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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 2 U 1546/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 117
BGB § 326
BGB § 433
BGB § 440 Abs. 1
ZPO § 767
ZPO § 767 Abs. 2
ZPO § 97 I
ZPO § 101
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 2 U 1546/00

Verkündet am 28. Juni 2001

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung.

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Henrich sowie der Richter am Oberlandesgericht Künzel und Kieselbach auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. September 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die der Streithelfer der Klägerin trägt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung -- auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer inländischen Bank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank -- oder Hinterlegung von 19.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich als Vollstreckungsschuldnerin gegen einen titulierten Zahlungsanspruch der Beklagten als Vollstreckungsgläubigerin aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Mainz vom 19. Januar 1999 (BA 2 O 478/97).

Die Parteien hatten am 21. Februar 1995 vor dem Notariat P........ IV einen notariellen Bauträgervertrag geschlossen, wobei ein Kaufpreis von DM 425.416,00 vereinbart worden war.

Als Gegenleistung hierzu verpflichtete sich die Beklagte, auf dem in der notariellen Urkunde näher beschriebenen Grundbesitz ein Gebäude mit 15 Wohnungen, 15 Kellern, 15 Stellplätzen in der Tiefgarage sowie 8 Carports zu errichten und der Klägerin das in der notariellen Urkunde näher beschriebene Wohnungseigentum mit Sondernutzungsrechten zu Alleineigentum lastenfrei zu übertragen.

Insoweit heißt es in der notariellen Urkunde u. a. (§ 5 II, § 3 III 3), dass die Freistellung des Vertragsobjektes/Kaufgegenstandes von allen Grundpfandrechten sichergestellt sein muss und der Grundbesitz nach dem Grundbuch lastenfrei zu übertragen ist.

Am 1. März 1995 wurde zugunsten der Klägerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung eingetragen.

Die Klägerin hatte nach Vertragsschluss bzw. notarieller Beurkundung auf eine Zahlungsforderung der Beklagten eingewendet, den Parteien sei von Anfang an, und somit auch vor der notariellen Beurkundung, klar gewesen, dass der Kaufvertrag nicht vollzogen werde, der Kaufpreis nicht bezahlt werden sollte und es sich insoweit um einen sogenannten Proformakauf zur Sicherstellung der Finanzierung, also ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 BGB gehandelt habe.

Die Beklagte hatte daraufhin bzw. im Hinblick auf die Nichtzahlung und die Tatsache, dass die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde nicht vertraglich vereinbart war, am 23. Januar 1998 im Verfahren 2 O 478/97 LG Mainz Zahlungsklage gegen die Klägerin erhoben.

Zuvor, nämlich bereits am 3. Juli 1997, war unter der Abt. III lfd. Nr. 2 eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek für eine Werklohnforderung in Höhe von DM 532.598,35 und wegen eines Kostenpauschquantums in Höhe von DM 10.543,25, mithin insgesamt DM 543.130,60 zu Gunsten der Firma F...... GmbH & Co. in K....- ...., aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Karlsruhe, in das Grundbuch des zu übertragenden Grundstücks eingetragen worden. Dieser Vormerkung im Rang vorgehend war ferner unter Abt. III, lfd. Nr. 1 eine Grundschuld in Höhe von DM 950.000,00 zu Gunsten der ................ Sparkasse P........ am 1. März 1995 bei Anlegung des Grundbuch in Abt. III übertragen worden.

Das Landgericht Mainz hat im vorerwähnten Verfahren die hiesige Klägerin verurteilt, an die hiesige Beklagte 404.469,95 DM (Kaufpreis abzgl. eines durch Aufrechnung erloschenen Teilbetrages) nebst ausgeurteilten Zinsen Zug um Zug gegen Erklärung der Auflassung betreffend den 67, 44/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück, eingetragen im Grundbuch von K.....- ....-S...., wie er in der notariellen Urkunde vom 21. Februar 1995 näher bezeichnet ist, zu zahlen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: "Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erfüllung des notariellen Vertrages vom 21. Februar 1995 über den Erwerb einer Eigentumswohnung. Der Zahlungsanspruch ist in Höhe von DM 20.956,05 durch wirksam erklärte Aufrechnung seitens der Beklagten erloschen. Die Beklagte ist zur Erfüllung des notariellen Kaufvertrages zum Erwerb der Eigentumswohnung verpflichtet, denn zur Überzeugung der Kammer liegt kein Scheingeschäft im Sinne von § 117 BGB vor." Die Frage von Lasten auf dem Grundstück war dabei nicht Gegenstand der Auseinandersetzung.

Das Urteil des Landgerichts Mainz wurde am 1. März 1999 rechtskräftig, nachdem die hiesige Klägerin ein Rechtsmittel nicht eingelegt hatte.

Die Klägerin nahm im Folgenden wegen der erforderlichen Finanzierung des Kaufpreises Grundbucheinsicht und nahm dabei die oben bezeichneten Eintragungen in Abt. III zur Kenntnis.

Mit Schreiben vom 29. April 1999 forderte die Klägerin die Beklagte unter Verweisung auf die notarielle Urkunde und gleichzeitigem Anerbieten der Zug-um-Zug-Leistung (also in diesem Fall des noch offenen Kaufpreises) auf, ihr das Vertragsobjekt unter Sicherstellung der Freistellung von allen Grundpfandrechten, die einer Auflassungsvormerkung der Klägerin im Rang vorgehen und von der Klägerin nicht übernommen werden sollen bzw. müssen, lastenfrei anzubieten.

Im Zuge nachfolgenden Schriftwechsels erhielt die Klägerin bzw. das insoweit beauftragte Notariat eine Freistellungserklärung der ................ Sparkasse P........ betreffend der eingetragenen Grundschuld.

Die Klägerin forderte die Beklagte sodann unter Setzung einer Nachfrist bis zum 27. Mai 1999 unter Ablehnungsandrohung erneut auf, das Vertragsobjekt lastenfrei anzubieten. Gleichzeitig wurde durch die Klägerin die ihr obliegende Zug um Zug Verpflichtung, also die Zahlung des Kaufpreises, angeboten.

Am 28. Mai 1999 war das streitgegenständliche Objekt unverändert in Abt. III mit der Grundschuld in Höhe von DM 950.000,00 und der Vormerkung zur Sicherung einer Handwerkersicherungshypothek in Höhe von DM 543.130,60 belastet.

Mit Schreiben vom 28. Mai 1999 erklärte die Klägerin sodann den Rücktritt von dem Bauträger-/Kaufvertrag von 21. Februar 1995.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie infolge wirksamen Rücktritts vom Bauträger-/Kaufvertrag aus diesem nicht mehr verpflichtet sei. Ihre Einwendung betreffe den durch das Urteil des Landgerichts Mainz im Verfahren 2 O 478/97 festgestellten Zahlungsanspruch der Beklagten, dessen Grundlage damit entfallen sei. Die von der Beklagten aus dem Urteil gegen sie betriebene Zwangsvollstreckung sei unzulässig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen, vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Mains vom 19. Januar 1999 (AZ. 2 O 478/97) für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin sei mit der Einwendung des Rücktritts ausgeschlossen (Präklusion). Dieser habe bereits im vorangegangenen Verfahren geltend gemacht werden können. Auf fehlende Kenntnis des Grundbuchinhaltes seitens der Klägerin komme es nicht an.

Die Klägerin sei auch nicht zum Rücktritt berechtigt. Es fehle an ihrer eigenen Vertragstreue. Sie befinde sich seit dem 18. Dezember 1996 mit der Kaufpreiszahlung in Verzug. Erst aufgrund dieses Verzuges sei es zur Eintragung der Sicherungshypothek gekommen. Bei rechtzeitiger Zahlung durch die Klägerin wäre sie -- die Beklagte -- in der Lage gewesen, die Gläubigerin der Werklohnforderung, die Firma F......, planmäßig zu bezahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Ein Anspruch auf Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung bestehe nicht. Die Klägerin sei mit der Einwendung des Rücktritts vom Vertrag gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Die Klägerin wende hier ein gesetzliches Rücktrittsrecht (§§ 326, 325 BGB) ein, das von einem zeitlich fixierbaren Gestaltungsgrund abhängig sei und damit nicht willkürlich und ohne Berufung auf einen bestimmten Tatbestand ausgeübt werden könne, wie z. B. das Optionsrecht oder ein ordentliches Rücktrittsrecht. Dieses Gestaltungsrecht habe die Klägerin aber rechtzeitig gegenüber der Titelforderung zum Tragen bringen müssen. Es sei unerheblich, dass vor Ausübung des Gestaltungsrecht eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung habe vorausgehen müssen. Das Unterlassen der Geltendmachung im ersten Rechtsstreit sei eine Obliegenheitsverletzung mit der Folge der Präklusion.

Auf die weiteren Ausführungen im Urteil des Landgerichts wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Landgerichts haben sowohl die Klägerin als auch der ihr beigetretene Streithelfer Berufung eingelegt. Die Klägerin und ihr Streithelfer, der sie als Prozessbevollmächtigter im Vorprozess vertreten hat, wenden sich die Annahme des Landgerichts, die Klägerin sei mit ihrer Einwendung ausgeschlossen. Sie sind er Auffassung, die Klägerin sei schon deshalb nicht gehindert, den Rücktritt gemäß § 326 BGB im vorliegenden Verfahren geltend zu machen, weil die der Klägerin aus dem Anspruch auf Gegenleistung erwachsenen Gegenrechte durch die ausdrückliche Verurteilung Zug um Zug vorbehalten und nicht rechtskräftig aberkannt worden seien. Präklusion sei auch deshalb nicht gegeben, weil der Rücktritt erst am 28. Mai 1999 erklärt worden und damit die von der Klägerin geltend gemachte Einwendung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung (1. Dezember 1998) entstanden sei. Das Landgericht habe verfehlt und über die Rechtsprechung des BGH hinausgehend nicht auf das Entstehen des Gestaltungsrechtes abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt, zu welchem der Schuldner das Gestaltungsrecht zum Entstehen hätte bringen können. Die Rücktrittsvoraussetzungen lägen vor. Die der Klägerin obliegende Zug um Zug-Leistung sei der Beklagten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angeboten worden.

Die Klägerin und ihr Streithelfer beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem erstinstanzlichen Schlussantrag der Klägerin zu erkennen.

Die Klägerin beantragt hilfsweise,

ihr Vollstreckungsschutz durch Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Landgerichts für richtig. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass die Entscheidung über die Präklusionsfrage dahinstehen könne, weil der Rücktritt nicht wirksam erklärt worden sei. Es fehle an einer wirksamen Fristsetzung und damit Inverzugsetzung i. S. des § 326 BGB. Die Klägerin habe die ihr obliegende Leistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Das Rücktrittsbegehren scheitere ohnehin auch an fehlender eigener Vertragstreue der Klägerin.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und des Streithelfers der Klägerin wird auf den Inhalt der Schriftsätze sowie der zu der Gerichtsakte überreichten Urkunden Bezug genommen.

Die Akte 2 O 478/97 LG Mainz lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die als einheitliches Rechtsmittel zu behandelnden (vgl. BGH NJW 1993, 2944) Berufungen der Klägerin und ihres Streithelfers haben in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat richtig entschieden.

I.

Zu den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, auf die der Senat Bezug nimmt, bleibt auf die Berufungsangriffe hin ergänzend und zusammenfassend Folgendes festzustellen:

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin die für einen materiell-rechtlich wirksamen Rücktritt erforderlichen Voraussetzungen herbeigeführt hat.

Wird dies unterstellt, wäre sie jedenfalls mit ihrer Einwendung gemäß § 769 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

1. Der Ansicht der Klägerin, sie sei bereits deshalb nicht gehindert, den Rücktritt gemäß § 326 BGB mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen, weil die ihr aus dem Anspruch auf Gegenleistung erwachsenen Gegenrechte nicht durch die ausdrückliche Verurteilung Zug um Zug vorbehalten und nicht rechtskräftig aberkannt worden seien, ist nicht zu folgen. Sie macht die rechtsvernichtende Einwendung des Rücktritts vom Vertrag geltend und somit eine Einwendung, die den durch das Urteil festgestellten Zahlungsanspruch der Beklagten betrifft, gegen den sich die Klägerin wendet.

2. Mit der Einwendung des Rücktritts ist die Klägerin allerdings gemäß § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

Hiernach sind Einwendungen gegen den titulierten Anspruch nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, in der die Einwendungen nach den Vorschriften der ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. BGHZ 125, 350, 353) und herrschender Literaturmeinung (vgl. Münchner Kommentar/Schmidt, ZPO, § 767 Rnr. 77 m.w.N.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., vor § 322 Rnr. 64 m.w.N.) bestimmt das Gesetz, wie sich aus der Formulierung "entstanden sind" ergibt, die Präklusionsvoraussetzungen rein objektiv.

Bei der nachträglichen Ausübung von Gestaltungsrechten, insbesondere der Aufrechnung und der Anfechtung, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt an, in dem das Gestaltungsrecht -- und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner den Tatbestand, auf dem seine Gegenforderung beruht, gekannt hat, mag auch die Unkenntnis nicht verschuldet sein (vgl. BGHZ 34, 274, 279) -- entstanden ist und nicht auf den Zeitpunkt, in dem es ausgeübt wurde. Dies hat der BGH in ständiger Rechtsprechung für gesetzliche Gestaltungsrechte wie für die Aufrechnung (BGHZ 24, 97; 34 a.a.O.; 100, 222, 225) und für die Anfechtung (BGHZ 42, 37, 39 ff.) angenommen. Die Frage, ob dies auch für die Rücktrittserklärung auf Grund gesetzlichen Rücktrittsrechts gilt, konnte vom BGH bisher offengelassen werden (vgl. BGHZ 31, 82, 88).

Der Senat bejaht sie mit dem Landgericht mit Blick auch auf die bisherige BGH-Rechtsprechung und die wohl überwiegende Literaturmeinung (vgl. Münchner Kommentar/Schmidt, a.a.O., Rnr. 80).

Ausgangspunkt der Beurteilung ist, dass § 767 Abs. 2 ZPO einer Absicherung der materiellen Rechtskraft dient (vgl. BGH NJW 1983, 228, 230). Als Ausdruck dessen zieht diese Vorschrift der mit Zubilligung eines Gestaltungsrechts vom materiellen Recht eingeräumten Entscheidungsfreiheit prozessuale Grenzen. Es geht letztlich um eine Abwägung zwischen der materiell-rechtlichen Entscheidungsfreiheit und dem Normzweck des § 767 Abs. 2 ZPO.

Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgend verliert die gestaltungsberechtigte Partei dann die Möglichkeit, frei darüber zu entscheiden, wann sie die Gestaltungsfolge herbeiführen will, wenn, wie bei Aufrechnung und Anfechtung, die Wahlfreiheit lediglich eine Nebenfolge, nicht aber Zweck des Gestaltungsrechtes ist (BGHZ 94, 23, 35).

So verhält es sich aber auch bei dem aus § 326 BGB hergeleiteten gesetzlichen Rücktrittsrecht.

Auch dieses Gestaltungsrecht ist nicht z. B. mit einem Optionsrecht zu vergleichen, dessen Wesen gerade darin liegt, dem Begünstigten die Entscheidungsfreiheit zu überlassen, ob und gegebenenfalls wann er die Option ausübt. Es zählt nicht zu den Gestaltungsrechten, die dem Berechtigten eine Schwebelage sichern wollen und die deshalb willkürlich und ohne Berufung auf einen bestimmten objektiven Tatbestand ausgeübt werden können wie z. B. das Optionsrecht oder ein ordentliches Kündigungsrecht. Es handelt sich vielmehr um ein Gestaltungsrecht, das der formalisierten Berufung auf einen abgeschlossenen Tatbestand gleichkommt (vgl. Münchener Kommentar/Schmidt, a.a.O., Rdnr. 82). Muss aber das Gestaltungsrecht auf einen abgeschlossenen Tatbestand -- hier: den Rücktrittsgrund -- gestützt werden, ist der Schuldner der Kommentarmeinung Schmidts folgend ebenso wie bei einer ipso jure wirkenden Einwendung gehalten, diesen Tatbestand in der gebotenen Weise durch (hilfsweise) Ausübung des Gestaltungsrechts rechtzeitig gegenüber der Titelforderung zum Tragen zu bringen. Es handelt sich dabei um eine Obliegenheit, von der ihn die Rechtstechnik des Gestaltungsrechts nicht befreit. Die Gestaltungserklärung unterliegt danach immer dann der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO, wenn deren Wirksamkeit von einem zeitlich fixierbaren Gestaltungsgrund - z. B. dem Anfechtungsgrund, der Aufrechnungslage, der Mangelhaftigkeit einer Sache, dem Eintritt der Unmöglichkeit der Leistung, dem Vertragsbruch etc. - abhängt. Der Senat folgt mit dem Landgericht dieser am Stand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und herrschender Literaturmeinung orientierter Auffassung.

Danach ist die Klägerin mit dem Einwand des Rücktritts vom Vertrag ausgeschlossen.

Das von ihr ausgeübte Rücktrittsrecht wird auf einen Rücktrittsgrund i. S. eines zeitlich fixierbaren Grundes, nämlich der Belastung des Kaufobjektes mit einer Grundschuld und einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek, gestützt. Diese Belastungen waren bereits seit dem 1. März 1995 bzw. 3. Juli 1997 im Grundbuch eingetragen.

Das hieraus hergeleitete auf §§ 433, 440 Abs. 1, 326 BGB gestützte Rücktrittsrecht hätte bereits gegenüber der Titelforderung zum Tragen gebracht werden können und müssen. Dabei oblag es der Klägerin auch, die zur Ausübung des Rücktrittsrechts notwendigen Voraussetzungen durch Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zu schaffen. Sie beruft sich somit ohne Erfolg darauf, das Gestaltungsrecht sei erst nach Fristsetzung und Ablehnungsandrohung nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden.

Es widerspräche der rein objektiven Bestimmung der Präklusionsvoraussetzungen im Fall des abgeschlossenen Tatbestandes eines Rücktrittsgrundes, wenn dessen Berücksichtigung davon abhinge, wann der Schuldner die Voraussetzungen für das Entstehen und die Ausübung des Rücktrittsrechts -- hier: Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung -- herbeigeführt hat. Dies führte zu einem vom Belieben der Klägerin als Schuldnerin abhängigen Ergebnis, womit diese ohne sachlich gerechtfertigten Grund eine Stellung erhielte, die z. B. derjenigen eines Optionsberechtigten entspräche. Abzustellen ist somit vielmehr allein darauf, ob die Entstehungs- und Ausübungsvoraussetzungen im Prozess um die Titelforderung objektiv herbeiführbar waren.

Hieran bestehen indes keinerlei Zweifel. Die Klägerin macht auch selbst nicht etwa geltend, sie habe die Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht durch Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht rechtzeitig vor Schluss der mündlichen Verhandlung schaffen können.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 I, 101 ZPO.

Die Entscheidung über vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert der Berufung beträgt 404.469,95 DM.

Ende der Entscheidung

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