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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 15.04.2002
Aktenzeichen: 2 U 1513/01
Rechtsgebiete: ZPO, DÜG, VVG, AKB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 108
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 543 Abs. 2
DÜG § 1
VVG § 325
VVG § 326
VVG § 67
VVG § 61
AKB § 15
BGB § 325
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 U 1513/01

Verkündet am 15.04.2002

In dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich sowie die Richter am Oberlandesgericht Künzel und Kieselbach auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.08.2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jedoch darf die Klägerin die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung nach § 108 ZPO in Höhe von 2.800,00 EUR abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Weise und Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Beklagte stellte ein von ihm gemietetes Wohnmobil am 21.07.2,000 gegen 15.30 Uhr in Südfrankreich am Lac auf einem einsehbaren, öffentlichen Parkplatz verschlossen ab. Den Ersatzschlüssel beließ er im abgeschlossenen Handschuhfach. Das Fahrzeug wurde entwendet und nicht wieder aufgefunden.

Die Klägerin, bei der das Fahrzeug kaskoversichert war und die den Vermieter und Eigentümer entschädigte, macht aus übergangenem Recht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend in Höhe des behaupteten Zeitwerts des Wohnmobils von 52.500,00 DM abzüglich einer Selbstbeteiligung von 300,00 DM.

Sie hat geltend gemacht, der Beklagte habe den Diebstahl des Fahrzeugs grob fahrlässig ermöglicht.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 52.200,00 DM nebst 9,26 % Zinsen hieraus seit dem 8.11.2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten verneint.

Der Senat verweist hinsichtlich der Einzelheiten auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts.

Dagegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin.

Sie trägt vor,

das Fahrzeug sei mit dem im Fahrzeug belassenen Ersatzschlüssel entwendet worden, da dies wegen der Wegfahrsperre (nach sogenanntem Transpondersystem) anders nicht möglich sei. Gerade deshalb habe der Schlüssel im Wageninneren nichts zu suchen. Im Reservefall sei der Ersatzschlüssel im verschlossenen Handschuhfach ohnehin nicht greifbar. Das Verschließen des Handschuhfachs reize den Dieb ohnehin zum Aufbrechen, da er darin etwas Brauchbares vermute".

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 26.689,44 EUR zu zahlen, zu verzinsen mit 5 % p. a. über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juli 1998 (BGBl. I S. 1242) seit dem 8. November 2000,

hilfsweise,

Vollstreckungsschutz durch Bankbürgschaft.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

ihm zu gestatten, Sicherheit auch durch Bürgschaft eines als Zoll- und/oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitut zu leisten.

Er trägt vor,

die Klägerin könne sich nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen, dass der im verschlossenen Handschuhfach zurückgebliebene Schlüssel zur Entwendung benutzt worden sei.

Das Belassen des Ersatzschlüssels im Handschuhfach eines nachmittags auf einem frei einsichtigen, öffentlichen Parkplatz abgestellten Wohnmobils stelle kein besonders sorgloses und mithin grob fahrlässiges Verhalten dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat richtig entschieden.

Der Senat nimmt auf die angefochtene Entscheidung Bezug (§ 543 ZPO).

I. Das Berufungsvorbringen der Klägerin führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 325, 326 i. V. m. §§ 67, 61 VVG, 15 AKB, denn dem Beklagten ist die Rückgabe des gemieteten Pkw nicht wegen grob fahrlässigen Verhaltens unmöglich geworden.

1. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach den genannten Vorschriften ist, dass die Unmöglichkeit der Rückgabe des Fahrzeugs auf ein vorsätzliches oder zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten zurückzuführen ist.

Unterstellt man zunächst die von der Klägerin zu beweisende Kausalität der vorgeworfenen Pflichtverletzung (streitig) für die nach Meinung des Senats nicht der Beweis des ersten Anscheins streiten dürfte, wäre der Grad des Verschuldens des Beklagten entscheidend.

Die Beweislast für das Nichtvertretenmüssen i.S.d. § 325 BGB liegt beim Schuldner (§ 282 BGB). Dies gilt auch für die Rückgabepflicht des Mieters (Palandt, BGB, 59. Aufl., § 282 Rn. 3).

Ein vorsätzliches Verhalten trägt die Klägerin nicht vor. Es kann auch nicht festgestellt werden.

Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass auch grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten nicht gegeben ist. Davon ist auch der Senat überzeugt.

Grob fahrlässiges Verhalten liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Palandt, a. a. O. § 277 Rn. 2 m. w. N.).

Davon geht der Senat nicht aus.

Bereits das Landgericht hat die umfangreiche Rechtsprechung und Literatur zu der streitigen Frage herangezogen und sich damit auseinandergesetzt, ob und wieweit das nicht sichtbare Belassen eines Fahrzeugschlüssels im Wageninneren als grob fahrlässig zu beurteilen ist. Darauf nimmt der Senat Bezug.

Nach Überzeugung des Senats ist bei der Beurteilung dieser Frage auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Danach stellt es hier jedenfalls kein grob fahrlässiges Verhalten dar, wenn der Schlüssel im abgeschlossenen Handschuhfach zurückgelassen wird (BGH VersR 1986, 962(963)). Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn dies in der Kenntnis geschieht, dass das Fahrzeug nicht ohnehin einfach durch einen Ruck am Lenkrad und Kurzschließen entwendet werden kann, sondern die Wegfahrsperre sich allein mit dem Originalschlüssel überwinden lässt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn dass der Beklagte diese Kenntnis hatte, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, es sei wenig sinnvoll, den Ersatzschlüssel im verschlossenen Handschuhfach zu deponieren, denn bei Verlust des Ersatzschlüssels stehe dieser nicht ohne weiteres zur Verfügung. Denn bei der Bewertung des Verschuldens des Beklagten sind nur solche Umstände heranzuziehen, die dem Dieb, der den Pkw geöffnet hat, die Entwendung des Fahrzeugs insgesamt erheblich erleichtern. Hier ist allein von Bedeutung, dass sich der Schlüssel im Fahrzeuginneren im verschlossenen Handschuhfach befand.

Ein Dieb, dem es von vornherein auf die Entwendung des gesamten Fahrzeugs ankommt, wird möglicherweise auch vor dem verschlossenen Handschuhfach nicht Halt machen. Sucht ein Dieb Wertsachen im Fahrzeuginnern, wird er nicht unbedingt die Gelegenheit des Auffindens des Ersatzschlüssels wahrnehmen und gleich das gesamte Fahrzeug entwenden. Denn dadurch würde er das ungleich höhere Risiko eingehen, entdeckt zu werden. Auch wird es für die Möglichkeit, das Fahrzeug wegzufahren, auf sein Alter und seine Fähigkeiten ankommen.

Für beide Varianten gilt aber, dass der Schlüssel nicht einfach im Wageninnern zurückgelassen, sondern durch Verschließen des Handschuhfachs zusätzlich gesichert wurde. Auch wenn das Aufbrechen des Handschuhfachs dem versierten Dieb keine großen Probleme bereiten wird, muss er dafür nochmals besondere kriminelle Energie und Zeit aufwenden. Dies ist nicht vergleichbar mit einem im Wageninnern nur versteckten Ersatzschlüssel, was auch das Oberlandesgericht Frankfurt (NJW-RR 1995, 1367) bei dem von ihm zu entscheidenden Fall anerkennt, wo nur ein gezielter Handgriff zu einem von dem Dieb erwarteten Versteck ausreichend war.

Zutreffend weist das Landgericht darüber hinaus darauf hin, dass das Fahrzeug zur Nachmittagszeit auf einem öffentlichen Parkplatz an frei einsehbarer Stelle abgestellt war und damit der Beklagte nicht ohne weiteres damit rechnen musste, dass Diebe ungestört zu Werke gehen können.

Die Bewertung dieser Gesamtumstände durch den Senat führt dazu, dass nicht davon abzugehen ist, dass der Beklagte die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert der Berufung und die Beschwer der Klägerin beträgt 26.689,44 EUR.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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