: "Die Bürgschaft ist zeitlich befristet bis zum 31.12.1999".

Im Jahr 1999 trat eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Hauptschuldnerin ein, weshalb die Klägerin der Hauptschuldnerin mit Schreiben vom 06.12.1999 die zur Verfügung gestellten Kredite und Darlehen kündigte und sie zur sofortigen Rückzahlung fällig stellte (GA 23, 24).

Die Klägerin hat mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts M. vom 09.12.2004 einen vollstreckbaren Titel gegen die Hauptschuldnerin in Höhe von EUR 131.582,03 zzgl. Zinsen erwirkt.

Ein Einschreiben mit Rückschein vom 06.121999 (BI. 25 d. A.) gerichtet an die Beklagte ist gemäß Rückschein (GA 71) dem Zeugen W. übergeben worden. Dieser ist Geschäftsführer der Hauptschuldnerin, die ihre Räume im Erdgeschoss des Hauses der Beklagten betreibt. Die Beklagte wohnt im ersten Obergeschoss, sie hat einen separaten Briefkasten. In diesem Schreiben teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie den Darlehensvertrag gekündigt habe und sie sie aus der Bürgschaft in Anspruch nehme und forderte sie zur Zahlung auf.

Die Klägerin hat vorgetragen,

bei der unter Ziffer 2 getroffenen zeitlichen Befristung handele es sich nicht um die Vereinbarung einer Zeitbürgschaft gern. §§ 777, 163 BGB, bei der die Bürgschaft bei Erreichen des Endtermins erlöschen soll, wenn nicht der Gläubiger unverzüglich die Inanspruchnahme anzeige. Der Beklagten sei der Einschreibe-Brief mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft vom Geschäftsführer der Hauptschuldnerin, dem Zeugen W., ausgehändigt worden. Auch sei das Schreiben als einfacher Brief an die Beklagte gesandt worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 27.06.2006 hat der Klägervertreter ein Schreiben mit Briefkopf der Klägerin vom 08.12.1999 (GA 162) vorgelegt, gerichtet an die Hauptschuldnerin.

Hierin heißt es:

"Sicherheitenspiegel

Sehr geehrter Herr W.,

wir beziehen uns auf das mit Frau A. gestern geführte Telefonat und übersenden beiliegend den gewünschten Sicherheitenspiegel.

Mit freundlichen Grüßen ....Bank eG"

Hierzu hat er vorgetragen,

die Beklagte habe am 07.12.1999 ein Telefonat mit dem Zeugen H. geführt und hierbei auf die Bürgschaftskündigung Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 66.467,94 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

die von ihr übernommene Bürgschaft sei sittenwidrig, da sie zum Zeitpunkt der Erteilung nicht ausreichend leistungsfähig gewesen sei. Der damalige Bankdirektor habe ihr gegenüber erklärt, dass die Bürgschaft befristet sei bis 31.12.1999. Wenn bis dahin keine Inanspruchnahme erfolge, werde sie aus der Bürgschaft frei. Ein Schreiben, in dem die Klägerin ihr die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft angezeigt hätte, habe sie bis zum 31.12.1999 nicht erhalten. Mit diesem Datum sei ein Zahlungsanspruch der Klägerin nicht mehr gegeben. Mit dem Zeugen W. sei sie im Jahre 1999 noch nicht liiert gewesen. Sie erhebe die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme und Vernehmung der Zeugen G., W. und H. die Klage abgewiesen. Es hat gestützt auf die Bekundungen der Zeugen G. und H. in der Beweisaufnahme (GA 154, 160) angenommen, dass es sich bei der Bürgschaft um eine Zeitbürgschaft mit Begrenzung bis zum 31.12.1999 gehandelt habe. Die Beklagte sei jedoch vor diesem Zeitpunkt nicht wirksam aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Das Schreiben hinsichtlich der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft vom 6.12.1999 (GA 25) sei dem Zeugen W. ausgehändigt worden, der jedoch nicht Empfangsbote sei. Der Klägerin sei der Nachweis des rechtzeitigen Zugangs des Schreibens an die Beklagte nicht gelungen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen die Beweiswürdigung und die Feststellung des Landgerichts, dass der Zugang des Schreibens betreffend die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht nachgewiesen sei. Insbesondere greift die Klägerin die Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen H. an, die in dem angegriffenen Urteil unzureichend gewürdigt worden sei. Die Qualifizierung der Bürgschaft als Zeitbürgschaft wird von der Berufung ausdrücklich nicht angegriffen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 66.467,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

die Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Der Klägerin sei es nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass die Beklagte das Schreiben hinsichtlich der Inanspruchnahme der Bürgschaft vor dem 31.12.1999 erhalten habe. Soweit der Zeuge H. (Mitarbeiter der Bank) auf ein Telefongespräch vom 7.12.1999 verwiesen habe, aus dem sich ergeben haben soll, dass sie, die Beklagte, das Schreiben erhalten habe, sei die Aussage weder glaubhaft noch der Zeuge glaubwürdig. Das Landgericht habe dem Zeugen nicht geglaubt. Der Zeuge H. sei überraschend erst präsentiert worden, nachdem der Bankdirektor der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Frage der Qualität der Bürgschaft als Zeitbürgschaft in ihrem, der Beklagten, Sinne beantwortet habe.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Berufung ist begründet.

1) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung des tenorierten Betrages aus der Bürgschaft gemäß § 765 BGB zu. Zwischen den Parteien steht nicht mehr im Streit, dass es sich bei der Bürgschaft um eine Zeitbürgschaft im Sinne von § 777 BGB, befristet bis zum 31.12.1999, gehandelt hat.

Des Weiteren ist unstreitig, dass das als Einschreiben gegen Rückschein versandte Schreiben vom 06.12.1999 (GA 25) nicht der Beklagten, sondern dem Zeugen W., dem späteren Lebensgefährten der Beklagen, übergeben wurde, der im Hause der Beklagten sein Geschäft betrieb. Dieser hat den Rückschein unterschrieben (GA 71). Das Landgericht hat die Klägerin als beweisfällig dafür angesehen, dass das Schreiben bezüglich der Inanspruchnahme gleichwohl in den Empfangsbereich der Beklagten gelangt ist. Es hat dem Zeugen W. geglaubt, der bekundet hat, er wisse nicht mehr, was er mit dem Einschreiben gemacht habe, ob er es der Beklagten übergeben habe oder nicht. Er habe sich seinerzeit emotional stark belastet gefühlt und vieles falsch gemacht. Er habe sich - wie sich u. a. aus der Kündigung des Kredits und der eigenen Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft ergebe - in schlechten Verhältnissen befunden und die Übersicht verloren. Zudem habe er versucht, seine betrieblichen Schwierigkeiten selbst zu regeln und andere damit nicht zu belasten. Er wisse deshalb nicht mehr, was er mit diesem Einschreiben für die Beklagte gemacht habe, er könne sich nicht mehr an diesen Vorgang erinnern. Möglicherweise habe er das Schreiben bei Seite gelegt und aufgrund seiner persönlichen Situation vergessen, es der Beklagten auszuhändigen. Zudem habe er die Lebenssituation der Beklagten gekannt und habe einiges von ihr fernhalten wollen.

Das Landgericht ist aufgrund des Eindrucks, den es von dem Zeugen gewonnen hat, nicht zur Überzeugung gelangt, dass der Zeuge der Beklagten tatsächlich den Einschreibe-Brief ausgehändigt habe. Vielmehr sei es möglich, dass der Zeuge, der offenbar die Übersicht über seine Angelegenheiten verloren habe, nicht mehr daran gedacht habe, das Schreiben der Beklagten auszuhändigen.

Auch die Aussage des Zeugen H. - damaliger Kreditsachbearbeiter der RVB B. - führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Zeuge habe dem Zeugen W. am 08.12.1999 (GA 162) das Schreiben übersandt, in welchem er auf ein Telefonat mit der Beklagten Bezug genommen und aufgrund dessen den Sicherheitenspiegel übersandt habe. Der Zeuge habe sich sehr genau an das Telefonat erinnern können und gewusst, dass es brisant gewesen sei, weil der Fristablauf 31.12.1999 bevor gestanden habe. Der Zeuge habe sich jedoch nicht daran erinnern können, ob die Beklagte gesagt hatte "ich habe auch einen Brief von euch bekommen". Er habe nur gewusst, dass sie Bezug genommen habe auf die Bürgschaft und die Befristung bis 31.12.1999 und die Inanspruchnahme.

Nach Auffassung des Landgerichts sei damit nicht auszuschließen, dass die Beklagte aufgrund der Befristung nur habe wissen wollen, ob mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sei bzw. was zur Abwendung einer solchen Inanspruchnahme veranlasst werden könne. Es könne auch aufgrund dieser Aussage nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Beklagte das Kündigungsschreiben tatsächlich erhalten habe. Die Anzeige der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sei eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, so dass es darauf ankomme, ob der Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 06.12.1999 tatsächlich zugegangen sei.

Der Senat hat den Zeugen H. zu dem Inhalt des Gesprächs mit der Beklagten nochmals vernommen, um den Vorgang näher aufzuklären. Dem Zeugen wurde das Schreiben der Klägerin vom 08.12.1999 (GA 162) vorgehalten. Dieses Schreiben ist an die Hauptschuldnerin gerichtet. Dort wird unter Bezugnahme auf ein am Vortag geführtes Gespräch mit der Beklagten der gewünschte Sicherheitenspiegel übersandt. Der Zeuge Bankkaufmann H. hat hierzu in der Beweisaufnahme vor dem Senat bekundet, er könne sich daran erinnern, dass er vor diesem Schreiben mit der Beklagten telefoniert habe. Die Beklagte habe ihn angerufen und sinngemäß gefragt, warum die Bank sie aus der Bürgschaft in Anspruch nehme. Sie habe davon gesprochen, dass zunächst die anderen Sicherheiten benutzt werden sollten. Der Zeuge erklärte, dass die Beklagte sich nicht ausdrücklich dazu geäußert habe, woher sie wisse, dass sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde. Für ihn sei dies jedoch deshalb schlüssig gewesen, weil einen Tag zuvor ein Schreiben an die Beklagte gerichtet worden sei, wonach sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde. Die Frage nach weiteren Sicherheiten habe er nicht beantwortet, weil dies den Bürgen nichts angehe. Er sei mit der Beklagten jedoch übereingekommen, dass ein Sicherheitenspiegel an Herrn W., den Geschäftsführer der GmbH, übersandt werde. Sie könne sich mit diesem dann darüber unterhalten. Es sei nicht so gewesen, dass die Beklagte nur angerufen habe, um sich allgemein nach der Frage der Bürgschaftsverpflichtung zu informieren. Der Zeuge schloss aus, dass sich seinerzeit anstatt der Beklagten eine Frau W. bei ihm telefonisch gemeldet habe. Mit einer Frau W. habe er auch später nichts zu tun gehabt, ausschließen könne er nicht, dass zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise auch einmal eine Frau W. angerufen habe. Das Telefongespräch sei damals vermutlich vormittags geführt worden, da er damals wegen Elternteilzeit nur vormittags, in der Regel bis 12.00 Uhr, gearbeitet habe.

Der Senat erachtet die Bekundungen des Zeugen H. für glaubhaft und hält den Zeugen, der sehr darauf bedacht war, sich präzise zu äußern und nur dass wiederzugeben, woran er sich genau erinnern konnte, für glaubwürdig. Der Senat ist aufgrund der Äußerungen des Zeugen unter Berücksichtigung der Beweisanforderungen des BGH (BGHZ 53, 245, 256 brauchbarer Grad an persönlicher Gewissheit, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen), davon überzeugt, dass tatsächlich die Beklagte am 07.12.1999 den Zeugen H. angerufen hat und Anlass für diesen Anruf die Kündigung der Darlehensverträge der Hauptschuldnerin mit Schreiben vom 06.12.1999 und die Inanspruchnahme der Beklagten als Bürgin mit Schreiben, ebenfalls datiert vom 06.12.1999 (GA 25) war. Letzteres Schreiben ist sowohl als einfaches Schreiben an die Beklagte als auch als Einschreibe-Brief gegen Rückschein, entgegengenommen von dem Zeugen W., versandt worden. Das Schreiben ist im Postausgangsbuch der Klägerin (Anlage 7, GA 68-71) vermerkt. Der Inhalt der Aussage des Zeugen H., wonach die Beklagte gefragt habe, warum sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen und nicht auf andere Sicherheiten zurückgegriffen werde, belegt nach Auffassung des Senats eindeutig, dass die Beklagte Kenntnis von dem Inhalt des an sie gerichteten Schreibens vom 06.12.1999 hatte.

Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Anhörung gemäß § 141 ZPO zwar bestritten, dass sie mit dem Zeugen H. an dem fraglichen Tag telefoniert habe. Ihr Ansprechpartner sei immer in erster Linie Herr G. gewesen. Sie habe damals dem Auslaufen der Bürgschaft entgegengefiebert. Sie hätte angesichts ihrer finanziellen Situation sich an sich gar nicht auf die Bürgschaft einlassen dürfen. Sie habe das Schreiben vom 6.12.1999 weder durch einfaches Schreiben noch als Einschreibe-Brief durch den Zeugen W. erhalten. Da sie die Post, die normalerweise zwischen 11.00 Uhr und 13.00 Uhr komme, erst gegen 14.00 Uhr aus dem Briefkasten hole, könne das Gespräch mit dem Zeugen H. nicht stattgefunden haben, weil dieser seinerzeit bereits gegen 12.00 Uhr die Bank verlassen habe. Der Zeuge W. habe ihr den an sie gerichteten Einschreibe-Brief ebenfalls nicht übermittelt. Auch den Sicherheitenspiegel habe sie von dem Zeugen W. nicht erhalten. Sie habe auch in Folge von der Klägerin weder Schreiben in Bezug auf die Bürgschaft noch Mahnschreiben oder Zahlungsaufforderungen erhalten. Auf Vorhalt des Senats erklärte die Zeugin, dass sie auch das Schreiben vom 17.03.2000 (GA 269, Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 15.11.2007) und das Schreiben vom 10.07.2001 (GA 26) nicht erhalten habe.

Der Senat erachtet die Ausführungen der Beklagten im Rahmen ihrer Anhörung nicht für glaubhaft. Der Zeuge H. hat für den Senat glaubhaft geschildert, dass die Beklagte im zeitlichen Zusammenhang mit dem einen Tag zuvor ergangenen Schreiben hinsichtlich der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft angerufen habe. Das Schreiben vom 08.12.1999 (GA 162) an den Zeugen W. belegt, dass einen Tag zuvor ein Gespräch mit der Beklagten stattgefunden hat und dass die Übersendung des Sicherheitenspiegels gewünscht wurde. Die Bezugnahme auf den Sicherheitenspiegel und die Übersendung desselben unter Bezugnahme auf ein mit der Beklagten am Tag zuvor geführtes Gespräch spricht dafür, dass die Bekundungen des Zeugen H., dass die Beklagte gefragt habe, warum sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen und nicht auf andere Sicherheiten zurückgegriffen werde, richtig sind. Die Aussage des Zeugen H. steht auch nicht in Widerspruch zu den Bekundungen des erstinstanzlich vernommenen Zeugen W., der jedenfalls nicht ausgeschlossen hat, den Einschreibe-Brief an die Beklagte übergeben zu haben.

Der Senat ist aufgrund der Bekundungen des Zeugen H. davon überzeugt, dass die Klägerin am 7.12.1999, d.h. rechtzeitig vor dem 31.12.1999, Kenntnis von der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft hatte.

Die mit Schriftsatz der Beklagten vom 19.11.2007 im Anschluss an die Beweisaufnahme gemachten Ausführungen geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Dass der Zeuge H. die Beklagte persönlich nicht gekannt hat, schließt nicht aus, dass er tatsächlich mit der Beklagten, die sich bei ihm als Frau A. vorstellte, telefoniert hat. Da einen Tag zuvor das Schreiben mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft erfolgte, ist nachvollziehbar, dass tatsächlich die Beklagte mit ihm Kontakt aufgenommen hat, um die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft abzuwenden. Dafür spricht, dass der Zeuge H. als Ansprechpartner im Briefkopf der Klägerin mit seiner Durchwahlnummer erwähnt war (GA 25). Dass der Zeuge seinerzeit in der Regel nur vormittags wegen Elternzeit arbeitete und üblicherweise gegen 12.00 Uhr die Bank verließ, schließt nicht aus, dass er möglicherweise an diesem Tag länger gearbeitet hat oder die Beklagte vor 12.00 Uhr Kenntnis von dem Schreiben vom 06.12.1999 hatte. Der Zeuge H. hat für den Senat auch glaubhaft bekundet, warum er sich trotz des Zeitablaufs noch heute an das Telefonat vom 7.12.1999 erinnern kann. Er hat dem Senat dargelegt, dass er intern für die Kündigungen von Darlehen bzw. Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen, wie die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, an sich nicht zuständig sei, sondern dies von einer anderen Abteilung betrieben werde. Nur im Hinblick auf das drohende Auslaufen der Verpflichtung aus der Bürgschaft habe er sich selbst mit dem Vorgang befassen müssen.

Die Aussage des Zeugen H. wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin erst am 16.12.2004 den Mahnantrag stellte und bei der Klagebegründung nicht bemerkte, dass die Zustellung der Bürgschaftsinanspruchnahme-Erklärung an den Zeugen W. erfolgte, die Beklagte in der Zwischenzeit noch eine Umschuldung vornehmen konnte und neue Kreditmittel erhielt. Der Klägerin steht es frei, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist (hier 31.12.2004, Art. 229 § 6 EGBGB) die Beklagte in Anspruch zu nehmen. Aus den Schreiben der Klägerin vom 17.03.2000 und 10.07.2001 (GA 269/270, GA 26) lässt sich entnehmen, dass Gespräche hinsichtlich der Übernahme einer neuen Bürgschaft erfolgt sind. Der Senat hält es für nicht glaubhaft, dass die Beklagte sämtliche Schreiben der Klägerin im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht erhalten haben will.

Auch die Tatsache, dass der Zeuge H. erst zu einem späten Zeitpunkt als Zeuge benannt worden ist, nachdem die Klägerin erstinstanzlich eine bis 31.12.1999 befristete Bürgschaft (Zeitbürgschaft) bestritten hat, ist nicht von Gewicht. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass zunächst die Hauptschuldnerin in Anspruch genommen und erst bei Überprüfung des gesamten Aktenkomplexes bezüglich der Hauptschuldnerin und schließlich der Beklagten in Erfahrung gebracht habe, dass der Zeuge H. mit den Vorgängen im Dezember 1999 befasst gewesen sei.

Für den Senat besteht kein Anlass zu glauben, dass erst nach Bestätigung des Vortrags der Beklagten, dass es sich tatsächlich um eine Zeitbürgschaft gehandelt habe, nachträglich ein Telefongespräch zwischen der Beklagten und dem Zeugen H. vom 7.12.1999 konstruiert worden ist und es sich bei dem vorgelegten Schriftverkehr, insbesondere den Schreiben vom 06.12.1999 (GA 25) 17.3.2000 (GA 269) und 10.7.2001 (270) um Fälschungen handelt.

Der Anspruch ist nicht verjährt (Art. 229 § 6 EGBGB).

2) Die Bürgschaft ist nicht gemäß § 138 BGB unter dem Aspekt "unwirksame Mithaftung vermögensloser Familienangehöriger wegen angeblich krasser Überforderung" der Beklagten sittenwidrig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Bürgschaft unwirksam, wenn deren Verpflichtungsumfang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen erheblich übersteigt und weitere Umstände hinzukommen, durch die ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, welches die Verpflichtung des Bürgen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Gläubigers als rechtlich nicht hinnehmbar erscheinen lässt. Solche Umstände können darin liegen, dass die Entscheidungsfreiheit des Bürgen in anstößiger Weise beeinträchtigt wurde und der Gläubiger sich dies zurechnen lassen muss (BGH Urt. V. 18.12.1997 - IX ZR 271/96 - NJW 1998, 597, 598 = ZIP 1998, 196, 197; BGHZ 125, 206, 210 f. = NJW 1994, 1278; BGHZ 128, 230, 232, 234 = NJW 1995, 592; BGHZ 132, 328, 330 = NJW 1996, 2088; BGH Urt. V. 18.1.1996 - IX ZR 171/95 - ZIP 1996, 495 = NJW 1996, 1274). Dies betrifft zum einen Fälle, in denen Hauptschuldner und Bürge durch Verwandtschaft, Ehe oder eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft persönlich eng miteinander verbunden sind. Zum anderen können diese Voraussetzungen auch dann gegeben sein, wenn zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner eine entsprechende persönliche Beziehung nicht besteht (BGH ZIP 1998, 196, 197; Urt. V. 16.1.1997 - IX ZR 250/95 - ZIP 1997, 446). Bürgschaften von Kindern und Lebenspartnern des Hauptschuldners können auch dann als sittenwidrig angesehen werden, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht, d.h. dessen finanzielle Mittel, bezogen auf die Höhe der gesamten Hauptschuld, praktisch bedeutungslos und ein berechtigtes Interesse des Kreditgebers an einer Verpflichtung in dem vereinbarten Umfang unter keinem Gesichtspunkt anerkannt werden kann (BGHZ 132, 328, 330 f. = NJW 1996, 2088 = ZIP 1996, 1126). Eine Bürgschaft kann schon deshalb nichtig sein, weil der wirtschaftlich krass überforderte Bürge aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse gehandelt hat (BGHZ 125, 206, 210 f = NJW 1994, 1278). Jedoch sind dabei alle im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (BGH NJW 1998, 597, 598 = ZIP 1998, 196, 197; BGH NJW 1996, 1274 = ZIP 1996, 520). Der BGH hat indes auch entschieden, dass ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, in der Regel ein berechtigtes Interesse daran hat, die persönliche Haftung aller Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu verlangen. Ein Bank darf im Allgemeinen davon ausgehen, dass derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt, dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt (BGH NJW 1998, 597, 59 = ZIP 1998, 196, 198). Für den Kreditgeber besteht keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, aus welchen Gründen die Beteiligung an der Gesellschaft erfolgt und die Haftung für deren Schulden übernommen wird. Nur wenn der Kreditgeber in die wirtschaftlichen Hintergründe des Kreditgeschäfts so eingebunden wird, dass für ihn die wirklichen Motive des Bürgen klar hervortreten, darf er die Augen davor nicht verschließen. Erkennt der Kreditgeber infolge der ihm offenbarten Tatsachen, dass derjenige, der die Haftung übernehmen soll, wirtschaftlich nicht beteiligt wird und die Stellung eines Gesellschafters nur aus den für Verwandten- und Ehegattenbürgschaften typischen Erwägungen übernommen hat, er damit auch keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, so kann die getroffene Haftungsvereinbarung sich im Einzelfall als für den Gesellschafter unzumutbare Belastung erweisen.

Die Beklagte hat zwar behauptet, dass sie bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages finanziell überfordert gewesen sei und ihr die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gefehlt habe. Der frühere Ehemann der Beklagten hat im Jahre 1983 die GmbH für Gravuren und Beschriftungen gegründet. Die Beklagte war nach der Geburt ihrer Söhne (1979, 1982) zwar als Hausfrau tätig und verfügte über keine eigenen Einkünfte. Ihr Ehemann ist bereits 1993 verstorben. Die hier in Rede stehende selbstschuldnerische Bürgschaft ist erst am 30.06.1998 übernommen worden. Die Übernahme der Bürgschaft erfolgte nicht für einen Familienangehörigen. Zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft war der Zeuge W. als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin noch nicht ihr Lebensgefährte. Die Übernahme der Bürgschaft ist deshalb auch nicht in emotioneller Verbundenheit mit dem Geschäftsführer der Hauptschuldnerin erfolgt.

Hinzu kommt, dass die Beklagte als Gesellschafterin an der GmbH beteiligt war und Mietzinszahlungen aus Vermietung der Gewerbeeinheit erhielt. Auf eine Bürgschaft, die ein maßgeblich beteiligter Gesellschafter für Schulden der GmbH übernimmt, finden die für die Angehörigenbürgschaft geltenden Rechtsgrundsätze keine Anwendung (BGHZ 137,329, NJW 1998, 894, NJW 2002 956, 1337). Zudem hat sie aufgrund der Mieteinnahmen aus dem Objekt ein eigenes Interesse am Bestand der GmbH.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 66.467,94 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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