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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 2 U 1620/06
Rechtsgebiete: BGB, BRAGO


Vorschriften:

BGB § 254 Abs. 2
BGB § 666
BGB § 2215
BGB § 2219 Abs. 1
BGB § 2227
BRAGO
1. Der Testamentsvollstrecker hat unmittelbar nach Annahme des Amtes unverzüglich ein Verzeichnis der in seiner Verwaltung stehenden Nachlassgegenstände zu erstellen und bekannte Nachlassverbindlichkeiten mitzuteilen.

2. War die Einschaltung eines Rechtsanwalts, der besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Erb- und Steuerrechts aufweist, angesichts der beharrlichen Weigerung des Testamentsvollstreckers ein Nachlassverzeichnis vorzulegen, erforderlich, kann der Geschädigte im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches wegen Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers auch Rechtsanwaltskosten geltend machen, die nicht auf der Abrechnung nach BRAGO (a.F.), sondern auf Stundelohnbasis erfolgten, wenn es sich um einen komplexen und sehr schwierigen Fall handelte.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 1620/06

Verkündet am 29. Mai 2008

in dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich, die Richterin am Oberlandesgericht Au und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 08. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 15. Zivilkammer Landgerichts Koblenz - Einzelrichterin - vom 3. November 2006 unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen teilweise wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird über den durch Urteil des Landgerichts Koblenz vom 3. November 2006 ausgeurteilten Betrag hinaus weiter verurteilt, an den Kläger 6.155,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2004 zu bezahlen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 45/100, der Beklagte zu 55/100. Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt der Kläger 48/100, der Beklagte 52/100.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Gründe:

Der Kläger, der Alleinerbe nach seiner Schwester M. S. ist, nimmt den Beklagten, der als Testamentsvollstrecker tätig geworden ist, persönlich wegen grober Pflichtverletzung seiner Testamentsvollstreckerstellung in Anspruch. Bei der Forderung des Klägers handelt es sich um Rechtsanwaltskosten in Höhe von 14.192,23 € (GA 31). Nachdem der Kläger seine Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 638,--€ zurückgenommen hat, hat er erstinstanzlich zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 13.354,23 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat der Klage nur zu einem geringen Teil entsprochen und den Beklagten zur Zahlung von 1.342,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2004 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Der Kläger erstrebt unter Abänderung des Urteils, die Verurteilung des Beklagten auf Zahlung von weiteren 12.212,11 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2004.

Der Beklagte hat ebenfalls Berufung eingelegt und unter Abänderung des Urteils Klageabweisung beantragt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 5. März 2008 (GA 388) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung des Beklagten mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.

Der Senat hat demnach nur noch ausschließlich über die Berufung des Klägers zu befinden.

II.

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Wie bereits mit Verfügung des Vorsitzenden vom 11.01.2008 ausgeführt, ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB zusteht. Nach dieser Vorschrift hat der Testamentsvollstrecker, der seine Pflichten verletzt, dem Erben den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach § 2215 BGB hat der Testamentsvollstrecker unmittelbar nach Annahme des Amtes unverzüglich ein Verzeichnis der in seiner Verwaltung stehenden Nachlassgegenstände zu erstellen und bekannte Nachlassverbindlichkeiten mitzuteilen. Dieser ihm obliegenden Pflicht ist der Testamentsvollstrecker nicht unverzüglich nachgekommen. Die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erfolgte im November 2002, erst nach Aufforderung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ist das Verzeichnis erstellt worden. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob ein Erbschein erteilt ist. Das Landgericht ist zu Recht von einer Pflichtverletzung des Beklagten ausgegangen.

Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden in Form von Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Das Landgericht hat dem Kläger nur die Erstattung von Rechtsanwaltskosten zugebilligt, die nach BRAGO entstanden wären. Die Vereinbarung eines höheren als des sich aus der BRAGO ergebenden Honorars verstoße in der Regel gegen die in § 254 Abs. 2 BGB dem Geschädigten obliegende Pflicht, den Schaden zu mindern. Dabei hat es einen Gesamtstreitwert von 30.000 € für insgesamt drei Ansprüche (Ansprüche aus § 2215 Abs.1 BGB und 2218, 666 BGB auf Auskunft und Rechnungslegung) mit einem jeweiligen Einzelstreitwert von 10.000,--€ bei Ansatz einer 7,5/10 Gebühr zugrunde gelegt. Darüber hinaus hat das Landgericht einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die im Rahmen von Vergleichsverhandlungen entstanden sind, abgelehnt, weil es nach der Beweisaufnahme nicht habe feststellen können, dass der Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, dass ein Vergleichsabschluss zustande kommen werde und ohne triftigen Grund die Vergleichsverhandlungen abgebrochen habe.

Der Senat hält mit der Berufung des Klägers die Kürzungen des Schadensersatzbetrages auf der Grundlage einer Abrechnung nach BRAGO für nicht berechtigt. Es handelt sich vorliegend um einen sehr komplexen und schwierigen Fall. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts, der besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Erb- und Steuerrechts aufweist, war angesichts der beharrlichen Weigerung des Beklagten, ein Nachlassverzeichnis vorzulegen, erforderlich. Der Beklagte hat darüber hinaus den Kläger als Erben nicht über wesentliche Umstände des Nachlasses informiert, keine ordnungsgemäßen Rechungen erteilt und über einen langen Zeitraum keinen Erbschaftssteuerbescheid oder eine Erbschaftssteuererklärung vorgelegt. Der Beklagte ist als Testamentsvollstrecker wegen schuldhafter Pflichtverletzungen aus wichtigem Grund nach § 2227 BGB durch Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 28.11.2006 (2 T 870/05) entlassen worden. Der Beklagte ist nicht in ausreichendem Maße seiner Informations- und Benachrichtigungspflicht nachgekommen. Für den Kläger bestand als Erbe die Gefahr, einer einkommens- und umsatzsteuerrechtlichen, möglicherweise auch einer strafbewehrten Haftung ausgesetzt zu sein, da er gegenüber dem Finanzamt aufgrund der mangelnden Auskünfte des Beklagten keine Erklärungen abgeben konnte. Es bestand die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass er gegenüber dem Finanzamt als Steuerschuldner unmittelbar in die Haftung genommen würde. Mit dem Nachlass waren Einnahmen aus Mieterträgen und Kapitalvermögen verbunden. Es war mit erheblichen steuerpflichtigen Gewinnen zu rechnen. Angesichts des Gesamtumsatzes des Nachlasses vor Abzug von Vermächtnissen etc. stand entsprechend den Ausführungen in der Klageschrift ein Betrag von 885.540,28 € im Raum. Angesichts dieser Situation war die Vereinbarung eines Zeithonorars mit einem Stundenansatz von 250,--€ nach Auffassung des Senats angemessen und die vorgelegten Honorarrechnungen (Anlage zum Schriftsatz vom 14.03.2006, GA 123 ff.) auch nicht überzogen.

Die Höhe der Stundenzahl war zwischen den Parteien strittig (GA 99, 110 ff.) und bedurfte der weiteren Aufklärung. Der Senat hat hierzu gemäß § 358 a ZPO mit Beschluss vom 13.03.2008 (GA 393) Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.05.2008 (GA 401) Bezug genommen.

Wie bereits mit Hinweisverfügung vom 11.01.2008 ausgeführt (GA 365), erachtet der Senat entgegen der Auffassung der Berufung und mit dem Landgericht jedoch die Erstattung der Kosten für den fehlgeschlagenen Vergleich im Zusammenhang mit dem vom Kläger vorgeschlagenen Erbschaftskaufvertrag für nicht sachgerecht. Hier handelte der Kläger auf eigenes Risiko. Der Beklagten hat mit Schreiben durch den Zeugen Notar Dr. A. vom 29.04.2004 zwar mitteilen lassen, dass er bereit sei, den Vorschlag zur Abwicklung der Nachlassangelegenheit zu überprüfen, hierfür aber keine Kosten übernehme. Notar Dr. A. hat in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht am 8.9.2006 (GA 196) deutlich gemacht, dass der Beklagte in seinem Verhalten hin und her geschwankt hatte. Der Zeuge Dr. A. hat bekundet, dass der Beklagte geschwankt habe, ob Rechtsanwalt W. einen Vergleichsvorschlag entwerfen sollte. Schließlich äußerte der Zeuge Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit eines solchen Erbschaftskaufvertrages.

Soweit der Kläger nunmehr vorträgt, er habe zwischenzeitlich erfahren, dass ihm Schadensersatz- und Rückforderungsansprüche gegenüber dem Beklagten in Höhe von mehr als 500.000 € zustünden, rechtfertigt dies nicht die Erhöhung des Anwaltshonorars. Es ist völlig offen, ob dieser Sachvortrag zutrifft.

Ausgehend von der im Berufungsverfahren über den ausgeurteilten Betrag noch weiter verfolgten Honorarforderung in Höhe von 12.212,11 € nebst Zinsen sind vorab die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erstellung des Vergleichsentwurfs in Abzug zu bringen. Der Kläger hat das anteilige Anwaltshonorar gemäß Schriftsatz vom 16.12.2005 (GA 96) auf 6.056,51 € beziffert.

Der Senat ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nach Vernehmung des Zeugen Rechtsanwalt W. zur Überzeugung gelangt, dass das im Berufungsverfahren restliche Anwaltshonorar in Höhe von 6.155,60 € nebst Zinsen als Schadensersatz dem Beklagten entgegenhalten werden kann.

Der Zeuge W. hat in der Beweisaufnahme glaubhaft für den Senat dargelegt, dass er die mit Schriftsatz vom 16.12.2005 (GA 81 ff.) vorgetragenen Tätigkeiten für den Kläger wahrgenommen hat. Er hat den Inhalt der Aufwandserfassung (K 35, GA 99) bestätigt. Der Zeuge hat hierzu bekundet, dass er die Erfassung der Daten zeitnah zu der jeweiligen Tätigkeit vorgenommen habe. Der Zeuge hat die Vorgehensweise für den Senat anschaulich dargelegt. Danach sei in der Honorarvereinbarung als geringst mögliche Zeitspanne eine solche von 6 Minuten vereinbart. Diese werde für die jeweilige Tätigkeit als Mindestzeit berechnet. In dieser Zeiterfassung seien ausschließlich Tätigkeiten enthalten, die er persönlich vorgenommen habe. Zeitlicher Aufwand durch nicht juristische Mitarbeiter werde nicht berechnet. Der Zeuge hat auf Vorhalt durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu den einzelnen Honorarrechnungen teilweise detaillierte Angaben gemacht. Auch wenn der Zeuge zu den geschilderten Vorgängen zum Teil keine konkreten und präsenten Erinnerungen mehr hatte und auf die erstellten Unterlagen (Zeiterfassung etc.) Bezug nehmen musste, hatte der Senat gleichwohl keine Bedenken an der Richtigkeit seiner Aussage. Die Honorarforderungen waren in dem dargestellten Umfange berechtigt.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Auf die Berufung des Klägers war das angefochtene Urteil abzuändern und im Übrigen die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.554,63,-- € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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